Vielen Dank, lieber Wolfgang, für Deine Eindrück von dieser Sinopoli-Scheibe (DG). Ich hatte kürzlich im Rahmen des hier im Forum ausgebrochenen "Schumann-Fiebers" via Spotify auch kurz hineingehört und kann Deine Eindrücke im Großen und Ganzen bestätigen: gut, aber nicht unbedingt herausragend. Besser scheint mir Sinopolis später entstandene Einspielung im Rahmen der Gesamtaufnahme mit der Staatskapelle Dresden geraten zu sein, ohne dass ich jetzt sagen würde, dass das die von Sawallisch mit demselben Orchester überträfe.
Ich will eine weitere Aufnahme ins Spiel bringen, auf die ich auch erst vor wenigen Tagen eher zufällig stieß:
Ernest Ansermet würde man jetzt nicht unbedingt mit Schumann in Verbindung bringen, auch wenn er alle vier Symphonien mehrfach im Konzert dirigierte und zumindest die 1. und die 2. für Decca einspielte. Diese Doppel-CD umfasst Aufnahmen zwischen 1950 und 1965. Der Fokus liegt auf den in Stereo eingespielten Werken: der 2. Symphonie, der "Manfred"-Ouvertüre (beide 1965) sowie "Adagio und Allegro" in einer Orchesterfassung von Ansermet selbst (1957). Der Rest (Klavierkonzert 1950, 1. Symphonie 1951, Cellokonzert 1953) liegt leider nur in Mono vor, so dass die Decca-Vorteile des ausgezeichneten Klangs bereits in den frühen Tagen der Stereophonie dort nicht zum Tragen kommen. Angesichts des günstigen Preises der Doppel-CD ist dies aber zu verschmerzen.
Zunächst zu den Spielzeiten: 12:33 - 6:57 - 9:17 - 8:59. Die Einleitung des Kopfsatzes gelingt außergewöhnlich verinnerlicht. Die nachfolgende Klimax weiß Ansermet spannungsvoll aufzubauen. Das Scherzo erinnert stellenweise tatsächlich an Mendelssohn (worauf auch Raymond Tuttle im Einführungstext verweist). Im langsamen Satz vermeidet Ansermet Kitsch und zuviel Sentimentalität. War die Aufnahme bis dahin wirklich schon sehr gelungen, folgt im schwierigen Finalsatz tatsächlich nochmal eine Steigerung. Ansermet gelingt es, jeden Anflug von Monotonie im Ansatz zu unterbinden. So detailreich und klangschön hört man das selten. Ein echter Aha-Effekt erfolgt in der Coda, wenn der Paukist zur Höchstform aufläuft und knallhart auf sein Instrument eindrischt. Wow. In solcher Intensität meine ich das noch nie vernommen zu haben. Die Schläge klingen auch überhaupt nicht pauschal, sondern sehr ausdrucksstark. Ähnlich Bernstein (besonders in der New Yorker Aufnahme) verlangsamt Ansermet dazu in den letzten Takten das Tempo und erzielt so einen Gänsehautmoment. Das zuweilen kritisierte Orchestre de la Suisse Romande brilliert zumindest hier ohne Fehl und Tadel.
Ich muss sagen, dass ich diese Aufnahme nun tatsächlich gleichberechtigt neben Bernstein (New York und Wien) sowie Klemperer (live) stellen würde. Die während derselben Aufnahmesitzung eingespielte "Manfred"-Ouvertüre (11:59) ist ebenfalls oberste Liga. Allein diese beiden Werke rechtfertigen die Anschaffung dieser durch die australische Decca Eloquence erstmals auf CD herausgebrachten Einspielungen.