Die Liedinterpretationen des Dietrich Fischer-Dieskau - Zeitlos gültig oder modisch vergänglich ?

  • Hallo Schall und Wahn,


    wenn ich mir Deine 98 Beiträge seit 05.06.2012 durchlese (z. T.) und dazu Deinen Beitrag im Vorstellungsthread (auszugsweises Zitat s. o.) - dann bring' ich das nicht "unter einen Hut". Aber wahrscheinlich geht das nur mir so.


    zweiterbass


    ZitatAber wahrscheinlich geht das nur mir so.Keineswegs.^^ Wolfgang


    zweiterbass und wolfgang
    Hmm...ich weiß nicht recht in welche Richtung ich dieses Kommentar jetzt deuten soll. Stimmt, "Live-Erfahrung" habe ich kaum, habe im Forum aber dementgegen auch noch nichts gesagt bzw. immer darauf hingewiesen, dass ich hauptsächlich nur von CDs, TV und DVD zehre.
    Das mit dem einen Jahr...mir ist zu meinem Umut aufgefallen, dass es sich doch schon um 2 Jahre handelt (na, wahnsinn), konnte das in der Vorstellung aber nicht mehr ändern. (ich hab's nicht so mit Zeitangaben, manchmal "vergesse" ich gar wie alt ich bin :D )

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Zitat

    Hmm...ich weiß nicht recht in welche Richtung ich dieses Kommentar jetzt deuten soll.


    Das war als Kompliment gedacht - wobei mir schon klar ist, dass sich Deine erstaunliche Kompetenz vor allem auf die Bereiche Oper und Lied bezieht.


    (Es könnte natürlich auch sein, dass Du die Wiederauferstehung eines erfahrenen Ex-Taminos darstellst ... :stumm: :D )


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Die Feststellung von wok (Beitrag 60): "...sondern er verkörpert jedes gesungene Wort gewissermaßen als selbst Betroffener, und dies in stimmlichen Schattierungen und Feinstabstufungen, die einfach faszinieren, die man als höchste musikalische Ästhetik bezeichnen könnte, die aber auch jede empfindsame Seele erreichen dürften."


    ... genau den Punkt. "Zeitlos gültig" kann wohl keine Interpretation sein, weil sie aus der Zeit heraus geschaffen wird und Zeit somit wesenhaft in sie eingeht. Aber mastabgebend und -setzend kann eine Interpretation sehr wohl sein. Und dieses trifft auf die Liedinterpretation Fischer-Dieskaus ganz sicher zu.


    Das "Sich-in-das-Lied-Hineinversetzen, das Sich-Identifzieren mit seiner lyrisch-muskialische Aussage ist ja nur die Grundlage seiner Interpretation. Das, was als Folge daraus hervorgeht, ist das im Augenblick der Rezeption Singuläre: Der Ton, der auf einem lyrischen Wort liegt, wird dessen sprachlicher Aussage gemäß klanglich eingefärbt; die Semantik fließt in die Färbung und Akzentuierung der Musik ein.

  • Mehr als fünf Jahre ist es her, dass in diesen Thread geschrieben wurde.


    Masstabsetzend sind die Interpretationen Dietrich Fischer-Dieskaus. Kein Sänger kommt an ihm vorbei. Das gilt ebenso für den Hörer.

    Jedes Mal, wenn ich die Aufnahmen der Sängerkollegen, lebenden wie verstorbenen, mit Einspielungen dieses Ausnahmesängers vergleiche, überzeugt mich sein Vortrag. Sei es in Bezug auf Beherrschung der stimmtechnischen Mittel, sprachliche Verständlichkeit, Interpretation. Da ist aber noch ein Quäntchen unwägbares Mehr zu hören, das das Herz erreicht.


    Diese Überlegenheit wirkt auf mich erdrückend. Zuweilen muss ich mir Abstand verschaffen, um die Leistung eines anderen Sängers würdigen zu können. Dann lasse ich die Dietrich-Fischer-CDs im Regal ruhen, im Wissen, dass ich einen Schatz hüte.


