Franz Schubert – Kunstlieder modifiziert, arrangiert, manipuliert und verziert

  • Danke für den Hinweis, lieber hart. Hab´s sofort befolgt und den Artikel gelesen. Interessant die Bemerkungen:
    „Schubert scheint sich diesem Ensemblespiel vorsichtig zu entziehen“ und „Das ist überhaupt der schmale Grat dieser Schubertiade: dass sie Tragisches und Kritisches bei Schubert wie aus Versehen dann und wann unterspielt – allerdings durchaus meisterhaft.“


    Das bestätigt mich ein wenig in dem Eindruck, der sich bei mir im Probehören in Gestalt der bei Amazon verfügbaren Hörschnipsel einstellte. Ich war nie ein Freund von solchen Arrangements von Original-Klavierlied-Musik. Sie läuft geradezu zwangsläufig auf eine Verfehlung und Verfälschung der liedmusikalischen Aussage hinaus, weil sie auf den vordergründigen klanglichen Effekt hin ausgerichtet ist, der zumeist einer der schieren Gefälligkeit ist.
    Was mich übrigens ein wenig ärgert, ist die Tatsache, dass man seine solche CD-Produktion als "Schubertiade" verkauft. Die bestand damals eben gerade nicht aus Arrangements, sondern aus der Original-Schubert-Musik.
    Ich werde mir diese CD dennoch zulegen. Dies allerdings nur aus reiner Neugier.
    Vielen Dank für diese Information!

  • Hier der Link .....Zurück in die Idylle


    Mir gefällt Julian Prégardiens CD sehr gut, kenne ihn aber auch von seinen Anfängen an, mit und ohne Vater! Aus Lied und Oper!
    Da ist man auch schon mal subjektiv! ;)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Gestern erhielt ich - mit einiger Verspätung - die hier abgebildete CD mit Schubert.Liedern, welche von Max Reger instrumentiert worden waren. Wenn ich mich richtig erinner, so war dieser Thread hier der Auslöser für den Kauf. Ähnlich wie Helmut Hofmann habe auch diese CD nur aus Neugier gekauft (zudem was sie nicht teuer) Als ich das Statement Maxregers - zitiert im Werbetext zu dieser CD - gelesen habe,

    Zitat

    »Für mein Ohr ist es oftmals direkt eine Beleidigung in einem Riesensaal nach eine Orchesternummer eine Sängerin hören zu müssen, die zu der im riesigen Saal spindeldürren Klavierbegleitung Lieder singt! Selbstredend aber: Die Lieder, die man instrumentiert, die muss man sehr sorgfältig auswählen.«


    war ich eigentlich auf das Schlimmste gefasst, aber ich wurde angenehm überrascht: Reger intrumentiert recht durchsichtig und eher schlank, sowie passend und "gefällig" ein leichter Hauch von Kitsch ist den Liedern in dieser Bearbeitung indes nicht abzusprechen.
    Ob man das toleriert, akzeptiert oder sogar begrüßt, das ist Geschmackssache.
    Persönlich frage ich mich allerdings wo Herr Reger die originalen Schubertlieder gehört hat:
    eine "spindeldürre Klavierbegleitung" ist mir im ganzen Leben bislang noch nicht untergekommen.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was mich übrigens ein wenig ärgert, ist die Tatsache, dass man seine solche CD-Produktion als "Schubertiade" verkauft.


    Es dürfte bekannt sein, dass ich solchen Dingen auch eher reserviert gegenüberstehe, aber trotzdem finde ich den Trailer von 5:28 Dauer, in dem der Sänger seine Sicht der Dinge dartut, nicht uninteressant ...

  • Was mich übrigens ein wenig ärgert, ist die Tatsache, dass man seine solche CD-Produktion als "Schubertiade" verkauft.


    Mich auch - übrigens ein mieser Verkaufstrick.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • war ich eigentlich auf das Schlimmste gefasst, aber ich wurde angenehm überrascht: Reger intrumentiert recht durchsichtig und eher schlank, sowie passend und "gefällig"


    Die Bearbeitung für Orchester geht an Schuberts Kunstlied ziemlich vorbei (welcher Teufel da wohl Reger geritten hat?).


    Die Sopranistin mit ihrem Vibrato (beinahe schon Tremolo) ist für Schubertlieder völlig ungeeignet, egal ob in dieser Bearbeitung oder als Kunstlied.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • war ich eigentlich auf das Schlimmste gefasst, aber ich wurde angenehm überrascht: Reger intrumentiert recht durchsichtig und eher schlank, sowie passend und "gefällig"


    Die Bearbeitung für Orchester geht an Schuberts Kunstlied ziemlich vorbei (welcher Teufel da wohl Reger geritten hat?).


    Die Sopranistin mit ihrem Vibrato (beinahe schon Tremolo) ist für Schubertlieder völlig ungeeignet, egal ob in dieser Bearbeitung oder als Kunstlied.

    war ich eigentlich auf das Schlimmste gefasst, aber ich wurde angenehm überrascht: Reger intrumentiert recht durchsichtig und eher schlank, sowie passend und "gefällig"

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die Bearbeitung für Orchester geht an Schuberts Kunstlied ziemlich vorbei (welcher Teufel da wohl Reger geritten hat?).


    Der Teufel, das war im speziellen Falle er selbst - sieh Dir sein Statemant über die "spindeldürre Klavierbegleitung" an - dann weißt Du Bescheid.
    Nimmt man diesen Satz als Drohung, dann war das Ergebnis doch eher "moderat" daneben.


    Aus meiner Sicht ist jede Instrumentierung von Schubert-Liedern zum Scheitern verurteilt -
    fragt sich nur: auf welchem Niveau ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Persönlich frage ich mich allerdings wo Herr Reger die originalen Schubertlieder gehört hat:
    eine "spindeldürre Klavierbegleitung" ist mir im ganzen Leben bislang noch nicht untergekommen.....

    Lieber Alfred,


    ich habe das wie ich finde Entscheidende mal fett gesetzt. Wenn man die Lieder nicht im kleinen Kammermusiksaal aufführt, dann wird die Klavierbegleitung "spindeldürr". Eine ganz ähnliche Motivation hatte Gustav Mahler, als er Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" für großes Orchester setzte.


    Abbado hat u.a. auch Reger-Orchestrierungen dirigiert. Und das hat mir sehr gut gefallen:


    Lieder in Orchesterfassung von Britten, Brahms, Reger, Berlioz, Liszt, Webern (Die Forelle; Ellens Gesang II; An Silvia; Im Abendrot; Nacht & Träume; Gruppe aus dem Tartanus; Erlkönig; Die junge Nonne; Tränenregen; Der Wegweiser; Du bist die Ruh; Ihr Bild; Prometheus; Memnon; An Schwager Kronos; An die Musik; Erlkönig; Romanze D. 797 Nr. 3b aus "Rosamunde")



    Schöne Grüße
    Holger

  • Zit. Alfred Schmidt: „war ich eigentlich auf das Schlimmste gefasst, aber ich wurde angenehm überrascht: Reger intrumentiert recht durchsichtig und eher schlank, sowie passend und "gefällig"

    Ja, Reger versucht in seiner Orchestrierung die Struktur des Klaviersatzes zu berücksichtigen. Man hört das zum Beispiel besonders markant und deutlich bei „Gretchen am Spinnrade“. Aber da zeigt sich auch, was in diesem Fall, vom Klavierlied aus betrachtet, verloren geht: Die klangliche Suggestion von Einsamkeit, die von dem Gegeneinander von kalt-mechanisch sich entfaltendem Klaviersatz und emotional tief aufgewühlter melodischer Linie generiert wird, existiert nicht mehr, denn die Singstimme ist in ein klangliches Bett gepackt, das ihr die für die musikalische Aussage so konstitutive Exponiertheit, die sie in der Klavierfassung des Liedes hat, völlig wegnimmt.


    Im übrigen: Natürlich ist der in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts anwachsende Trend, das Kunstlied in den großen Konzertsaal zu bringen, für solche Orchestrierungen maßgeblich verantwortlich. Aber im Fall Regers kommt noch etwas hinzu, was letzten Endes für seine Entscheidung maßgeblich war, den Auftrag von Breitkopf und Härtel anzunehmen, acht Schubertlieder zu orchestrieren. Er war als Musiker kein geborener Liedkomponist. Im Grunde seines Wesens war ein orchestral denkender und komponierender Musiker, und man hat seine häufig klaviersatzlastigen und modulationsreichen Lieder abfällig als „Klavierstücke mit Liedbegleitung“ oder „Kammermusik mit obligater Singstimme“ bezeichnet. Schon zu Regers Lebzeiten kritisierte man die „Dissonanzen, die allenfalls zu Mord und Totschlag passen mögen, nicht aber zu einem neckischen Rathe für Verliebte“. Zwar widmete er seine 1893 entstandenen „Fünf Lieder op.12“ „Den Manen Franz Schuberts“, aber auf sein eigenes liedkompositorisches Schaffen hatte Schubert keinen großen Einfluss.
    Über ihn urteilte er: „Schubert konnte noch Goethe komponieren, denn er war ein musikalischer Naturbursche, er nahm die Texte ganz naiv, und während des Komponierens hatte er so geniale Einfälle, daß damit eigentlich alles getan war.“
    Dieses Urteil zeigt, dass er Schubert eigentlich nicht verstanden hat. Und der Grund dafür ist in seinem eigenen liedkompositorischen Konzept zu suchen. In einem Brief an Anton Gloetzner (vom 25.1.1900) meinte er: „Unser Weg im Lied ist die denkbar subtilste Interpretation der geheimsten lyrischen Stimmung!
    Eine auf das Erfassen von „lyrischer Stimmung“ abzielende Liedkomposition erforderte einen reichen, sich am klanglichen Potential des Orchesters orientierenden Klaviersatz, wenn es denn nicht gleich von Anfang an ein Orchesterlied sein soll. Und so meinte er denn, er könne mit seiner Orchestrierung des Schubertliedes diesem etwas geben, was ihm als Klavierlied aus einer Sicht notwendigerweise fehlen muss. Die "spindeldürre Klavierbegleitung" ist aus seiner Sicht nicht deshalb unzulänglich, weil die akustisch dem Konzertsaal nicht gewachsen ist, sondern weil sie als solche musikalisch zu wenig zu sagen hat.

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  • Da die Reger-Orchestrierung in der Abbado-Box enthalten ist, habe ich gerade auch noch einmal nachgehört und gebe einfach mal meine Eindrücke wieder:


    Ich finde, dass die „Bewertung“ dieser Orchestrierung nicht so einfach ist. Was hat Reger gemacht? Was Schuberts Klavierlied so eindringlich macht, ist, dass es hier eine klare Gegenüberstellung von expressiver Singstimme und Klavier gibt: Das Klavier gibt die alles durchziehende Befindlichkeit von Gretchen wieder, nämlich die Unruhe, d.h. es dominiert die durchlaufende Bewegungsfigur. Reger wollte offenbar nicht, dass das Orchester lediglich mit erweitertem Apparat die Rolle des Klaviers spielt. Er hat statt dessen eine „symphonische“ Transkription in ein Orchesterlied versucht, was heißt, dass das Orchester anders als das Klavier nicht mehr nur sekundierend begleitet. Das erkennt man unschwer daran, dass das Orchester bei Reger die Singstimme gleichsam „übernimmt“; sie wird orchestral vervielfältigt und so die Singstimme selber zu einer Stimme in symphonischer Vielstimmigkeit. Das bewirkt natürlich, dass der Eindruck der durchgehenden Bewegung der Unruhe verschwindet. Statt dessen dominiert das Melodische im Orchester und das Lied wird auf diese Weise „dramatisiert“ – die Orchesterversion hat unschwer etwas Opernhaftes, weil nun nämlich die Dynamik „Vorbereitung, dramatischer Höhepunkt“ welche mit der Melodik verknüpft ist, zum Dominierenden wird. Anders als im Klavierlied geht es nicht mehr darum, dass das Instrumentale die „Grundstimmung“ (die alles durchziehende unruhige Bewegung) andeutet. Bei Reger wird statt dessen die dramatische Wirkung, die in der Singstimme enthalten ist, verstärkt, orchestral verdichtet. Regers Orchesterlied setzt an die Stelle der stimmungsromantischen Untermalung die dramatische Verdichtung.


    Wie soll man das nur bewerten? Offenbar wollte Reger nicht ein Orchesterlied schaffen, welches das Klavier lediglich in seiner Rolle ersetzt und ein bisschen klanglich-ornamental üppiger gestaltet. Er hat gar nicht versucht, ein – sprachlich ausgedrückt – wörtliches Äquivalent zum Klavierlied zu schaffen, sondern etwas Neues: die musikdramatischen Implikationen der Singstimme durch ihre orchestrale Resonanz zu intensivieren, zu verdichten. Dass man es – gerade auch mit dem Orchester – anders machen kann, zeigt Gustav Mahler. Mahlers Wunderhorn-Lied „Das irdische Leben“ ist unverkennbar von Schuberts „Gretchen am Spinnrade“ inspiriert. Mahler war so fasziniert von Schubert, dass er tatsächlich mit dem Orchester die Stimmung der „Unruhe“ so wie auf dem Klavier bei Schubert wiedergegeben hat. Hier gibt es auch das verzahnte Gegeneinander von expressiver Melodik und durchlaufender Bewegung, wie in Schuberts Klavierlied. Und diese Rolle erfüllt das Orchester auch nicht irgendwie „schwächer“ als das Klavier. Mahler war allerdings letztlich ein Expressionist, während Reger finde ich sich in dieser Transkription eher an Wagners romantischem Musikdrama orientiert. Mir persönlich gefällt der Weg Mahlers besser als derjenige Regers. Man kann allerdings die hohe künstlerische Qualität von Regers Orchestrierung nicht bestreiten, meine ich.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich lehen mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, JEDE Orchestrierung eines Klaviersatzes nimmt dem Stück etwas spezifisches, gibt ihm aber (so gut gemacht) etwas anderes zurück. Dieses Andere verändert - oder (je nach Betrachtung)verfälsch das Original. Das ist auch bei den "Bildern einer Ausstellung" zu bemerken Der normale Konzertbesucher wird die Orchestrierung duirch Ravel als vollgültig bewerten - vor allem dann, wenn er das Stück so kennengelernt hat.
    Dennoch scheint das Ergebnis nicht alle zufriedengestellt zu haben, gibt es doch zahlreiche Alternativorchestrierungen von Stokowsky bis Ashenazy.
    Jeder hat geglaubt es "besser" machen zu können.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Entschluss Regers, Lieder zu orchestrieren, hatte zunächst einen ganz praktischen Grund, der bei der Bewertung dieser Arbeiten nicht unberücksichtigt bleiben sollte. Er nahm in seinem Konzerten - vor allem in Meinigen - eine bereits vorgefundenen und damals weit verbreitete Praxis auf, Klavierlieder in die Programme einzubeziehen. Zwischen zwei Orchesterstücken mühten sich also Sänger zum Klavier. Von daher rührt seine Bemerkung von der "spindeldürren Klavierbegleitung". Das leuchtet mir ein. Er wollte also einen gewissen Gleichklang erzielen. Außerdem brauchte nicht extra ein Flügel aufs Podium geschleppt werden. Das Orchester war ja ohnehin da. Reger in einem Brief an Breitkopf & Härtel: "Ich habe so oft schon die Erfahrung gemacht, daß die Liedvorträge in Symphonieconcerten sehr darunter litten, daß die Herrn Dirigenten nicht gerade die besten Begleiter waren." Daraus folgte die vertraglich vereinbarte Orchestrierung von Liedern. Insgesamt liegen vierzig Titel vor. Neben Schubert betreffen sie Brahms, Wolf, Grieg und zwölf eigene Gesänge.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Immer, wenn man etwas nicht sucht findet man es. Hier habe ich ein ganz besonderse "Gustostück"
    Aus meiner Sicht ist hier alles schiefgelaufen, was nur schiefgehen kann: Zum einen halte ich die Idee, diesen Liederzyklus von einem Ensemble singen zu lassen für völlig verfehlt. "Aber", so dachte ich, "vielleicht ist das Endergebnis überzeugend" Beim Hineinhören in die Democlips wurde ich eines Besseren belehrt, und mein Vorurteil wurde trefflich bestätigt. Dazu kam, das meines Erachtens nach das "Collektiv" aus teilweise schneidenden Stimmen bestand. Vielleicht ist das aber Absicht um die Tristesse dieser Winterreise zu betonen ? Wenn das der Fall sein sollte, dann ist das trefflich gelungen.
    Diese CD ist IMO ein ideales Weihnachtsgeschenk - Als Getränkeuntersetzer !!


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eben habe ich mal in die Hörschnipsel bei jpc reingehört. Meine Güte! Mir hat sich beinahe der Magen umgedreht!
    Alfreds Kommentar "Diese CD ist IMO ein ideales Weihnachtsgeschenk - Als Getränkeuntersetzer !!" ist voll und ganz angebracht.
    Schuberts "Winterreise" hat ein geradezu trauriges Los gezogen. Sie ist zum am meisten verunstalteten Werk der Kunstlied-Geschichte geworden. In Frankfurt haben sie im September dieses Jahres wider ein solches Spektakel mit ihr veranstaltet. Noch akzeptabel war dabei, dass Ian Bostridge dabei im Straßenbahndepot im Gutleutviertel auftrat. Immerhin hat er das Werk im Original vorgetragen, und das noch nicht einmal schlecht! Dann aber kam eine Version mit der Sängerin Natasa Mirkovic, begleitet von Mattias Loibner auf der Drehorgel, - und dies natürlich in dem alten Frankfurter Apfelwein-Lokal "Lorsbacher Tal".


    Es ist wirklich erstaunlich, was den Leuten alles so einfällt, um mit diesem Werl Schuberts einen spektakulären Zirkus zu veranstalten.
    Übrigens, der Initiator dieser Veranstaltungsreihe, der Intendant der Alten Oper Stephan Pauly, hat doch tatsächlich in der "Winterreise" ein Politikum entdeckt. Er kommentierte seine Aktion u.a. mit den Worten:
    "Der Zyklus wird als romantisches Werk gehört und gelesen. Wir wollen dagegen anarbeiten und die politischen, gesellschaftlichen, sozialgeschichtlichen Aspekte dieses Zyklus hervorkehren. (...) Es geht uns darum, Bezüge zur Gegenwart herzustellen, auch zur Situation von geflüchteten Menschen, die nach Europa gekommen sind."
    Kommt mir irgendwie bekannt vor. Hab´s gerade vor kurzem hier im Tamino-Forum schon einmal in ähnlicher Weise vernommen, bemerkenswerterweise von dessen wortreichem Verteidiger des Regietheater-Konzepts.

  • und dies natürlich in dem alten Frankfurter Apfelwein-Lokal "Lorsbacher Tal".


    Wo Du Dich so überall herumtreibst ...


    Hier eine bessere Empfehlung:
    Oper Frankfurt - 23. Januar 2018: Liederabend mit Dorothea Röschmann


    Diese Winterreise-Experimente haben bereits eine gewisse Tradition, schon 2002 wurde das Werk in einem Boxring dargeboten, der Gatte der Sängerin war Regisseur ... Und zu dieser CD? Was soll man dazu schon sagen? Ein Produkt unserer Zeit ...


  • Es bietet sich an, diese CD in dieses Thema einzubringen. Mitte der 1980er Jahre haben sich die Bässe Kurt Moll und Harald Stamm mit Wilhelm von Grunelius am Klavier in den "Erlkönig" geteilt. Moll übernahm den Part des Vaters, Schramm den Rest. Nötig war das nicht. Dem berühmten Stück wird kein zusätzlicher Aspekt zuteil, es gerät auch in dieser prominenten Interpretation zum Gag, ohne aber - wie ich finde - zur Klamotte zu verkommen. Es macht mir sogar eine gewisse Freude, den beiden gleichaltrigen Herren mit Jahrgang 1938 zuzuhören. Moll, der 2017 gestorben ist, fällt durch sein unverwechselbares samtiges Timbre auf und setzt sich gut gegen den etwas sachlichen Stamm ab. Sie haben hörbar Spaß an ihrer ungewöhnlichen Herausforderung, die sie in "Der Tod und das Mädchen" – ebenfalls von Schubert – noch auf die Spitze treiben, indem sich Stamm stimmlich ins weibliche Geschlecht verwandelt. Die putzigen Aufnahmen waren 2001 zunächst bei Koch / Schwann in einer Zusammenstellung als Romantic Bass Duets herausgekommen. Nun sind sie bei Profil Edition Günter Hänssler neu aufgelegt worden. Grundsätzlich bin ich für derlei - sagen wir mal gütig - Experimente aufgeschlossen. Es gibt ja genug Alternativen, die sich am Original orientieren.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Franz Schubert: Winterreise
    Fassung für Bariton, Chor und Klavier arrangiert von Gregor Meyer

    Daniel Ochoa Bariton, Cristian Peix Klavier Vocalconsort Leipzig

    Zitat
    Auf die Idee, da einen Chor einzubeziehen, muss man erst mal kommen: Schuberts »Winterreise« ist unumstritten der Höhepunkt des Kunstlieds – 24 Stücke, die zum einen jeweils in sich geschlossen und zum anderen gemeinsam ein romantisches Universum sind. Dass Schubert dem Klavier wesentlich mehr als nur den Begleitpart zuordnet, ist ein Allgemeinplatz. Sänger und Pianist sind gleichrangige Partner – bisweilen spricht das Klavier aus, was sich mit Worten nicht mehr ausdrücken lässt. Gregor Meyer, Chordirektor des Gewandhauses, hat nun eine Version geschaffen, in der ein Chor die holde Zweisamkeit ergänzt. Das klingt auf den ersten Blick eigenartig, denn irgendwas muss ja der Chor singen – und dass das Ensemble den Text dabei oft doppelt, liegt letztlich auf der Hand. Doch so einfach macht es sich Meyer nicht: Er setzt das tadellos agierende Vocalconsort Leipzig eher wie eine zusätzliche Klangfarbe ein, weicht bisweilen sogar auf Vokalisen aus, um das kongeniale Miteinander von Pianist (dezent: Cristian Peix) und Gesangssolist (ausdrucksstark: Daniel Ochoa) nicht zu unterlaufen. HAGEN KUNZE kreuzer-responsive-logo.png

    Bin total begeistert von diesem Arrangement, wie hier Solostimme und Chor eingesetzt sind wie Kunze schon bemerkte, ist für mich unglaublich gut gemacht!

    Ich kenne Ochoa nur von div.Einspielungen, aber nicht vom Lied her.


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Warum bearbeiten viele Komponisten Schuberts Musik? Es gibt wenige andere Grössen der Musikgeschichte, denen diese Ehre zuteil wird.


    Ich habe ein Typoskript einer längeren Abhandlung von Yamaguchi Makiko, Universität Osaka in meiner Sammlung: Die Ergänzunge der C-Dur Sonate D. 840 Schubert durch Ernst Krenek: Die Schubert Interpretation des Schubert-Kreises. Darin findet sich eine Passage, in der beschrieben wird, was Ernst Krenek (1900-1991) in den Werken seines verstorbenen Komponistenkollegen bemerkenswert fand. Ich tippe sie ab:


    "Nachdem Krenek Erdmann (Eduard Erdmann (1896-1958), Pianist Anmerkung moderato) in Berlin kennenlernte, erkannte er im Studium sämtlicher Lieder mit Erdmann Schuberts kompositorische Überlegenheit. ...


    (Anmerkung moderato: Es sind über 600 Lieder, mit denen sich die beiden Musiker beschäftigten und analysierten. Ein Umstand, den ich hervorheben möchte.)


    Was Erdmann an Schuberts Kompositionsweise bemerkenswert fand, ist nicht die Originalität der Harmonien und die damit in Zusammenhang stehenden "unsymmetrischen Periodenglieder" an sich. Er schätzte vielmehr das "Ausbalancieren (...) durch harmonische Rückungen oder Verschiebungen von Akzenten" anstelle nur zahlenmässigen Balancieren durch Hinzufügen oder Wegnahme von Takten. Auch schätzte er Schuberts feinen Sinn für "Störung und Wiederherstellung metrischen Gleichgewichts durch Varianten in Dynamik, Textur und Registerlage". Also wird metrisches Gleichgewicht dadurch hervorgebracht, dass die Phrasen anders empfundet (so im Original, Anmerkung moderato) werden, indem scheinbar sekundäre Elemente wie Dynamik oder Begleitfigur verändert werden. Hier lernte Krenek "die Grundprinzipien der Komposition, wie man Harmonien und Metrum koordiniert, und schätzte die Kunstfertigkeit Schuberts, mit der er aus seinen einfachen Materialien unbegrenzt Varianten entwickelt."


    Für andere Musiker wird die Bewunderung anders begründet sein. Schubert ist ein Phaszinosum.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Das Coverbild zeigt die Schallöffnung einer Posaune. Matthew Gee spielt auf diesem Instrument zusammen mit Christopher Glynn am Klavier alle 24 Lieder der Winterreise in eigener Bearbeitung.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Bei der Renovation des Threads habe ich gesehen, dass diese Aufnahme mit den Bamberger Symphonikern und Jonathan Nott fehlt. Es sind Werke zeitgenössischer Komponisten, die sich mit Franz Schuberts Musik auseinandergesetzt haben.


