Der amazon-recommendation-fail

  • Ich sehe die Dinge tendenziell auch eher kritisch und als Versuch, das Gesellschaftsverhalten des Menschen durchzuökonomisieren. Ob das von Anfang an bei amazon so geplant war lässt sich rückwirkend nicht feststellen. Dass die Programmierung sich allerdings an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert und weniger den User im Auge hat wurde jüngst von einer kritischen Programmiererin festgestellt (finde allerdings in der Eile den Artikel nicht).


    Ich muß hier mal eine Lanze für Amazon brechen: habe jüngst ein Produkt bestellt (somfy one), das es nicht brachte - schon die Installationsprozedur war eine Katastrophe. Zurückgeschickt. Ging alles ohne Probleme, für Amazon dürfte das Ganze mit einem Minus von 50 € gelaufen sein. Zweimal Paketkosten (sagen wir 10 €), 40 € Mindereinnahmen bei der Resterampe.


    Versucht mal, das mit einem "normalen" Händler zu machen.


    Ich nutze diese Art von Großzügigkeit jetzt nicht aus (allenfalls dadurch, daß ich viel bei der Resterampe kaufe) und schicke nur dann zurück, wenn ich es partout nicht gebrauchen kann oder es kaputt ist, aber es gibt bestimmt eine Menge Leute, die bestellen, obwohl sie nie die Absicht hatten, zu behalten.


    Amazon hat alle möglichen Produkte, die sind üblicherweise fair bepreist (heißt: fast überall woanders teurer, ich wundere mich immer, wer noch bei OTTO kauft, die meist UPE verlangen), sie sind einigermaßen ehrlich bei der Beschreibung der Produkte, versuchen nicht, negative Kommentare zu verhindern und machen insgesamt nicht den Eindruck, als wollten sie einem das Fell über die Ohren ziehen (anscheinend anders als bei Lieferanten, wie z.B. Verlagen).


    Klar, bei dieser Art von Kundenorientierung kann der deutsche Handel nicht mit, insofern wachsen die Marktanteile von Amazon wohl von Jahr zu Jahr, und das ist dann wieder gefährlich wegen übergroßer Marktmacht. Wenn es eine Alternative gibt, kaufe ich auch gern dort.

  • Dergleichen ist mir bislang nur als Kommentar zu schulischer Pflichtlektüre von gleichzeitig intellektuell überforderten und dies sehr selbstbewusst dokumentierenden Schülern untergekommen. Bei dem Psychologen, der ansonsten eher Taschenmesser, Weingläser oder Konservensuppen (die er in der Pfanne zubereitet) kommentiert gibt es doch Anlass zum Staunen.

    Lieber Thomas,


    da hast Du mir aber ein schönes Material für meinen Kitsch-Artikel gegeben! :) Die interessante Sache daran ist, dass Byron heute so kitschig wirken kann auf den Leser. Bestimmte Bilder sind zum Klischee geworden, was sie zu ihrer Entstehungszeit natürlich nicht waren.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich will in diesem Thread niemanden an die Wand nageln, empfinde indes großes Befremden über die Selbstgewissheit mancher Zeitgenossen, sich zu Dingen zu äußern, von den sie ganz offenscihtlich nichts verstehen, und dann auch noch zu allem Überfluß eine Bewertung abgeben. Da ich nicht gezeilt nach solchen Highlights fahnde -ich stoße zumeist dann drauf, wenn ich aus gegebenem Anlass selber auf der Suche nach etwas bin- haben die zitierten "Rezensionen" mit meinen eigenen Interessen zu tun (gestern war ich auf der Suche nach einer der beiden deutschen Hörspiel-Versionen des Manfred). Heute Abend geht's dann ins Dortmunder Konzerthaus zu einer Aufführung von Tschaikowskis Manfred-Sinfonie.


    Damit, im Manfred Kitsch zu sehen, habe ich so meine Anstände. Will man's biographisch sehen, gab's für Byron Gründe, die Handlung in die schweizer Berge zu verlagern, schließlich war er selber vor der Entdeckung einer inzestuöden Beziehung von London in die Schweiz geflohen. Der Name von Manfreds geliebter Schwester Astarte (eine antike Liebesgöttin) lässt auch Rückschlüsse darauf zu, dass Byron ein eigenen inzestuöses Verhältnis in das auf seinen Protagonisten projiziert. Die landschaftliche Szenerie ist jedenfalls nicht das Kernstück des Manfred und durchaus austauschbar. Heute würde man ihn in der Unwirtlichkeit der Städte beim Programmieren von Algorithmen vorfinden. Wahrscheinlich. Stellte ich mich aber auf den Standtpunkt, dass man das, was früher kein Kitsch war, heute als Kitsch bezeichnen dürfe, weil es eine entsprechende Transformation in der kollektiven Wahrnehmung durchlaufen habe, wäre ein Gutteil der romantischen Dichtung diskreditiert.


    Sorry, ein wenig ungeordnet weil schnell geschrieben.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • ich will in diesem Thread niemanden an die Wand nageln, empfinde indes großes Befremden über die Selbstgewissheit mancher Zeitgenossen, sich zu Dingen zu äußern, von den sie ganz offenscihtlich nichts verstehen, und dann auch noch zu allem Überfluß eine Bewertung abgeben.

    So ist es, lieber Thomas. Das ist die Krankheit des Internets.

    Damit, im Manfred Kitsch zu sehen, habe ich so meine Anstände. Will man's biographisch sehen, gab's für Byron Gründe, die Handlung in die schweizer Berge zu verlagern, schließlich war er selber vor der Entdeckung einer inzestuöden Beziehung von London in die Schweiz geflohen. Der Name von Manfreds geliebter Schwester Astarte (eine antike Liebesgöttin) lässt auch Rückschlüsse darauf zu, dass Byron ein eigenen inzestuöses Verhältnis in das auf seinen Protagonisten projiziert. Die landschaftliche Szenerie ist jedenfalls nicht das Kernstück des Manfred und durchaus austauschbar. Heute würde man ihn in der Unwirtlichkeit der Städte beim Programmieren von Algorithmen vorfinden. Wahrscheinlich. Stellte ich mich aber auf den Standtpunkt, dass man das, was früher kein Kitsch war, heute als Kitsch bezeichnen dürfe, weil es eine entsprechende Transformation in der kollektiven Wahrnehmung durchlaufen habe, wäre ein Gutteil der romantischen Dichtung diskreditiert.

    "Oberman" von Etienne de Senancour - der Klassiker der französischen Frühromantik und das Lieblingsbuch von Franz Liszt - spielt ja auch in den Schweizer Alpen. Das ist natürlich kein Zufall. Bezeichnend kommen sowohl Senancour als auch Byron in Liszts "Annees de Peleringe" vor. Es gibt zudem eine hochinteressante Rezeptionsgeschichte dieser sogenannten "Weltschmerzliteratur". Das Problem ist, dass diese Leute sich nur an einzelne emblematische Figuren halten aber nicht die verdichtete Komplexität überhaupt zu erfassen imstande sind, die diese Embleme von Klischees weit entfernt halten. Das ist ungefähr so, als wenn man sich ein Bild von Caspar David Friedrich anschaut und nur die gotische Kathedrale, die Ruine und die deutsche Eiche sehen will und sonst nichts. :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich will in diesem Thread niemanden an die Wand nageln, empfinde indes großes Befremden über die Selbstgewissheit mancher Zeitgenossen, sich zu Dingen zu äußern, von den sie ganz offenscihtlich nichts verstehen, und dann auch noch zu allem Überfluß eine Bewertung abgeben. .......


    Wieviel muss man denn von einer Sache verstehen, um sich dazu zu äußern? Und wer gibt den Maßstab vor? Ist es illegitim, wenn ein Mensch mit Hauptschulabschluss, der versehentlich an eine Meistersinger CD geraten ist, bei Amazon schreibt, dass das langweilig ist, und er vom Kauf abrät? Übrigens kann man mit dieser Argumentation auch die Demokratie in Frage stellen:
    "Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen;
    Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
    Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Nun, wer sich eine CD bei amazon kauft, zeigt schon mal ein grundsätzliches Interesse. Das gilt auch für Bücher. Da das alles Geld kostet, gehe ich davon aus, dass man sich vorher informiert. google und youtube sollten derartige Fehlgriffe eigentlich ausschließen. Käme es dennoch dazu, wäre eine berechtigete Anmerkung: "Fehlkauf meinerseits, habe mir was Anderes vorgestellt, schade, dass amazon die Sachen nicht zurücknimmt"


    Alles andere entspräche der von mir genannten Anmaßung. Man kann es auch "Dampf ablassen" nennen.


    @Demokratie: das wäre jetzt politisch und im Forum nicht gewollt, dennoch: der Demokratie läuft im Moment in D das Volk davon. Einige Formen von Wahl und Mitbestimmung sollten tatsächlich überdacht werden, des Volkes wegen und seiner Politiker.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Was ist denn der Sinn dieser Kundeninformationen bei amazon? Wenn ich einen Rasierapparat z.B. kaufe, dann lese ich die Kundenrezensionen, die ihre Erfahrungen mit dem gekauften Gerät wiedergeben. Wenn ich Probleme nach einem Neukauf hatte, schreibe ich vielleicht selbst eine Rezension. Das macht Sinn. Man darf eigentlich erwarten, dass derjeinge, der solche Rezensionen abgibt, erst einmal denkt: Ist das, was ich schreibe, vielleicht hilfreich für andere Leute, die sich für das Produkt interessieren? Wenn dagegen jemand irgendeinen Shit über Goethes Faust oder Byrons Manfred schreibt, dann ist das über anerkannte (Welt-)Literatur und hilft Niemandem. Dann will er nur Dampf ablassen. Das darf er natürlich, aber dafür wäre der Platz in einem Literatur-Forum. Anders wäre es, wenn es um einen neu erschienenen Bestseller z.B. ginge. Da kann jemand durchaus schreiben: "Das Buch wird ja sehr gelobt, aber ich fand es eher langweilig." Das hat einen gewissen Informationswert und ist auch in Ordnung. Von mündigen Bürgern einer Demokratie erwarte ich eigentlich, dass sie nicht einfach gedankenlos jede Möglichkeit der Informationsgesellschaft nutzen, nur weil es sie gibt. Für Fehlleistungen in dieser Hinsicht sammelt Thomas - die oft wirklich auch erheiternden - Beispiele. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger