Wenn Carmen Don Jose erschießt

  • Ich erinnere mich, im TV in den 90er Jahren einen Schilderung einer "AIDA - Neu - Inszenierung" gesehen zu haben. (Ich glaube das war in Essen, Aalto Theater???).
    Radames mit Stahlhelm, Maschinenpistole und 2. WK - Uniform!!! Na, da ist doch was, das hat doch was... Endlich mal was anderes, als diese stinklangweiligen Inszenierungen.
    Das wäre doch eine neue, interessante Sichtweise. Da mir, zugegeben, diese Sichtweise und Gedankenwelt verschlossen bleibt, kannst Du oder ein anderer Verfechter solch
    moderner Inszenierungen und Sichtweisen, mich / uns an Eurer Gedankenwelt teilhaben lassen und aufklären.


    1.) Ich bin kein Verfechter von irgendwas, ich bin auch kein Kämpfer oder ähnliches. Ich bin nur ein Kunstkonsument, der sich gerne überraschen lässt und über Werke auch nachdenken möchte.


    2.) Ich kenne die von dir beschriebene Inszenierung nicht, ich kenne nicht einmal Aida wirklich, mangels Interesse an diesem Stoff.


    3.) Du pickst dir eine Inszenierung raus, und tust so, als sei die stellvertretend für alle. Das wäre so, als würde ich sagen "Ich habe gestern einen wurmigen Apfel gegessen, alle Äpfel sind wurmig!".


    Ich habe ja hier bereits eingeräumt, dass ich kein Freund von Inszenierungen bin, die um jeden Preis schockieren oder provozieren wollen, und ich bin auch kein Freund von zeitlichen Verlegungen von Opernhandlungen. Wenn eine Inszenierung mir neue Denkanstöße gibt, vielleicht neue Sichtweisen, oder zumindest einfach nur interessant gemacht ist, weil sie etwa die Musik auf eine neue Art ausdeutet, dann passt alles. Wenn sie das nicht tut, dann war es halt nichts, aber vielleicht hat es anderen Zuschauern besser gefallen und wiederum die zum Nachdenken gebracht. Ich urteile da nicht darüber. Weder würde ich sagen "Alle traditionellen Inszenierungen sind schlecht" noch "Alle modernen Inszenierungen sind gut", und umgekehrt.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Lieber Crissy,


    mich interessiert überhaupt nicht mehr, was manche Leute fälschlicherweise unter "neuer Sichtweise" verstehen wollen. Wenn Leute darunter verstehen, dass "neue Sichtweise" heißt, die Handlung nach Libretto, auf die auch die Musik komponiert ist, einfach über den Haufen zu werfen und statt dessen irre Ideen eines Intendanten oder Regisseurs, die ihren Frust herauslassen müssen, als Handlung zu präsentieren, dann sind diese Leute für mich völlig indiskutabel.
    Man kann "neue Sichtweisen" auch präsentieren, ohne die Handlung zerstören zu müssen. Und das konnten frühere Regisseure und viele Regisseure können das heute noch (leider aber fast nur noch im Ausland). Hier schüttet man auf die Zuschauer aus, was sich woanders "German trash" nennt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ist auf jeden Fall eine tolle Werbung für diese Inszenierungen; viel schlimmer wäre es für die Regisseure, würde man ihre Inszenierungen gar nicht erwähnen und mit völliger Gleichgültigkeit abstrafen ;)

    Diese Art der PR hatte uns zu Beginn 2016 doch ganz schön genervt, weil wir dadurch echt Schwierigkeiten bekamen, noch Tickets für den neuen Freischütz (Karmensek, Voges, Bärenklau) in Hannover zu ergattern. Und zuweilen wird Neuinszenierung erst zur übernächsten Spielzeit fortgesetzt, wie eben besagter Freischütz. Solange wollten wir keinesfalls warten. Hatte glücklicherweise geklappt. Kartennachfrage scheint inzwischen entspannter... . Werden es uns in dieser Saison zum 2. Mal reinziehn......

  • Da hast du bestimmt die Karten bekommen, die ich zurückgegeben habe. Mir dieser "Interpretation" wollte ich weder meine Augen noch meine Ohren beleidigen.
    Am Ende der damaligen Saison habe ich übrigens auch mein Abo gekündigt.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Diese Art der PR hatte uns zu Beginn 2016 doch ganz schön genervt, weil wir dadurch echt Schwierigkeiten bekamen, noch Tickets für den neuen Freischütz (Karmensek, Voges, Bärenklau) in Hannover zu ergattern. Und zuweilen wird Neuinszenierung erst zur übernächsten Spielzeit fortgesetzt, wie eben besagter Freischütz.
    Solange wollten wir keinesfalls warten. Hatte glücklicherweise geklappt. Kartennachfrage scheint inzwischen entspannter... . Werden es uns in dieser Saison zum 2. Mal reinziehn......


    Da hast du bestimmt die Karten bekommen, die ich zurückgegeben habe. Mir dieser "Interpretation" wollte ich weder meine Augen noch meine Ohren beleidigen.
    Am Ende der damaligen Saison habe ich übrigens auch mein Abo gekündigt.

    :hahahaha: :thumbsup: :jubel: :hahahaha:
    Danke, liebe Mme. Cortese, für die schlagfertige Erwiderung, über die ich mich köstlich amüsiert habe.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Auch wenn es eingangs in diesem Thread um die Veränderung und Neudeutung im Finale der Handlung in der "Carmen" ging, erweitert sich logischerweise das Thema,
    weil es ja in vielen anderen Inszenierungen auch "geniale Ideen" einer Neugestaltung gibt (s. m. Btr. 90, mit der von mir kurz beschriebenen AIDA).


    Meistens ist es der Chef unseres Forums, der dankenswerterweise immer mal wieder alte Threads /Themen, die dann etwas eingeschlafen waren,
    aus der Versenkung hervor holt und zu neuem Leben erweckt. Das könnte und sollte vor allem für Neumitglieder interessant sein, weil Themen der Vergangenheit
    evtl. zu neuen Diskussionen anregen. Und interessant ist es allemal, selbst für "Alt - Mitglieder", da mal wieder reinzuschauen.
    Ich habe gestern abend mal in alten Threads gestöbert und bin u. a. auf einen Beitrag von mir gestoßen, den ich fast auf den Tag genau, vor vier Jahren reingestellt habe.
    Mir ging es damals darum aufzuzeigen, wie jemand neutral, der nichts mit unserem Forum zu tun hat, die Theaterlandschaft betrachtet und bewertet.
    Auch wenn dessen Btr. inzwischen nun schon 12 Jahre alt ist, hat er an Aktualität (leider) nichts eingebüßt.
    Der Einfachheit halber, damit niemand erst lange suchen muß, habe ich meinen damaligen Btr. kopiert, und stelle ihn nun erneut rein.


    CHRISSY




    Sonntag, 19. Januar 2014, 19:48


    Ich habe heute im Netz zufällig eine Leserzuschrift aus meinem regionalen Tageblatt "Sächsische Zeitung" gefunden, die zwar schon 8 Jahre alt ist,
    aber an Aktualität nichts eingebüßt hat.
    Ich möchte Euch diese zur Kenntnis geben, weil ich schon oft in unserem Forum lobend von selbst erlebten Inszenierungen aus dem tschechisch / böhmischen Theater Liberec
    berichtet habe und sehe dies als Ergänzung und Bestätigung zu meinen bisherigen Ausführungen.
    Ich möchte betonen, daß ich mit dem Autor nicht identisch bin, ihn auch nicht kenne und keinerlei Verbindung habe. Aber dieser Aussage stimme ich vollinhaltlich zu.


    CHRISSY



    Sächsische Zeitung


    Donnerstag, 16.02.2006


    "Rigoletto in Turnschuhen"


    Seit acht Jahren besuche ich regelmäßig Opern- und Operetten-Aufführungen im Südböhmischen Theater in Budweis.
    Auch das Budweiser Theater spielt wie in Liberec Opern und Operetten so, wie sich das Autoren, Texter und Komponisten vorgestellt haben, so dass die Vorstellungen einen nachhaltigen sehr positiven Eindruck bei den Besuchern hinterlassen, und die – egal ob Tschechen, Deutsche oder andere – den wohlverdienten Applaus spenden.
    Opern werden in der Originalsprache, Operetten in tschechisch dargeboten. Auch stilisierte Bühnenbilder sind zu erleben, doch sind sie stets dem Original nachempfunden.
    Die Kostüme und Handlungen orientieren sich an den Uraufführungen und werden keinesfalls in die Jetztzeit transponiert. Kurzum: Das Südböhmische Theater fühlt sich voll
    dem klassischen nationalen und internationalen Kulturerbe verpflichtet (und bietet aber auch zeitgenössisches Theater).
    Regisseure, Sänger und Orchester sind erstklassig und professionell.
    Wenn man dagegen die Regieklamotten in unseren großen Staatstheatern sowohl in Dresden, Berlin und anderswo sieht, fragt man sich, ob die staatlichen Zuschüsse für diese Theater nicht zu hoch bemessen sind, weil dadurch Intendanten und Regisseure offensichtlich nicht mehr gewillt und genötigt sind, Theater für die Zuschauer zu machen und sich als „Elitäre Schicht“ über den Geschmack der Mehrzahl der Zuschauer hinwegsetzen.
    Das Schlimmste dabei ist für mich, dass gestandene Sänger diesen Unsinn mitmachen. So z. B. in der komischen Oper in Berlin,
    wo der Herzog im „Rigoletto“ als Peter-Kraus-Verschnitt der 60-er Jahre in Jeans und Turnschuhen auf einem Dampfer á la Titanic auftritt,
    oder wo sie ihre Arien in einem Puff singen, wenn sie „Die Entführung aus dem Serail“spielen.
    Von der „Seppelhosen - Fledermaus der Semperoper ganz zu schweigen. Johann Strauß würde diesen Inszenierungs Klamauk verbieten lassen,
    zumal die Aufführung eigentlich nur wegen des „Stumpi-Frosch‘s“ und der Musik besuchenswert ist.
    Wie man modernes Musiktheater spielen kann und soll, zeigen die sehenswerten Lloyd-Webber-Musical-Aufführungen oder die Opern zeitgenössischer Komposition.


    Claus Gärtner, Lommatzsch


    (Erklärung zu "Stumpi- Frosch": Gemeint ist hier der beliebte Schauspieler "Wolfgang Stumph", der ein "Dresdner Original" ist und wohl in dieser Semperoper - Fledermaus den Frosch gegeben hat).

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Das klingt interessant, wo kann man das sehen?




    LG,
    Hosenrolle1


    Das, lieber "Hosenrolle1", ist die Bieito-Inszenierung an der Komischen Oper Berlin, die auch 2018 wieder gezeigt wird:


    https://www.komische-oper-berl…ntfuhrung-aus-dem-serail/


    Eine wirklich sehenswerte Produktion, eine der eindrücklichsten Opern-Aufführungen, die ich bisher erlebt habe. Sie stammt übrigens aus dem Jahr 2004, soviel also zu der immer wieder gerne erhobenen Behauptung, moderne Inszenierungen würden sich nicht lange im Spielplan halten.


    Aber für Dich ist das ja uninteressant, weil nicht auf "period instruments" gespielt wird. ;)

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Das klingt interessant, wo kann man das sehen?

    Der Richtigkeit halber - das von Dir reingestellte Zitat ist nicht von mir, sondern von dem unterzeichnenden "Claus Gärtner", den ich nicht kenne.
    Ich habe dessen Btr. damals und nun erneut nur wiedergegeben.


    Und wo wan so etwas sehen kann? Als Tip - da gibt es z. B. in Hamburg einen bestimmten Bezirk, eine Gegend, wo so etwas zu sehen ist und da auch hingehört.
    Dort mag und soll es gerne seine Berechtigung haben - aber nicht auf der Opernbühne!!!


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Dort mag und soll es gerne seine Berechtigung haben - aber nicht auf der Opernbühne!!!


    Irrtum, auf der Opernbühne hat grundsätzlich erst einmal alles seinen Platz und seine Berechtigung.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Danke für die Hinweise! Mit Bieto habe ich meine Probleme, nicht weil er moderner inszeniert, sondern weil ich meine, dass die von ihm in so ziemlich allen Inszenierungen eingesetzten Mittel wie Blut, Nacktheit und Gewalt etc. eher eine Masche sind, und ziemlich unkreativ, weil sowas schockt heute niemanden mehr. Ich will mich ja überraschen lassen durch die Inszenierung, und bei ihm kann ich davon ausgehen, was in etwa passieren wird. Aber ich werd mal nach Infos und einem Trailer zu der Produktion suchen, vielleicht ist das diesmal anders? Mal schauen :)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Mit Bieto habe ich meine Probleme, nicht weil er moderner inszeniert, sondern weil ich meine, dass die von ihm in so ziemlich allen Inszenierungen eingesetzten Mittel wie Blut, Nacktheit und Gewalt etc. eher eine Masche sind, und ziemlich unkreativ, weil sowas schockt heute niemanden mehr.