    Luciano Berio: Rendering für Orchester

    Aribert Reiman: Metamorphosen über ein Menuett von Schubert (D. 600) für 10 Instrumente

    Hans Werner Henze: Der Erlkönig

    Hans Zender: Schubert-Chöre Nr. 1-4

    Kurt Schwertsik: Epilog zu Rosamunde op. 33


    Henze und Zender nehmen sich der Lieder Schuberts an. Track 5 bis 9 der Hörschnipsel beim Werbepartner.


    Aus der Produktinformation:


    Hans Zender kommt in seinen vier Schubert-Chören der Bearbeitung am nächsten, denn er hat kaum mehr getan als die Klavierbegleitung der vier ausgewählten Lieder für Männer- bzw. Frauenchor (Coronach, 23. Psalm, Der Gondelfahrer und Nachthelle) für Orchester zu setzen – das aber mit solch großem und dennoch unaufdringlichen Raffinement, dass die vokalen Anteile in den verschiedensten „malerischen” Techniken zu glühen und zu funkeln beginnen.


    Die individuellste Lösung präsentiert auch im vorliegenden Programm wieder einmal Hans Werner Henze. Der Erlkönig gehört in das Ballett Das Luftkind, dessen Libretto Jean Cocteau schon 1962 für Henze geschrieben hatte, das aber erst Ende der neunziger Jahre realisiert wurde. Der Komponist hat sich in der aus dem Bühnenzusammenhang gelösten Orchesterfantasie vom Puls und Impuls des gleichnamigen Liedes inspirieren lassen und eine Art Toccata geschaffen, die ohne wirkliche Zitate auskommt und dabei den Eindruck erweckt, daß Vater und Sohn auf der Flucht vor dem geisterhaften Spuk nicht ein Pferd, sondern ein Dampfroß mit der Achsfolge 2-3-1 benutzten.



    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Franz Schubert "Winterreise”

    Ein Cyclus von Liedern von Wilhelm Müller (1794–1827).

    Pianoforte-Part bearbeitet für Englischhorn und Streichtrio von Eduard Wesly.




    Zusammen mit dem Bariton Florian Götz bringt das Grundmann-Quartett die „Winterreise“ in einer neuen Gestalt: Schuberts Klavierpart wurde von Oboist Eduard Wesly für Englischhorn (die größere, melancholische Schwester der Oboe) und Streichtrio bearbeitet. Zwischen den beiden Teilen des Zyklus spielt das Grundmann-Quartett zwei Instrumentalsätze von Schubert, die das Geschehen auf passende Weise illustrieren.


    Andantino from Sonata No. 20
    D.959


    Ländler No. 5
    D.790



    Die YouTube Wiedergabe des Trailers ist nicht GUT!


    LG Fiesco


    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Franz Schubert: Winterreise D.911 (für Bassbariton & Klaviertrio)



    Klaus Mertens, Daniel Sepec, Donata Böcking, Patrick Sepec


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Franz Schubert: Winterreise D.911 (für Bariton, Chor & 2 Akkordeons)



    Tobias Berndt Bariton, Heidi Steger Akkordeon, Uwe Steger Akkordeon,

    GewandhausChor, Gregor Meyer



    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich gestehe, daß mir im Titel eigentlich nur noch das Attribut "verhunzt" abgeht.

    Generell leiden Klaviestücke darunter, wenn man sie ochestriert (ja - auch die "Bilder einer Ausstellung zähle ich dazu)

    Ebenso schlimm finde ich, wenn Interpreten, die sich ein Soloinstrument mit "Nischendasein" erkoren haben, wo es wenig Werke gibt (vermutlich aus gutem Grund) andere Musikstücke für ihr Instrument arrangieren....

    ..und das dann auch noch auf Tonträger verewigt wird....


    mfg aus wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie recht du hast! 👍

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ebenso schlimm finde ich, wenn Interpreten, die sich ein Soloinstrument mit "Nischendasein" erkoren haben, wo es wenig Werke gibt (vermutlich aus gutem Grund) andere Musikstücke für ihr Instrument arrangieren....

    Du meinst sowas wie eine Mozart-Sonate auf dem Akkordeon? Da gehen die Meinungen auseinander, manchmal sogar bei ein und derselben Person ;).

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Na ja -mein feiner Spott - ist vielleicht doch eine Spur ZUUU fein ;):?::?::?:


    Lg Alfred :hello:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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