Sinn und Unsinn von Hosenrollen

  • Hallo, Hosenrolle 1, da ich ja heute Abend voraussichtlich mal wieder ein wenig Zeit zum Schreiben habe, eine kleine Frage an Dich schon einmal vorweg: Ich war natürlich zu neugierig, um nicht in Deinem "Deh vieni non tardar"- Thread ein wenig herumzuschnuppern, nachdem Du mich zwischendurch immer wieder einmal indirekt dazu eingeladen hast...
    ( Bist Du Psychologiestudent...? ;) )
    Ich bin nun aber ein wenig irritiert...
    Wenn ich Dich richtig verstehe, geht es Dir dabei ausschließlich um eine musikalische Rezension, in der persönlicher Geschmack weitestgehend ausgeblendet werden und auch die Figur der Susanna nicht analysiert werden soll.
    Da wäre bei mir das Problem, dass ich wirklich nur über ein Basiswissen an Musiktheorie verfüge, zwar verstehe ich, was Du sagen möchtest, wenn Du von Dreiklängen, Fermaten und Co. redest, aber für eine rein musikalische Rezension bin ich als Gesprächspartnerin in diesem Thread wohl fehl am Platze...
    Für eine Analyse der Susanna als Person wäre ich aber natürlich offen, gerade weil wir da ja schon kontrovers sind - man denke nur einmal an ihre Beziehung zu Cherubino, von der wir ja gänzlich unterschiedliche Vorstellungen haben...!
    Ein Thread speziell zur Charakterisierung Susannas würde sich da ja anbieten!
    Ich würde einen solchen auch eröffnen, möchte Dir aber auch nicht vorgreifen, denn das Thema ist ja in Deinem Thread aufgekommen, also schon irgendwie "Dein Baby"... ;)
    Ansonsten gibt's aber auch im "Hosenrollen"- Thread noch einiges an Inspiration, womit ich eine Weile beschäftigt sein werde- und Dein Video ist ja auch heute Abend fällig!
    Ach ja, noch eine kurze Frage: Wäre es günstiger, mit Kommentaren zum "Don Giovanni" in den Hip- Thread zu wechseln? Ich finde ja das Umherspringen ein wenig kompliziert, aber das Thema "Hosenrolle" tangiert der "Don Giovanni" ja auch mit ganz viel Augenzwinkern nicht mehr...


    Ganz liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Ich war natürlich zu neugierig, um nicht in Deinem "Deh vieni non tardar"- Thread ein wenig herumzuschnuppern, nachdem Du mich zwischendurch immer wieder einmal indirekt dazu eingeladen hast...


    Wobei ich dazu sagen muss, dass ich auch andere Mitglieder eingeladen habe, weil ich unbedingt andere Meinungen zu diesen Einspielungen hören möchte, aber auch andere Meinungen zu meinen Besprechungen, wo man meine Eindrücke teilt, und wo nicht, und warum.



    Wenn ich Dich richtig verstehe, geht es Dir dabei ausschließlich um eine musikalische Rezension, in der persönlicher Geschmack weitestgehend ausgeblendet werden und auch die Figur der Susanna nicht analysiert werden soll.


    Es geht auf jeden Fall MIR darum, was aber nicht heißt, dass andere Leute das nicht anders handhaben können!
    In meinem Fall ist es nur so, dass ich mich mit dieser Figur nicht anfreunden kann, und eigentlich finde ich auch den Text dieser Arie eher kitschig. Da mir aber die Musik (diese alten Oboen, herrlich!) und die Gesangsmelodie gefällt, achte ich deswegen nur darauf, wie eine Sängerin singt, so plump das jetzt klingen mag. Ich achte auf das Timbre, auf die Lautstärke, die Aussprache, den Ausdruck etc., aber nicht darauf, ob die Interpretin eine für mich überzeugende Susanna ist.
    Das ist schon deswegen schwierig, weil ich mich für eine solche Beurteilung erst einmal intensiv mit dieser Figur beschäftigen müsste, um mir eine Vorstellung davon zu machen, wie ich mir eine gute Umsetzung vorstelle.
    (Bei anderen Arien, etwa der Agathenarie aus dem Freischütz, geht es mir auch nicht anders. Ich finde diese Figur ziemlich langweilig, und der Text ist kitschig. Aber wenn die Melodien schön gesungen werden, dann gefällt mir das natürlich, und das bewerte ich dann auch)


    Bei Cherubino ist das anders, da möchte ich doch, dass nicht nur die Arie "schön" gesungen wird, sondern dass auch die Figur irgendwie glaubhaft umgesetzt wird.


    (Eine der nächsten Besprechungen der Susanna-Arie wird übrigens mit Edith Mathis sein ;))



    Da wäre bei mir das Problem, dass ich wirklich nur über ein Basiswissen an Musiktheorie verfüge, zwar verstehe ich, was Du sagen möchtest, wenn Du von Dreiklängen, Fermaten und Co. redest, aber für eine rein musikalische Rezension bin ich als Gesprächspartnerin in diesem Thread wohl fehl am Platze...


    Überhaupt nicht, niemand ist das!
    Die Fermate über den Noten sagt auch nur aus, dass die Sängerin an dieser Stelle eine eigene Melodie und/oder Verzierung improvisieren kann. Manche tun das, manche tun es nicht und halten sich streng an die Noten :)



    Ach ja, noch eine kurze Frage: Wäre es günstiger, mit Kommentaren zum "Don Giovanni" in den Hip- Thread zu wechseln? Ich finde ja das Umherspringen ein wenig kompliziert, aber das Thema "Hosenrolle" tangiert der "Don Giovanni" ja auch mit ganz viel Augenzwinkern nicht mehr...


    Das ist eine gute Idee, dort passt es auf jeden Fall besser :)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ergänzung zur Susanna-Arie.


    Susanna singt u.a.:


    Zitat

    Qui ridono i fioretti e l'erba e fresca
    Ai piaceri d'amor qui tutto adesca.


    (Hier lachen kleine Blumen und das Gras ist frisch.
    Hier lockt alles zum Vergnügen der Liebe.)


    Zu solchen Texten fallen mir zwei Zitate aus Bertolds Brecht "An die Nachgeborenen" ein, speziell die zweite passt doch ziemlich gut zum Susanna-Text, finde ich:


    Zitat

    Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
    Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
    Deutet auf Unempfindlichkeit hin. (...)


    Was sind das für Zeiten, wo
    Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
    Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich habe bzgl. Salome in dem betreffenden Thread jetzt einen neuen, überarbeiteten Beitrag geschrieben! Vergiss den alten Beitrag, wo ich nur das Video gepostet habe, bitte!




    LG,
    Hosenrolle1

  • Wobei ich dazu sagen muss, dass ich auch andere Mitglieder eingeladen habe, weil ich unbedingt andere Meinungen zu diesen Einspielungen hören möchte, aber auch andere Meinungen zu meinen Besprechungen, wo man meine Eindrücke teilt, und wo nicht, und warum.


    Meine Bemerkungen waren dahingehend auch nicht so ganz ernstzunehmen gewesen ;)
    Habe mich ein wenig über mich selber amüsiert, denn da ich die "Rosenarie" vor allem als extrem schmalzig empfinde ( mit Schmalz habe ich so meine Probleme... ) , dachte ich sofort "Kein Thread für mich! Abgehakt!"
    Da du aber immer einmal wieder eine kleine Bemerkung hast fallen lassen, habe ich doch irgendwann einmal 'reingelesen...
    Vor allem hatte ich irgendwann diese Melodie im Kopf und wurde sie nicht mehr los!!!


    Bei Cherubino ist das anders, da möchte ich doch, dass nicht nur die Arie "schön" gesungen wird, sondern dass auch die Figur irgendwie glaubhaft umgesetzt wird.

    Was ist speziell an dieser Figur nur so faszinierend? Ich bin Cherubino "verfallen" seit ich diese Oper das erste Mal gehört habe, da werde ich so ungefähr fünfzehn gewesen sein... Witzigerweise bin ich lange Zeit davon ausgegangen, dass es nur Frauen so gehen würde, aber das ist ganz und gar nicht so!
    Ich glaube ja, dass Mozart diese Figur auch besonders geliebt hat...
    Bin vor kurzem auf einen englischen Artikel im Internet gestoßen, der sich mit Mozarts Figaro beschäftigte, und in dem der Autor ziemlich am Schluss bemerkte, bei der Figur desCherubino würde er sich immer vorstellen, wie Mozart damals an seinem Schreibtisch saß, irgendwann grinsen musste und dachte: "Oh Cherubino, it sucks so much to be thirteen, I know!"


    (Eine der nächsten Besprechungen der Susanna-Arie wird übrigens mit Edith Mathis sein )

    Auf die freue ich mich schon! Ich müsste übrigens noch irgendwo ein Bild gespeichert haben, das sie als "Ännchen" zeigt. Mal sehen, ob ich es finde... Gesehen habe ich sie bisher nur in der Rolle des Cherubino, und da finde ich sie gerade optisch so passend, weil sie so eine rührende Unschuld ausstrahlt. Und diese etwas abgehobene Schönheit besitzt...

  • (Hier lachen kleine Blumen und das Gras ist frisch.
    Hier lockt alles zum Vergnügen der Liebe.)

    Zu solchen Texten fallen mir zwei Zitate aus Bertolds Brecht "An die Nachgeborenen" ein, speziell die zweite passt doch ziemlich gut zum Susanna-Text, finde ich:

    Was sind das für Zeiten, wo
    Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
    Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!


    Mir fällt es schwer, zwischen diesen Texten einen Zusammenhang zu erkennen- Es sei denn Du würdest die Rosenarie als so negativ empfinden, dass Du Susanna hier das Gefühl echter Liebe absprechen möchtest...

  • Ich arbeite mich jetzt einmal nach und nach durch das Interview Kaiser/ Harnoncourt durch:


    HARNONCOURT: Wir folgen ausschließlich dem Sprachrhythmus. Die notierten Notenwerte spielen praktisch keine Rolle. – Und so wurde das zu Mozarts Zeit auch gelehrt.

    Das finde ich auch wesentlich besser, dann sind Rezitative auch interessant

    Das unterstütze ich voll und ganz, hätte da aber eial eine rein pragmatische Frage: Der Spieler im Orchestergraben muss ja auf die Improvisation irgendwie eingehen! Wie das funktioniert würde mich interessieren...



    HARNONCOURT: Weil die Tonarten nicht mehr als Intonationssystem empfunden werden. Wenn ich heute einen Musiker frage, sagt der: E-Dur ist einen Halbton tiefer als F-Dur. Aber was das musikalisch bedeutet, was anders ist in E-Dur, außer, dass es tiefer ist, wissen die wenigsten. Im Grunde spielen sie in allen Tonarten nur transponiertes C-Dur.
    Der Dur-Dreiklang ist in jeder Tonart von unterschiedlicher Reinheit. Das Gis in E-Dur ist höher als A in F-Dur. Und deswegen muss F-Dur reiner sein als E-Dur. Wenn man aber ein Gis als Naturton herunterzieht, um E-Dur genauso rein zu machen wie F-Dur, dann ist es nicht mehr E-Dur. Dieses ganze Wissen hat man heute nicht mehr. Die Klaviere werden meistens nach diesen elektronischen Geräten gestimmt, so dass die Halbtöne wirklich alle gleich sind. Das Verhältnis der Tonarten zueinander als Idee des Komponisten ist von ungeheurer Wichtigkeit, gerade im Figaro, aber das Wissen darüber geht heute verloren.

    Wie gesagt, ich verfüge lediglich über ein Basiswissen an Musiktheorie, und definiere einen Dreiklang durch die unterschiedlichen Abstände zwischen den Noten...
    Verstehe ich Harnoncourt richtig, dass er hier aussagt, die Dreiklänge würden in unterschiedlichen Tonlagen anders klingen- abgesehen von Dur und Moll- obwohl die Tonschritte die gleichen sind?



    KAISER: Der zweite Akt, wo zum erstenmal die Gräfin auftritt, sozusagen eine ganz neue Sphäre, fängt in Es-Dur an und endet in Es-Dur. Auch wer nicht absolut hört, kriegt das mit.

    Davon würde ich nicht zwangsläufig ausgehen! Ich kann beispielsweise nur die Noten und ihre Werte benennen, sie bestenfalls einschätzen, aber keinesfalls vom Blatt singen! Bei einem Musikstück ohne Vorzeichen kann ich mir mühsam die ungefähre Melodie erschließen, mehr aber auch nicht!
    Dafür hören sich Dur- und Moll- Dreiklänge für meine Ohren so unterschiedlich an wie Tag und Nacht, ich kenne aber auch Leute, die da tatsächlich keinen Unterschied wahrnehmen!!
    Ich gehe also davon aus, dass man umgekehrt ein umfangreiches theoretisches Wissen besitzen, aber manches trotzdem nicht hören kann!



    HARNONCOURT: Mozart unterstreicht das hier noch, indem er alle „romantischen Klänge“ – wie hier eben die Gräfin-Arie – mit Hörnern und Klarinetten (ohne Oboen) instrumentiert, was die Wirkung der Tonart unterstreicht, bei manchen heutigen Hörern vielleicht ersetzt.

    Weswegen werden denn die Oboen weggelassen, hat das eine spezielle Bewandtnis?



    Zitat


    KAISER: Oft wird die Gräfin als eine etwas bekümmerte, säuerliche, sich im Stich gelassen fühlende Dame dargestellt, und Cherubino interessiert sich eigentlich nur für Susanna.

    ?!?! In welcher abgefahrenen Inszenierung soll das auftauchen?! Ich habe schon so einige gesehen und IMMER wird Susanna nebensächlich, sobald Cherubino der Gräfin gegenüber steht!
    Auch wenn Susanna und Cherubino in mancher Darstellung ein Herz und eine Seele sind- sogar, wenn mancher Cherubino seine neugierigen, kleinen Finger nicht von ihr lassen kann: Ich habe noch niemals erlebt, dass Susanna der Gräfin den Rang abläuft!


    HARNONCOURT: Ich glaube die Elektrizität zwischen Cherubino und Gräfin ist noch größer, aber dass auch eine Elektrizität zwischen Cherubino und Susanna besteht, kann man nicht leugnen.

    Du kennst meine Meinung! Susanna und Cherubino haben eine besondere, aber unerotische Beziehung miteinander! Cherubino mag sich ab und zu an ihr ausprobieren, weil er das bei der Gräfin ja nicht darf, aber mehr ist zwischen den beiden nicht! Und "Elektrizität" definiere ich in diesem Fall anders: Da sehe ich vor meinem geistigen Auge Funken sprühen- so wie in der Verkleidungsszene beim Harnoncourt- Figaro in Zürich, die wir besprochen haben!
    Nebenbei: Hast Du Dir da einmal die Szene mit den Blumenmädchen angeschaut?



    KAISER: Bei Beaumarchais in La mére coupable hat die Gräfin ein uneheliches Kind mit Cherubino. Das Stück ist zwar erst 1792 geschrieben worden, aber Mozart wusste schon, so ganz harmlos ist diese Beziehung nicht.

    Ob Mozart das wirklich wusste bzw. erahnte, wage ich zu bezweifeln... Schade, dass es auf YouTube kein Video von der Uraufführung 1776 gibt... ;)



    HARNONCOURT: Ich habe mir manchmal gedacht, eigentlich könnten in dieser Oper alle drei Frauen schwanger sein, aber es ist mir doch ein bisschen zu brutal. Wobei man nicht weiß, von wem: Barbarina von Cherubino oder vom Grafen, und Susanna vom Grafen, von Cherubino, oder von Figaro. Dabei traue ich es Figaro am wenigsten zu in diesem Stück.

    Einspruch!!! Doppel- Einspruch!!! Das traue ich bei Mozarts Figaro Cherubino nun wirklich am wenigsten zu!!! Darüber hatten wir aber auch schon einmal gesprochen, der ist noch gar nicht soweit!
    Das basiert jetzt natürlich nur auf meiner persönlichen Einschätzung, aber ich glaube nicht, dass Cherubino schon mit Frauen schläft. Noch nicht einmal mit Barbarina, obwohl die sicherlich nicht abgeneigt wäre...
    Er ist kein Mini- Almaviva, obwohl manchem Regisseur diese Idee ja irgendwie gefällt!
    Und die Gräfin wird erst einmal deswegen nicht schwanger und außerdem nicht, weil ihr Mann sie eh nicht mehr anrührt- was wohl ein absolut effektives Verhütungsmittel darstellen dürfte :P
    Wen hatten wir noch? Ach ja, Susanna! Selbst wenn die den Grafen irgendwie anziehend finden sollte (Was ich meinerseits ausschließe, aber das scheint ja offenbar nicht jedem so zu gehen! In manchen Inszenierungen lässt sie sich auch, kichernd wie ein Girlie, auf seinen Schoß ziehen und das, obwohl Cherubino noch hinter dem Lenstuhl hockt!!! Erklärt dann aber irgendwie die Gartenszene und Cherubinos Sprüche...) , wäre sie niemals so dämlich, mit ihm ins Bett zu gehen, selbst, wenn er ihr das Blaue vom Himmel verspricht! Außerdem liebt sie Figaro- die Rosenarie spricht da Bände!
    Kennst Du übrigens diese Gerüchte, dass diese ursprünglich in der Rolle der Gräfin stand?
    Mein Gefühl sagt mir, ich sollte mal abschicken, sonst kriegt mein Smartphone wieder eine Krise...

  • Zitat


    KAISER: Fast alle Personen in dem Stück sind sehr jung, die Susanna stelle ich mir so 18, 19 vor.

    HARNONCOURT: Die Rosina ist wohl höchstens 23 und der Graf etwa 26, 27. Er muss ein paar Jahre älter sein als Rosina. Nicht einmal Marcellina darf alt sein. bei Beaumarchais sagt sie, dass sie mit 16 oder 17 ihr Kind gekriegt hat, jedenfalls war sie noch völlig unerfahren. Also ist sie etwa 40, vielleicht auch jünger. Es bedeutet gar nichts, wenn von ihr gesagt wird „la vecchia“, eine Frau von 30 galt damals schon als alt. Und dann wäre Figaro 24, aber der hat bereits einige Erfahrungen gemacht. Der einzige, der ruhig ein paar Jahre älter sein kann, ist Bartolo, der ist wirklich eine andere Generation.

    Deckt sich das mit deiner Rechnung?


    Nicht so ganz, aber ich habe da sowieso zwei Versionen im Kopf: eine, die eher logisch ist und eine, die sich mehr mit meinen persönlichen Vorstellungen deckt!
    Aber darauf komme ich noch einmal zurück, muss mich erst einmal verabschieden...



    Ganz liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Liebe Dritte Dame,


    Habe mich ein wenig über mich selber amüsiert, denn da ich die "Rosenarie" vor allem als extrem schmalzig empfinde (mit Schmalz habe ich so meine Probleme...) , dachte ich sofort "Kein Thread für mich! Abgehakt!"
    Da du aber immer einmal wieder eine kleine Bemerkung hast fallen lassen, habe ich doch irgendwann einmal 'reingelesen...
    Vor allem hatte ich irgendwann diese Melodie im Kopf und wurde sie nicht mehr los!!!


    Hehe, das kann ich verstehen :)
    Was das schmalzige angeht, auch das kann ich verstehen, aber in diesem Fall ist es zumindest bei mir so, dass eine gute Interpretin vieles "retten" kann, so dass es mir nicht mehr als Schmalz vorkommt.


    Ein Beispiel ist für mich z.B. Nancy Sinatra. Die singt auch öfter Texte, die ich recht kitschig und wenig "tiefgründig" finde, aber das kann ich leicht vergessen, weil sie diese Songs immer anders singt, mit unterschiedlichem Ausdruck usw., und da habe ich das Gefühl, dass sie das nicht nur runtersingt, sondern meint, was sie singt. Oder anders gesagt, wenn so ausdrucksvoll gesungen wird, finde ich es durchaus spannend da zuzuhören.
    Oder vielleicht kennst du Janis Joplins "Mercedes Benz". Der Text ist jetzt auch nicht sehr hochstehend, aber abgesehen von ihrer einmaligen Stimme habe ich bei jedem Wort das Gefühl, dass sie auch meint, was sie singt, dass das alles ernst gemeint, und es ist für mich auch da spannend zu hören, wie unterschiedlich sie den Text, je nachdem was gesungen wird, interpretiert.


    Bei der Rosenarie geht es mir ähnlich: den Text (hier ist sicherlich von Vorteil, dass es italienisch ist, was ich sowieso nicht verstehe) blende ich leicht aus, wenn mich die Interpretin überzeugt, wenn mir gefällt WIE gesungen wird. Ich höre dann einfach eine Sängerin singen, und keine Susanna.



    Was ist speziell an dieser Figur nur so faszinierend? Ich bin Cherubino "verfallen" seit ich diese Oper das erste Mal gehört habe, da werde ich so ungefähr fünfzehn gewesen sein... Witzigerweise bin ich lange Zeit davon ausgegangen, dass es nur Frauen so gehen würde, aber das ist ganz und gar nicht so!


    Schwierige Frage ... ich würde als einen Grund nennen, dass er aus diesem Umfeld herausragt - alle anderen sind erwachsen und intrigant, nur Cherubino ist der süße, freche, dabei aber nie verletzende Junge, der noch etwas Unschuldiges hat (zumindest in der Partitur; was die Regisseure draus machen ist eine andere Frage).


    Dass auch Männer ihn mögen wird sicher auch dadurch erleichtert, dass er eben eine Hosenrolle ist: man findet sicher Gefallen daran, dass er wie eine Frau ausschaut, andererseits ist er eben auch eine irgendwie unwirkliche Kunstfigur, die kein bestimmtes Geschlecht zu haben scheint.
    Das macht es vielleicht auch für beide Geschlechter leichter, ihn zu mögen: Hetero-Frauen haben eine männliche Figur, die süß, schnuckelig etc. ist, Hetero-Männer wiederum haben es einfacher, weil das in Wirklichkeit eine Frau ist. Beide Geschlechter haben meiner Meinung nach auf diese Weise einen Zugang zu dieser Figur, bzw. können sie toll finden.



    Auf die freue ich mich schon! Ich müsste übrigens noch irgendwo ein Bild gespeichert haben, das sie als "Ännchen" zeigt. Mal sehen, ob ich es finde...


    Ich glaube ich weiß was du meinst, ich habe die DVD vom Freischütz von 1968, da singt und spielt sie das Ännchen.


    Ich habe mich übrigens mal kundig gemacht: Mathis hat den Cherubino ziemlich oft gesungen, die Susanna zumindest zweimal. Hier eine Auflistung:


    1962
    Dirigent: Silvio Varviso


    Figaro - Heinz Blankenburg
    Susanna - Mirella Freni
    Cherubino - Edith Mathis


    1963
    Dirigent: Karl Böhm


    Figaro - Walter Berry
    Susanna - Erika Köth
    Cherubino - Edith Mathis


    1963
    Dirigent: Silvio Varviso


    Figaro - Heinz Blankenburg
    Susanna - Liliane Berton
    Cherubino - Edith Mathis


    1964
    Dirigent: Otmar Suitner


    Figaro - Walter Berry
    Susanna - Anneliese Rothenberger
    Cherubino - Edith Mathis


    1966
    Dirigent: Karl Böhm


    Figaro - Walter Berry
    Susanna - Reri Grist
    Cherubino - Edith Mathis


    1967
    Dirigent: Karl Böhm


    Figaro - Hermann Prey
    Susanna - Edith Mathis


    1969
    Dirigent: Hans Schmidt-Isserstedt


    Figaro - Heinz Blankenburg
    Susanna - Edith Mathis


    1972
    Dirigent: Herbert von Karajan


    Figaro - Walter Berry
    Susanna - Edith Mathis


    1979
    Dirigent:Bernhard Klee


    Figaro - José van Dam
    Susanna - Edith Mathis



    Bis auf 1 oder 2 davon alle auf DVD oder CD erhältlich.



    Mir fällt es schwer, zwischen diesen Texten einen Zusammenhang zu erkennen- Es sei denn Du würdest die Rosenarie als so negativ empfinden, dass Du Susanna hier das Gefühl echter Liebe absprechen möchtest...


    Nein, mir ging es hier wiederum mehr um das Sozialkritische: draußen krepieren die Leute und leben unter entsetzlichen Bedingungen, und Susanna sitzt in ihrem Schloss herum und singt über schöne Bäche und Blumen. Schon allein deswegen kann ich diesen Text nicht ernst nehmen, bzw. ist mir diese Figur als Mensch ziemlich egal. Damit meine ich nicht, dass ich nicht über sie sprechen oder sie analysieren will! Sondern nur, dass ich von ihr wenig halte, und mir ihre Empfindungen - im Gegensatz zu denen von Cherubino - egal sind.
    (Aber das ist eigentlich normal in Opern, denke ich; wenn so ein schmieriger Macho in Rigoletto "La donna e mobile" singt, dann werde ich auch nicht denken "Ach, der arme Mann mit seinen Sorgen, da fühle ich mit ihm". Vielleicht ist das Beispiel schlecht gewählt, weil ich den Rigoletto zu wenig kenne, aber das war jetzt nur zur Veranschaulichung gedacht :))



    Das unterstütze ich voll und ganz, hätte da aber eial eine rein pragmatische Frage: Der Spieler im Orchestergraben muss ja auf die Improvisation irgendwie eingehen! Wie das funktioniert würde mich interessieren...


    Dazu kann ich leider wenig sagen, weil ich nicht weiß, wie sowas geprobt wird. Meine Vorstellung wäre, dass schon vorher ausgemacht wird, wo man langsamer singt, wo man sich Zeit lassen wird, damit sich der Spieler im Graben darauf einlassen kann.



    Wie gesagt, ich verfüge lediglich über ein Basiswissen an Musiktheorie, und definiere einen Dreiklang durch die unterschiedlichen Abstände zwischen den Noten...
    Verstehe ich Harnoncourt richtig, dass er hier aussagt, die Dreiklänge würden in unterschiedlichen Tonlagen anders klingen- abgesehen von Dur und Moll- obwohl die Tonschritte die gleichen sind?


    Ein bisschen Theorie, möglichst einfach erklärt :)


    Ein Dreiklang ist generell, wie der Name auch sagt, ein Akkord mit drei Tönen (es gibt ja auch welche mit 4 oder mehr). Am bekanntesten ist dabei vermutlich der Dur- oder Moll-Akkord. Ich bleibe jetzt nur beim Dur-Akkord, mehr brauche ich für die Erklärung nicht.


    Du kennst ja die C-Dur Tonleiter, oder?


    C - D - E - F - G - A - H - C


    Wenn du davon den 1., 3. und 5 Ton nimmst, hast du einen C-Dur Dreiklang mit den Tönen C-E-G.



    Das geht auch mit allen anderen Dur-Tonleitern, z.B. E-Dur:


    E - Fis - Gis - A - H - Cis - Dis - E


    Davon wieder den 1., 3. und 5. Ton genommen = E-Gis-H = E-Dur Dreiklang


    Der Abstand dieser Töne zueinander ist theoretisch immer gleich:


    C-E = große Terz, E-G = kleine Terz.


    oder


    E-Gis = große Terz, Gis-H = kleine Terz


    Das war´s auch schon wieder mit der Theorie :)



    Nun ist es so, dass z.B. auf einem Klavier mit gleichmäßiger Stimmung (equal tuning) diese Abstände in ALLEN Tonarten gleich klingen. Ob du in C-Dur, in A-Dur, in G-Dur usw. spielst ist dabei egal, der Abstand klingt immer gleich, und jeder Dreiklang klingt daher gleich; nur die Tonhöhe ändert sich, das eine klingt höher, das andere tiefer.


    Auf einem Klavier, das anders gestimmt ist (es gibt ja verschiedene alte Stimmungen) ist das anders. Da klingen diese Abstände in unterschiedlichen Tonarten NICHT gleich, sondern unterschiedlich. Das bedeutet, dass eine große Terz in C-Dur anders klingt als der gleiche Tonabstand in H-Dur - und u.a. deswegen klingen die Tonarten dann auch anders.
    Wenn du dich an ein solches gestimmtes Klavier setzt, und C-Dur spielst, wirst du vielleicht sagen "Oh, das klingt schön rein". Wenn du dann Es-Dur greifst, kann es sein dass du sagst "Das klingt ganz anders". Vielleicht klingt es schwebender, unbestimmter, dissonanter, trauriger, noch fröhlicher, etc.



    Ein Komponist von damals, der diese Stimmung benutzt hat, hat deswegen auch gezielt Tonarten gewählt, die ihm am geeignetsten schienen für sein Stück, er wusste, wo die Töne reiner klingen, und wo sie unreiner waren, sich vielleicht leicht gerieben haben. Es ist auch spannend, sich Partituren anzusehen, und wie verschiedene Tonarten benutzt wurden, bzw. WANN sie benutzt wurden, um ganz eigene Stimmungen zu schaffen.


    Und deswegen bin ich auch so dagegen, dass man diese Stücke mit der heute üblichen gleichtönigen Stimmung spielt, weil dann jede Tonart gleich klingt, und die Komposition ihres Charakters beraubt. Es klingt alles "perfekt" und glatt.





    LG,
    Hosenrolle1

  • Weswegen werden denn die Oboen weggelassen, hat das eine spezielle Bewandtnis?


    Das kann ich leider schwer beantworten, dazu müsste ich mich doch besser auskennen mit den Eigenschaften der damaligen Instrumente, und mit Mozarts Instrumentierung. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, dass die Oboe den Klang vielleicht in eine falsche Richtung gelenkt hätten, nach dem Motto "ah, eine Oboe ist dabei, dann ist eh alles gut". Es-Dur ist schon schwieriger zu spielen als etwa C-Dur, die Töne sind vielleicht ungleichmäßiger, was Mozart hier eventuell gestört hätte.


    Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht, dass die Oboe in dieser Tonart nicht so geklungen hätte, wie Mozart es gewollt hätte, und er sie deswegen weggelassen hat.


    Eine dritte Möglichkeit fällt mir noch ein, nämlich die Klangverbindung Hörner-Oboen. Harnoncourt hat die auch in einem anderen Interview erwähnt, sie soll für viele Komponisten damals, darunter auch etwa Beethoven, sehr wichtig gewesen sein. Vielleicht stand diese Klangverbindung symbolhaft für irgendeine bestimmte Empfindung, und die hätte Mozart hier vielleicht nicht gepasst, das Publikum in eine falsche Richtung gelenkt.



    ?!?! In welcher abgefahrenen Inszenierung soll das auftauchen?! Ich habe schon so einige gesehen und IMMER wird Susanna nebensächlich, sobald Cherubino der Gräfin gegenüber steht!
    Auch wenn Susanna und Cherubino in mancher Darstellung ein Herz und eine Seele sind- sogar, wenn mancher Cherubino seine neugierigen, kleinen Finger nicht von ihr lassen kann: Ich habe noch niemals erlebt, dass Susanna der Gräfin den Rang abläuft!


    Das frage ich mich auch - wieder ein typischer Harnoncourt: Behauptung aufstellen, aber keine Beispiele dafür nennen.



    Nebenbei: Hast Du Dir da einmal die Szene mit den Blumenmädchen angeschaut?


    Ah, danke dass du mich dran erinnerst, daran habe ich nicht gedacht! Kannst du mir bitte die Zeit sagen, dann schaue ich es mir sofort an!



    Einspruch!!! Doppel- Einspruch!!! Das traue ich bei Mozarts Figaro Cherubino nun wirklich am wenigsten zu!!! Darüber hatten wir aber auch schon einmal gesprochen, der ist noch gar nicht soweit!


    Ich finde Harnoncourts These hier auch ziemlich abstrus, wobei, ob Cherubino so weit ist weiß ich wiederum nicht ...



    Kennst Du übrigens diese Gerüchte, dass diese ursprünglich in der Rolle der Gräfin stand?


    Nein, das war mir neu.





    LG,
    Hosenrolle1

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  • Erst noch einmal zu den Blumenmädchen, da musste ich erst einmal suchen! Das war der Text, den ich dazu geschrieben hatte:



    Und wenn Du damit durch bist und Lust hast, kannst Du ja mal einen Blick auf 2:25 werden- da beginnt der Auftritt der Blumenmädchen! Auch sehr liebevoll ausgearbeitet, aber ich sage jetzt weiter gar nichts dazu ( alles wieder gelöscht! ) , damit ich dich nicht beeinflusse...

  • Liebe Dritte Dame,


    ich muss mich nochmal entschuldigen, dass ich in dem ganzen hin und her in diesem Thread (das mich natürlich freut!) die Blumenmädchen-Szene verschwitzt habe.


    Habe das jetzt sofort nachgeholt. Was mir aufgefallen ist: Barbarina lächelt nur, als Susanna entdeckt, dass das Cherubino ist, dabei sollte sie doch eher besorgt sein? Was mir gefiel war, wie Barbarina Cherubino so einen Hüftstupser gibt, und der ihr das nachmacht und zurückstupst, da zeigt er, dass er aus seiner Haut nicht herauskann, auch als Mädchen verkleidet :D
    Vielleicht wollte er sich vor der Gräfin das auch nicht gefallen lassen, dass man so mit ihm umspringt?




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich finde Harnoncourts These hier auch ziemlich abstrus, wobei, ob Cherubino so weit ist weiß ich wiederum nicht ...

    Ich weiß das natürlich auch nicht, aber traust du ihm das wirklich schon zu? Ich finde, dass vor allem das, was er im "Non so piu" so erzählt im Grunde dagegen spricht! Zwar lässt ihn jede Frau "erröten" und "erzittern", aber es ist offenbar noch kein konkretes, weibliches Gegenüber vorhanden, denn er redet ja zu Blumen, Gras und Quellen usw. Und zu den "Winden, die den Klang der vergeblichen Worte mit sich forttragen"...
    Verstehst Du, was ich meine? Es ist noch niemand da, der ihn hört ( erhört? ).
    Und das sagt er,nachdem er am Abend zuvor bei Barbarina erwischt wurde... Was wiederum gegen tiefere Gefühle und die Vermutung spricht, dass da wirklich schon heiße Liebesnächte laufen!
    Übrigens habe ich mich schon oft gefragt, ob der Graf tatsächlich selber daran glaubt, das Cherubino sich da durch die Schlafgemächer des gesamten weiblichen Schlosspersonals durcharbeitet oder ob er einfach nur den Störenfried ( und Mitwisser! ) loswerden will! Ich tippe da eher auf letzteres...



    Zitat von »Dritte Dame«




    Kennst Du übrigens diese Gerüchte, dass diese ursprünglich in der Rolle der Gräfin stand?

    Noch nie davon gehört? Ich habe von dieser Vermutung schon öfter gelesen. Susanna schlägt da auf einmal Töne an, die im Grunde nicht so recht zu ihrem zuvor dargestellten Charakter passen, auch vom Teaucher und musikalisch nicht.
    Es wird daher vermutet, dass sie ursprünglich zur Rolle der Gräfin gehörte. Allerdings würde ich mich da fragen, welche Motivation diese haben sollte, eine solche Arie zu singen: Sie steht da in den Klamotten ihrer Zofe im dunklen Park, im verzweifelten Versuch, ihren fremdgehenden Ehemann bloßzustellen! Mir wäre an ihrer Stelle nicht nach Romantik zumute...
    Jedenfalls heißt es, dass die Arie sozusagen kurz vor der Uraufführung die Besitzerin wechselte, aus welchen Gründen auch immer.
    In praktischer Hinsicht wäre es einfach darum logisch, weil die Gräfin bereits zwei dankbare Arien zu singen hat- während Susannas einziges Solostück sich auf die kleine Arie in der Verkleidungsszene beschränkt.
    Allerdings soll die Ur- Susanna wohl Mozarts Geliebte gewesen sein...
    Soviel zu den Gerüchten! Ob etwas Wahres daran ist, wird man wohl nie herausfinden...

  • Ich weiß das natürlich auch nicht, aber traust du ihm das wirklich schon zu? Ich finde, dass vor allem das, was er im "Non so piu" so erzählt im Grunde dagegen spricht! Zwar lässt ihn jede Frau "erröten" und "erzittern", aber es ist offenbar noch kein konkretes, weibliches Gegenüber vorhanden, denn er redet ja zu Blumen, Gras und Quellen usw. Und zu den "Winden, die den Klang der vergeblichen Worte mit sich forttragen"...
    Verstehst Du, was ich meine? Es ist noch niemand da, der ihn hört ( erhört? ).


    Eine gute Überlegung, das mit Barbarina ... andererseits, weiß man, wie ernst Cherubino es mit seinem Text meint? Will er vielleicht vor Susanna zeigen, wie romantisch er nicht ist, auch ein bisschen die Dramaqueen spielen, ähnlich wie später bei der Gräfin?


    Ich glaube schon, dass er könnte, wenn die "Richtige" (wer auch immer das sein soll) da wäre, und dass er auch würde. Er steht ja am Anfang seiner Pubertät, also trotz vieler kindlicher Seiten und Eigenschaften glaube ich, dass er doch auch schon gewisse Dinge weiß.


    Da fällt mir eine Frage an: angenommen, du könntest Cherubino mit irgendeiner weiblichen Figur des Stückes, egal wen oder wie alt, verkuppeln, bzw. du könntest sagen, wer für ihn die beste Partnerin (nicht one night stand!) wäre - wen würdest du da aussuchen?




    Übrigens habe ich mich schon oft gefragt, ob der Graf tatsächlich selber daran glaubt, das Cherubino sich da durch die Schlafgemächer des gesamten weiblichen Schlosspersonals durcharbeitet oder ob er einfach nur den Störenfried (und Mitwisser!) loswerden will! Ich tippe da eher auf letzteres...


    Ich glaube auch letzteres, weil ich glaube, dass wenn das schon öfter passiert wäre und die Autoren wollten, dass das Publikum das auch weiß, der Graf sicher etwas gesagt hätte wie z.B. "Das ist jetzt schon da 10. Mal dass ich ihn erwische" oder "So viele Frauen hat er schon besucht".


    Wobei der Graf vorher offenbar ohnehin öfter außer Haus war, und dort sein Glück versucht hat; da stand ihm Cherubino im Schloss sicher nicht so sehr im Weg, könnte ich mir denken. Ich vermute, dass Cherubino ihn erst stört, seit er in seinem eigenen Schloss herummacht.




    LG,
    Hosenrolle1

  • ich muss mich nochmal entschuldigen, dass ich in dem ganzen hin und her in diesem Thread (das mich natürlich freut!) die Blumenmädchen-Szene verschwitzt habe.

    Hey, kein Problem, mir fallen auch immer wieder Sachen ein, die irgendwie untergegangen sind... Die greife ich dann einfach noch einmal auf!


    Habe das jetzt sofort nachgeholt. Was mir aufgefallen ist: Barbarina lächelt nur, als Susanna entdeckt, dass das Cherubino ist, dabei sollte sie doch eher besorgt sein? Was mir gefiel war, wie Barbarina Cherubino so einen Hüftstupser gibt, und der ihr das nachmacht und zurückstupst, da zeigt er, dass er aus seiner Haut nicht herauskann, auch als Mädchen verkleidet
    Vielleicht wollte er sich vor der Gräfin das auch nicht gefallen lassen, dass man so mit ihm umspringt?

    Erinnerst Du Dich, dass ich gesagt hatte, mir würde an dieser Inszenierung besonders gefallen, dass Cherubinos Beziehung zu "seinen" Frauen so detailliert ausgearbeitet wurde- und so völlig unterschiedlich ist?
    Susanna ist die "schwesterliche" Freundin, die ihn knuddelt und abkitzelt und zu der er ankommt, wenn er Mist gebaut hat.
    Bei der Gräfin lassen ihn seine Hormonturbulenzen schon beinahe hyperventilieren, wenn er ihr gegenüber steht.
    Und mit Barbarina geht er so um, wie' s unter Gleichaltrigen halt üblich ist: We knufft, wird zurückgeknufft!
    Und als sie kurz vorher über seine Verkleidung sprechen, kichern die zwei ziemlich albern herum wie zwei Kinder, die Blödsinn vorhaben.
    Da kann ich mir gut vorstellen, dass das die erste Knutschfreundin ist, ohne ernste Hintergedanken. Vermutlich haben die ein Jahr vorher noch im Schlossgarten zusammen Verstecken gespielt...

  • Erinnerst Du Dich, dass ich gesagt hatte, mir würde an dieser Inszenierung besonders gefallen, dass Cherubinos Beziehung zu "seinen" Frauen so detailliert ausgearbeitet wurde- und so völlig unterschiedlich ist?
    Susanna ist die "schwesterliche" Freundin, die ihn knuddelt und abkitzelt und zu der er ankommt, wenn er Mist gebaut hat.
    Bei der Gräfin lassen ihn seine Hormonturbulenzen schon beinahe hyperventilieren, wenn er ihr gegenüber steht.
    Und mit Barbarina geht er so um, wie' s unter Gleichaltrigen halt üblich ist: Wer knufft, wird zurückgeknufft!


    Stimmt, das hat der Regisseur wirklich gut hinbekommen! Und witzig fand ich halt, dass er sogar hier, wo er eigentlich unauffällig verkleidet sein sollte, Barbarina zurückstößt. Wobei, würde ein Junge ebenfalls mit der Hüfte zurückstoßen? Oder ist die Tatsache, dass Cherubino hier das gleiche macht wie Barbarina wieder ein Hinweis darauf, dass diese Figur ein Mittelding aus männlich und weiblich ist? Er hätte Barbarina ja auch mit der Hand leicht wegschubsen können oder so.


    Aja, mir fällt gerade ein, ich weiß leider nicht ob du das geschrieben hast oder jemand anderer: in dieser oder einer anderen Inszenierung hast du, glaube ich, einmal gemeint, dass der Gräfin oder Susanna wegen dem tiefen Ausschnitt schon fast alles raushüpft, und dass es kein Wunder sei, wenn der Page da ganz wild ist. Falls du das gesagt hast, und ich richtig zitiert habe, wäre meine Frage, ob das nicht ein Zeichen dafür wäre, dass Cherubino doch schon für gewisse Dinge reif genug ist, wenn ihm DAS gefällt, bzw. ihm das den Verstand raubt?



    Da kann ich mir gut vorstellen, dass das die erste Knutschfreundin ist, ohne ernste Hintergedanken. Vermutlich haben die ein Jahr vorher noch im Schlossgarten zusammen Verstecken gespielt...


    Das kann leicht sein :)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Was denkst Du? Wann erkennt die Gräfin, dass es sich bei der "schönen Fremden" um Cherubino handelt?
    Und wenn du Lust hast, schau Dir doch auch einmal den Hochzeitstanz und das Duett der Brautjungfern an! Das ist die Inszenierung, in der Cherubino und Barbarina die Schleier bringen und das Duett singen. Ich fand die Idee originell!