    Auch da muss ich widersprechen, denn diese Mittel werden keinesfalls immer eingesetzt (da ich ein großer Fan von Bieito bin, habe ich sehr viel von ihm gesehen). Das Image des "Skandal-Regisseurs" ist von den Medien erzeugt worden und wird gerne wiederholt, auch wenn gar nicht zutrifft. Bieito ist ein sehr ernsthafter, an den Stücken interessierter Regisseur, dem es gewiss nicht primär darum geht, Skandale hervorzurufen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Irrtum, auf der Opernbühne hat grundsätzlich erst einmal alles seinen Platz und seine Berechtigung.


    So ist es.


    Theater und Oper ist kein Wunschkonzert, nach dem Motto "Sie wünschen, wir spielen". Solange keine strafrechtlich Relevanten Handlungen auf der Bühne passieren, die ein Fall für die Justiz sind, darf alles gemacht werden. Und das ist auch gut so.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Auch da muss ich widersprechen, denn diese Mittel werden keinesfalls immer eingesetzt (da ich ein großer Fan von Bieito bin, habe ich sehr viel von ihm gesehen). Das Image des "Skandal-Regisseurs" ist von den Medien erzeugt worden und wird gerne wiederholt, auch wenn gar nicht zutrifft. Bieito ist ein sehr ernsthafter, an den Stücken interessierter Regisseur, dem es gewiss nicht darum geht, Skandale als Selbstzweck hervorzurufen.


    Dass er ernsthaft arbeitet und am Stück interessiert ist bezweifle ich nicht, weil ich ihn nicht gut genug kenne. Aber ich habe mehrere Trailer (ausgenommen von der Entführung) gesehen, und jedesmal gab es da die genannten Dinge zu sehen, so dass ich schon den Eindruck habe, dass diese Mittel eher als Trademark eingesetzt werden, damit man sofort erkennt "Ah, eine Bieto-Arbeit".


    Ich bin, wie du sicher weißt, alles andere als prüde und aufgeschlossen, open-minded sozusagen, aber mir ist schon wichtig, dass ein Regisseur am Stück interessiert ist, neue Denkanstöße bietet, etc., aber nicht, dass er Stücke benutzt, um um jeden Preis "schocken" zu wollen; sowas gibt´s ja auch.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Da hast du bestimmt die Karten bekommen, die ich zurückgegeben habe. Mir dieser "Interpretation" wollte ich weder meine Augen noch meine Ohren beleidigen.

    Falls drei Stück 2. Rang rechts, dann herzlichen Dank. Wir waren zu Dritt im Freischütz.. Eine – eher „konservativ“ eingestellte - aus der Begleitung reagierte darauf harsch ablehnend. Sie will und wird diesen keinesfalls erneut besuchen => Event-Wiederholung bloß zu zweit . Sie bevorzugt Freischütz mit „deutschen Wald“, den ich auch gern goutiere. (z.B. komplettes N3-Mitschnittsvideo aus Eutin).
    https://www.youtube.com/watch?v=3w2i9np66pA
    https://www.youtube.com/watch?v=AnsRLsFQ1gc


    Allerdings sind wir am 14.04. wieder zu Dritt zur Aida, verzapft vom nämlichen Opernzerstörer-Team.


    Und sie war von Martin G. Bergers Schändung der Verkauften Braut (auch Bergers Fledermaus) höchstlich begeistert/beeindruckt
    https://www.youtube.com/watch?v=FejkLBkMRnM


    Und das sogar ungleich stärker, als von der „eher „konservativen“ Variante aus Hildesheim, die wir allerdings auch genossen haben.
    https://www.youtube.com/watch?v=cNfxoZcKg30


    Als ich ihr – spaßeshalber – den unterhaltsamen Veriss von Marie Luise Gilles (MLG) vorlas, wurde sie sehr sauer auf mich und bestand nachdrücklich darauf, auf freundliche Feedbacks zur Inszenierung von Berger hingewiesen zu werden ...


    Auszug MLG-Verkaufte-Braut-Feedback als „Appetizer“
    Ein Animateur, der sich als Promoter der Firma 'Proletencall' - angeblich vom Intendanten selber zu Hilfe für die Produktion der Oper gerufen - quasselt und nervt , regt das Publikum zu 'move' an, schreit nach Applaus, das Publikum folgt und klatscht sich in Laune........


    'Irgendwie' - ein Wort, das ich von Herzen hasse - wird die Oper 'Die verkaufte Braut' in das Gezappel hineingebastelt, man singt, begrapscht sich, hockt aufeinander, mimt Vereinsleben, der Motivationstrainer ruft sich selber zu: "Ich bin gut! Ich bin gut!"
    Endlich Pause.
    Mir ist schlecht....
    Mir ist speiübel. Nichts wie raus! .......


    Das Publikum grölt, die Umerziehung vom kultivierten Theaterbesucher zur 'misera plebs' ist gelungen.


    Jetzt sind wir ganz nach unten geöffnet.
    Alternativ, tiefer, tiefer, ganz unten. ......

    (Marie Louise Gilles)


    Erstaunlich, dass so eine Idee wie die von Martin G. Berger im Posting Nr.65 nicht auftaucht: => da ist durchaus noch sehr viel Luft nach oben.
    Wir werden uns in dieser Spielzeit diese Verkaufte Braut erneut reinziehn...

    Wenn man dagegen die Regieklamotten in unseren großen Staatstheatern sowohl in Dresden, Berlin und anderswo sieht, fragt man sich, ob die staatlichen Zuschüsse für diese Theater nicht zu hoch bemessen sind, weil dadurch Intendanten und Regisseure offensichtlich nicht mehr gewillt und genötigt sind, Theater für die Zuschauer zu machen und sich als „Elitäre Schicht“ über den Geschmack der Mehrzahl der Zuschauer hinwegsetzen.

    Herzlichen Dank für deinen Hinweis aus der Sächsischen Zeitung.
    Leider müssen Claus Gärtner wie auch MLG weiterhin damit leben, dass bisher zu viele Besucher – von MLG zur grölenden „misera plebs“ aufgewertet; ist also keinesfalls elitäre Schicht - anscheinend Freude/Interesse an derlei „Zersetzungen“ finden.


    Da fragt man sich, ob erhoffte Wende gegen das RT erst gelänge, falls Inszenierungen sich künftig den Bedürfnissen einer mutmaßlichen „elitären Schicht“ anpassen würden.

  • Da fragt man sich, ob erhoffte Wende gegen das RT erst gelänge, falls Inszenierungen sich künftig den Bedürfnissen einer mutmaßlichen „elitären Schicht“ anpassen würden.


    Das interessante daran ist, dass zum Beispiel Alfred die klassische Musik dezidiert als elitäres Unterfangen betrachtet und wiederholt seine Verachtung für den Pöbel kund tut, bei Opern-Inszenierungen dann aber immer gerne "das Publikum" gegen die "elitären" Kulturschaffenden ins Feld geführt wird. Elitär soll es also sein, aber nur solange man selbst zur Elite gehört. :D

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich bin, wie du sicher weißt, alles andere als prüde und aufgeschlossen, open-minded sozusagen, aber mir ist schon wichtig, dass ein Regisseur am Stück interessiert ist, neue Denkanstöße bietet, etc., aber nicht, dass er Stücke benutzt, um um jeden Preis "schocken" zu wollen; sowas gibt´s ja auch.


    Da bin ich völlig Deiner Meinung!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich möchte nochmals betonen, daß die reingestellten Zitate, wo ich angegeben werde, nicht von mir sind, sondern von dem Autor des damaligen Beitrages.
    Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, daß ich mir solchen Schwachsinn etwa selbst "reingezogen" habe!!!
    Und ich bekräftige meine Aussage zu derartigen Entgleisungen mit einem passenden Ausspruch eines sehr geschätzten Mitglieds unseres Forums, Zitat:
    "Man kann sich nur an den A... fassen, der Kopf ist zu schade dafür"!


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Da bin ich völlig Deiner Meinung!


    Dennoch möchte ich nochmal betonen, dass ich keine ganze Inszenierung von Bieto kenne, sondern eben nur besagte Ausschnitte aus diversen Trailern, und da gab es oft solche Szenen zu sehen.


    Ich will ihm also nicht unterstellen, dass das eine Masche von ihm ist, aber bin dennoch sehr skeptisch. Mir gefiel die Guth-Inszenierung vom Figaro, "obwohl" man da bei "Venite, inginocchiatevi" sozusagen handgreiflich wurde; in diesem Fall aber fand ich es nicht plump gemacht, man hat gemerkt, dass der Regisseur auf die Musik gehört hat und seine Idee war aus dem Stück heraus begründet, hat sich aus dem Stück ergeben. Ich hatte beim Ansehen nicht das Gefühl, dass er das einfach nur zeigen wollte, egal welche Oper er gerade inszeniert.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich möchte nochmals betonen, daß die reingestellten Zitate, wo ich angegeben werde, nicht von mir sind, sondern von dem Autor des damaligen Beitrages.