    Ich habe mir in letzter Zeit einige Aufnahmen der schubertschen "Schönen Müllerin" angehört. Bei der Anerkennung der Leistung anderer Sänger, bleibt am Ende die Meisterschaft Fischer-Dieskaus, der ich den Vorzug gebe. Glockenton bemerkt richtig "Wahre Kunst ist eben viel mehr, als nur Noten und Melodien stimm-schön zum Klingen zu bringen..."


    Eines meiner Lieblingslieder, mit denen uns Dietrich Fischer-Dieskau beschenkt hat, ist "Die Sterne" D. 939 von Franz Schubert. 1978 hat er es mit Sviatoslav Richter aufgenommen.



    Danke.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Eines miner Lieblingslieder ist "das Wirtshaus" aus der Winterreise, hier in einer frühen Aufnahme des damals 23Jährigen, begleitet von Klaus Billing:


    Gerade dieses Lied ist m. E. unerreicht.
    In dieser Aufnahme:

    mit seinem "Stammbegleiter" Gerald Moore aus dem Jahre 1971 klingt seine Stimme zwar nicht mehr so voluminös wie 1948, aber m. E. singt er in dieser Aufnahme noch expressiver und anrührender: Keiner "sinkt" so ergreifend "matt" nieder und ist so berührend "tödlich schwer verletzt" wie er.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Keiner "sinkt" so ergreifend "matt" nieder und ist so berührend "tödlich schwer verletzt" wie er.


    Lieber William B.A.,
    wer sich im Liedgesang ein bisschen auskennt, wird über die große Lebensleistung von Dietrich Fischer-Dieskau nicht diskutieren, der Sänger war einmalig! Oft konnte ich ihn noch im Konzertsaal erleben, also nicht nur auf Schallplatte oder CD.
    Was mich in Deiner Formulierung ein klein wenig nachdenklich macht, ist das so absolut dastehende Wörtchen »keiner«.
    Weil »Das Wirtshaus« auch zu meinen bevorzugten Liedern gehört, schätze ich die Interpretation, die Matthias Goerne bietet ganz hoch ein und beim letzten Hören dieses Stückes dachte ich: das kann keiner besser singen ...
    Aber wir sollten nun um Gottes Willen in keine Diskussion einsteigen, wer es besser singt, denn Liedgesang ist kein sportlicher Wettbewerb ...

  • Lieber hart, du hast mich, ohne es zu wollen, auf einen Fehler aufmerksam gemacht, der mir unterlaufen ist, und das passiert mir eigentlich selten. In Verbindung mit dem Wörtchen "keiner" hätte ich wie weiter oben in Verbindung mit dem Wörtchen "unerreicht" unbedingt die Abkürzung "m. E." hinzufügen müssen, weil ich Wert darauf lege kenntlich zu machen, dass es sich bei den qualitativen Einordnungen von Sängerleistungen, die ich vornehme, um meine persönlichen Meinung handelt ("meines Erachtens"), deshalb nochmals "nichts für ungut".
    Da ich auch ein großer Bewunderer Matthais Goernes bin, will ich mir nachher nochmal das Wirtshaus in den drei Winterreisen, die ich von ihm habe, zu Gemüte führen. Ich weiß nur nicht, ob ich heute noch dazu komme, darüber zu schreiben:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In Verbindung mit dem Wörtchen "keiner" hätte ich wie weiter oben in Verbindung mit dem Wörtchen "unerreicht" unbedingt die Abkürzung "m. E." hinzufügen müssen, weil ich Wert darauf lege kenntlich zu machen, dass es sich bei den qualitativen Einordnungen von Sängerleistungen, die ich vornehme, um meine persönlichen Meinung handelt ("meines Erachtens"), deshalb nochmals "nichts für ungut".


