Händel: Cembalo/Klavierwerke

  • von JR weiter oben zweimal kurz erwähnt, aber ohne Bild und m.E. zu stiefmütterlich behandelt:



    Es sind zwar nur einige ausgewählte Suiten, aber sie sind gut ausgewählt und mit einem guten Instrument (Klavier) gut interpretiert.


    Bei DEM Preis für Gebrauchtware bei amazon kann ich nur eine klare Empfehlung aussprechen.

  • Ich bevorzuge hier inzwischen eigentlich sehr deutlich das Cembalo. Aus ähnlichen Gründen wie im Englische-Suiten-Thread angeführt; es gibt bei Händel noch mehr Arpeggio-Präludien, die auf dem Cembalo weit besser wirken, ebenso die Figuralvariationen und Chaconne/Passcaglia-Sätze.
    Vielleicht (aber wohl nicht demnächst) werde ich mir irgendwann nochmal die hochgelobten neueren Klavier-Einspielungen von Schirmer und Smirnova (Suiten von 1720, ECM).
    Jarrett finde ich etwas nüchtern bis langweilig, aber zumindest der Klang ist erheblich besser als bei Richter/Gavrilov. Seine Auswahl ist ziemlich originell; so beginnt sein Recital mit den beiden kleinen Suiten für die Prinzession Louisa (HWV 447 + 452) , dann folgt eine aus der 1733-Sammlung (und zwar die zweite B-Dur, nicht die mit dem Thema der Brahms-Variationen), dann vier aus der ersten Sammlung, bezeichnenderweise ohne die beliebten "Harmonious Blacksmith" oder Nr. 3 d-moll und Nr. 7 g-moll.


    Ich habe mir inzwischen noch Borgstedes preiswerte Box zugelegt. Gefällt mir auch ziemlich gut, ohne dass ich direkte A-B-Vergleiche wie jemand oben gemacht hätte. Es wird einiges an Verzierungen eingefügt. Der Klang ist eher weich-distant, nicht so direkt wie zB die Pinnock-CD. Die CDs sind nicht besonders voll und es fehlt die "uninteressante" 2. Chaconne HWV 442, dafür gibt es eine Bearbeitung/Fantasie über eine Arie aus Rinaldo. Die finde ich allerdings auch eher überflüssig, da hätte man eher noch ein paar kleinere Stücke oder die beiden kurzen Suiten für die Prinzessinnen (HWV 447 + 452) hinzufügen können. Für den Preis kann man wohl nicht meckern.
    Dann aufgrund einer Diskussion in einem englischsprachigen Forum Gould. Diese CD hatte ich vor Jahren mal bei einem Bekannten gehört und fand den Cembalo-Klang (Gould auf einem "modernen" Cembalo) so grauenvoll, dass ich diese Aufnahme nie weiter in Erwägung gezogen habe. So schlimm ist es beim Wiederhören doch nicht und Gould macht einige originelle und witzige Sachen, aber empfehlen würde ich die nur bedingt. Die in der Gould-Edition zugegebenen zwei Stücke aus dem WTK, die Gould anscheinend beim kanadischen Rundfunk einspielte, klingen noch viel scheußlicher. Man sollte die zuerst hören, dann klingt der Händel o.k. Interessanterweise bestanden Pläne, beide Suitensammlungen auf dem Klavier aufzunehmen; zu der einzelnen Cembalo-CD kam es nur, weil Gould Flügel beschädigt worden war... Die Einspielung wurde dann aber wohl so durchwachsen rezipiert, dass keine weiteren Folgen, egal ob auf Klavier oder Cembalo mehr nachkamen.



