Freude schöner Götterfunken - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 9 in d-moll op 125

  • Wenn ich mir die Neunte anhöre, möchte ich dieses Gefühl des Glücks darin schlüssig zum Ausdruck gebracht finden:


    Wem der große Wurf gelungen,
    Eines Freundes Freund zu sein;
    Wer ein holdes Weib errungen,
    Mische seinen Jubel ein!
    Ja – wer auch nur eine Seele
    Sein nennt auf dem Erdenrund!

    Und wers nie gekonnt, der stehle
    Weinend sich aus diesem Bund!

  • Warum, weiß ich nicht, aber meine Nr.1 ist und bleibt die


    Aufnahme unter Furtwängler von 1951 mit dem Chor und dem Orchester der Bayreuther Festspiele. Solisten: Elisabeth Schwarzkopf, Elisabeth Höngen, Hans Hopf und Otto Edelmann.


    Satzdauer. 1. Satz 17:50, 2. Satz 12:00, 3. Satz 19:32 und 4. Satz 24:59
    Gesamtdauer 74:24 min.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Uranus, Beitrag 600


    als "legendärer", zum Beispiel weil lange Zeit auf dem Markt besser erhältlich und wegen des völlig verrückten Schlussaccelerandos, gilt die vom März 42 mit Briem/Höngen/Anders/Watzke, die klingt auch technisch etwas besser als der dröhnende Mitschnitt vom Führergeburtstagskonzert 42 mit Berger/Pfitzinger/Rosvaenge/Watzke. Interpretatorisch liegt da aber kein Riesenunterschied vor.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Für mich unübertroffen (am besten in der Video-Aufzeichnung):




    Keiner bringt für mich den Geist dieses Werkes besser herüber als Bernstein.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Für die scheinbar epochale 1942er Aufnahme von Furtwängeler wäre ich ja gewillt, meine sonstige Mono-Ablehnung aufzugeben. Nach mehrfacher Durchsicht des Threads bin ich aber verwirrt - welche ist denn nun "die" legendäre, unverzichtbare Einspielung: Die vom März oder die vom April 1942? Vielleicht kann mir einer von Euch, der beide kennt, hier weiter helfen.


    Als "die" berühmte Furtwängler-Aufnahme von 1942 war wohl Jahrzehnte lang die von März des Jahres bekannt. Die vom "Vorabend des Geburtstages des Führers" von April kam erst nach 2000 erstmals auf CD heraus. Ich bin insofern geprägt, als ich letztere als erste kennenlernte. Von der Aufnahme stammt auch der berühmte Ausschnitt aus der Deutschen Wochenschau, wo Furtwängler am Ende sichtlich etwas widerwillig Goebbels' Hand schüttelt. Klanglich ist die von März in der Tat etwas besser, wobei man im Grunde bei beiden keinen allzu hohen Erwartungshorizont haben sollte. Mein persönlicher Favorit bei Furtwängler ist seine letzte Aufnahme der Neunten von 1954 aus Luzern mit dem Philharmonia Orchestra (u. a. erschienen bei Tahra und Audite).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Beethoven: Symphony No. 9, Vaclav Neumann, Czech Philharmonic Orchestra
    Recorded live at Tokyo Bunka Kaikan on December 3, 1976
    Denon (1985)
    Jarmilla Smickova, soprano; Vera Soukupova, mezzo; Vilem Pribyl, tenor and Richard Novak, baritone.
    Spielzeiten: 17:22 - 11:44 - 15:23 - 25:39


    81Xj3sYWmfL._SL300_.jpg


    Ich finde diese Aufnahme sehr, sehr gut :jubel:
    Tempo, Spannung passt und klanglich auch sehr fein 8-)
    LG

  • Wärest du so freundlich, uns die Namen der vier Solisten zu verraten?


    Bitteschön :) - habe sie auch noch bei meinem Originalbeitrag hinzugefügt - hätte ich ja auch gleich machen können :whistling:
    Jarmilla Smickova, soprano; Vera Soukupova, mezzo; Vilem Pribyl, tenor and Richard Novak, baritone


    LG

  • Danke, die beiden Herren sind mir aus diversen Opernaufnahmen wohlbekannt, die Altistin mehr vom Namen her, die Sopranistin kaum.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • William Steinberg


    Vor wenigen Tagen hatte Rollo in "heute gehört" berichtet, wie angetan er von William Steinbergs Aufnahme der Neunten war.

    Ein Ansporn für mich:

    Denn als letzte der Neun Sinfonien aus dem Steinberg - Zyklus habe ich mir die Neunte nun auch ganz angehört.


    Mein Begeisterung geht nicht ganz so weit, wie bei Rollo.

    Für sich gesehen eine auch von der Tempogestaltung stimmige und gute Aufnahme.

    8) Offenbar bin ich zu sehr von anderen Aufnahmen geprägt: Angefangen mit Klemperer (EMI) bei dem alles viel unmittelbarer in Stein gemeisselt klingt; auch die Pauken im 2.Satz hauen um und sind nicht so hallige Donnerbüchsen. Weiterhin Karajan (DG), der die Sinfonie dramatischer aufbaut (so und nicht anders hat das zu klingen - suggeriert mir Karajan in seinen 3 DG-Aufnahmen ! ). Die von DG, 1977 empfinde ich als die klanglich Natürlichste !


    DG, Command Classics 1963-1965, ADD


    Habe dann mal zum Vergleich auch in Bernstein / New Yorker (SONY) reingehört, bei dem die Emotionen fast überkochen ! Klanglich und von der Interpretation ebenfalls eine Wucht Bernstein / Wiener PH (DG - auf DVD mehr ein Erlebnis als auf CD !)


    *** Als Fazit für den Steinberg-Zyklus empfinde ich die Neunte als nicht so stark wie die meisten anderen Sinfonien aus der GA ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Meine allererste Neunte auf LP war diese:

    Ferenc Fricsay und die Berliner Philharmoniker (Aufnahme: 12/1957 & 1/1958). Es war m.W. die erste Stereo-Veröffentlichung der DGG. Inzwischen ist sie natürlich längst auf CD überspielt, sie klingt hervorragend, und der Hedwigs-Chor und die Solisten sind ebenfalls erste Sahne. Auf den Plätzen 2 und 3 würde ich Karajan (DGG, 1962) und Klemperer (EMI, 1959) ansiedeln.

    Doch eine wahre Hammeraufnahme, die mir fast die Socken von den Füßen gezogen hat, ist diese:

    Charles Münch mit dem Boston Symphony Orchestra (Aufnahme: 21/22.12.1958, Boston, Symphony Hall).

    Da geht echt die Post ab! Ich habe Münch sonst nie als besonders temperamentvoll empfunden, eher als soliden, detailversessenen Musiker (Brahms-Sinfonien, Mendelssohn, Schubert), doch hier wächst er über sich selbst hinaus. Und klanglich ist die CD eine wahre Wucht, sie stellt in dieser Hinsicht meine sämtlichen Neunten (mindestens 20) in den Schatten!

    Ich habe jetzt auf die Schnelle nicht alle 21 Seiten dieses Thread durchgesehen, aber wahrscheinlich ist sie schon einmal hier erwähnt worden.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich habe Münch sonst nie als besonders temperamentvoll empfunden, eher als soliden, detailversessenen Musiker (Brahms-Sinfonien, Mendelssohn, Schubert), doch hier wächst er über sich selbst hinaus.

    Der Eindruck, lieber nemorino, wundert mich nun aber wirklich. ;)
    Ich kenne eigentlich wenige Dirigenten, die eine solche unbändige Spontaneität entwickeln konnten wie Charles Munch.
    Es ist schier unglaublich, was er aus einem Orchester herausholen konnte. Nicht umsonst gilt er noch heute als der größte Bostoner Chefdirigent neben Kussewizki.
    Wobei ich zugebe, dass es vor allem die zahllosen Live-Mitschnitte sind, die mich bei Munch restlos mitreißen. Aus Boston wurde schon seit 1957 in Stereo im Rundfunk übertragen. In meiner Sammlung finden sich sicher zwei Dutzend Munch-Konzerte mit dem BSO von den späten 50er bis Mitte der 60er Jahre, die seine Qualitäten eindrucksvoll und klanglich astrein zur Schau stellen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • :(Ich kenne eigentlich wenige Dirigenten, die eine solche unbändige Spontaneität entwickeln konnten wie Charles Munch.

    Lieber Joseph II.,


    was lehrt mich das? Man sollte nie etwas auf die Schnelle "in die Tasten hauen":(!


    Das war natürlich völlig mißverständlich ausgedrückt, ich hatte spontan an die Brahms-Sinfonien Nr. 1, 2 & 4 sowie den Schubert (Ausnahme: Nr. 9, da ist er mir sogar etwas zu temperamentvoll) aus dieser Box gedacht:

    die ich sehr schätze! Das "solide" sollte keinesfalls mit "langweilig" oder "routiniert" übersetzt werden. In Beethovens Violinkonzert mit Jascha Heifetz entwickelt Münch ebenfalls ein schier überschäumendes Temperament, doch das habe ich stets in erster Linie dem Solisten zugeschrieben, der ja für seine z.T. atemberaubenden Tempi bekannt und berühmt war.

    Eine ganz herrliche, beinahe unübertreffliche Munch-Aufnahme scheint mir auch diese zu sein:

    die ich zu den herausragendsten dieses Werks rechne. Aber wir sind ja hier bei Beethoven, und vielleicht hatte ich Münchs Beethoven 5 im Ohr, die scheint mir weder klanglich noch darstellerisch zu seinen besten Aufnahmen zu gehören. Dafür ist ihm Schumanns "Frühlingssinfonie" wiederum glänzend gelungen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber nemorino,


    bitte fasse meine Erwiderung nicht als Kritik an Dir auf. So war das nicht gemeint. ;)
    Ich gehöre wohl zu den eher wenigen Hörern, die Munch mehr von Live- als Studio-Aufnahmen kennen, die zudem oft gar nicht kommerziell erhältlich sind.

    Mein Eindruck war dann in Fällen, wo ich beides kannte, dass ich ihn live sogar noch besser fand. Das soll die berühmten Studioproduktionen nicht abwerten, die teilweise legendär geworden sind.

    Da es hier hauptsächlich um Beethoven geht, muss ich aber auch einschränkend hinzufügen, dass mir Munch bei diesem Komponisten eher selten über den Weg gelaufen ist. Ich erinnere mich aus dem Stegreif gerade an eine Aufnahme der 4. Symphonie live, die ich aber als ganz hervorragend abgespeichert habe. Und die Achte müsste ich auch von ihm haben.
    Einen Zyklus hat er ja wohl nicht eingespielt? Zumindest wäre mir das neu.

    Beste Grüße

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Nemorino,


    dass Du die Munch-Aufnahme hervorhebst, ist absolut berechtigt. Ich bezeichne sie gerne als "nicht die schnellste, aber die feurigste" Aufnahme der 9. Sinfonie, die ich kenne. Ganz wenige Dirigenten widmeten sich der Sinfonie mit so viel Leidenschaft und Esprit.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Guten Abend,


    ich habe so meine Probleme mit der 9ten... werde mir morgen aber die Munch CD wieder anhören.


    Kalli

  • Und ich hab die Neunte mit Munch jetzt bestellt. Gezuckt hatte ich in der Vergangenheit schon ein paar Male!


    Jetzt komme ich auch bald auf ein Dutzend Aufnahmen im Regal. Dabei höre ich das Werk wirklich nicht oft.


    :thumbup:Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Und ich hab die Neunte mit Munch jetzt bestellt. Gezuckt hatte ich in der Vergangenheit schon ein paar Male!


    Jetzt komme ich auch bald auf ein Dutzend Aufnahmen im Regal. Dabei höre ich das Werk wirklich nicht oft.


    :thumbup:Wolfgang

    Als nicht sooo großer Beethoven Fan, muss ich jedoch nemorino Recht geben, diese Aufnahme ist der Knaller! :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Als nicht sooo großer Beethoven Fan, muss ich jedoch nemorino Recht geben, diese Aufnahme ist der Knaller! :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:


    LG Fiesco

    Das werde ich heute gerne noch überprüfen. Ich hatte sie wohl noch nicht gehört ... aber schon vor Jahren gekauft und dies gestern eine Stunde nach der Bestellung doch noch bemerkt. Stornierung erfolgreich.


    Nichts da gezuckt und so ...


    Man wird alt. :untertauch:


    :)Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Jukka-Pekka Saraste


    Lieber nemorino und WolfgangZ,


    da habt ihr ja wieder etwas ausgegraben - mit Charles Munch. (Warum schreiben einige auch Münch ?)

    Ich habe mir Ausschnitte auf YT angehört - und ja .... :thumbup: das ist der Hammer !


    Es gibt mit Munch fast alle Beethoven-Sinfonien in Einzelausgaben (auch Mono-Aufnahmen sind dabei), aber keine GA.


    Nun ja, da ich Beethoven 9 nun nicht so oft höre und die Neunte im Rahmen meiner GA auch mehr als 15x habe, soll mir YT mit Munch erst mal reichen !

    ;) Man muss es nicht übertreiben.

    -----------------------------------------------


    Aber ich habe eine recht aktuelle Aufnahme der Neunten gefunden, die an Leidenschaft und Esprit durchaus an Munch heranreicht:

    Jukka-Pekka Saraste mit dem WDR SO Köln (Hänssler). Da selbst die Spielzeiten fast identisch sind, könnte man fast vermuten, das Saraste Munch als Vorbildfunktion hatte ... ich höre eine ganze Menge parallelen. Auch die Pauken sind bei Saraste (wie in seiner gesamten GA) immer sehr präsent und nie verdeckt). :) Er lässt die Pauken auch so genüsslich knallen wie Münch. Gut, so ganz unbändig wie Munch im 2.Satz (megaklase) zeigt sich Saraste nicht ganz - dazu ist er nicht der Typ; aber er ist verdammt nah dran.


    Ich habe Sarastes GA erst seit ~2 Monaten.

    Die Neunte ist meistens die letzte Sinfonie, der ich mich bei einer neuen GA zuwende; so auch hier. Ich höre höchsten mal aus Neugier in den 2.Satz rein ... DA wir jetzt alle im Beethoven - Fieber sind und nach Walter und Steinberg folgte nun auch Saraste mit Beethovens Neunter komplett.

    :saint: Ich bin schwer angetan und megaüberrascht über Sarastes Weiterentwicklung in den Jahren. Nach seiner recht laschen und langweiligen Sibelius - Sinfonien - GA (in seinen Anfangszeiten auf Finlandia) hätte ich ihm so einen zackigen Beethoven gar nicht zugetraut. Eine meiner allerbesten Neunten (mit Leibowitz und Karajan).

    Kurzum: :angel: Nicht nur seine 9te hat Klasse, sondern sie gehört zu meinen besten Beethoven-Neuentdeckungen in meiner Sammlung.


    :!:Vorteil ist auch die aktuelle Klangtechnik vom Februar/März 2018, die das ausgezeichnet disponierte WDR SO Köln in allerbestem Licht dastehen lässt - ein Hörgenuss - fern jeder historischen Aufnahmepraxis --- einfach TOP mit Hörspass pur !!!


    Hänssler, 2017-2018, DDD


    Der Hammer war, dass einem dieses Beethoven-Genuss, für 10,-€ hinterher geschmissen wurde. Inzwischen ist einiges über diese lohnenswerte Beethoven-GA berichtet worden, so auch von mir, sodass der Preis nun auf das Doppelte angestiegen ist - nachvollziehbar, den sie ist es mehr als Wert.


    @ nemorino

    Du musst und solltest auch hier über den Schatten Deiner CD-Platzprobleme springen ..... :hello:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ja,


    Munch ist schon sehr, sehr gut. Ich habe ja so mein Problem mit dem letzten Satz. Gestern dann also Munch gehört - kann es nicht fassen - da gefällt er mir. Muss mal meine anderen 9ten auflegen.....Fange gleich mal mit derSolti analog CD an, danach digital......


    Kalli

  • Jukka-Pekka Saraste


    Lieber nemorino und WolfgangZ,


    da habt ihr ja wieder etwas ausgegraben - mit Charles Munch. (Warum schreiben einige auch Münch ?)


    Liebr Wolfgang,


    die Frage in Klammern ist leicht zu beantworten: Charles Munch wurde als Charles Münch geboren. Er war der Sohn des Elsässer Organisten und Chorleiters Ernst Münch.


    Dass Saraste nach Deinen Angaben auf den Spuren Munchs wandelt, wundert mich ein wenig, denn als besonders temperamentvoll habe seine Aufnahmen nicht unbedingt in Erinnerung behalten. Ich weiß, dass er bisweilen recht zügige Tempi spielen lässt, z.B. erinnere ich mich an eine (leider nicht auf CD erhältliche) Aufführung von Brahms' "Ein Deutsches Requiem" oder an Bruckners 8.(die ist auf CD erhältlich), wo er durchaus schnell unterwegs war, aber "Temperament" ist nicht nur "Tempo".


    Na, mal schauen, Bedarf habe ich nun wirklich keinen zwingenden bei den Beethoven Sinfonien, aber das soll mich im Zweifelsfall nicht abhalten... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Also genau genommen wurde er als Karl Münch geboren. Ich hatte auch mal einen Beleg vom Gewandhausorchester aus den frühen 1930er Jahren, wo er dergestalt als Konzertmeister geführt wurde. Auf die Schnelle finde ich nur den japanischen Wikipedia-Artikel des Gewandhausorchesters, wo er als 2. Konzertmeister zwischen 1925 und 1932 gelistet ist. Die Mischform Charles Münch taucht teilweise auf, ist aber spätestens seit seiner Berufung zum Chefdirigenten in Boston passé - die Amerikaner schrieben ihn stets Munch. Und in alten Rundfunkansagen wird er da tatsächlich teils englisch ausgesprochen á la "Tscharls Munch". Er selbst scheint sich nach dem Ersten Weltkrieg Charles Munch, eben französisch, geschrieben zu haben.

    So auch hier in uralten Rundfunkaufnahmen von Bach-Kantaten unter Karl Straube:


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    Unter "Violine" ist er aufgeführt als Karl Münch.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bezeichne sie gerne als "nicht die schnellste, aber die feurigste" Aufnahme der 9. Sinfonie

    Lieber Norbert,


    damit hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen! Wie gesagt, ich würde sie nicht unter meine drei Spitzenlieblinge des Werks rechnen, aber sie ist großartig dirigiert und in ihrem mitreißenden Impetus einzigartig.

    Also genau genommen wurde er als Karl Münch geboren.

    Lieber Joseph II.,


    eine außergewöhnliche Biographie, wie sie vielen Elsässern dieser Zeit widerfuhr. Karl Münch - später Charles Munch oder Münch - wurde 1891 in Straßburg geboren, als diese Stadt und das Umland als "Reichsland Elsaß-Lothringen" Bestandteil des Deutschen Kaiserreichs war. Im 1. Weltkrieg diente er im deutschen Heer als Unteroffizier (ähnliches geschah dem späteren französischen Premier- und Außenminister Robert Schuman). Nach dem für Deutschland verlorenen Krieg wurde das sogenannte "Reichsland" wieder von Frankreich in Besitz genommen, und die ansässige Bevölkerung wurde wieder französisch. Elsässer, die vor 1870 geboren wurden und den 2. Weltkrieg überlebten, wechselten im Laufe ihres Lebens nicht weniger als fünfmal (!) ihre Staatsbürgerschaft.

    Charles Münch bekannte sich nach 1919 als Franzose, ging aber bald darauf nach Leipzig, wo er zunächst als Musiklehrer am dortigen Konservatorium tätig war und ab 1925/26 als Konzertmeister zum Gewandhausorchester wechselte, um dieses Amt bis 1932 zu auszuüben. 1933 heiratete er eine Enkelin des Nestlé-Konzerngründers und zog nach Paris, wo er in verschiedenen Positionen wirkte. Münch hat seine deutschen Wurzeln nie verleugnet, aber während der deutschen Besatzung Frankreichs 1940-44 schloß er sich der Résistance an. Dafür erhielt er nach dem Krieg einen hohen Orden der französischen Ehrenlegion. Wie viele Elsässer fühlte er sich vor allem seiner elsässischen Heimat verbunden, die bis heute lieber als Elsässer denn als Franzosen oder gar Deutsche betrachtet werden wollen.

    Seine Glanzzeit als Musiker und Dirigent erlebte Charles Münch in den Jahren 1949 bis 1962, als er Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra war. Danach wirkte er vornehmlich als Gastdirigent, war aber entscheidend an der Gründung des Orchestre de Paris beteiligt, dessen Leitung er im Begriff zu übernehmen war, als ihn der Tod auf einer Konzertreise mit diesem Orchester durch die USA in Richmond, Virginia, ereilte. Er wurde 77 Jahre alt.

    Wie gesagt, ein erfülltes, abwechslungreiches, teils abenteuerliches Leben eines wunderbaren, von mir hochverehrten Musikers. Seine Aufnahmen sind noch heute unter Sammlern und Liebhabern heißbegehrt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hoch interessant, was Ihr schreibt! Charles Munch hat sich Zeit seines Lebens sehr für Bohuslav Martinu eingesetzt, war sogar mit ihm befreundet. Ich habe einen wirklich beeindruckenden, glühend-leidenschaftlichen Mitschnitt der 6. Symphonie aus Prag - die CD ist wohl nicht mehr zu kriegen. Aber bei Youtube kann man Munch hören:



    Von Rüdiger (Rheingold) bekam ich diesen tollen Tip - Böhm dirigiert hier Wagners Instrumentierung der 9. Die CD habe ich schon bekommen, aber noch nicht gehört:



    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Norbert,


    damit hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen! Wie gesagt, ich würde sie nicht unter meine drei Spitzenlieblinge des Werks rechnen, aber sie ist großartig dirigiert und in ihrem mitreißenden Impetus einzigartig.


    Lieber Nemorino,


    um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht genau, auf welchen Platz ich die Aufnahme mit Munch "ranken" würde. Es kann durchaus angehen, dass sie unter die Top 3 kommt, weil sie tatsächlich einzigartig ist.


    Es gibt unter den vielen Aufnahmen, die ich von Beethovens 9. Sinfonie besitze, leider keine einzige, bei der ich von der ersten bis zur letzten Sekunde zufrieden bin. Meine liebste Aufnahme ist diese:



    aus der Gesamtaufnahme, die zum Beethoven Jahr 1970 entstand:



    Ich höre drei wunderbare Sätze, ich höre Größe, ich höre Temperament, ich höre Lyrik, Intimität, Kantabilität, ich höre ein fantastisches Orchester, ich kann selbst mit Gwyneth Jones (deren Timbre ich immer als sehr problematisch empfunden habe) anstandslos leben und dann kommt Jess Thomas (den ich sonst sehr schätze) und knödelt sein "Froh, wie seine Sonnen fliegen" mit einer unflexiblen Stimme dahin, dass es mit der Hörfreude rapide bergab geht.


    Vielleicht reagiere ich deswegen so empfindlich auf ihn, weil der Rest meinem Ideal entspricht... Sei's drum.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Liebe Taminos,

    manchmal ist es ja bestürzend, dass man seine Meinung nicht geändert hat.

    In diesem Fall stehe ich dazu.

    Für mich ist Karl Böhm immer noch die Neunte aller Neunten.

    Vor 14 Jahren war ich noch ganz neu bei Tamino und habe dies hier im persönlichen Kanon gepostet.

    Seitdem habe ich viele, z.T. auch wirklich sehr schöne Aufnahmen der Neunten gehört.

    Böhm ist für mich immer noch best ever.

    Ich habe auch noch keine wirklich überzeugende HIP gefunden, habe allerings auch Antonini und Suzuki noch nicht gehört, und jetzt steht ja auch die Freiburger Aufnahme an. Ioh bin gespannt.



    Aber dies hier ist doch die Aufnahme, zu der ich immer wieder gern zurückkehre.

    Ich weiß, dass Joseph II. auch so denkt. Und Norbert auch.


    Beste Grüße von der sonnigen Nordseeküste, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Lieber Andrew,


    das muss nicht zwingend "bestürzend" sein, dass kann auch als Ausdruck von Qualität gelten... ;)


    Wer diese Aufnahme als "langsam" kritisiert, der hat nach meiner Meinung nicht richtig hingehört. Natürlich nimmt sich Böhm viel Zeit, aber in manchen Passagen schlägt er ein Tempo an, dass sich nicht viele Dirigenten trau(t)en. So ist das Schlussprestissimo im Finalsatz bei ihm wirklich eins, auch in der 1980er Aufnahme. Die Kontraste zwischen langsamen und schnellen Tempi wirken dadurch noch größer, aber Böhm macht aus schnellen Tempi keine langsamen. Die Relationen zueinander bleiben gewahrt.