    Lieber Willi, ist denn eine Wortmeldung hier im Forum nicht von vornherein eine eigene Meinung? Du sprichst doch für Dich und nicht für andere. Ich erinnere mich an eine TV-Debatte, in der die inzwischen gestorbene Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die des Wortes sehr mächtig war, dazu aufgefordert wurde, doch bitte schön deutlich zu machen, dass ihre Äußerungen nur für sie selbst gelten würden. Sie antwortete in dem Sinne, wie ich es einleitend versucht habe. Vor einiger Zeit bin ich im Forum auch schon dahingehend belehrt worden und habe mir angewöhnt - ganz gegen meine innersten Überzeugungen - wann immer es nötig ist, die leeren Floskeln des Hinweises auf die eigenen Überzeugungen, die eigenen Erfahrungen, die eigenen Sichten etc. hinzuzusetzen. Wenn es denn der Wahrheitsfindung dient. ;) Ich frage mich, woher das alles rührt? Offenkundig sind wir so auf Correctness gedrillt, dass niemand ein Missverständnis wagen will - und soll. Ich sehe darin ein Zeichen der Verarmung und der Verkümmerung unserer Debattenkultur. Also nach meiner Meinung hättest Du auf Deinen jüngsten Beitrag getrost verzichten können. Ich habe ihn auch so sehr gut verstanden, auch wenn ich die Einschätzung über Fischer-Dieskau nur im Grundsatz teile.


    Dir, lieber Willi, eine geruhsames Wochenende. Hoffentlich stürmt es nicht zu sehr.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Willi, ist denn eine Wortmeldung hier im Forum nicht von vornherein eine eigene Meinung? Du sprichst doch für Dich und nicht für andere. Ich erinnere mich an eine TV-Debatte, in der die inzwischen gestorbene Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die des Wortes sehr mächtig war, dazu aufgefordert wurde, doch bitte schön deutlich zu machen, dass ihre Äußerungen nur für sie selbst gelten würden. Sie antwortete in dem Sinne, wie ich es einleitend versucht habe. Vor einiger Zeit bin ich im Forum auch schon dahingehend belehrt worden und habe mir angewöhnt - ganz gegen meine innersten Überzeugungen - wann immer es nötig ist, die leeren Floskeln des Hinweises auf die eigenen Überzeugungen, die eigenen Erfahrungen, die eigenen Sichten etc. hinzuzusetzen.

    Lieber Rüdiger,


    da hast Du völlig Recht! Da denke ich genauso wie Frau Hamm-Brücher! Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann bin ich davon überzeugt. Ich muss das nicht relativieren und quasi als Hypothese setzen. Das halte ich für überflüssig - meine Überzeugung ist nicht hypothetisch sondern eben meine Überzeugung. Wenn jemand eine andere Überzeugung hat, dann soll er seine dagegen setzen. Es gibt natürlich den Fall, wenn verschiedene Leute ihre Meinung zur selben Sache äußern, weil sie danach gefragt werden. Dann passt man sich dem selbstverständlich an, indem man in der direkten Entgegnung den Satz beginnt mit "Ich finde, dass..." "Ich meine aber, dass....". Denn wenn dem vorausgegangen ist, dass Andere eine andere Meinung als man selbst schon geäußert haben, worauf ich gezielt reagiere, dann wäre es unhöflich, das mit einer apodiktischen Formulierung zu übergehen, weil man das so missverstehen könnte, als ob man selbst keine andere Meinung zulassen würde. Im Falle von Willi hat er ausschließlich über seine Erlebnisse berichtet und es gab schlicht keine andere geäußerte Meinung, auf die er hätte reagieren müssen - und da ist eine solche Relativierung also überflüssig. Denn dann wiederum sähe eine Relativierung so aus, als müsse man Angst haben, seine Überzeugung zu äußern, was wiederum falsch ist. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Danke, lieber Holger, Deine schöne Antwort bestärkt mich sehr und macht meinen Tag. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent