"Ich stehe ratlos vor..."

  • KSM schrieb:

    Zitat

    Im 20. Jahrhundert käme ich auf 4 große Namen, bei denen ich es nicht so recht begreife, warum sie so erlaucht sind:


    Da käme ich auf 100...... :P


    Aber Spaß beiseite, kommen wir zurück hzu den Kleinmeistern die zu Lebzeiten keine waren und auch zu den Legenden, von denen man nicht wirklich weiß wieso sie zu Legende wurden:


    Das ist sicher ein gesellschaftliches Problem . nicht wesentlich anders als HEUTE
    Hier ein paar Beispiele:
    Britten: Britten war Engländer, und England hat - aus internationaler Sicht - an großen Komponisten eigentlich nur wenig zu bieten
    Denjenigen, die aber irgendwie innerhalb der Englischen Musikwelt etwas herausragten streut man Rosen und hält ihnen die Treue
    (im Gegensatz zu Deutschland, welches sehr schnell einen großen Namen vergisst)


    Weill: Hier ist eine politische Dimension im Spiel. Ein Angriff gegen die Dekadenz. (Mahagonny).
    Und der Hass gegen die Dekadenz ist ungebrochen.
    War hier nicht in diesem Thread von "überteuerten Getränken" und "billigem Smalltalk" die Rede ?


    Ähnliches gilt ja auch für Eisler.....


    Mahler: Zu ihm habe ich ein zwiespältiges Verhältnis. Seine Befürworter bestreiten ja bis dato, dass die Sinfonien Nr 1 und 4 puren Kitsch enthalten (ich liebe Kitsch, denn er enthält in der Regel - wenn auch oberflächliche und imitierte - Schönheit. Über die 2. will ich hier kein Urteil sprechen, jedenfalls ist sie beeindruckend instrumentiert und ein Hammer in der Aufnahme unter Klemperer für die EMI.


    Mit den eher weniger bekannten Komponisten ist das so eine Sache. Sie waren in der Regel gut versorgt, und viele dürsteten nicht nach Ruhm.- Dass Bach berühmt wurde ist eher ein Zufall und auch Mendelssohn zuzuschreiben, der ihn als Genie einstufte.


    Interessant auch Haydn. Man könnte sagen, er war das Genie, das die Menschheit erkannte. Ich würde eher sagen es war der Nimbus schon zu Lebzeiten.
    Aber die Zeitgenossen - und letztlich auch die Musikhistoriker - taten und tun sich immer noch schwer - Zuschreibungen zu bestätigen oder zu widerlegen. Es gab also zahlreiche "Kleinmeister", die - objektiv gesehen - nicht von der "Legende" zu unterscheiden sind....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich denke, man reagiert auf Musik entsprechend der Gemütslage und aktuellen Lebenssituation.


    Wo ich eine durchdachte Struktur und Ordnung - oft unbewußt - heraushöre und mich dadurch in eine entspannte Zuhörerhaltung begebe, ist der Genuß bei innerlicher Ausgeglichenheit vorgegeben.


    Andererseits kann eine aufgewühlte Seele sich bei Mahler durchaus verstanden und aufgehoben fühlen, ohne den Hintergrund der Komposition und die Zerissenheit des Werkschöpfers näher zu kennen.


    Bei der Musik ist es wie beim Essen, man sucht sich - bei gegebener Auswahl - das raus, auf was man Appetit verspürt.

  • Stockhausen muss man einfach selbst und live erlebt haben. Stockhausen hatte große Fans gerade bei ganz "normalen" Leuten, bei denen man ein Interesse für Neue Musik nun gar nicht vermuten würde.

    Volle Zustimmung. Wo kämen wir hin, wenn alle den gleichen Geschmack hätten, beim essen und trinken, bei der Kleidung, beim anderen Geschlecht und auch in der Musik.


    Nur mich hat Stockhausen nicht erreicht.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • kann mit Mahler aber nicht wirklich was anfangen. Mit den Sinfonieen 1-4 schon, der Rest wirkt eher wie unendliches, schwüles Geschwurbel.

    Lieber Thomas,


    das kann ich nicht nachvollziehen. Mit der 6. und 7. habe ich auch noch meine Probleme, muß aber zugeben, gerade diese beiden am seltensten gehört zu haben. Sicher bekomme ich das noch hin. Die 8. wirkt auf mich von der CD auch nicht, aber live ist es ein riesiges (im wahrsten Sinne des Wortes) Erlebnis. Schon der mit voller Orgel einsetzende 1. Teil und sein wuchtiger Ausklang bedeutet mir "Achtung, jetzt paß auf". Und diese Achtung verläßt mich die ganze Sinfonie über nicht. Neben zartesten Tönen im 2. Teil kommt die gewaltige Schlußsteigerung, und wenn alles aus ist, bin ich vom Hören genauso erschöpft wie der Dirigent oder die Harfenspieler. Leider bringt es die Riesenbesetzung mit sich, daß sie seltener aufgeführt wird, ich habe sie erst 3x live erlebt.


    Aber die 9. ist ja nun überhaupt kein schwüles Geschwurbel. Der 4. Satz ist so was von klar, schmerzlich-traurig, fast kammermusikalisch, daß ich mich der Todesahnung (ähnlich Bruckners 9. im letzten Satz) Mahlers nicht entziehen kann. Schmerzlich werde ich selbst daran erinnert, daß das Leben nicht unendlich ist und irgendwann der Sensenmann kommen wird. Das Verklingen der Musik ist für mich spürbar bis zum "letzten Seufzer", dem verhauchenden Schluß der Violinen. Ich habe erlebt, daß selbst Musikern danach die Augen feucht wurden. Das ist nicht schwül, das ist kein Geschwurbel, und es ist verdammt endlich.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ein Angriff gegen die Dekadenz. (Mahagonny).
    Und der Hass gegen die Dekadenz ist ungebrochen.