    Eine gute Überlegung, das mit Barbarina ... andererseits, weiß man, wie ernst Cherubino es mit seinem Text meint? Will er vielleicht vor Susanna zeigen, wie romantisch er nicht ist, auch ein bisschen die Dramaqueen spielen, ähnlich wie später bei der Gräfin?

    Das glaube ich nicht... Er mag eine kleine Dramaqueen sein, aber er meint schon, was er sagt! Vielleicht verkläre ich ihn ja jetzt zu sehr, aber ich traue ihm auch absolut nicht dass er irgendeinem Mädel vorlügen würde, sie sei seine große Liebe, nur um sie herum zu kriegen.
    Und er würde bestimmt auch nicht mit der Erstbesten ins Heu gehen, nur weil er die Gelegenheit hat.
    Bei ihm denke ich, dass er gar nicht der Typ für Sex ohne Liebe wäre, und seine große Liebe ist nun einmal aktuell die Gräfin! Solange er davon nicht weg kommt, gefällt ihm halt das "Leiden" , denn es ist ja soooo schön!!!
    Und hält sich mit Kuscheln und Knutschen bei der ehemaligen Spielfreundin schadlos ;)

  • Was denkst Du? Wann erkennt die Gräfin, dass es sich bei der "schönen Fremden" um Cherubino handelt?


    Hmm ... ich glaube, sie weiß es schon während sie fragt, wer das schüchterne Mädchen ist, weil sie es so langsam sagt und sich so komisch Richtung Publikum dreht dabei.



    Und wenn du Lust hast, schau Dir doch auch einmal den Hochzeitstanz und das Duett der Brautjungfern an! Das ist die Inszenierung, in der Cherubino und Barbarina die Schleier bringen und das Duett singen. Ich fand die Idee originell!


    Wenn du mir die Zeit sagst? :)



    Das glaube ich nicht... Er mag eine kleine Dramaqueen sein, aber er meint schon, was er sagt! Vielleicht verkläre ich ihn ja jetzt zu sehr, aber ich traue ihm auch absolut nicht dass er irgendeinem Mädel vorlügen würde, sie sei seine große Liebe, nur um sie herum zu kriegen.
    Und er würde bestimmt auch nicht mit der Erstbesten ins Heu gehen, nur weil er die Gelegenheit hat.
    Bei ihm denke ich, dass er gar nicht der Typ für Sex ohne Liebe wäre, und seine große Liebe ist nun einmal aktuell die Gräfin! Solange er davon nicht weg kommt, gefällt ihm halt das "Leiden" , denn es ist ja soooo schön!!!
    Und hält sich mit Kuscheln und Knutschen bei der ehemaligen Spielfreundin schadlos ;)


    Stimmt eigentlich, er sagt zu Barbarina zumindest während der Oper m.W. auch nicht, dass er sie liebt. (Vielleicht auch deswegen, weil er selbst nicht weiß, ob das Liebe ist, wie er in "Voi che sapete" sagt).




    LG,
    Hosenrolle1

  • Da fällt mir eine Frage an: angenommen, du könntest Cherubino mit irgendeiner weiblichen Figur des Stückes, egal wen oder wie alt, verkuppeln, bzw. du könntest sagen, wer für ihn die beste Partnerin (nicht one night stand!) wäre - wen würdest du da aussuchen?

    Das ist echt schwierig, da ja in dem Stück nur vier Frauen auftreten: Susanna, Marcellina, die Gräfin und Barbarina
    Und bis auf Barbarina sind ja auch alle liiert, aber das lasse ich auch einmal außen vor!
    Barbarina halte ich für zu umtriebig. Cherubino hat schon eine romantische Ader, und ich denke schon, dass er der einzige sein will, was bei Barbarina wohl nicht zwangsläufig der Fall wäre.
    Über Marcellina erfährt man ja wenig, aber prinzipiell lägen da vom Charakter her wohl auch Welten dazwischen, denn sie ist berechnend und jemanden zur Ehe zu zwingen wäre wohl auch ein Gedanke, der Cherubino völlig fremd wäre.
    Susanna wäre für mich nicht komplett unvorstellbar. Sie wäre charakterlich sicherlich ein gutes Gegenstück zu seiner gelegentlichen "Dramaqueen"- Mentalität! Jemandem, der dazu neigt, sein eigenes Leid zu zelebrieren, tut es ja nicht zwangsläufig gut, allzu sehr bemitleidet zu werden. Da ist dann schon ein kleiner Schubs an richtiger Stelle nötig, so wie sie's halt macht: Tut's weh? Ach komm, einmal darauf pusten, dann ein Pflaster, einmal kurz drücken und dann da weitermachen, wo du aufgehört hast!
    Bleibt noch die Gräfin, Traum seiner schlaflosen Nächte... Im Grunde erfährt man ja charakterlich von ihr ja auch nicht sehr viel! Ich nehme da einmal die Rosina aus dem "Barbier von Sevilla" mit hinzu. Die könnten sich vielleicht auf künstlerischer Ebene treffen, und sie würde sich mit viel Begeisterung seine weiteren Kompositionen Anhören... Intellektuell wäre sie vermutlich auch näher an ihm als Susanna ( ein nicht zu unterschätzen der Punkt! ). Und ein gewisses Gefühl von Geborgenheit wäre grundsätzlich bestimmt auch gegeben!
    Alles in allem würde ich zur Gräfin tendieren. Susanna wäre zwar auch kein völliger Fehlgriff, aber auf Dauer wäre sie für ihn wohl zu einfach gestrickt- und zu pragmatisch. Sie hätte für seine gelegentlichen philosophischen Höhenflüge nur ein amüsiertes Lächeln übrig...
    Wer wäre Deine Mrs Right für Cherubino?

  • Aja, mir fällt gerade ein, ich weiß leider nicht ob du das geschrieben hast oder jemand anderer: in dieser oder einer anderen Inszenierung hast du, glaube ich, einmal gemeint, dass der Gräfin oder Susanna wegen dem tiefen Ausschnitt schon fast alles raushüpft, und dass es kein Wunder sei, wenn der Page da ganz wild ist. Falls du das gesagt hast, und ich richtig zitiert habe, wäre meine Frage, ob das nicht ein Zeichen dafür wäre, dass Cherubino doch schon für gewisse Dinge reif genug ist, wenn ihm DAS gefällt, bzw. ihm das den Verstand raubt?

    Moment mal! Du bist doch derjenige, der immer konsequent darauf pocht, dass man sich einzig und allein an den Regieanweisungen des Originallibrettos orientieren soll!!
    Hihi... Das mit den Ausschnitten habe ich nicht gesagt, könnte aber von mir sein! Ich muss mich übrigens in einem Punkt korrigieren, ich habe vor kurzem gesagt, dass ich beim Rosenkavalier bisher mehr tiefe Ausschnitte gesehen habe, als im Figaro...
    Das revidiere ich hiermit! Ich muss da bei meinen Stichproben ein unglückliches Händchen gehabt haben... Gerade die Gräfin trägt- insbesondere , wenn sie sich für die Hochzeit aufgebrezelt hat, oft einen dermaßen tiefen Ausschnitt, dass man sogar als Frau denkt "Bitte einmal tief Luft holen, ich will sehen, was dann passiert!"
    Armer Cherubino! Sei froh über die langen Mäntel, die du tragen musst und immer schön ans Zuknöpfen denken, bis das Testosteron sich wieder gesetzt hat... :P
    Im übrigen habe ich auch nicht gesagt, dass Cherubino noch nicht fähig zum Sex wäre oder nicht weiß, was Sache ist! Bei den Hormonschüben, die ihn heimsuchen, funktioniert rein physisch sicherlich alles zur vollsten Zufriedenheit! Aber er ist doch erst dreizehn, lass ihn doch erst einmal mit ein bißchen Geknutsche und Herummachen anfangen, bevor' s in die Vollen geht! Überfordere ihn mal nicht und lass ihn noch ein wenig "parlo d'amor con me" ausprobieren... Sonst ist der Katzenjammer hinterher groß und er leidet noch mehr! So viele Kanzonetten kann er gar nicht schreiben...



    Ich glaube auch letzteres, weil ich glaube, dass wenn das schon öfter passiert wäre und die Autoren wollten, dass das Publikum das auch weiß, der Graf sicher etwas gesagt hätte wie z.B. "Das ist jetzt schon da 10. Mal dass ich ihn erwische" oder "So viele Frauen hat er schon besucht".

    Soll ich jetzt petzen und erwähnen, dass der Graf sagt "Ich habe ihn gestern SCHON WIEDER erwischt...? Nein, ich mach's nicht.. :angel:



    Stimmt, das hat der Regisseur wirklich gut hinbekommen! Und witzig fand ich halt, dass er sogar hier, wo er eigentlich unauffällig verkleidet sein sollte, Barbarina zurückstößt. Wobei, würde ein Junge ebenfalls mit der Hüfte zurückstoßen? Oder ist die Tatsache, dass Cherubino hier das gleiche macht wie Barbarina wieder ein Hinweis darauf, dass diese Figur ein Mittelding aus männlich und weiblich ist? Er hätte Barbarina ja auch mit der Hand leicht wegschubsen können oder so.

    Er passt sich halt an weibliche Umgangsformen an und macht das gleiche wie sie...
    Nein, im Ernst jetzt! Da wäre bei einem Jungen wohl eher ein Stoß mit der Schulter üblich, oder?



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  • Stimmt eigentlich, er sagt zu Barbarina zumindest während der Oper m.W. auch nicht, dass er sie liebt. (Vielleicht auch deswegen, weil er selbst nicht weiß, ob das Liebe ist, wie er in "Voi che sapete" sagt).

    Er redet sie gar nicht direkt an! Und sie ihn nur einmal und da nennt sie ihn "bel paggio"! Was ich auch irgendwie merkwürdig finde! Wenn Susanna ihn mit "hübscher Junge" oder "schöner Soldat" anspricht, hat das eine ganz andere Qualität- sie zieht ihn halt auf.
    Aber spricht man einen Jungen, mit dem man zusammen ist, so an? Da wär doch etwas wie "Liebling", "Süßer", "Schatz" oder was weiß ich, angemessener, oder? Die ist schon merkwürdig drauf...
    Nebenbei ( ich mag jetzt nicht suchen! ) hattest du vor kurzem auch noch etwas erwähnt, worauf ich eingehen wollte, es aber wieder vergessen habe: Es ging darum, dass es Dir bei Cherubino gefällt, wenn er offenbar nicht weiß, welche Wirkung er hat!
    Ich gehe davon aus, dass er es wirklich nicht weiß! Schon komisch, oder? Da bekommt er ständig gesagt, wie süß und hübsch er ist ( sogar das Wort "schön" fällt zwischendurch), aber ihm scheint das gar nicht aufzufallen! Nicht ein bisschen Arroganz in dieser Beziehung!
    In der Gartenszene hätte es sich ja angeboten, damit zu arbeiten, wenn er sich eh schon daneben benimmt. Da er ja glaubt, Susanna vor sich zu haben, wären Argumente wie "Ich weiß doch, dass ich dir gefalle!" gar nicht einmal unlogisch gewesen.
    Weiß er gar nicht, dass er ein hübscher Bengel ist?

  • Hmm ... ich glaube, sie weiß es schon während sie fragt, wer das schüchterne Mädchen ist, weil sie es so langsam sagt und sich so komisch Richtung Publikum dreht dabei.

    Glaube ich auch! Susanna hat ihn gleich erkannt und lacht sich eins und die Gräfin schaut auch so spitzbübisch, als wenn sie ihn nur veralbern will.


    Wenn du mir die Zeit sagst?

    Der Hochzeitstanz kommt doch gleich danach! Dazwischen ist nur der kurze Disput zwischen Figaro und dem Grafen...

  • Was wäre Deine Mrs Right für Cherubino?


    Danke erstmal für deine interessant zu lesenden Überlegungen dazu!


    Eigentlich ist es ja komisch: Cherubino ist der echte Adelige, und die Gräfin, die für ihn so unerreichbar scheint, ist angeheiratet. Ich frage mich ja, ob ihm das bewusst ist.


    Marcellina würde ich auf jeden Fall ausschließen, wegen der Zwangsheirat, die sie da vorhat. Ich schwanke auch zwischen Gräfin und Susanna ... nun ist es ja so, dass beide Frauen Cherubino eher mütterlich behandeln, und auch mal ermahnen, nicht so kindisch zu sein oder sich zu beruhigen, und beide machen sich irgendwie lustig über seine Gefühle; Susanna etwa, wenn sie ihn imitiert, oder die Gräfin, wenn Cherubino von dem Band schwärmt.


    Eine Idee von mir ist auch, dass Susanna vielleicht, was das künstlerische angeht, näher bei Cherubino ist, weil sie ebenfalls Musik macht, und praktisch mit dem Jungen musiziert.
    (Jetzt wo ich drüber nachdenke, eigentlich auch arg: zuerst macht sich Susanna lustig über seine Schwärmerei, aber beim Musizieren spielt sie ohne Unterbrechung, ohne Scherze oder "Zwischenrufe" sein Lied)


    Ich weiß irgendwie nicht, ob die Gräfin Cherubinos künstlerische Ader teilt, ob sie überhaupt irgendwelche längeren Gespräche führen würde, ob sie auch eine romantische Ader hat. Und ob Susanna die auch hat.
    Ich frage mich auch, ob Cherubino - gesetzt den Fall, dass die Gräfin oder sonst jemand ihn erhört - überhaupt jemand ist, der auch viel redet, sich unterhält, oder ob er da nur auf das eine fixiert ist.


    Aber ich würde wohl auch eher zur Gräfin tendieren, jedoch hauptsächlich deswegen, weil ich das Gefühl habe, dass Susanna Cherubino weniger ernst nimmt.



    Moment mal! Du bist doch derjenige, der immer konsequent darauf pocht, dass man sich einzig und allein an den Regieanweisungen des Originallibrettos orientieren soll!!


    Das verstehe ich nicht, worauf ist das bezogen? Was meinst du damit?



    Hihi... Das mit den Ausschnitten habe ich nicht gesagt, könnte aber von mir sein! Ich muss mich übrigens in einem Punkt korrigieren, ich habe vor kurzem gesagt, dass ich beim Rosenkavalier bisher mehr tiefe Ausschnitte gesehen habe, als im Figaro...
    Das revidiere ich hiermit! Ich muss da bei meinen Stichproben ein unglückliches Händchen gehabt haben... Gerade die Gräfin trägt- insbesondere , wenn sie sich für die Hochzeit aufgebrezelt hat, oft einen dermaßen tiefen Ausschnitt, dass man sogar als Frau denkt "Bitte einmal tief Luft holen, ich will sehen, was dann passiert!"


    Ah ok, dann hatte ich das falsch in Erinnerung!


    Kommt es mir eigentlich nur so vor, oder ist speziell Octavian in vielen Inszenierungen NICHT irgendwie modern gekleidet? Cherubino wird ja gerne mal mit E-Gitarre oder als junger Elvis Presley gezeigt, oder als Punker etc., aber bei Octavian habe ich das Gefühl, dass man ihn davor "verschont".


    Was die Ausschnitte angeht, da habe ich ja mal gesagt, dass ich mir Malereien aus dieser Zeit rausgesucht habe, um zu sehen, wie die Frauenmode damals war, und da gab es auch einige Kleider, die - zusammen mit ziemlich eng geschnürten Korsagen - recht viel gezeigt haben. Andererseits auch genügend hochgeschlossene, wo noch der ganze Hals bedeckt war.
    Da ist halt die Frage nach unterschiedlichen Modeströmungen zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen orten. Die Handlung spielt ja in Spanien, da müsste man eruieren, wie sich spanische adelige Frauen im späten 18. Jahrhundert gekleidet haben, ob es vielleicht gerade Mode war, viel Ausschnitt zu zeigen, oder ob die Kleidung da eher geschlossen und "züchtig" war.



    Armer Cherubino! Sei froh über die langen Mäntel, die du tragen musst und immer schön ans Zuknöpfen denken, bis das Testosteron sich wieder gesetzt hat... :P


    Hehehe ... wobei, wenn er mal enge Hosen trägt, dann sieht man eh recht deutlich, dass da nichts ist, was er verstecken müsste und ihn in eine solche Situation bringen könnte ... den Mantel braucht er wahrscheinlich eher, damit keiner sieht, dass er schwanger ist *gg*



    Sonst ist der Katzenjammer hinterher groß und er leidet noch mehr! So viele Kanzonetten kann er gar nicht schreiben...


    :hahahaha:



    Soll ich jetzt petzen und erwähnen, dass der Graf sagt "Ich habe ihn gestern SCHON WIEDER erwischt...? Nein, ich mach's nicht.. :angel:


    Hmm ... ist die Frage, ob er damit meint, dass er ihn zum zweiten Mal erwischt hat, oder schon öfter.



    Er passt sich halt an weibliche Umgangsformen an und macht das gleiche wie sie...
    Nein, im Ernst jetzt! Da wäre bei einem Jungen wohl eher ein Stoß mit der Schulter üblich, oder?


    Ich glaube auch ... ich kann mir nicht so richtig vorstellen, dass ein Junge so einen Hüftschubser macht, da wirkt mir die Szene fast so, als ob zwei Mädchen sich da schubsen, was die Szene für mich noch witziger macht.



    P.S.: im HIP-Thread und im Salome-Thread hab ich dir noch was geschrieben :)


    P.S. 2: ich hoffe, ich hab das mit der Musiktheorie halbwegs gut erklärt?




    LG,
    Hosenrolle1

  • Er redet sie gar nicht direkt an! Und sie ihn nur einmal und da nennt sie ihn "bel paggio"! Was ich auch irgendwie merkwürdig finde! Wenn Susanna ihn mit "hübscher Junge" oder "schöner Soldat" anspricht, hat das eine ganz andere Qualität- sie zieht ihn halt auf.
    Aber spricht man einen Jungen, mit dem man zusammen ist, so an? Da wär doch etwas wie "Liebling", "Süßer", "Schatz" oder was weiß ich, angemessener, oder? Die ist schon merkwürdig drauf...


    Vielleicht ein Hinweis darauf, dass er ihr doch eher fremd ist, dass sie in ihm nur die Funktion sieht, die er im Schloss hat, dass es nicht viele Gemeinsamkeiten gibt?



    Nebenbei (ich mag jetzt nicht suchen!) hattest du vor kurzem auch noch etwas erwähnt, worauf ich eingehen wollte, es aber wieder vergessen habe: Es ging darum, dass es Dir bei Cherubino gefällt, wenn er offenbar nicht weiß, welche Wirkung er hat!
    Ich gehe davon aus, dass er es wirklich nicht weiß! Schon komisch, oder? Da bekommt er ständig gesagt, wie süß und hübsch er ist (sogar das Wort "schön" fällt zwischendurch), aber ihm scheint das gar nicht aufzufallen! Nicht ein bisschen Arroganz in dieser Beziehung!


    Stimmt! Ich hätte da zwei Theorien dazu. Entweder er merkt es schon, hält es aber für unbedeutendes Gerede, das er nicht wirklich ernst nimmt (vllt. auch deswegen, weil er weiß, dass sowohl Susanna als auch die Gräfin schon einen Partner haben), oder aber er merkt es, aber es ist ihm peinlich, oder es ärgert ihn, wenn die Erwachsenen ihn so "bewerten". Und straft sie ab, indem er so tut, als ob er das gar nicht mitbekommt; vielleicht ist das eine Art Schutzmechanismus bei ihm, dass er auf solche Dinge gar nicht reagiert, um kein Futter für Hänseleien zu bieten, nach dem Motto "Die meinen das eh nicht ernst, und wenn ich mich jetzt drüber freue, dann bringen die irgendeinen Spruch, der mich wieder ärgert".
    Auf Susannas "Soldat" reagiert er ja und sagt "Nenn mich nicht so".



    Aber stimmt, meine Vorstellung ist etwa die, dass er nicht mitbekommt, dass er so eine Ausstrahlung hat, dabei aber nicht übertrieben unschuldig oder gar dumm und begriffsstutzig ist, aber auch nicht berechnend, so auf die Art "Ich weiß dass ich schön bin, ich nutze das jetzt aus". Er soll schon auch mal ein bisschen neckisch und spitzbübisch sein, dabei aber nicht verletzend oder bösartig. Wenn er sich mal einer Frau aufdrängt, dann nicht in Form von Grapschereien, sondern von Umarmungen oder einem flüchtigen, überschwänglichen Kuss auf die Wange, weil ich denke, dass er romantischer ist als der Graf.


    Das ist ungefähr meine Vorstellung von ihm, und sowas in der Richtung höre ich auch gerne bei "Voi che sapete", wobei ich natürlich auch offen bin für andere Interpretationen, aber ungefähr so etwas würde ich gerne raushören.


    (Bei der Susanna und ihrem "Deh vieni non tardar" ist das anders, da habe ich mir keine solche Meinung gebildet, und kann deswegen nicht sagen, was für ein Rollenportrait ich mir hier vorstelle, was ich hier gut fände.)


    Interessant wäre vielleicht die Frage, wie wir uns vorstellen, dass er sich zu Barbarina und zu Susanna verhält, ob es da Unterschiede geben soll, und wenn ja, welche. Würde er sich bei Barbarina "stärker" oder größer fühlen, und bei Susanna nicht? Ist ihm der Altersunterschied egal?



    In der Gartenszene hätte es sich ja angeboten, damit zu arbeiten, wenn er sich eh schon daneben benimmt. Da er ja glaubt, Susanna vor sich zu haben, wären Argumente wie "Ich weiß doch, dass ich dir gefalle!" gar nicht einmal unlogisch gewesen.
    Weiß er gar nicht, dass er ein hübscher Bengel ist?


    Eine sehr gute Überlegung! Vielleicht hätte er sich aber nicht getraut, sowas zu sagen, aus der Angst heraus, als Antwort ein "Stimmt doch gar nicht, du gefällst mir nicht" zu hören, und das hätte ihn vielleicht - vor allem, weil das hier nur eine Scherzaktion von ihm ist - zu sehr getroffen. Dabei fällt überhaupt auf, dass er sich hier eigentlich gar nicht selbst gut darstellen will, eben durch Sätze wie "Ich gefalle dir doch" oder "Barbarina gefalle ich doch auch" oder "Ich bin ein guter Küsser" oder irgendsowas. Eigentlich inszeniert er sich eher als Außenseiter, der sagt "Die anderen dürfen auch, warum ich nicht?"



    Glaube ich auch! Susanna hat ihn gleich erkannt und lacht sich eins und die Gräfin schaut auch so spitzbübisch, als wenn sie ihn nur veralbern will.


    Sonst kann ich mir nicht erklären, warum die Gräfin sich so verhalten sollte, wenn sie nur fragt, wer dieses schüchterne Mädchen ist. Ich denke schon, dass sie da zumindest eine Ahnung haben muss.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Und wenn du Lust hast, schau Dir doch auch einmal den Hochzeitstanz und das Duett der Brautjungfern an! Das ist die Inszenierung, in der Cherubino und Barbarina die Schleier bringen und das Duett singen. Ich fand die Idee originell!


    Ich hab´s mir gerade angesehen, weiß aber nicht genau was du meinst. Ich sehe da nur, dass Cherubino rausgeht, und dann mit seinem normalen Gewand wieder reinkommt.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich hab´s mir gerade angesehen, weiß aber nicht genau was du meinst. Ich sehe da nur, dass Cherubino rausgeht, und dann mit seinem normalen Gewand wieder reinkommt.

    Eigentlich schon erstaunlich, dass er überhaupt wieder hereinkommt, oder? Nachdem er mit dem Grafen soeben ein weiteres Mal einander gerasselt ist!
    Wobei er ja für die ganze Hochzeitszeremonie auch eindeutig eingeplant ist, eben dadurch, dass er gemeinsam mit Barbarina die Schleier bringt und auch zusammen mit ihr das Brautjungfern- Duett singt.
    Letzteres fand ich einfach originell und habe es bisher in noch keiner anderen Aufführung gesehen, obwohl es sich ja tatsächlich anbietet, da die beiden die passenden Stimmlagen mitbringen. Und es zeigte hier, dass die beiden in die Gemeinschaft im Schloss integriert sind, wo sie ja sonst eher außer vor sind und gerade Barbarina nur sehr spärlich in Erscheinung tritt.
    Insgesamt fand ich diese Darstellung des Hochzeitstanz interessant, weil er so detailliert ausgearbeitet ist und jede Aktion praktisch in die Tanzbewegungen einfließt. Allein, wie Susanna da immer wieder die Hände wechselt, um den Brief vor Figaro zu verstecken, bis sie ihn dann schließlich dem Grafen zuspielt.
    Allerdings habe ich darauf gewartet, dass noch irgendetwas in Richtung Cherubino - Graf passiert, denn er steht direkt neben Barbarina und Cherubino, die zusammen tanzen und beobachtet alles mit bösen Blicken, bis er dann den Brief erhält.
    Übrigens mokiert sich Figaro vor Marcellina ( nicht vor Susanna! ) über den Grafen und die Nadel, so, dass ein Zusammenhang dazu gegeben ist, dass Marcellina später, als sie und Figaro Barbarina begegnen, die die Nadel sucht, überhaupt davon weiß!
    Und es gibt einen Grund, weswegen Barbarina die Nadel überhaupt verliert: Der Graf übergibt sie ihr noch während des Tanzes und erklärt ihr offenbar, was sie nun zu tun hat. Cherubino kommt hinzu, ergreift Barbarina an der Hand, und zieht sie energisch mit sich weg, wobei sie die Nadel fallen lässt...
    Leider sieht man nicht mehr, was zwischen den beiden noch passiert, ob sie zu reden beginnen o.ä. und so bleibt irgendwie unklar, weswegen Cherubino das gemacht hat... Ob' s einfach eine Aktion war im Sinne von "Komm wieder her, und beschäftige dich mit mir!" oder, wie ich eher vermute schon eine Eifersuchtshandlung, denn Barbarina hat ja kurz zuvor sehr blumig geschildert, was sie mit dem Grafen so treibt...

  • Das verstehe ich nicht, worauf ist das bezogen? Was meinst du damit?

    Das war darauf bezogen, dass es nirgendwo eine Regieanweisung im Sinne von "Susanna gewährt Cherubino tiefe Einblicke und diesem bricht der Schweiß aus" gibt. :P


    Eigentlich ist es ja komisch: Cherubino ist der echte Adelige, und die Gräfin, die für ihn so unerreichbar scheint, ist angeheiratet. Ich frage mich ja, ob ihm das bewusst ist.

    Wir hatten das schon einmal kurz angerissen, als die Rede von ihrer Patenschaft für Cherubino war und ich habe mich das auch gefragt... Ich denke schon, dass er darum weiß, es ihm aber egal ist. Er würde die Gräfin vom Fleck weg heiraten, wenn die Möglichkeit bestünde, würde das aber ebenso mit Barbarina tun, wenn er für sie so empfinden würde- ungeachtet dessen, dass sie nur die Tochter des Gärtners ist! So schätze ich ihn zumindest ein.



    Eine Idee von mir ist auch, dass Susanna vielleicht, was das künstlerische angeht, näher bei Cherubino ist, weil sie ebenfalls Musik macht, und praktisch mit dem Jungen musiziert.
    (Jetzt wo ich drüber nachdenke, eigentlich auch arg: zuerst macht sich Susanna lustig über seine Schwärmerei, aber beim Musizieren spielt sie ohne Unterbrechung, ohne Scherze oder "Zwischenrufe" sein Lied)

    Stimmt, sie begleitet ihn ja auf der Gitarre, nachdem die Gräfin sie ganz selbstverständlich dazu aufgefordert hat...



    Ich weiß irgendwie nicht, ob die Gräfin Cherubinos künstlerische Ader teilt, ob sie überhaupt irgendwelche längeren Gespräche führen würde, ob sie auch eine romantische Ader hat. Und ob Susanna die auch hat.
    Ich frage mich auch, ob Cherubino - gesetzt den Fall, dass die Gräfin oder sonst jemand ihn erhört - überhaupt jemand ist, der auch viel redet, sich unterhält, oder ob er da nur auf das eine fixiert ist.

    Das Problem ist eben, dass man von ihrem Charakter so gut wie gar nichts erfährt, daher habe ich auch die Rosina aus dem "Barbier" ( die sie ja ist! ) in die Überlegung mit einbezogen... Leider kenne ich diese Oper nur in Grundzügen, weil ich musikalisch im Grunde nur die Ouvertüre hörenswert finde. Aber da gibt es doch eine Szene, in der sie Klavier spielt, glaube ich mich zu erinnern, und Bartolo sie dann sehr trampelig mit einer Eigenkomposition zu beeindrucken versucht. Außerdem erobert der Graf ihr Herz durch solche Aktionen wie vor ihrem Fenster zu singen ( kann man sich im "Figaro" echt nicht mehr vorstellen, oder?!? ) u.ä...
    Aber da muss ich noch einmal genauer schauen!
    Dass sie Cherubino intellektuell näher steht als Susanna habe ich jetzt einfach einmal aus der Sprache geschlossen, die die beiden benutzen, wenn sie miteinander reden und die sich schon vom Umgangston her von der Art unterscheidet, wie Susanna mit ihm spricht. Aber da bewege ich mich natürlich auf dünnem Eis, da das auch der Übersetzung geschuldet sein kann...
    Auch die Sache mit dem Brief, den die Gräfin Susanna diktiert, macht auf mich irgendwie den Eindruck, als wenn sie schon eine gewisse Affinität zu Poesie besitzt, vielleicht sogar selber dichtet. Allein die Art, wie sie beginnt "Canzonetta sur l' aria"... Was dann in Übersetzungen wie "Also schreib, ich diktiere" ( ?!?) komplett den Bach heruntergeht...
    Susanna scheint damit nicht viel anfangen zu können, sie schreibt zwar brav, zögert dann aber an einer Stelle und fragt nach. Nun ist nicht klar, weswegen. Ist sie sich nicht sicher wegen der Rechtschreibung, hat sie das Wort nicht verstanden oder meint sie einfach nur "Soll ich das jetzt echt so schreiben?"
    Irgendwie tippe ich auf die letzte Vermutung, auch schon deswegen, weil die Gräfin dann auch gleich abschließt mit den Worten "Den Rest versteht er sowieso..."
    Nun stellt ich natürlich die generelle Frage, wie der Graf nicht merken kann, dass das mit Sicherheit nicht Susanna, die Pragmatikerin geschrieben hat, aber das ist ihm in diesem Augenblick bestimmt nur piepegal und er achtet gar nicht darauf!
    Übrigens ( das ist jetzt gerade wie eine Rückblende! ) erinnere ich mich dunkel, dass ich, als ich die Gartenszene das erste Mal gehört habe, an einer Stelle sofort so einen Gedanken hatte wie "Böser Fehler! Hoffentlich merkt er das jetzt nicht!" Und zwar, als sie ihm das erste Mal antwortet. Wie gesagt, mein erster Figaro war in der üblichen deutschen Übersetzung, in der sie sagt "Unverschämter! Ungezogner, gleich entferne dich von hier!"
    So würde Susanna nie im Leben reden!
    Da kommt mir gerade der Gedanke, dass die Sache mit dem Brief eventuell auch ein kleines Indiz dafür wäre, dass die "Rosenarie" eigentlich zur Gräfin gehörte... Allein wegen der ganzen blumigen Sprache mit Pinien und sanften Winden, die durch den Garten wehen...
    Im Grunde wirklich nicht gerade Susannas Stil, oder?

  • Wir hatten das schon einmal kurz angerissen, als die Rede von ihrer Patenschaft für Cherubino war und ich habe mich das auch gefragt... Ich denke schon, dass er darum weiß, es ihm aber egal ist. Er würde die Gräfin vom Fleck weg heiraten, wenn die Möglichkeit bestünde, würde das aber ebenso mit Barbarina tun, wenn er für sie so empfinden würde- ungeachtet dessen, dass sie nur die Tochter des Gärtners ist! So schätze ich ihn zumindest ein.


    Und ihm ist das Alter offenbar auch egal, ob jünger oder älter als er, er mag alle. Eigentlich müsste die Gräfin ja annehmen, dass Cherubinos Schwärmerei nur eine vorübergehende Phase ist, wo man ältere Frauen anbetet, statt sich für gleichaltrige Mädchen zu interessieren, die auf seiner Entwicklungsstufe sind. Bei Mozart sind die Gefühle der Gräfin zu Cherubino, wenn überhaupt, nur sehr schwach und versteckt da, bei Beaumarchais allerdings, wie wir gesehen haben, eindeutig.
    Bei Beaumarchais frage ich mich auch, ob die Gräfin diese Schwärmereien auch mit Abstand sieht, nach dem Motto "Das ist nur eine Phase, der meint das nicht so, der weilß ja nicht was er redet", oder ob sie das durchaus ernst nimmt. Da müsste man wissen, ob sie vielleicht irgendwie austestet, ob er es ernst meint, oder ob sie eh denkt, dass er das gar nicht so meint, und nur eine Freude an den kleinen Flirtereien hat.



    Dass sie Cherubino intellektuell näher steht als Susanna habe ich jetzt einfach einmal aus der Sprache geschlossen, die die beiden benutzen, wenn sie miteinander reden und die sich schon vom Umgangston her von der Art unterscheidet, wie Cherubino mit Susanna spricht. Aber da bewege ich mich natürlich auf dünnem Eis, da das auch der Übersetzung geschuldet sein kann...


    Stimmt, Susanna redet mit ihm doch eher "von oben herab", die Gräfin scheint ihn irgendwie ernster zu nehmen. (Vielleicht tut sie das, um sich selbst vorzutäuschen, dass er reifer ist? Dass sie so mit ihm redet, und nicht wie mit einem Kind, damit sie selbst das Gefühl hat, dass er älter ist?)



    Auch die Sache mit dem Brief, den die Gräfin Susanna diktiert, macht auf mich irgendwie den Eindruck, als wenn sie schon eine gewisse Affinität zu Poesie besitzt, vielleicht sogar selber dichtet. Allein die Art, wie sie beginnt "Canzonetta sur l' aria"... Was dann in Übersetzungen wie "Also schreib, ich diktiere" ( ?!?) komplett den Bach heruntergeht...


    Soviel zum Thema "Deutsche Übersetzungen helfen das Werk besser zu verstehen" :D



    Da kommt mir gerade der Gedanke, dass die Sache mit dem Brief eventuell auch ein kleines Indiz dafür wäre, dass die "Rosenarie" eigentlich zur Gräfin gehörte... Allein wegen der ganzen blumigen Sprache mit Pinien und sanften Winden, die durch den Garten wehen...
    Im Grunde wirklich nicht gerade Susannas Stil, oder?


    Glaub ich auch nicht ... wobei, wäre die Arie wirklich die der Gräfin, dann fände ich das ziemlich blöd. Zum einen deswegen, weil es zeigen würde, dass sie wirklich kein Interesse an Cherubino hat, zum anderen würde sie da so romantische Töne für SO EINEN Mann anschlagen, der ordentlich Dreck am Stecken hat. Dann würde sie singen, dass sie das Haupt des Grafen mit Rosen bekränzen möchte ... ohne Worte.
    Und es würde die bei Mozart ohnehin schon deutlich abgemilderte Szene zwischen Cherubino und der Gräfin (mit dem Band) fast schon ad absurdum führen, finde ich.


    Apropos: in der Partitur steht ja, dass Cherubino in besagter Szene vor der Gräfin kniet, und dann seinen Satz mit "Würde ich sterben, würde im letzten Moment mein Mund vielleicht wagen ...", worauf die Gräfin ihm laut Anweisung die Tränen trocknet, während sie sagt "Seid vernünftig".


    Wie stellst du dir eigentlich vor, dass Cherubino diesen doch für ihn riskanten Satz zu ihr sagt? Würde er sie anschauen, in die Augen schauen dabei? Oder eher schüchtern wegschauen dabei? Sollte er das eher mit Leidenschaft sagen, dass es quasi aus ihm herausbricht? Oder eher unsicher und vorsichtig?




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich habe hier noch etwas gefunden, das noch offen war! Aus der Inszenierung mit Marianne Crebassa.



    Gute Frage ... für mich sah das nicht wie ein Haarband aus (ist es bei Mozart ein Haarband? Ich bilde mir ein, dass davon geredet wird). Falls es ein Strumpfband ist, dann wäre es umso mehr nachvollziehbarer, warum Cherubino es haben möchte
    (Andererseits, wenn ich an diese Zeit denke, und die hygienischen Zustände, Flohbeutel usw. ... lieber nicht dran denken)

    Die eingeblendeten Untertitel sagen " Leibwäsche deiner schönen Patin", was völlig daneben ist. Im Original handelt es sich um "Das Band aus der Nachthaube Ihrer Frau Patin, die soooo schööön ist!"
    Und irgendwie auch blöd, wenn Cherubino das Susanna beim Bügeln klaut, denn dann ist es ja gewaschen ( wenn Susanna Job anständig macht, und davon gehen wir doch einmal aus! ). Aber Cherubino möchte doch etwas, das "Haar und Haut des Wesens berührte, das..." usw.
    Da halte ich 's doch wieder lieber mit dem Züricher Harnoncourt- Figaro: Da zieht Susanna das Band aus der Haube heraus, und Cherubino wird neugierig und fragt nach, was das ist... Wesentlich logischer, oder?
    Was die damaligen hygienischen Zustände angeht, kann ich eventuell ein wenig Entwarnung geben...
    Ich habe vor einigen Monaten dahingehend ein wenig im Internet recherchiert wegen einer kleinen Geschichte, an der ich gerade schreibe, und weil ich die Vorstellung eines Cherubino als ungewaschenes, nach mit Parfum übertünchtem Schweiß stinkendes Läusehotel total widerlich fand...
    Ich bin da auf einige recht aktuelle Beiträge im Internet gestoßen, die sich damit befassen.
    Danach sind die Infos, die wir noch im Geschichtsunterricht bekommen haben, nicht so hundertprozentig korrekt. Ich erinnere mich daran, dass es so mehr oder weniger hieß, man hätte vom Waschen nicht allzuviel gehalten, den Gestank mit Parfüm überdeckt und die verfilzten Haare unter Perücken versteckt, unter denen die Läuse Massenhochzeiten feierten...
    Nun war es aber offenbar so, dass die Leute das Baden tatsächlich vermieden, weil die Auffassung herrschte, dass sie dies krank machen würde- und die Logik dessen war gar nicht einmal verkehrt: ein Bad zu Hause war mit immens viel Arbeit und Umständen verbunden, denn es gab ja kein fließendes Wasser, es müsste vom Brunnen geholt, erhitzt werden usw.
    Einfacher waren da die "Badehäuser" und logisch macte das Wasser dort die Leute krank! Da tummelte sich Hinz und Kunz, sogar Sex hatten die dort usw. Zu dieser Zeit soll auch die Syphilis aufgekommen sein, klar, dass die Leute Angst hatten. Wer sich damit infizierte, hatte sein Todesurteil unterschrieben...
    Der Adel, der es sich leisten könnte, vermied also das Wasser und rieb sich stattdessen mit ( sauberen ) parfümierten Tüchern ab.
    Dass es den Leuten mehr oder weniger gefiel, sich im Dreck zu suhlen ( So kam es ja im Geschichtsunterricht irgendwie immer 'rüber! ) stimmt also ganz und gar nicht.
    Im übrigen war diese Zeit um 1500/1600 angesiedelt.
    Ende 1700- und in dieser Zeit bewegen wir uns ja mit dem"Figaro"- hatte sich dahingehend alles wieder immens beruhigt. Und insbesondere für den Adelsstand waren Körperpflege und saubere Kleidung ein Statussymbol. Gebadet wurde auch wieder und es gibt Aufzeichnungen darüber, wie wichtig gerade auch die Körperpflege im Intimbereich genommen wurde.
    Die Unterschicht... Die hat natürlich gestunken, klar! Wenn man ums tägliche Überleben kämpfen muss, besitzt man andere Prioritäten!
    Natürlich war die Hygiene nicht mit heutigen Standards zu vergleichen. Wenn die Kleidung mühsam von Hand gewaschen werden muss, wäre es ja Irrsinn, diese täglich zu wechseln!
    Aber ganz so fürchterlich, wie' s immer dargestellt wird, war' s auch nicht. Ich meine jetzt natürlich nur die Hygiene. Was in der Gesellschaft sonst so alles schief lief, steht auf einem anderen Blatt!

  • Danke für deinen tollen Beitrag! Ich war jetzt doch überrascht, dass sich die Situation hier offenbar ein bisschen gebessert hat ... aber es zeigt doch auch, warum ich gegen diese Kitsch-Inszenierungen bin, wo alles sauber und rein ist, wie aus dem Bilderbuch.


    In einem anderen Thread hier habe ich u.a. ein Buch vorgestellt, das "Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge" heißt. Darin geht es, grob gesagt, um alle Dinge, die das Wohnen betreffen, Alltagsgegenstände und ihre Geschichte seit ihrer Erfindung. Dabei wird auch oft ausführlich geschildert, wie man damals gelebt hat, und auch welche Zustände da herrschten, wobei auch teilweise grausige Details ungeschönt zur Sprache gebracht werden.


    In einem Teil des Buches geht es um die Heizung, und wie damals geheizt wurde. Und da hieß es auch, dass es damals sogar in den großen Anwesen der Adeligen und Herrscher, die über mehrere Ofen verfügten, im Winter oft um die 3 Grad herum hatte (was teilw. auch daran liegt, dass diese Häuser riesig und hoch waren). Also selbst wenn man reich war und prunkvoll lebte, hat man praktisch gefroren. Von den armen Leuten will ich gar nicht anfangen ...


    Also sooo lustig war diese Zeit definitiv nicht, und das finde ich auch an den besagten Kitsch-Inszenierungen und generell an diesem ganzen Fremdenverkehrs-Kitsch mit Mozartperücken und Walzerseligkeit so fürchterlich, weil es diese Zeiten glorifiziert, und dabei die dunklen Seiten völlig ausspart.


    Bei Hänsel und Gretel ist es ja nicht anders. Sicher, es ist ein Märchen, aber in der ersten Hälfte ein sehr realistisches, und wenn ich dann sehe, wie diese Figuren auf der Bühne lustig sind und allen möglichen Slapstick machen, damit die Kinder im Publikum was zu lachen haben ... aber so ein Leben war alles andere als lustig. Ich will nicht wissen wie eisig es da im Winter in dieser Hütte ist, und wieviele Ratten dort herumwuseln.




    LG,
    Hosenrolle1

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