Britten: Britten war Engländer, und England hat - aus internationaler Sicht - an großen Komponisten eigentlich nur wenig zu bieten
Denjenigen, die aber irgendwie innerhalb der Englischen Musikwelt etwas herausragten streut man Rosen und hält ihnen die Treue
(im Gegensatz zu Deutschland, welches sehr schnell einen großen Namen vergisst)
Ganz so einfach ist es nicht. Britten war bis 1945 eher ein "bad guy of music", weil ihm die sehr wohl vorhandene, bei uns aber ignorierte englische Tradition suspekt war und er sich kontinentaleuropäisch orientierte bzw. nach Rußland, sprich: in Richtung Schostakowitsch ging. Bis 1945 bekam er in England kaum einen Fuß auf den Boden, und in den USA kamen seine Stilisierungen auch nicht an. Dann aber, 1945, geschah etwas: Britten komponierte die erste international repertoiretaugliche britische Oper, "Peter Grimes". Es gab zwar vor dem "Grimes" recht akzeptable Opern von englischen Komponisten, aber immer war irgendein Fehler in ihnen, der ihnen den Weg auf den Kontinent versperrte. Entweder war das Thema zu harmlos-englisch ("Hugh The Drover"), längst von Wagner besser komponiert ("Bride Of Cornwall") oder die Länge war unpraktikabel ("Savitri", "Riders To The Sea").
Nur geschieht jetzt mit Britten etwas Seltsames: Er ist und bleibt trotz seines großen Oeuvres auf erstaunlich gleichbleibendem Niveau auch in Großbritannien praktisch bis zu seinem Tod der "Grimes"-Komponist - mit einer Konzert-Ausnahme: dem "War Requiem", das wahrscheinlich das letzte Chorwerk der Musikgeschichte ist, das sich beim breiten Publikum durchgesetzt hat. Das hat keine "Hintergründe" und / oder außermusikalische Motivationen, sondern liegt einfach an einer ungeheuer suggestiven Musik.
Und nun komme ich zu Deinem Argument, Britten sei zu Lebzeiten eine Legende gewesen, danach aber quasi ein Kleinmeister geworden: Das Gegenteil stimmt. Als Person war Britten natürlich eine Legende, an der Königshaus (Queen Mum) und Adel (Earl of Harwood) ihren Anteil hatten, aber auf breiter Basis durchgesetzt hat sich Brittens Werk erst nach seinem Tod. Von seinen 15 Opern sind 7 (Peter Grimes, The Rape of Lucretia, Albert Herring, Billy Budd, The Turn of the Screw, A Midsummer Night's Dream, Death in Venice) fester Bestandteil des internationalen Repertoires, alle anderen erscheinen von Zeit zu Zeit auf den Spielplänen. Das ist wesentlich mehr, als zu Brittens Lebzeiten, als international nur "Grimes", "Herring" und, weit abgeschlagen, "Dream" liefen.
ZitatWeill: Hier ist eine politische Dimension im Spiel. Ein Angriff gegen die Dekadenz. (Mahagonny).
Und der Hass gegen die Dekadenz ist ungebrochen.
Sehe ich völlig anders. Kein Opernhaus spielt "Mahagonny" (ich weiß, was jetzt kommt... nein, bitte: Die internationalen Spielpläne über zwei, drei Jahre anschauen, nicht Salzburg und die zwei Saisonen Wiener Staatsoper). Weill ist im Bewußtsein einzig und allein durch den Mackie Messer. Aber die "Legende Weill" gab es weder zu Weills Lebzeiten noch nach seinem Tod. Er hat eine Jahrhundertnummer geschrieben, die "Dreigroschenoper" ist als Ganzes ein glänzendes Stück - und sonst? Selbst sein bestes Werk, "Der Silbersee", ist praktisch ungespielt.
Daß Du, lieber Alfred, ratlos vor Weill stehst, sei Dir freilich, wie im Fall Britten und Mahler, unbenommen.