    Das war die Zitatefunktion, die dir das zugeordnet hat. Aber die Leute werden eh selbst lesen, dass du jemand anderen zitiert hast :)


    Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, daß ich mir solchen Schwachsinn etwa selbst "reingezogen" habe!!!


    Ja, das wäre auch schrecklich, wenn andere sehen, dass du dir selbst eine Meinung über eine Inszenierung bildest. Kann ich verstehen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Dennoch möchte ich nochmal betonen, dass ich keine ganze Inszenierung von Bieto kenne, sondern eben nur besagte Ausschnitte aus diversen Trailern, und da gab es oft solche Szenen zu sehen.

    ich kenne nur 3 Inszenierungen von Bieito. Am stärksten kam mir sein Wozzeck (auch musikalisch) rüber. Auch beeindruckte der Don Giovanni (leider dabei nicht das Orchester, sehr schade), während Carmen mich dermaßen enttäuschte, so dass ich es abgebrochen hatte...
    Es gibt auch schwächere bis misslungene Arbeiten; auch von bekannten Regiesseuren...
    Selbst beim - so szenisch bewunderten - Wozzeck gab es einen Moment, wo ich ganz konträr zu Bieitos Umsetzung bleibe. Während der Verwandklungsmucke (im 3. Akt) vor der letzten Szene mit Maries Kind, lässt er eine nackte Personengeruppe gemessenen Schrittes auftreten. Das kam mir dabei viel zu pathetiisch rüber und verdoppelte ganz unnötigerweise Bergs unvergleichlich fetzige Mucke. Weniger wäre da viel mehr gewesen... aber insgesamt halte ich ganz große Stücke von Bieitos Wozzeck

  • Wenn der Name Bieito fällt, dann sehe ich rot. Ich habe nie eine Inszenierung von ihm gesehen, hatte aber jahrelang das "Opernglas" abonniert, und das reichte für mein Urteil.


    Es reicht so weit, daß ich Karten für die Premiere vom Rheingold am 3.2.18 in Chemnitz (die ich schon habe!) wieder loswerden möchte. Und das nur, weil ich jetzt weiß, daß diese Inszenierung von einer Schülerin von Bieito (den Namen will und muß ich mir nicht merken) gemacht wird. Ehe ich mich grün und blau ärgere, gönne ich das Vergnügen anderen (die Vorstellung ist ausverkauft), und habe in der Zeitung annonciert. Wenn sich niemand meldet, landen die Karten im Müll. In meinem Freundeskreis hat niemand Interesse, auf die Gefahr einer Enttäuschung hin nach Chemnitz zu fahren. Ich lasse mir die Freude an der Oper aber nicht nehmen und sehe mir lieber das Karajan-Rheingold auf der DVD an.


    Meine Abneigung gegen Regietheater geht so weit, gar nicht erst die Inszenierung abzuwarten, sondern sogar finanzielle Verlust hinzunehmen. Das Zerreißen von 2 Karten würde mich 96,00 Euro kosten, ich täts sogar gerne. Jetzt, lieber Bertarido, Amfortas, Hosenrolle usw. könnt ihr mir alles Mögliche vorwerfen, aber meinem Standpunkt bleibe ich treu!! Ich wäre sogar stolz darauf, und ich werde Eure vorhersehbaren Reaktionen ignorieren. Nur über meinen voreiligen Kartenkauf ärgere ich mich, die Bestellung habe ich schon vor über 4 Monaten gemacht, ohne Kenntnis der Regietante.


    Übrigens kam vor einigen Tagen auf Servus-TV eine Sendung aus Wien, wo Holender das neue Leitungsteam der Staatsoper ab 2020 vorstellte. Ein Satz des neuen Intendanten ist mir im Gedächtnis geblieben, wonach man die "wunderbare" Inszenierung der Carmen aus Paris von Bieito als Maßstab nehmen könne. Armes Wien!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • ich kenne nur 3 Inszenierungen von Bieito. Am stärksten kam mir sein Wozzeck (auch musikalisch) rüber. Auch beeindruckte der Don Giovanni (leider dabei nicht das Orchester, sehr schade), während Carmen mich dermaßen enttäuschte, so dass ich es abgebrochen hatte...
    Es gibt auch schwächere bis misslungene Arbeiten; auch von bekannten Regiesseuren...


    Das auf jeden Fall.


    Wäre ja interessant zu sehen, wie er den Figaro inszenieren würde. Da hätte ich nichts dagegen, wenn er mal drastisch zeigt, was der Graf so alles aufführt, was sonst nur angedeutet wird - in diesem Fall hätte das sogar Sinn, und sein schmieriges, weinerliches "Contessa, perdono" würde nochmal in einem ganz anderen Licht dastehen. ;)




    LG,
    Hosenrolle1

  • ich kenne nur 3 Inszenierungen von Bieito. Am stärksten kam mir sein Wozzeck (auch musikalisch) rüber. Auch beeindruckte der Don Giovanni (leider dabei nicht das Orchester, sehr schade), während Carmen mich dermaßen enttäuschte, so dass ich es abgebrochen hatte...
    Es gibt auch schwächere bis misslungene Arbeiten; auch von bekannten Regiesseuren...
    Selbst beim - so szenisch bewunderten - Wozzeck gab es einen Moment, wo ich ganz konträr zu Bieitos Umsetzung bleibe. Während der Verwandklungsmucke (im 3. Akt) vor der letzten Szene mit Maries Kind, lässt er eine nackte Personengeruppe gemessenen Schrittes auftreten. Das kam mir dabei viel zu pathetiisch rüber und verdoppelte ganz unnötigerweise Bergs unvergleichlich fetzige Mucke. Weniger wäre da viel mehr gewesen... aber insgesamt halte ich ganz große Stücke von Bieitos Wozzeck


    Keine Frage, bei jedem Regisseur gibt es gelungene und weniger Arbeiten, aber das gilt wohl für jeden, der künstlerisch tätig ist. Auch Dirigenten liefern nicht nur Spitzeninterpretationen ab.


    Bietos "Wozzeck" hat mich auch sehr beeindruckt, und im Gegensatz zu Dir auch seine "Carmen", die ich in Barcelona live gesehen habe. Und natürlich der "Parsifal" in Stuttgart, großartig! An der Komischen Oper Berlin erinnere ich mich neben der "Entführung" noch an eine ebenfalls sehr gute "Armida" (Gluck). Als weniger gelungen habe ich seinen "Freischütz" und die "Karmelitinnen" in Erinnerung, auch die "Lulu" in Basel fand ich nicht überragend. Aber interessant sind seine Arbeiten fast immer.


    Was ich mir wünschen würde: Einen Bieito-Ring, am liebsten in Bayreuth!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Es reicht so weit, daß ich Karten für die Premiere vom Rheingold am 3.2.18 in Chemnitz (die ich schon habe!) wieder loswerden möchte. Und das nur, weil ich jetzt weiß, daß diese Inszenierung von einer Schülerin von Bieito (den Namen will und muß ich mir nicht merken) gemacht wird. Ehe ich mich grün und blau ärgere, gönne ich das Vergnügen anderen (die Vorstellung ist ausverkauft), und habe in der Zeitung annonciert. Wenn sich niemand meldet, landen die Karten im Müll. In meinem Freundeskreis hat niemand Interesse, auf die Gefahr einer Enttäuschung hin nach Chemnitz zu fahren.

    Glückwunsch an Chemnitz, dass es Rheingold stemmt; auch Hochachtung/Dankeschön für verdienstvolle Ausgrabungen wie z.B. Hans Pfitzners Rose vom Liebesgarten (ca. 10 Jahre her) Hela/Beermann


    Drücke Chemnitz feste die Daumen für bestmögliches musikalisches und szenisches Gelingen der Wagnerei.

    Jetzt, lieber Bertarido, Amfortas, Hosenrolle usw. könnt ihr mir alles Mögliche vorwerfen,

    Es gibt zwar durchaus konträre Sichtweisen und Widerspruch, aber mir ist nichts an Vorwürfen aufgefallen.

    aber meinem Standpunkt bleibe ich treu!!

    kein Problem. Wäre m.E. weniger abwechslungsreich, falls du – wider Erwarten – zum RT-Freak mutierst.

    Ich wäre sogar stolz darauf, und ich werde Eure vorhersehbaren Reaktionen ignorieren.

    Um Kasper zu zitieren : das findet sich!

    ohne Kenntnis der Regietante.

    Hat sie denn Geschwister mit Nachwuchs ?(

    Wäre ja interessant zu sehen, wie er den Figaro inszenieren würde. Da hätte ich nichts dagegen, wenn er mal drastisch zeigt, was der Graf so alles aufführt, was sonst nur angedeutet wird - in diesem Fall hätte das sogar Sinn, und sein schmieriges, weinerliches "Contessa, perdono" würde nochmal in einem ganz anderen Licht dastehen. ;)

    Merkwürdigerweise berührt das einen musikalisch; quasi wie Innehalten, kurzes Eingedenken; vor allem auch Grafin: Più docile io sono, e dico di sì. .. vielleicht ist darin auch ein Moment an Trauer enthalten, weil dieser Einstand nach einer orchestralen Überleitung (aus der Beethoven m.E. am Ende des Fidelios Anregung schöpfte) aus der Perspektive des Questo giorno di tormenti (kommt mir auch wie Coda rüber) heraus, beinahe hektisch, gleichsam brutalst weggefegt wird ... ... „weinerlich“ passt - finde ich - gut zum Grafen, denn das bringt einen unwillkürlich auf den Gedanken, dass er im Verlaufe der Nozze eigentlich zunehmend an Souveränität verliert .. Sopran und Bariton könnten zu dieser innigen Stelle auch den daraus sich ergebenden Kontrast zwischen Weinerlichkeit und Ausdruck der Gräfin knallhart rausarbeiten; dabei unterstützt von Regie .. .. doch womöglich wird jetzt damit Nozze bloß umgebogen in überflüssige, modische Neudeutungen; ausgebrütet von krankhaften RT-Hirnen .

    Bietos "Wozzeck" hat mich auch sehr beeindruckt, und im Gegensatz zu Dir auch seine "Carmen", die ich in Barcelona live gesehen habe

    Ist wahrscheinlich mein ganz spezielles "Problem", das ich bisher mit szenischen Umsetzungen der Carmen mitschleppe, so auch mit B.A. Zimmermanns (Bazis) Soldaten und Verdis Otello... bisher glitten alle visuellen Eindrücke mir an Mucke ab. Aber vielleicht gibt es doch irgendwann mal für mich in den drei Fällen den jeweils echt großen szenischen Knaller...

  • erkwürdigerweise berührt das einen musikalisch; quasi wie Innehalten, kurzes Eingedenken; vor allem auch Grafin: Più docile io sono, e dico di sì. .. vielleicht ist darin auch ein Moment an Trauer enthalten, weil dieser Einstand nach einer orchestralen Überleitung (aus der Beethoven m.E. am Ende des Fidelios Anregung schöpfte) aus der Perspektive des Questo giorno di tormenti (kommt mir auch wie Coda rüber) heraus, beinahe hektisch, gleichsam brutalst weggefegt wird ... ... „weinerlich“ passt - finde ich - gut zum Grafen, denn das bringt einen unwillkürlich auf den Gedanken, dass er im Verlaufe der Nozze eigentlich zunehmend an Souveränität verliert ..


    Dazu möchte ich zunächst einen Beitrag von mir an anderer Stelle zitieren:


    Das "Contessa perdono" des Grafen muss man ja schon kritisch betrachten; Gunthard Born schreibt in einem Kapitel seines Buches "Mozarts Musiksprache" über bestimmte Tonfiguren:



    Es folgen einige Beispiele solcher katabasis-Figuren aus anderen Opern, dann die besagte Stelle:


    Born hat in jahrelanger, instensiver Arbeit in seinem Buch auf verschiedenste rhetorische Formeln in Mozarts Musik hingewiesen, zu dem Thema habe ich einen eigenen Thread geschrieben. (Falls du mal reinschauen willst, bitte nicht abschrecken lassen vom ersten Beitrag, in dem die Bilder fehlen; weiter unten habe ich den Beitrag neu geschrieben, und die Bilder ergänzt!)


    Aber auch unabhängig von der Rhetorik der Musik sowie dem reinen Klang der Musik, der Melodie an dieser Stelle würde mich das nie berühren, weil der Graf auf junge Mädchen steht, eine Freude am Entjungfern hat und dabei extrem eifersüchtig ist, so eifersüchtig, dass er einen 13 jährigen Jungen zum Militär schickt, und denkt, die Gräfin könnte etwas mit ihm haben. Viel mehr tut mir Barbarina leid (die in ihren wenigen Rezitativen bis ins unschöne As-Dur hinuntersteigt), und die in einer solchen Umgebung groß werden muss.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Lieber Amfortas, bei deinem Beitrag 114 hast du sträflicherweise etwas unterlassen, was sonst dein Markenzeichen ist:
    "Eine Oper sich reinziehen!" Was ist das? Wie geht das? Bei deinem Benutzernamen würde ich eher vermuten, dass du eine Oper "erleidest".

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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