Gitarre - mon amour

  • Hallo m-mueller,


    ich höre zu viele unsaubere Töne, das klirrt/wimmert; das mag ja nun an dem schwierig (13! Saiten zum Greifen und entsprechend breites Griffbrett) zu spielenden Zupfinstrument liegen - und/oder der Solist macht unsaubere Griffe und Anschläge.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zit. zweiterbass: "ich höre zu viele unsaubere Töne, das klirrt/wimmert;"


    Ja, gewiss, lieber zweiterbass, das ist in der Tat zu hören. Aber diese instrumentenbedingte "Unsauberkeit" des Klangs verleiht dieser Sarabande eine klangliche Wärme, die sie in der Interpretation durch das Cembalo nicht entfalten kann. Darin stimme ich m-mueller zu. Ich bin an sich kein Freund von Interpretationen mittels Instrumenten, für die das musikalische Werk nicht komponiert worden ist. Aber ein HIP-Fanatiker bin ich auch nicht und halte so etwas für zulässig, wenn die musikalische Aussage getroffen und nicht verfälscht wird. Dann vor allem halte ich es für vertretbar, wenn das Instrument bei Wahrung der kompositorischen Faktur dem musikalischen Werk eine klangliche Dimension zu entlocken vermag, die ihm eigen ist, in der Interpretation durch das Original-Instrument aber verborgen bleibt.


    Wie man das hier erleben kann. Der Cembalo-Klang wirkt auf mich vergleichsweise fremd und kalt, wie man in der nachfolgend eingestellten Aufnahme vernehmen kann. Die klangliche Wärme, die der der immanenten melodischen Linie innewohnt, kann man in der Interpretation mit der Bolin-Gitarre viel schöner erfahren. (Ich muss allerdings ehrlicherweise hinzufügen, dass sich hier ein Mensch äußert, der mit einer Konzertgitarre Musik macht)


  • Leichte "Unsauberkeiten" sind bei Zupfinstrumenten nicht ganz ungewöhnlich, und ich meine, hier auch nicht mehr als bei anderen guten Interpreten zu hören. "Klirren und Wimmern " würde ich es jedenfalls nicht nennen.


    Und Helmut hat ja zu Recht daraufhingewiesen, daß diese leichten Abweichungen vom an sich "richtigen" Ton zur Musikalität beitragen.


    Wenn der Mensch reine Töne hören wollte, wäre vermutlich ein Sinustongenerator das bevorzugte Instrument.

  • Ach, das ist nicht der Rede wert, lieber m-mueller. Ich hab´s nicht weit gebracht in dieser Kunst. Allenfalls für einfache Stücke aus der klassischen und romantischen Gitarrenmusik-Literatur reicht sie mehr schlecht als recht hin.
    Ich habe das ja nur deshalb erwähnt, weil ich darauf hinweisen wollte, dass ich in meinem Urteil über die Interpretation der Händel-Sarabande mittels einer Gitarre sozusagen befangen war, - eben weil mir dieses Instrument am Herzen liegt.

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  • Hallo Helmut,


    zu Deinem Beitrag Nr. 212 besteht fast Einigkeit.


    Ein Volkslied z. B. benötigt nicht die technisch-musikalischen Feinheiten eines Kunstliedes und dieser andere Klangcharakter bewirkt z. T. auch die musikalische Wirkung des Volksliedes. (Weshalb viele Stars des Operngesangs als Interpret/in für Volkslieder ungeeignet sind; das fängt schon beim Vibrato/Tremolo an und endet nicht mit der Sprachbehandlung.)



    Darum geht es aber hier nicht. Der Solist hat in seinem Spiel leichte technische Mängel, die ich mit unpassenden Adjektiven zu beschreiben versucht habe (ob die Mängel an ihm liegen oder an der Besonderheit des Instrumentes?), dadurch entsteht ein teilweise leicht verzerrtes Klangbild. Ich vergleiche das mal mit dem Rauschen alter LPs; der Vergleich hinkt, weil es hier ein rein aufnahme- und wiedergabetechnisches Problem ist, aber der eigentliche Klang ist auch hier mehr oder weniger leicht verfälscht.


    Mit einer Cembaloaufnahme habe ich nicht verglichen - da käme es aber auch auf das Instrument an - ob alt, gut restauriert oder perfekter Nachbau (mit allen heutigen technischen Möglichkeiten) eines "altersschwachen" Originalinstrumentes.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo m-mueller,


    Du hast zu sehr guten Interpretationen auf Zupfinstrumenten, die keinerlei "leichte Unsauberkeiten" hatten, gepostet; diese Einspielungen waren (auch spieltechnisch) auf sehr hohem Niveau.


    Für eine gute Intonation sind "reine Töne " nicht zu gebrauchen.


    Viele Grüße
    zweiterbass

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  • Ich spiele selbst Gitarre. Meine allererste CD überhaupt war

    mit Julian Bream und unter anderem Bach, Weiss und de Visée.

  • Ehrlich gesagt: Weil ich recht faul zum Üben bin, hauptsächlich Sachen, die ich (fast) vom Blatt spielen kann. Zuletzt habe ich den ersten Satz der Violin-Sonate g-Moll BWV 1001 gespielt, die ich in Langsame, gefühlvolle Stücke im Barock erwähnt habe. Robert de Visée ist auch sehr schön und nicht zu schwer. Ich spiele auch manchmal mit meinem Vater zusammen arrangierte klassische Duette oder auch


    Silvius Leopoldt Weiss wäre auch einmal interessant, könnte aber zu schwer sein.

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  • solche Fingernägel an der rechten Hand "sind Gift" für Lauten- und Theorbenspieler - mit ein Grund für den harten Klang der Gitarre (Vergleich Cembalo, Spinett etc.).

    Muss aber nicht zwingend sein. Es gab bis Anfang des 20.Jhdts eine Tradition des Kuppenanschlags, die seitdem eine eher untergeordnete Rolle spielt: man wird, habe ich mir sagen lassen, an keiner deutschen Musikhochschule zum Gitarrenstudium zugelassen ohne Nagelanschlag. Ebenso gerüchteweise wird diese Kuppenanschlagstradition in Lateinamerika teilweise noch gepflegt.

    Bei den Gitaristen sieht man eigentlich fast nur lange Fingernägel an der rechten Hand - alternativ kann man natürlich auch immer mit der Fingerkuppe weich anschlagen.

    Das behaupten die Nagelspieler alle - allein, es ist nicht zu hören!
    Ein Kuppenanschlag ist anders, naturgemäß etwas leiser, also für Musik mit anderen klassischen Instrumenten ohne Verstärkung nahezu ungeeignet, aber für Soloprogramme oder eben dezent verstärkt eine tolle Sache.
    ich schreibe das und oute mich hier mal als Verstärkung der Gitarristen-Fraktion.

    Jorge Caballero - Antonin Dvorak, Sinfonie aus der Neuen Welt

    Großartig!
    ich habe bei meiner Suche nach spielbarer Literatur einige langsame Sätze aus Symphonien und Klavierkonzerten transkribiert, die schnellen Sätze aber aufgegeben. einzige Ausnahme (naja, eher mäßig schnell...): das "Menuett" aus der "Italienischen" von Mendelssohn.
    Was der Herr Caballero da treibt, ist große Kunst. Auch wenn mich die teilweise nicht ganz originalen Basstöne in der Durchführung unbefriedigt lassen würden - eine Gitarre ist halt kein Klavier, wo man zu jedem Akkord jederzeit jeden Basston spielen kann und eine Transkription solch modulationsreicher Musik ist einfach ein ganzes Stück Trickserei.
    Und die macht er gut! wie er orchestertypische Klänge in auf der Gitarre klangvolle Spielweisen umsetzt: große Klasse!

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht.
    (G.Mahler, 4. Symphonie)

  • Hallo philmus,


    welcher Anschlag der Richtige ist, hängt vom Instrument ab; bei der Gitarre ist Nagelanschlag geboten, Ob an Musikhochschulen der Nagelanschlag auch für alle Arten von Lauten gelehrt wird, weiß ich nicht, ich habe nicht studiert. Was ich auf YouTube und in Konzerten gesehen und gehört (da auch auf CD) habe, ist für Lauten Nagelanschlag unangemessen und verdirbt ihren Klang (z. B. Barocklaute, Bass-, Knickhals-, Erz-, Theorbe).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Was ich auch noch manchmal spiele, nicht zu schwer, aber ganz schön: Fernando Sor, h-Moll-Etüde (ich weiß nicht, ob es hier schon genannt wurde). Hier mit Julian Bream:

  • Fernando Sor, h-Moll-Etüde

    ach ja, die gute alte h-moll-Etüde - weckt Erinnerungen an "Straßenmusik" auf Berliner U-Bahnhöfen, vor tatsächlich bald 30 Jahren...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht.
    (G.Mahler, 4. Symphonie)

  • Hallo,


    2 völlig unterschiedliche - auch zeitlich gesehen - Instrumente und dazu im Crossover-Bereich zwischen Frühbarock und Jazz – eine ungemein reizvolle Musik, zu deren Verwirklichung es sehr viel Intelligenz, viel techn. Spielvermögen, aber besonders viel Empathie braucht.



    Es gab auf BR-Klassik ca. 50 min. Musik dieser beiden Musiker - auf YouTube leider nur diesen Link.
    2 x M usik gibt es von 0:37 – 7:29 und von 40:35 bis Ende. Zwischen 0:37 und 7:29 gibt es zuerst ein jazziges Stück, da werden nur die höheren Töne - auch auf der Theorbe! - mit Nagelanschlag erzeugt, das 2. Stück aus dem Barock nur Fingeranschlag, was sehr gut zu sehen ist.
    Das Saxofon liegt in der Klangfarbe zwischen Klarinette und Oboe (je nach Stimmlage der Instrumente) und ähnelt etwas der Schalmei, nur eben wesentlich weniger „aufdringlich“.


    Zwischen den Musiken gibt es zwar interessante Dreier-Gespräche (weswegen mein Beitrag kurz gehalten ist), was zu Gunsten von mehr Musikbeispielen aber hätte gekürzt werden können.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Ich spiele gerade die leichteren Sätze (nicht die schnellen Doubles, das Tempo di Borea langsamer) der 1. Violinpartita h-Moll BWV 1002. Hier eine Aufnahme:

  • Hallo Timo,


    schönes Stück, was Du da "in der Mache" hast, da mußt Du schon ziemlich gut spielen können. Da ich keine Noten lesen kann, habe ich mich immer im Wesentlichen mit Begleitung zum Gesang begnügt, das kann aber auch schon viel Spaß machen.


    Heute möchte ich eine Performance zur Diskussion stellen, die in den Kommentaren besonders hochgelobt wird, die mir aber nur knapp mittelprächtig gefällt. Der Gitarrist ist technisch mit den Goldberg-Variationen leicht überfordert (viele Spielgeräusche, erhebliche Temposchwankungen) und insgesamt hört es sich eher breiig an. Aber vielleicht bin ich auch nur ein Kritikaster? Wie gefällt Euch die Aufnahme?


  • Francois Le Cocq, 1685-1729, hat ein Stück für Barockgitarre komponiert, das hier ein wenig im Flamenco-Stil vorgetragen wird - sehr unterhaltsam.


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  • Die weiter oben bereits dargestellten Les Baricades Mistérieuses von Couperin auf einer Theorbe, gespielt von Francisco Lopez.


    Les Baricades Mistérieuses - F. Couperin


    Auch wenn ich jetzt den Unwillen von zweiterbass befürchten muß: die Version mit Gitarre gefällt mir durchaus nicht schlechter.

  • Vom Klangkorpus scheint jedenfalls eine Gitarre einer Theorbe nicht unterlegen zu sein, die Theorbe hat mehr Saiten, insbesondere Baßsaiten, und klingt damit in den Tiefen klarer. Eine Gitarre mit ähnlich vielen Saiten kann es aber von der Klarheit sehr gut aufnehmen:


    Noch eine Chaconne (in g-moll), diesmal von Silvius Leopold Weiss, gespielt von Mark Anthony McGrath auf einer 13-saitigen Gitarre. Großartiger Klang!


  • Hallo m-mueller,


    was Du als meinen „Unwillen“ bezeichnest, rührt aus dem unterschiedlichen Klangeindruck, den Du und ich zwischen Theorbe und Gitarre haben. (Die Theorbe aus Beitrag 232 kann ich nicht hören, „Fehler“ im Link.) Die 13-saitige Gitarre – 10 Saiten zum greifen und 3 freischwingende Saiten - ist ein „Theorbenverschnitt“, besser als „Bass-Gitarre“ bekannt, dabei hat die Theorbe wesentlich mehr freischwingende Saiten. Was du als „klareren“ Gitarrenklang hörst ist für mich ein für die Gitarre typischer, aber eben härterer Klang im Vergleich zur Theorbe, das liegt an dem andern/größeren Klangkörper und der anderen Besaitung/Darmsaiten. Der Klang einer Theorbe fügt sich ganz anders/besser in den Klang von Barockstreich- und Blasinstrumente ein, weil deren Klang auch meist weicher, differenzierter (obertonreicher) ist. Die Theorbe wird oft als b.c.-Instrument eingesetzt in Ensembles mit Barockinstrumenten anstatt des (zu lauten) Cembalos. Und in Verbindung mit modernen Instrumenten (z. B. Vergleich Querflöte mit Traversflöte) geht der Theorbenklang meist unter, wenn im Ensemble mit modernen Instrumenten auf die Besonderheit der Theorbe zu wenig Rücksicht genommen wird. Die Mischung der Instrumente macht’s – eine Schalmei hat in einem Kammermusiksatz der Klassik nichts zu suchen, die Theorbe fühlt sich in einem Barockensemble einfach wohler, hört sich angemessener/besser an.


    Der - genau wie Du – nichts „zu befürchtende“
    zweitebass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Danke für die Anregungen! Ich habe mir gerade mal ein paar Kompositionen von Weiss auf IMSLP.org heruntergeladen (leider gibt es dort nicht so viel) und werde sie am Wochenende ausprobieren.

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  • Hallo zweiterbass,


    ich habe den Link zur Theorbe nochmal beim Thread Couperin reingesetzt, jetzt funktioniert er.


    Ich stimme zu, daß eine Gitarre mit 13 Saiten klanglich gewisse Ähnlichkeiten mit einer Theorbe hat, der Korpus ist aber klar Gitarre. Auch ansonsten gebe ich Dir recht, als Instrument unter anderen Barockinstrumenten ist die Theorbe geeigneter als eine Gitarre - aber im Thread geht es ja im Wesentlichen um Gitarre solo (oder duo), und da ist die Gitarre nicht mehr im Nachteil, zumindest in der Version mit 13 Saiten. Die 6-saitigen klingen aber tatsächlich im Baß erheblich dünner. Aber häufig kommt es ja auch darauf gar nicht so an.

  • Von Mertz (1806 - 1856), einem Gitarristen der Romatik, gibt es diese CD (SACD). Die Stücke werden auf einer 10-saitigen Gitarre interpretiert. Mertz selbst setzte gern ein solches Instrument ein.


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