    Mit einer Spielzeit von 79 Minuten müsste das meine Aufnahme der 9. Sinfonie mit der längsten Spielzeit sein. Ich kann nachvollziehen, dass einen die Aufnahme in den Bann zieht, für mich gilt aber "der Bessere ist des Guten Feind" und so ziehe ich die frühere Aufnahme vor.


    Kleines Anekdötchen am Rande: Vor der von Andrew verlinkten Aufnahme wurde sie schon einmal veröffentlicht und zwar in dieser Aufmachung



    Als ich mir diese CD kaufte, stutzte ich, denn es fehlte die Wiederholung der Exposition im Scherzo. Diese aber ließ Karl Böhm immer spielen (im Gegensatz zu Karajan beispielsweise). Die Begründung war, dass man zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht in der Lage war, knappe 80 Minuten auf eine CD zu pressen. Das war erst später möglich.


    Also, wer sich die letzte Aufnahme Karl Böhms kaufen möchte, sollte die von Andrew verlinkte CD wählen (oder auf die Wiederholung verzichten ;) ).


    Zu den HIP-Aufnahmen: Antonini und Suzuki werden sich in der Interpretation grundlegend voneinander unterscheiden. Ich kenne zwar nicht die 9. von Antonini, aber andere Beethoven Sinfonien und daher weiß ich, dass sein Interpretationsansatz mit "hip-ruppig" beschrieben werden kann im Gegensatz zu Suzuki, der es sich durchaus erlaubt, "schöne Stellen" auch einmal "schön" zu spielen und die Musik entspannter fließen lässt.


    Ich bin gespannt, wie Du die Aufnahmen bewertest, nachdem Du sie gehört hast.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • RE: Jukka-Pekka Saraste

    Dass Saraste nach Deinen Angaben auf den Spuren Munchs wandelt, wundert mich ein wenig, denn als besonders temperamentvoll habe seine Aufnahmen nicht unbedingt in Erinnerung behalten. Ich weiß, dass er bisweilen recht zügige Tempi spielen lässt, z.B. erinnere ich mich an eine (leider nicht auf CD erhältliche) Aufführung von Brahms' "Ein Deutsches Requiem" oder an Bruckners 8.(die ist auf CD erhältlich), wo er durchaus schnell unterwegs war, aber "Temperament" ist nicht nur "Tempo".

    Lieber Norbert,


    deine Gedanken im Zitat deckten sich voll mit den Meinen ... bis ich in den letzten Jahren mehrfach im TV WDRIII Saraste in aktuellen WDR-Konzerten u.a mit Beethoven gehört habe. Ich hatte mir die Konzerte auch auf FP mit geschnitten.

    Willi hat auch sehr positiv von diesen LIVE-Konzerten mit Beethoven in Köln berichtet, die in den Jahren 2017-2018 parallel zu den Hänssler Studoaufnahmen der Sinfonien_GA statt fanden.


    =O Erst jetzt wurde mir klar welche Entwicklung dieser Dirigent von früher bis heute gemacht hat und wie sehr er sich positiv verändert hat.

    Wegen der positiven TV-Eindrücke kaufte ich mir dann seine aktuelle Beethoven-Sinfonien-GA, die mich in Spannung, zügiges Tempogefühl, Temprament und Stimmigkeit schwer überrascht und überzeugt hat.


    Ich habe auch seine ebenfalls aktuelle Brahms-Sinfonien-GA mit dem WDR SO (Hänssler) gekauft, die auch nihct übel ist und ihre Meriten hat, aber an meine Favoriten wie Levine und Solti (um jetzt von Vielen nur kurz die Beiden im Vergleich zu nennen) erreicht er in Punkto Temprament und Aussagekraft doch nicht.


    Der Beethoven - Zyklus und auch speziell die Neunte sind ihm hingegen verdammt gut gelungen.

    Die Neunte dauert mit Saraste 62:07 (ähnlich wie bei Leibowitz). Das kommt meinem Tempoempfinden mehr entgegen, als wenn ich von Dir lese das Böhm wahnsinnige 79Minuten brauchte ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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