    Dekadenz ist aber eigentlich hochartifizielle Literatur von Baudelaire bis Mallarme. In der Musik hat man ebenfalls Hochartifizielles wie Richard Wagner immer wieder dazugerechnet. Darauf zielt Mahagonny aber nicht, sondern auf den so gar nicht artifiziellen Hedonismus der billigen Unterhaltungskultur der 20iger Jahre. :D


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Die 3. [von Mahler] ist einfach zu lang, die würde ich zurückstellen, obwohl sie natürlich auch zu der "Wunderhorn"-Welt gehört.


    Ich persönlich fand die 3. von Anfang an (gerade für Mahler-Verhältnisse) zugänglich. Sicherlich ist sie sehr lang, aber sind die 2. oder 7. wesentlich kürzer? Zumindest der alte Klemperer bringt auch diese beiden Werke auf 100 Minuten, und über 80 sind da generell keine Seltenheit. Den Finalsatz der 3. würde ich sogar völligen Klassik-Neulingen empfehlen. Dass gesungen wird, hat mich in der 3. übrigens nie gestört. Es handelt sich ja nur um zwei Sätze (4 und 5), einer davon sehr kurz und noch dazu mit Chor, was mir in meiner Zeit als Einsteiger deutlich weniger Probleme bereitete als solistischer Gesang. Ich finde, insbesondere der "Bimm Bamm"-Satz hat zudem Ohrwurmpotential.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wenn man formale Analyse nicht mit Hermeneutik verbindet, erleidet man bei Mahler einfach Schiffbruch.

    Das geht mir natürlich wieder zu weit. Wenn ein Mahler-Konzert von 1000 Leuten besucht wird, könnte ich wetten, daß davon mind. 900 das Wort Hermeneutik weder kennen noch verstehen. Trotzdem besuchen sie das Konzert, und gerade bei Mahler in ungebrochen hoher Besucherzahl. Vielleicht ist in Universitätsstädten oder Musikhochburgen der Anteil derer, die Mahlers Musik irgendwie deuten wollen höher als z.B. in Gera oder Dessau, dennoch ist bei Mahler der Saal auch da voll. Mahlers Musik muß also auf Menschen ohne philosophischen oder musikalischen Hochschulabschluß eine Faszination ausüben, die sich mit Deiner o.g. These nicht in Einklang bringen läßt. Ich gestehe, auch zu diesen Leuten zu gehören, die eine formale Analyse nicht mit Hermeneutik verbinden und trotzdem von Mahler begeistert sind. Oder ich wende Hermeneutik als Vergleichsmethode an, ohne es zu wissen und bin damit sogar glücklich und zufrieden.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Ich persönlich fand die 3. von Anfang an (gerade für Mahler-Verhältnisse) zugänglich. Sicherlich ist sie sehr lang, aber sind die 2. oder 7. wesentlich kürzer? Zumindest der alte Klemperer bringt auch diese beiden Werke auf 100 Minuten, und über 80 sind da generell keine Seltenheit. Den Finalsatz der 3. würde ich sogar völligen Klassik-Neulingen empfehlen. Dass gesungen wird, hat mich in der 3. übrigens nie gestört. Es handelt sich ja nur um zwei Sätze (4 und 5), einer davon sehr kurz und noch dazu mit Chor, was mir in meiner Zeit als Einsteiger deutlich weniger Probleme bereitete als solistischer Gesang. Ich finde, insbesondere der "Bimm Bamm"-Satz hat zudem Ohrwurmpotential.


    Die dritte ist bei normalen Tempi mit Abstand klar die längste, mindestens 90 min., oft über 100, während normale Aufführungen der 2., 6., 7. und 9. um 80 min. dauern und bei 6 und 7 welche um oder unter 70 vorkommen.


    Der Bimmbamm-Satz wirkt erstmal total albern. Wie soll den jemand gut finden, der mit der Ironie der 4. Sinfonie nichts anfangen kann?


    Es geht hier natürlich immer um persönliche Eindrücke. Aber ich meine schon, dass die schiere Länge von Werken (und auch von Einzelsätzen, da ist der Kopfsatz der 3. auch ein sehr langer) für die allermeisten, sogar recht erfahrene Hörer eine Hürde darstellt. Es ist kein Wunder, dass instrumentale Werke der Länge der Mahler und Bruckner-Sinfonien insgesamt die Ausnahme geblieben sind und im 20. Jhd. die Umfänge wieder reduziert werden, typischerweise auf 25-45 statt 50-90 min. für ein Instrumentalwerk.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das geht mir natürlich wieder zu weit. Wenn ein Mahler-Konzert von 1000 Leuten besucht wird, könnte ich wetten, daß davon mind. 900 das Wort Hermeneutik weder kennen noch verstehen.

    Ich habe auch von der musikwissenschaftlichen und kompositionstechnischen Analyse geredet. Die Frage geeigneter Analysemethoden bei Mahler ist ja selbst ein Thema in der Musikwissenschaft, ob man z.B. mit solchen traditionellen Mustern wie "Sonatenhauptsatzform" wirklich noch angemessen das beschreibt, was man tatsächlich hört. Analysen haben u.a. das Verdienst, Rezeptions-Hindernisse und -Schwierigkeiten zu beseitigen. Das findet sich dann in den Programmheften am Abend für das normale, wissenschaftlich unvorbelastete Publikum wieder, die dann eben nicht mehr mit Klischees von 1960 über Mahler voll sind. Ich selbst habe - mit viel Erfolg - Mahler-Einführungsabende gemacht u.a. mit der 1. und 4. Symphonie. Da hat sich Niemand so geäußert, dass er überfordert gewesen wäre. Vielmahe bin ich noch Jahre später gefragt worden, ob ich das nicht wiederholen könnte...