    Dann einige CDs aus der ominösen "Gesamtaufnahme" mit Kraus auf den Instrumenten des Nürnberger Museums. Laut Beiheften soll die Einspielung tatsächlich aus den 1990ern stammen (die oben angesprochene Platte aus den 1970ern ist wohl eine andere mit Kraus), genauere Informationen finden sich allerdings nicht. Wenn das stimmt, ist die Dokumentation eine ziemliche Zumutung. Über die Cembali gibt es einiges im Beiheft, sogar farbige Bilder. Aber es wurden alle möglichen, oft dubiosen Stücke eingespielt, die nur mit "Aylesford-Sammlung" "Nägeli" usw., also irgendwelchen Uraltausgaben (Chrysanders?) benannt werden und weder mit HHA noch mit HWV-Nummern. Dazu kommen auf mindestens einer CD auch noch Fehler der Track-Bezeichnungen. Einige Stücke konnte ich mit etwas Mühe (mit Hilfe von youtube oder anderen Aufnahmen) identifizieren; ich stelle das evtl. bei Gelegenheit mal ein.
    Kraus ist ziemlich trocken, sehr direkt (daher bei manchen Instrumenten Nebengeräusche) und transparent aufgenommen, rhythmisch verglichen mit jüngeren Interpreten sehr rigide und nicht allzu verzierungsfreudig. Ich habe allerdings nur eine CD mit den letzten 3 1733 Suiten, also kaum welche der bekanntesten Stücke. Es sind bei den kleineren Stücken einige hörenswerte dabei, wie sie auch als "Füller" bei Rampe oder Dantone auftauchen, aber unbedingt brauchen tut man das m.E. nicht.


    Ich habe auch noch mal im Beiheft zu der oben gezeigten Rampe-CD sowie in dem von Rampe edierten Buch "Händel und seine Zeit" nachgelesen. Mir war bisher nicht klar, wie früh die meisten dieser Cembalowerke komponiert wurden. Die 8 großen Suiten wurden zwar 1720 redigiert, basieren aber teilweise auf älteren Kompositionen (der Rest wurde wohl in Cannons ca. 1717-18 geschrieben). So vermutet Rampe die 2. Suite in der italienische Zeit 1707-10, es handele sich dabei überdies um die erste publizierte viersätzige "Sonate" für ein Tasteninstrument (sie sticht mit dieser kirchensonatenähnlichen Form unter allen anderen heraus) und auch für Stücke aus den anderen Suiten gibt es teils Vorformen aus der Hamburger Zeit. So enthält Rampes CD eine Frühfassung der "Blacksmith"-Variationen aus der E-Dur-Suite in G-Dur.
    Die Stücke der späteren Sammlung(en), die vermutlich ohne Mitwirkung Händels publiziert wurde, stammen vermutlich alle aus der Hamburger Zeit, einiges vielleicht sogar noch aus Halle, erst recht gilt das für die meisten weiteren kaum je eingespielten Stücke und Suiten. In Hamburg hatte der junge Händel eine Reihe von Klavierschülern, vermutlich wurden viele der Werke für diese Zwecke komponiert.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Obwohl die HÄNDEL-Suiten natürlich für Cembao komponiert wurden, und ich grundsätzlich dafür bin, daß man ein Werk auch auf dem dafür vorgesehenen Instrument spielt, hat u. a. auch die russische Pianistin SOPHIE SVIRSKY durch ihre stilvolle Interpretation der Chaconne mit Variationen aus der 2. Suite - Band II , mit herrlich glasklarem, perlenden Spiel mit wenig legato-Einsatz aufgezeigt, daß auch eine Wiedergabe dieser absolut meisterhaften Kompositionen, die wohl in erster Linie für den Unterricht und für höfische und gesellschftliche Zusamenkünfte entstanden, gewiß auch auf dem modernen Flügel eine Daseinsberechtigung hat, und man sich sehr wohl auch dafür erwärmen kann. Ich hätte mir nur gewünscht, daß SOPHIE SVIRSKY auf dem amerikanisichen Label "Monitor Records" sämtliche HÄNDEL-Suiten aufgenommen hätte. So ist sie auf dieser LP "nur" noch mit J. S. BACH's Chromatische Fantasie und Fuge, MOZART's Fantasie c-moll KV 396 und als Ersteinspielung mit der von ihr "ausgegrabenen" PESCETTI Sonata Nr. 4 c-moll zu hören, ebenfalls in höchst beeindruckenden, sorgfältig ausgearbeiteten, sehr individuellen Wiedergaben. Leider ist diese alte Aufnahme wohl bis dato noch nicht auf CD erschienen.


    SOPHIE SVIRSKY , eine russiche Pianistin allerersten Ranges, die leider wohl überwiegend nur in Frankreich und in den USA einem größeren Musikliebhaberkreis bekannt wurde, wurde in St. Petersburg geboren, studierte am "Imperial Conservatory" bei ANNETTE ESIPOV und erhielt ihr Diplom mit der gleichen Auszeichnung wie ihr Sudienkollege SERGE PROKOFIEFF. In Paris wurde man schon auf ihr Spiel aufmerksam als sie noch ein Kind war. Ab 1927 hielt sie sich dann ganz in Paris auf - nur im 2. Weltkrieg mußt sie für 5 Jahre nach Vienne/Rhone fliehen - und studierte noch weiter bei LAZARE LEVY. Als konzertierende Künstlerin und Professorin machte sie sich dann in der Folge einen ausgezeichneten Namen. Sie widmete sich vor allem der Interpretion der Werke von BACH, HÄNDEL, HAYDN, SCARLATTI, RAMEAU, MOZART und PESCETTI.


    Viele Grüße


    wok

  • Ich habe Händel auf Klavier nur von Perahia und die Aufnahme gefällt mir überhaupt nicht. Die Händel Suiten gehören ihrer stark perkussiven Passagen wegen für mich unbedingt auf das Cembalo. Die Aufnahmen Goulds finde ich absolut faszinierend, aber ich liebe auch seine (unvollständige) Orgelaufnahme der Kunst der Fuge. Diese hat ja auch ganz über Kritik einstecken müssen.

  • Ich habe sie zweimal auf Cembalo (Alan Cuckston und Isolde Ahlgrimm) und finde beides nach kurzer Zeit ziemlich anstrengend. Cembalo gibt ein gutes BC in einem Orchester, als Solo-Instrument ist es zumindest für meine Ohren nicht geschaffen.

  • Es ist mir unverständlich, warum ein Gitarrenfreund den Klang des Cembalos nicht mag. Hast Du mal eine gut klingende Aufnahme angehört? :D
    Die Aufnahme der 8 großen Suiten von Laura Alvini ist komplett auf youtube anzuhören (ich setze keinen direkten link, denn das ist anscheinend eine Raubkopie von den CDs, kann mir nicht vorstellen, dass das o.k. ist)
    "http://www.youtube.com/watch?v=pcv0dBzQ5QY


    Goulds klingt relativ "mild" und er nutzt mehrmals auch ein anderes Register (oder was immer genau das ist). Es klingt halt nur ziemlich verschieden von einem historischen (oder nachgebauten) Instrument.

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  • Ich habe sie zweimal auf Cembalo (Alan Cuckston und Isolde Ahlgrimm) und finde beides nach kurzer Zeit ziemlich anstrengend. Cembalo gibt ein gutes BC in einem Orchester, als Solo-Instrument ist es zumindest für meine Ohren nicht geschaffen.


    Vielleicht drehst Du die Anlage zu laut auf? Warst Du einmal in einem Konzert, in dem ein Cembalo gespielt hat?

  • Mein Tipp: wenn Dir der Klang des Cembalos eh nicht wichtig ist, kauf Dir die Gould-Aufnahme (kostet nur ein paar Euro) der Suiten 1-4!


    gekauft, war mir bisher schlicht entgangen!
    Unverzeihliche Unterlassungssünde für einen Gouldianer!

  • Lieber Johannes,


    ich könnte doch genauso argumentieren, daß es mir unverständlich ist, warum ein Cembalofreund den Klang der Gitarre nicht mag.


    Eine Gitarre hat keine Schärfe, ein Cembalo hat gleich mehrfach Schärfe (es verhält sich zu einer Gitarre wie ein Chili-Taco zu einer Mehlspeise) und so ein Taco kann ich auch nur sehr in Maßen genießen.



    Lieber KSM,


    ja, ich habe schon Cembali in Konzerten vernommen, ich glaube nicht, daß ich zu laut höre - aber ich werde mir die Ahlgrimm-Version mal bewußt leise anhören.

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  • gerade die Version mit Laura Alvini gehört - sie ist tatsächlich besser als andere, das Cembalo ist längst nicht so spitz und scharf.


    Die Musik ist transparent, die Strukturen durchhörbar, allein, die rechte Begeisterung will im Vergleich zu Jarretts Version nicht aufkommen - das Piano perlt, es singt, es jubiliert, es swingt - ich freue mich auf Gould!

  • Der Händel-Gould ist gerade eingetroffen und liegt auf dem Teller -


    nu ja, Gould auf dem Cembalo ist schon ein wenig gewöhnungsbedürftig, und das Cembalo hört sich kein bißchen besser an als die anderen Vertreter der Gattung. Zumal Gould zum Teil auch sehr eigenartig "registriert".


    So wird der erste Satz der Suite Nr. 2 (Adagio) oder auch die Air aus Suite 13 mit einer Einstellung gespielt, die dem Cembalo jede Schärfe nimmt, da hört es sich dann an wie Stahlsaiten, die auf ein Waschbrett gespannt sind und dort auch noch bedämpft sind.


    Die Struktur der Musik wird wie üblich von Gould sehr gut herausgearbeitet und einige Sätze werden es trotz Cembalo in meine Hit - und Playlist schaffen (z. B. Fuga aus Suite 2 und Fuga aus Suite 3, die mit Goulds Gebrumm im Hintergrund noch gewinnen).


    Anscheinend ist das Instrument mindestens zweimanualig, da in den wirklich interessanten Variatio aus der Suite 3 sowohl scharf als auch stumpf gleichzeitig gespielt wird - ein durchaus reizvoller Kontrast.


    Also lohnenswerter Kauf, Dank an Felix.



    P.S.: Dem Booklet ist zu entnehmen, daß es sich bei der Einspielung quasi um einen Notbehelf handelt, weil Goulds Flügel einen Transportunfall erlitten hatte und dies die einzige Scheibe ist, die er mit einem Cembalo eingespielt hat (anscheinend hat es ihm aber so gut gefallen, daß er weitere Cembalo-Einspielungen erwogen hat, zum Glück hat er sich dann aber doch für den Flügel entschieden)

  • Die Struktur der Musik wird wie üblich von Gould sehr gut herausgearbeitet und einige Sätze werden es trotz Cembalo in meine Hit - und Playlist schaffen (z. B. Fuga aus Suite 2 und Fuga aus Suite 3, die mit Goulds Gebrumm im Hintergrund noch gewinnen).


    Ja, diese Sätze sind auch meine Favoriten! Wer da keine gute Laune bekommt, ist ein "grumpy old man".....

  • Die Fugen aus den Suiten f-moll und e-moll gehören auch zu meinen Favoriten. Von den 6 Fugen, die Händel separat herausgebracht hat (HWV 605-10) sind einige noch näher am "mitteldeutschen" Stil. Die in a-moll und g-moll kommen auch als Chorbearbeitungen in Israel in Egypt vor (They loathed to drink of the river und noch eine).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Schön, daß es Dir auch gefällt.


    Mal Lust, es mit einem eher unbekannten Stück Bachs aus dem gleichen Genre (Cembalosuiten) zu vergleichen?


    Z.B. BWV 948?


    http://www.youtube.com/watch?v=3A99pUvWdug
    grauenhaft artistisch - alle Vorurteile gegenüber Cembali werden bestätigt


    http://www.youtube.com/watch?v=NdbABjTs4v8
    "aufgeklärtes" Cembalospiel (die Interpretation ist von Christiane Wuyts, auch wenn dazu bei youtube nichts gesagt wird), schon ganz gut, jedenfalls gut ertragbar
    siehe auch http://www.youtube.com/watch?v=Fj7_BF77j4M


    in Ermangelung eines "richtigen" Klaviers:
    http://www.youtube.com/watch?v=f37LC7ilCnE
    wohl die beste Interpretation, die auf youtube zu hören ist.


    Wie beurteilst Du es? Und dann im Vergleich zu Händels 433,2?

  • Von der weiter oben mehrfach lobend erwähnten Einspielung von Ragna Schirmer gibt es einen youtube-Auszug - und der klingt in der Tat unglaublich frisch.


  • Hallo,


    was bewirkt nun seelenvoll, die Interpretation, das andere Instrument, die Bearbeitung von Kempff oder insgesamt?
    Ich zweifle ob es so noch Händel ist; beim Instrumentenwechsel hätte ich den Zweifel wahrscheinlich nicht.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Eine wunderbare Musik ist die Kempff-Transkription des Menuet aus HWV 434 - auf dem Cembalo kann man das so seelenvoll nicht spielen!



    Stimmt!


    Obwohl ich die historische Aufführungspraxis und ihre Errungenschaften gerade für den Bereich der Barockmusik sehr schätze, habe ich in den letzten Jahren zunehmend eine Abneigung gegen einen Dogmatismus entwickelt, der sagt " das muss original auf dem Cembalo gespielt werden, alles andere ist abzulehnen "


    Wenn man sich so in seiner historisch korrekten Burg verbarrikadiert, dann schüttet man das Kind mit dem Bade aus, will sagen: Man nimmt die großen Vorteile, die eine geschmackvolle romantische Bearbeitung eines Barockswerks mit sich bringen kann, nicht mehr wahr.
    Diese Kempff-Bearbeitung klingt einfach wunderbar und ebenso pianistisch wunderbar ist hier die Realisierung durch die Pianistin gelungen. Es ist in der Tat eine berührende und seelenvolle Musik. Es wird wohl so sein, dass sie so nicht gemeint war, aber es ist auch natürlich und legitim, wenn ein Kunstwerk ab dem Moment der Veröffentlichung die intentionale Welt des Komponisten verlässt und ein Eigenleben entwickelt. Dadurch können die in der melodischen und harmonischen Grundanlage enthaltenen Aspekte auf eine sich unterscheidende, vielleicht sogar intensivere Weise erfahren werden, während wiederum andere Merkmale, die bei einer Aufführung der Originalkomposition auf dem Cembalo wahrgenommen werden können, in den Hintergrund treten können, wahrscheinlich dann auch zwangsläufig müssen.


    Es ist überhaupt nichts Neues, wenn Komponisten eigene oder fremde Werke ( die manchmal auch mehrere hundert Jahre älter sind) bearbeiten und auf ihre individuelle Art beleuchten.
    Wenn man sich z.B. das Thema der brahmschen Haydn-Variationen in der m.E. vorzuziehenden Erstversionen mit zwei Klavieren anhört, dann ist es zwar die originale Melodie Haydns, aber vom herrlich vollmundigen Satz her ist es schon zu 100% ein echter Brahms. Man braucht da gar nicht auf die Variationen zu warten, um in die Brahms-Klangwelt einzutauchen. Es ist immer noch Haydn, aber gesehen bzw. gehört oder gefiltert durch die musikalische Ästhetik eines Johannes Brahms. Man kann dem Brahms nur dankbar sein, dass er nicht puristisch dachte, sondern diese Noten zu Papier brachte.


    Entscheidend bei solchen Bearbeitungen ist immer die Qualität und hier vor allem, ob der Bearbeiter selbst einen exquisiten Klang-Geschmack hat, oder eben nicht. Kempff ist hier etwas richtig Gutes gelungen, und wenn es dann noch so schön gespielt wird, dann kann ich mich nur noch freuen.


    Wirklich gelungen sind z.B. auch die Bach/Busoni-Bearbeitungen "Ich ruf zu Dir" oder "Nun komm der Heiden Heiland". Die Musik ist ursprünglich für die Orgel geschrieben, und ich als Organist spiele das natürlich sehr gerne. Trotzdem gehören die Aufnahmen Brendels dieser Bach/Busoni-Bearbeitungen zu meinen liebsten Bach-Aufnahmen überhaupt, was sowohl an Busoni als auch am kongenialen Brendel liegt, der hier wirkliche Tiefe und Kantabilität zelebriert.



    Es hat nicht direkt etwas mit Händel zu tun, aber ich poste das Bach-Beispiel, um darauf aufmerksam zu machen, dass geschmackvolle Barock-Bearbeitungen in hervorragender Interpretation durchaus neben den Originalversionen ihre volle Daseinsberechtigungen haben können.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo zweiterbass,


    die Kombination aus Komposition, Interpretation und Instrument ist seelenvoll, auf dem Cembalo klingt es nun mal "technischer". Ich kann dem nur wenig abgewinnen:


    , ab 8:55 - Es war ein Geniestreich, aus dem granitenen Klangblock des Originals ein solches Stück herauszumeißeln.


    Aber natürlich gibt es auch in der Klavierversion schlechtere Interpretationen, ich habe recht intensiv vergleichsgehört, bevor ich für die ausgewählten Interpretation entschieden habe.


    Der Beurteilung Glockentons ist nichts hinzuzufügen.

  • Unabhängig davon, ob moderner Flügel oder Cembalo: Es bleibt vielleicht kritisch anzumerken, dass die Kempff-Transkription in der Interpretation Khatia Buniatishvilis, so schön und geradezu elegisch sie auch vorgetragen wird, im Gegensatz zu Michael Borgstede (auf dem Cembalo) nur noch wenig mit mit einem Menuett (höfischer Tanz zumeist im 3/4-Takt) zu tun hat. Insofern ist zweiterbass Frage, ob das noch Händel sei (siehe hier), durchaus berechtigt.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Sicher ist die Frage berechtigt, ob das noch Händel ist - ich würde sagen, es ist Kempff-Händel, eine an ein anderes Stück eng angelehnte Komposition, von den Noten dem Original sehr ähnlich, von der Stimmung aber stark unterschiedlich.


    Es ist also ein im Prinzip eigenständiges Werk.

  • Aber auch Händel o. Kempff kann gut klingen. Ich weiß nicht, ob die Aufnahme HIP ist. Landowska war eine berühmte Cembalistin. Es gibt ein eigenes Landowska Cembalo (so eine Art Signaturmodell für den Gitarristen). Ob sie hier dieses Modell spielt, kann ich nicht sagen, aber diese Einspielung toppt sozusagen alles, was ich so kenne ... Wundervoll registriert, da lasse ich auch die Einspielung von Ragna Schirmer mal fallen, die auch zu meinen Favoriten gehört.


    Den Borgstede mag ich aufgrund seines Cembalos nicht wirklich .... Brrrhhh wie eine Stahlharfe


  • Das hübsche g-moll Menuett hat in der B-Dur-Suite nix verloren. Zwar entspricht das dem Text, aber mich wundert, dass Borgstede das noch so spielt. Pinnock auf DG Archiv (in den 80ern oder so) schon nicht mehr. Man darf natürlich alles. Händel und seine Zeitgenossen haben geklaut, umgearbeitet, zusammengeworfen, wie es ihnen passte. Hier (also HWV 434 bzw. die gesamte 1733 Sammlung) hat wohl zumindest teilweise der Verleger die Stücke zusammengestellt.

    Das 1720 set hatte Händel ja selbst veröffentlicht, nachdem unautorisierte Drucke seiner Tastenmusik in England erschienen waren. Die Stücke selbst stammen wohl zum Teil, zumindest in Erstfassungen noch aus Händels Hamburger Zeit, einige aus Italien, wie die berühmte 2. Suite F-Dur, vermutlich eines der ersten Werke für Cembalo, das dem Kirchensonatenschema folgt. Hat Händel anscheinend so nie wiederholt und auch bei Bach findet sich das meines Wissens nur in Bearbeitungen (etwa einer der Violinsonaten).

    Wenn man ein "Landowska-Cembalo" in besserem Klang hören, empfiehlt sich diese CD eines ihrer Schüler, Paul Wolfe (er hat mehr aufgenommen, aber wenig wurde auf CD herausgebracht)


    6182gc9heoL.jpg

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das hübsche g-moll Menuett hat in der B-Dur-Suite nix verloren. Zwar entspricht das dem Text, aber mich wundert, dass Borgstede das noch so spielt.

    Das Menuett rangiert mittlerweile unter HWV 540b und klingt auch ohne Kempff in der Version von Pöntinen eher romantisch. Der YT-Einsteller untermalt es mit Fotos aus dem Wald ...



    zu finden auf dem 4 CDs umfassenden Potpourri mit Kleindimensioniertem von Roland Pöntinen


  • Was in einer Sammlung der Cembalowerke Händels nicht fehlen darf, ist der Wettstreit, den er sich mit Scarlatti geliefert hat. Händel hat die Musik dazu komponiert und dann wurden die einzelnen Phrasen abwechselnd gespielt - erheiternd und erhellend. Anscheinend gab es bei diesem Wettstreit keinen Sieger. Auf youtube ansehen...


  • Handel-Babell, Prelude and The Overture of Rinaldo - Robin Bigwood



    ein außergewöhnliches Cembalo mit 3 Manualen, das sich zudem recht zivilisiert anhört und nicht auf der viel zu scharfen Seite unterwegs ist

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