    Mahlers Musik muß also auf Menschen ohne philosophischen oder musikalischen Hochschulabschluß eine Faszination ausüben, die sich mit Deiner o.g. These nicht in Einklang bringen läßt. Ich gestehe, auch zu diesen Leuten zu gehören, die eine formale Analyse nicht mit Hermeneutik verbinden und trotzdem von Mahler begeistert sind. Oder ich wende Hermeneutik als Vergleichsmethode an, ohne es zu wissen und bin damit sogar glücklich und zufrieden.

    Mahler hat selbst für seine Konzerte Programme geschrieben, das ist konkrete musikalische Hermeneutik, so wie sie sich auch verstand. Bei Mahler ist das Problem durchaus ähnlich wie bei Thomas Mann, der von seinen Lesern einen ziemlich hohen Bildungsstand verlangt. Sonst kommen dann solche Fragen wie die nach dem angeblich banalen Kinderchor in der 3.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Musik ist eine Form von Sprache und sollte sich insofern auch ohne großartige Erläuterungen verständlich machen. Jedenfalls dann, wenn die Noten in Schall umgewandelt werden. Die analytische Auseinandersetzung ist dann ein nettes ad on, sollte aber nicht zwingend nötig sein, um mich dazu zu bringen, dass mich ein Werk bewegt oder auch nicht. Was die Programmhefte betrifft. die sammle ich zwar, lese sie aber höchst selten. Und wenn dann eher in Bezug auf dei ausführenden Künstler.


    Ich kann auch nicht finden, dass die Frage nach dem bim-bam-Chor (an dem ich mich übrigens tatsächlich nie gestoßen habe) banal ist. Mahler 3, sechster Satz, das ist ganz großartig, das ist Seelenmusik. Und der bim-bam-Chor (putzige Formulierung, habe ich hier zum ersten Mal gelesen) leitet den fabelhaft ein.


    Und LaRoche hat netürlich recht: ich bestreite ebenfalls, dass ein Großteil des Konzerthaus-Publikums mit dem Begriff "Hermeneutik" swas anfangen kann. Muss auch nicht. Die Musik wird dadurch nicht besser und nicht schlechter.


    Nichts für ungut und liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Musik ist eine Form von Sprache und sollte sich insofern auch ohne großartige Erläuterungen verständlich machen. Jedenfalls dann, wenn die Noten in Schall umgewandelt werden.

    Du willst also behaupten, lieber Thomas, Sprache versteht sich weil sie Sprache ist von selbst? Um Dante, Goethe, Gryphius oder Mallarme zu verstehen brauchst Du keinerlei Erläuterungen? Und wie ist es mit einer fünfstimmigen Fuge von J. S. Bach? Willst Du behaupten, Du verstehst diese Fugen-Kunst ohne jegliche Hilfe einfach so durchs Anhörern? Mahlers Musikverständnis ist wie gesagt nicht das von "absoluter Musik". Er folgt dem "hermeneutischen" Ansatz von Franz Liszt, für den ein Musikstück eine "poetische Idee" verkörpert, auf die man das Gehörte beziehen muss, um überhaupt den Sinn einer Tonfolge zu erfassen, der sich eben nicht rein "formalistisch" erklärt. Das ist ein musikalisches Selbstverständnis, dass darauf beruht, dass Musik als "Sprache" sich eben gerade nicht von selbst "nur aus den Tönen" versteht. Wenn man solche Musik als "absolute Musik" hört, dann geht das natürlich auch, aber letztlich nur um den Preis des Sinnverlustes.

    Die analytische Auseinandersetzung ist dann ein nettes ad on, sollte aber nicht zwingend nötig sein, um mich dazu zu bringen, dass mich ein Werk bewegt oder auch nicht.

    "Bewegen" ist aber ein vieldeutiger Begriff. Mich kann eine Musik auch bewegen, ohne dass ich überhaupt viel von ihr verstehe. Beim Kennenlernen oder einmaligen Hören langt das, aber nicht, wenn ich ein Werk über Jahrzehnte immer wieder höre, dann reicht das einfach nicht. Und "analytische Auseinandersetzung" ist ebenfalls ein weiter Begriff. Wer z.B. nicht nur "Nur-Hörer" ist, selber ein Instrument spielt oder im Chor singt, der analysiert zwangsläufig, weil er bestimmte musikalische Probleme lösen muss. Genau das beeinflusst dann auch das Hören, das so viel bewusster ist.

    Ich kann auch nicht finden, dass die Frage nach dem bim-bam-Chor (an dem ich mich übrigens tatsächlich nie gestoßen habe) banal ist. Mahler 3, sechster Satz, das ist ganz großartig, das ist Seelenmusik. Und der bim-bam-Chor (putzige Formulierung, habe ich hier zum ersten Mal gelesen) leitet den fabelhaft ein.

    Die Rezeptionsgeschichte war hier aber eindeutig eine andere. Man hat das kindliche "Bim-Bam" in so einer erhabenen Symphonie einfach nicht verstanden, weswegen sich Mahler genötigt sah, Goethe Faust II zu zitieren.

    Und LaRoche hat netürlich recht: ich bestreite ebenfalls, dass ein Großteil des Konzerthaus-Publikums mit dem Begriff "Hermeneutik" swas anfangen kann. Muss auch nicht. Die Musik wird dadurch nicht besser und nicht schlechter.

    Um den "Begriff" geht es auch gar nicht, sondern um das Musikverständnis, das man praktiziert. Auch wenn man nicht weiß, dass dieses Unternehmen "Hermeneutik" heißt, ist das dann eben trotzdem Hemeneutik. Das Unternehmen "musikalische Hermeneutik" geht übrigens auf Hermann Kretzschmar zurück, dessen Hauptwerk den bezeichnenden Titel trägt Führer durch den Konzertsaal:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Kretzschmar


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich bin überrascht, wie teifschürfend hier diskutiert wird. Chapeau
    Allerdings wird es für so manche etwas schwierig sein, die letzen Beiträge noch mit dem Titel "Ich stehe ratlos vor...." in Zusammenhang zu bringen, daher bringe ich - quasi als Zwischenspiel einen Gedanken ein-
    Man steht ja nur dann ratlos vor einem Werk mit dem man nicht wirklich etwas anfangen kann, wenn man entweder


    von Berufs wegen gezungen ist es zu spielen zu singen zu dirigieren oder (als Kritiker) zu hören.
    ODER
    den festen Willen hat, ein auf den ersten Blick sperrig erscheinendes Stück zu erarbeiten bzw für sich genießbar zu machen.


    Ich habe dieses Problem allerdings nur selten - auch das auch nur, seit ich dieses Forum betreibe.


    Denn es stellt sich nicht, wenn man das Werk a priori ablehnt und gar nicht verstehen WILL
    Dann steht man nämlich nicht ratlos, sondern je nach Fall desinteressiert, gleichgültig oder ablehnend gegenüber.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Möchte mich nochmals zu Wort melden, weil die letzten ca. 20 Beiträge meine Zustände in Konzerten und Gefühlswerte dabei und danach gut beleuchten.


    Vor ca. 15 bis 18 Jahren habe ich angefangen, mir vor Konzerten keine Programmbüchlein mehr zu kaufen. Dies ist meinem Rezeptionsfeeling gut bekommen. Seither muss ich nicht lesen und deshalb nur halb auf die Musik hören oder umgekehrt. Ich kann mich schön dem Hören widmen.


    Die Büchlein sind ja von sehr unterschiedlicher Qualtät. Das werte ich nicht sehr, denn es gibt jeweils viele Gründe, dort drinnen etwas zu besprechen oder auch nicht. Schon früher ist ein Konzert für mich nicht mit dem letzten Ton beendet gewesen, sondern ist nachgeklungen. Es wurde schon auf der Nachhausefahrt darüber geredet, zuhause nochmal in die passende LP oder CD reingehört, oder aber erst am nächsten oder übernächsten Tag. Anfangs habe ich bedauert, mich nicht so sehr in die Materie hineinversetzen zu können/ wollen, genauer: den richtigen Interpretationsansatz zu bemühen, oder einfach mal das Passende oder Adäquate aus meinen Gehirnwindungen herauszukitzeln. Da ich eine naturwissenschaftliche Ausbildung erworben habe und mir oft praktische Problemlösungen entwickeln musste, blieb für geisteswissenschaftliche Weiterbildung nicht so viel Zeit. ---- Mit Ausnahmen !


    Je mehr Musik ich gehört habe, umsomehr hat sie sich mir erschlossen, v.a. dem Wesen der Klavierwerke Beethovens und der Orchesterwerke und Violinkonzert von Brahms beizukommen. Neben den analytisch gewonnenen Eindrücken empfinde ich die Aspekte der emotionalen Musikrezeption als individuelle, kulturelle Werte, die in mir Bestand haben, vor allem mir oftmals Leichtigkleit und gute Laune oder auch Dämpfung und Anklänge von Daseins- und Sinnzweifeln geben. Das gilt auch für Mahler, dessen Werke mir gelegentlich aber auch einfach zu lange sind. Ich gebe mir manchmal (oder öfter ?) nicht die Zeit, mir Mahler anzuhören. Insofern ist meine bildungsbürgerliche Prägung nicht mehr weitgehend vorhanden, sondern erodiert.
    Das ist natürlich -in meinem Verständnis- weder gut noch schlecht, sondern nicht mehr zu ändern. ?(
    Denoch ist es toll, wenn man seinen Sachverstand so oft und gründlich als möglich schärft. 8-)


    Zur Ergänzung: neben meiner Berufsausübung habe ich jährlich ein oder zwei Bücher eines Literatur- Nobelpreisträgers gelesen, zuletzt von Saul Bellow, Die Abenteuer des Augie March (hat 1,5 Jahre gedauert) Daneben Literatur über die europäische Geschichte der Musik, Malerei, Wirtschaft, Technik und über elektronische Fragestellungen. Und ständig Klaviermusik gespielt: Beethoven 3 Sonaten bis op. 27,2 oder 3, Chopin Predudes op. 28 und 45, Rach Preludes B- Dur (gescheitert) und g- moll (passabel), schliesslich zwei Mozart- Fantasien, eine ganze Zahl von Stücken aus The Real Book (of Jazz), zusammen mit meinem Freund am E- Bass.


    Gruss vom Damiro.

  • Allerdings wird es für manche etwas schwierig sein, die letzen Beiträge noch mit dem Titel "Ich stehe ratlos vor...." in Zusammenhang zu bringen,

    Das sehe ich nicht so. Ich stehe vor manchen Musikstücken ratlos oder verständnislos da und vor manchen nicht. Letztendlich bestimme ich, was mir gefällt und was nicht. Und was ich nicht verstehe wie z.B. Stockhausen oder leider auch J.S.Bach, das gefällt mir auch nicht, da hilft seit 30 Jahren nichts. Im Falle von Bach bedaure ich das, im Falle Stockhausen nicht.


    Dagegen stimmen mich solche Beiträge wie Nr. 101 und 99 völlig ratlos, da ich nicht verstehe, was der Verfasser damit beweisen will. Damit sind wir ja wieder beim Threadthema. Ich gehe da viel eher mit Thomas Pape

    Musik ist eine Form von Sprache und sollte sich insofern auch ohne großartige Erläuterungen verständlich machen. Jedenfalls dann, wenn die Noten in Schall umgewandelt werden. Die analytische Auseinandersetzung ist dann ein nettes ad on, sollte aber nicht zwingend nötig sein, um mich dazu zu bringen, dass mich ein Werk bewegt oder auch nicht. Was die Programmhefte betrifft. die sammle ich zwar, lese sie aber höchst selten. Und wenn dann eher in Bezug auf dei ausführenden Künstler.

    i

    ich bestreite ebenfalls, dass ein Großteil des Konzerthaus-Publikums mit dem Begriff "Hermeneutik" swas anfangen kann. Muss auch nicht. Die Musik wird dadurch nicht besser und nicht schlechter.

    übrigens besuche ich im Konzert jede Einführung, die bis zu 30 min andauern, entweder vom Musikdramaturgen oder gar vom GMD selbst ausgeführt werden und das Publikum mit zugegeben qualitativ sehr unterschiedlichen Methoden auf das bevorstehende Konzert vorbereiten. Aber in keiner Einführung wurden philosophische Grundlagen besprochen noch das Wort "Hermeneutik" jemals erwähnt, sondern die Historie und die Ausführung waren Gegenstand der Konzerteinführung, teilweise sogar mit Klavierbeispielen. Nützlich bis unterhaltsam waren sie in jedem Falle. Und das Publikum wurde nicht durch unverständliche Theorien verwirrt.


    Deshalb sehe ich sehr gerne Dokumentationen im TV über Künstler aller Art, und da gibt es leider nur wenige Möglichkeiten im immer mehr an Kultur verlierenden Deutschland. Höchstens 3Sat oder arte können manchmal mit niveauvollen Dokus aufwarten.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Nochmals zum Thema. Ratlos stand ich einst vor der Asrael-Sinfonie von Josef Suk.


    Obwohl die persönlichen und tragischen Hintergründe dieses Werkes mir durchaus bekannt waren und die Musik durchaus nicht atonal ist und Ähnlichkeiten mit Mahler unüberhörbar sind, war ich nach dem Konzert total begeisterungslos. Über 60 min nur Musik in Moll, lediglich eine Winzigkeit Dur beim Finale, das war für mich schwer zu ertragen. Nochmals möchte ich das nicht hören. Asrael-Fans werden anders denken.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Die analytische Auseinandersetzung ist dann ein nettes ad on, sollte aber nicht zwingend nötig sein, um mich dazu zu bringen, dass mich ein Werk bewegt oder auch nicht.


    Dem würde ich mich auch anschließen.


    Ich sage es mal so, wenn der Herr Mahler gewollt hätte, dass ich seine Musik gerne höre, hätte er anders komponieren müssen. :baeh01::pfeif: Nein, im ernst. Aus meiner sicht muss mir erst die Musik gefallen, mich berühren etc. Und dann lese ich mir gerne Hintergrundwissen an. Z.b. werde ich mir über Weihnachten ein Buch über Hindemith durchlesen, eben weil mir seineMusik gut gefällt und mich dann da auch einiges andere interessiert.


    Aber anders herum, wenn ich Musik nicht mag, werde ich nicht anfangen erst einmal die Lebensgeschichte seines Komponisten zu lesen, um die Musik verstehen und mögen zu können. Aus meiner Sicht hat da der Komponist was falsch gemacht :pfeif: und nicht ich.
    :baeh01::baeh01:

  • Um mal von Mahler abzurücken: Diese CD (ich besitze sie mit einem anderen Cover) kam mir vor vielen Jahren ins Haus, weil ich gelesen hatte, dass ein Thema aus der Sinfonie in den englischen Charts gelandet war. Neugierig geworden (aber nicht wirklich fündig, was das besagte Thema anging) blieb ich nach dem Durchhören der drei Lento-Sätze mehr als ratlos zurück. Da war nichts, was mich irgendwie ansprach, zumal mir das Polnische fremd ist und das beigefügte "Blattl" keine deutsche Übersetzung der gesungenen Texte enthielt. Erst durch Google-Hilfe (einige Jahre später) lernte ich den deutschen Text kennen - musikalisch hat es mich dennoch nicht angesprochen. Und bis heute gibt es keine Erleuchtung, nur fürchterliche Langeweile, wie ich jetzt nach dem erneuten Hören feststellen musste...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Das eine ist Ratlosigkeit, das andere ein Nichtgefallen.


    Bitte nicht verwechseln.


    Schon klar, aber im Sinne dieses Threads gehört es irgendwo natürlich zusammen.


    Bitte mal den Anfang des Themas lesen.


    LG und einen entspannten Einstieg in die Weihnachtszeit

  • Ich meine, ein Nichtgefallen kann ja auch aus einer Ratlosigkeit resultieren - insofern hängt das natürlich zusammen. Wenn man mit einem Stück nichts anfangen kann, gefällt es einem eben nicht.

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  • Musik ist eine Form von Sprache und sollte sich insofern auch ohne großartige Erläuterungen verständlich machen.

    Dieser Satz macht mich nun ratlos und die Zustimmung, die er erfährt offenbar auch.


    Was ist denn der Sinn von Sprache - ich fasse mal etwas rhapsodisch zusammen:


    1. Sprache will nicht nur als Lauten aufgenommen werden, sondern als ein Sinn verstanden werden.


    2. Was sind denn die Bedingungen des Sinnverstehens?


    a) die Intention des Sprechers muss sich mitteilen können


    b) es ist wichtig, an welchen Adressaten die Worte gerichtet werden, sonst werden sie anders aufgenommen


    c) der Kontext ist wichtig, aus dem heraus Sprache in ihrem Sinn verstanden wird.


    Nun die Folgefrage: Wann ist sprachlicher Sinn erläuterungsbedürftig?


    Gundvoraussetzung: Sprache versteht sich nicht von selbst, sondern es gibt höchst vielfältige Möglichkeiten von Unverständnis und Missverstehen.


    dazu gehört:


    die Intention des Sprechers wird nicht erfasst


    der Kontext wird nicht mehr erfasst, in dem ein Sinn zugänglich wird


    der Adressat und Empfänger ist ein anderer, als er vom Sender der Botschaft ursprünglich gemeint war


    So. Nun hören wir Musik, die aus längst vergangenen Zeiten stammt, wo der Sprecher (der Komponist) nichts mehr sagen kann, weil er tot ist b) der historische Kontext nicht mehr existiert c) der Adressat, das ursprüngliche Publikum, mit seinen Verständnisvoraussetzungen auch nicht mehr existiert.


    Und nun wird behauptet, auch unter diesen Voraussetzungen versteht man Sprache "ohne großartige Erläuterungen".


    Die Antwort ist natürlich klar, dass das völlig absurd ist.


    Wenn Haydn oder Beethoven sich einen Spaß mit dem Publikum erlauben, indem z.B. die Reprise in einer falschen Tonart steht, dann versteht es den Witz nur, wenn es weiß, was die richtige Tonart einer Reprise ist. Wenn dieses Wissen verloren gegangen ist, braucht es einer Erläuterung.


    Wenn das Publikum keine Ahnung mehr hat, was eine Sonatensatzarchitektur und ihr Sinn ist, dann wird es eben nicht verstehen, dass ein Gustav Mahler "Tragik" dadurch ausdrücken kann, dass er ihren Sinn ins Gegenteil verkehrt, indem aus einer Reprise formal gesehen eine Katastrophe wird.


    Weiter gehört zum Sinnverstehen, dass man die Intention erfasst, ob etwas eigentlich oder uneigentlich gemeint ist. Und das versteht sich keineswegs von selbst. Beispiel: das "Philisterthema" aus Mahlers 4. Symphonie. Ist der "Kitsch" hier nun Ernst oder Parodie? Um das richtig zu erfassen, muss man eben a) die Intention des Autors (Komponisten) verstehen, wozu gehört, dass man bereit ist, seine programmatischen Hinweise aufzunehmen und sie nicht zu ignorieren und dass man b) den Kontext versteht, sprich die "Logik" (Exposition, Durchführung) etc. erfasst, die hier als Konvention - humoristisch-satirisch - völlig ad absurdum geführt wird. Dazu braucht es aber der Voraussetzung, dass der Hörer überhaupt noch weiß, was eine konventionelle Sonatensatzlogik ist, sonst kommt er noch nicht mal in den Bereich, um die Frage zu beantworten, was nun eigentlich oder uneigentlich an dem "Ausdruck" eines solchen Themas ist. Nur vor diesem Hintergund werden dann auch außermusikalische Zitate, die gar nicht in eine klassische Symphonie gehören, verständlich, wie das "Appellblasen" aus der Kaserne im 1. Satz der 4. Mahler. "Erläuterungen" haben hier den Sinn, dem Hörer die Richtung anzugeben, in der er zu einem Sinnverständnis selbständig gelangen kann, so dass er nicht orientierungslos von vornherein auf Abwege gerät und so am Ende ratlos vor dem Ganzen steht. So hat das Mahler übrigens selbst verstanden. Und solche Bemühungen um "Wegweiser" des Sinnverstehens nennt man "musikalische Hermeneutik".


    Schöne Grüße
    Holger

  • Das eine ist Ratlosigkeit, das andere ein Nichtgefallen.


    Bitte nicht verwechseln.

    Lieber Karl,


    keine Angst, das tue ich nicht.


    Die Asrael-Sinfonie habe ich aus dem historischen Kontext heraus verstanden, sie hat mir aber nicht gefallen.


    Stockhausen u.a. gefallen mir nicht und verstehe ich auch nicht. Ich weiß nicht, ob sie mir nicht gefallen weil ich sie nicht verstehe oder ob ich sie nicht verstehe, weil sie mir nicht gefallen. Beides trifft zu. Es muß auch noch etwas drittes geben. Nennen wir es einfach Abneigung.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • zum Beitrag 112.


    Nun werde ich Konzerte wohl nie richtig verstehen, egal ob Mahler, Bach oder Stockhausen. Denn ich habe schon Deinen Artikel nicht verstanden.


    Warum nur gehen täglich Millionen auf der Welt in ein klassisches Konzert? Wissen die alle oder nur sehr wenige das, was uns Dein Beitrag sagen will? Ich glaube, die allerwenigsten gehen mit Deinem Wissen oder Deinen Vorstellungen in ein Konzert. Und es gibt auch gar nicht mehr so viele, die nur ihre Frau oder ihre Kleidung ausführen wollen. Es muß also doch außerhalb Deiner sicherlich theoretisch unanfechtbaren Thesen etwas geben, was die Leute viel Geld für Konzertkarten ausgeben läßt. Glaubst Du wirklich, daß das "Gefallen" einer wissenschaftlichen Analyse bedarf und man dann das an der Musik versteht, was einem auch ohne dieses Wissen gefallen hat?


    Ich glaube, Du kannst nicht anders. Es ist für Dich wohl undenkbar, daß man ins Konzert nur deshalb geht, weil man Gefallen an Steigerungen z.B. beim Finale der 3. von Mahler findet oder an ppp-Passagen derselben Sinfonie, in denselbem Satz, ohne das begründen zu können, weil einfach das Gefühl die Vorgabe gibt, vielleicht noch mit historischem Hintergrundwissen? Ich bin glücklich, mir solche Gedanken wie Du nicht machen zu müssen und trotzdem Gefallen am Großteil der klassischen Musik zu finden.


    Ein Streitpunkt ist das allerdings nicht. Ich weiß. was mir gefällt, und Du weißt, was Dir gefällt. Uns gefällt beiden die 3. Mahler. Aber mir wohl aus anderen, einfacheren Gründen als Dir. Vielleicht macht mich mein Nichtwissen der Theorie sogar glücklicher als Dich, da bei mir weniger kritisch gedeutet wird. Ich bin da auch sehr beratungsresistent.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Und nun wird behauptet, auch unter diesen Voraussetzungen versteht man Sprache "ohne großartige Erläuterungen".


    Die Antwort ist natürlich klar, dass das völlig absurd ist.

    Wie Du nachlesen kannst, ist eine solche Behauptung außer von Dir nicht aufgestellt worden. Selbstverständlich vermittelt sich Sprache direkt aus kultureller Übereinkunft. Das bringt den Philosophen gelegentlich zum Haareraufen, da der Volksmund Sprache zuweilen anders verwendet als der Philosoph, aber darunter leidet wohl zunächst der Zweite. Der Dante ist als Text inhaltlich zunächst einmal grob zu erfassen, wofern er in deutscher Übersetzung vorliegt. Ich erkenne eine Geschichte und werde sie wohl auch -möglicherweise- nacherzählen können. Dass es ein darüber hinausgehendes Textverständnis gibt steht völlig außer Frage. Ein noch besseres Beispiel wäre die Bibel, ein Buch das vor dreitausend (in seinen ältesten) und zweitausend (in seinen jüngeren Teilen) Jahren entstanden ist. Im arabischen Kulturkreis. Die Geschichte "Es begab sich aber zu der Zeit..." erfasst hier wohl jeder. Aber wohl kaum jemand reflektiert diese Geschichte aus ihrer Zeit heraus, überprüft die Übersetzungen oder vergleicht sie mit der Parallellerzählung aus dem Koran (Sure 19,16-35). Dennoch freuen sich Christen weltweit zu Weihnachten an dieser Geschichte. Ohne sie -in Deinem und zugegebenermaßen kaum widersprechbaren Sinne- zu verstehen. Es ist auch einigermaßen überfordernd, stets mit dem Arsenal von Semantik, Semiotik und Anthropolgie sowie den verschiedenen Disziplinen der Geschichtswissenschaft aufzulaufen.


    Insofern erschließt scih mir Musik durchaus auch ohne Notenkenntnisse oder musikwissenschaftlichen Hintergrund. Aufnahmen vergleiche ich nicht anhand von Notentexten, die ich ohnehin nicht verstehe, sondern einzig darüber, wie mich das Werk berührt, oder auch darüber, wie Musik mich durchs Leben tragen kann. Bei Mahler kommts bei mir halt nicht über die ersten vier Sinfonien und ein paar Orchesterlieder hinaus. Was ich aber gut verschmerzen kann.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • So hat das Mahler übrigens selbst verstanden. Und solche Bemühungen um "Wegweiser" des Sinnverstehens nennt man "musikalische Hermeneutik".

    Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn Mahler seiner 3. Sinfonie einen 7. Satz hinzugefügt hätte: "was uns die Musik erzählt".

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mahler hatte ja "Das himmlische Leben" als "Was mir das Kind erzählt" vorgesehen, dann aber entschieden, dass das Stück doch schon lang genug war...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Glaubst Du wirklich, daß das "Gefallen" einer wissenschaftlichen Analyse bedarf und man dann das an der Musik versteht, was einem auch ohne dieses Wissen gefallen hat?

    "Gefallen" heißt nun noch lange nicht "verstehen". Seltsam, im Falle der Oper beschwert man sich, wenn ein Regisseur nicht die Intentionen des Komponisten wiedergibt oder was im Libretto steht. Da reicht das "Gefallen" nicht - man will das "Richtige" haben. Bei symphonischer Musik soll das aber ganz anders sein, wenn ein Komponist wie Mahler nun mal Programme veröffentlicht hat, also wollte, dass das Publikum seine Musik in einem ganz bestimmten Sinne versteht, dann ist das alles irrelevant, Hauptsache die Musik gefällt. Mit "Wissenschaft" hat das noch gar nichts zu tun. Mahler hat bekanntlich den 1. Satz seiner 2. Symphonie als "Symphonische Dichtung" mit dem Titel "Totenfeier" veröffentlicht. Die Musik steht also in einem literarischen Kontext und sie ist damit keine "absolute Musik". Es war übrigens im 19. Jhd. mal Mode, schlechterdings bei jeder Musik nach verborgenen Programmen zu suchen. Da hatte das Publikum also ein sehr starkes Bedürfnis, einen "Sinn" zu finden, der über das Hörbare im vordergründigen Sinne hinausgeht. Auch damit rechnet ein Komponist.

    Ich glaube, Du kannst nicht anders. Es ist für Dich wohl undenkbar, daß man ins Konzert nur deshalb geht, weil man Gefallen an Steigerungen z.B. beim Finale der 3. von Mahler findet oder an ppp-Passagen derselben Sinfonie, in denselbem Satz, ohne das begründen zu können, weil einfach das Gefühl die Vorgabe gibt, vielleicht noch mit historischem Hintergrundwissen? Ich bin glücklich, mir solche Gedanken wie Du nicht machen zu müssen und trotzdem Gefallen am Großteil der klassischen Musik zu finden.

    Die Symphonie enthält aber z.B. Liedtexte, was untypisch ist für eine klassische Symphonie. Was soll z.B. der Nietzsche-Text besagen: die Welt ist tiefer als der Tag gedacht? Warum hat Mahler hier diesen Text genommen und nicht einen beliebigen anderen? Wie verhält sich dieser Text zu dem Bimbam-Lied dann später - und dem Scherzo mit dem Posthornsolo? Wie passt das alles zusammen? Auf solche Fragen sollte man als Hörer, der ein Kunstwerk auch als solches Ernst nimmt, doch Antwort geben können. Sonst interessiert man sich einfach nicht für den Sinn.

    Ein Streitpunkt ist das allerdings nicht. Ich weiß. was mir gefällt, und Du weißt, was Dir gefällt. Uns gefällt beiden die 3. Mahler. Aber mir wohl aus anderen, einfacheren Gründen als Dir. Vielleicht macht mich mein Nichtwissen der Theorie sogar glücklicher als Dich, da bei mir weniger kritisch gedeutet wird. Ich bin da auch sehr beratungsresistent.

    Um Theorie geht es gar nicht. Es ist aber nicht verboten, sich auf das geistige Niveau des Komponisten zu begeben. Mahler hat bekanntlich in jeder freien Minute Bücher gelesen, sogar seinen Töchtern und Geschwistern Nietzsche vorgelesen. Da ist letztlich die Frage: Will ich überhaupt verstehen, was der Komponist mir sagen wollte oder ist mir das gleichgültig? Höre ich dann die Musik nicht anonym, so, als sei sie von Niemanden für Niemanden komponiert, ohne irgendwelche Sinn-Botschaften zu dem einzigen Zweck, Hörvergnügen zu bereiten?

    Wie Du nachlesen kannst, ist eine solche Behauptung außer von Dir nicht aufgestellt worden. Selbstverständlich vermittelt sich Sprache direkt aus kultureller Übereinkunft.

    Wenn Du wüßtest, was ich für Mails bekomme. :D Einer schreibt mir "Thomas Pape widerspricht sich selbst"! :D

    Insofern erschließt scih mir Musik durchaus auch ohne Notenkenntnisse oder musikwissenschaftlichen Hintergrund.

    Die Frage ist immer: Was erschließt sich eigentlich und wie viel? Es gibt musikwissenschaftliche Analysen, die einem sehr viel zum Verständnis helfen können und andere, die das überhaupt nicht können. Notenkenntnisse zu haben ist auf jeden Fall nicht schlecht, sondern ein Vorteil, weil man bestimmte "tiefere" Fragen des Verständnisses anders gar nicht klären kann.

    Aufnahmen vergleiche ich nicht anhand von Notentexten, die ich ohnehin nicht verstehe, sondern einzig darüber, wie mich das Werk berührt, oder auch darüber, wie Musik mich durchs Leben tragen kann. Bei Mahler kommts bei mir halt nicht über die ersten vier Sinfonien und ein paar Orchesterlieder hinaus. Was ich aber gut verschmerzen kann.

    Ja eben. Mit Deiner "Methode" kommst Du an gewisse Grenzen, was die Verstehbarkeit angeht. :D

    Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn Mahler seiner 3. Sinfonie einen 7. Satz hinzugefügt hätte: "was uns die Musik erzählt".

    s.u.!

    Mahler hatte ja "Das himmlische Leben" als "Was mir das Kind erzählt" vorgesehen, dann aber entschieden, dass das Stück doch schon lang genug war...

    s.o.! Und in dem "Was mir das Kind" erzählt heißt es "es gibt keine Musik ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden...."


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es war übrigens im 19. Jhd. mal Mode, schlechterdings bei jeder Musik nach verborgenen Programmen zu suchen. Da hatte das Publikum also ein sehr starkes Bedürfnis, einen "Sinn" zu finden, der über das Hörbare im vordergründigen Sinne hinausgeht. Auch damit rechnet ein Komponist.

    Nur noch als Ergänzung: Nicht zufällig ist in dieser Zeit die musikalische Hermeneutik (Hermann Kretzschmar) entstanden, weil das dem Bedürfnis des Publikums (!) nach einer Sinnsuche "hinter" den Tönen entgegenkam.



    Zum Thema Musik und Bedeutung habe ich einen Kolumnenartikel hier geschrieben - zum Thema "Entsemantisierung der Musik" bei Debussy. Vielleicht liest das ja jemand mal. Eigentlich gehört das genau zu diesem Thema. ;)


    Doctor Gradus ad Parnassum. Philosophische Brocken zur Ästhetik (I) Hommage à Debussy


    Zum Thema gehören auch die Interpretationsfragen von Franz Liszts Klaviersonate h-moll:


    Doctor Gradus ad Parnassum (IV) Musik als tönende Poesie: Franz Liszts Klaviersonate h-moll


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ja, lieber Doktor, genau davor schrecken die Leute ja zurück, etwas Anständiges zu lesen. ;)


    Ich habe öfter das Gefühl, dass ich bei mehr und der richtigen Vorinformation noch mehr von der Musik haben oder gehabt haben könnte. Ein hinkendes, aber schlagendes Beispiel ist die Einteilung unserer Zeitgenossen in Leute, die Gebrauchsanweisungen für Geräte, Kleidung und Nahrungsmittel überhaupt nicht lesen, und solchen, die es grundsätzlich tun.


    Und unglaublich ! ?( ... bzgl. dem Umgang mit dem Rechner und seinen Anwendungen ("dein/ mein Netzwerk") fahre ich umsobesser, je mehr ich so draufloswurstele.


    Grüssle
    D.

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