Beethoven: Klaviersonate Nr. 8 in c-moll op. 13: "Pathetique"


  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Annie Fischer, Klavier
    AD: 1977-78
    Spielzeiten: 8:29-5:06-4:31 -- 18:06 min.;


    Auch Annie Fischer gehört mit 1:48 min. für das Grave zu den Langsameren. sie nimmt den Tempovortrag "Grave" wörtlich und spielt nicht nur langsam, sondern auch schwer und nutzt die dynamischen Vorgaben der Partitur voll aus. Das ist eine sehr überzeugende Einleitung voller dynamischer Kontraste.
    Auch setzt sie hier und im nachfolgenden allegro di molto e con brio die Sforzandi deutlich und verleiht dadurch besonders dem ersten Teil der Exposition den aufregenden Rhythmus.
    Auch im Seitenthema bleibt sie dem aufregenden Rhythmus und dem kontrastreichen dynamischen Spiel treu, spielt dabei aber leider etwas über das abschließende Decrescendo hinweg.
    Die dynamisch äußerst kontrastreiche Schlussgruppe mit ihrem dramatischen Impetus spielt sie ganz hervorragend und wiederholt natürlich die Exposition.
    Den ersten Grave-Einschub beginnt sie mit einem kraftvollen Auftaktakkord, den sie schön unvermittelt zum Piano abschattiert, ebenso wie die beiden darauffolgenden Takte, die sie mit einem berückenden Decrescendo beendet. Auch ist
    wenigstens bis hierhin, ihr klares natürliches Spiel zu loben. Sie verliert sich nicht in einem nebulösen Piano Pianissimo.
    Sie schließt eine äußerst kraftvolle Durchführung an, in der in der oberen Oktave die Halben-Oktaven das Geschehen souverän vorantreiben und an deren Ende sie stürmische Crescendi folgen lässt. Das ist schon ganz großartig musiziert!
    Nach einem mitreißenden Achtelabstieg leitet sie auf eine Reprise über, die den gleichen dramatischen Impetus hat wie die Exposition. Diesmal sind die Halben-Oktaven, nun in der Begleitung, genau so souverän vorgetragen, auch mit der gleichen dynamischen Wucht, die zu Beginn des zweiten Grave-Einschubs in einen gehörigen dynamischen Kontrast einmündet und mit einem wiederum bemerkenswerten Decrescendo endet, dem eine ebenso kurzer wie dynamsicher Allegro-Schluss folgt. - Ein herausragend musizierter Satz, wenn man von dem überspielten Decrescendo (s. o.) einmal hinwegsieht.


    Auch im Adagio cantabile besticht Annie Fischer nicht nur durch ihr klares, natürliches Spiel, sondern auch durch ihre mutige dynamische Gestaltung , in der Beethoven dem Interpreten im Thema ja völlig freie Hand gelassen hat, und so tritt in Annie Fischers Lesart besonders das strahlende Crescendo in Takt 11 hervor, das hier so wunderbar "richtig" klingt. Und auch ihr Legatospiel ist herausragend. Ihr Spiel ist purer Gesang.
    Auch das Seitenthema, mit geringer Tempomodifizierung, ist wunderbar musiziert. In der Themenweiderholung setzt Beethoven dann dynamische Bezeichnungen, die Annie Fischer aber korrekt umsetzt und so einen organischen Bogen weiter fortsetzt. Auch in der Molleintrübung ab Takt 37, die wieder mit einer leichten Tempomodifizierung verbunden ist, bereitet sie wunderbar den kontrastreichen und kräftigen "Sonnenaufgang" vor, herrlich gespielt!
    Nach der Überleitung folgt neuerlich das Thema ab Takt 51, ab Takt 59 dann oktaviert. Auch hier steigert sie dynamisch in Takt 61- wunderbar! Auch hier spielt sie das Thema wunderbar verhalten zu Ende, sicherlich auf Spitzenniveau! Temporal sind die beiden Sätzen etwa zeitgleich mit denen von Paul Badura-Skoda, auch interpretatorisch.


    Auch das Rondo Allegro lässt sie wunderbar fließen, dynamisch herrlich bewegt. Auch die Portato-Sequenz unterbricht in keinster Weise den musikalischen Fluss und kulminiert am Ende der ersten Themenaufstellung wunderbar im Fortissimo in Takt 58.
    Auch das lyrische Seitenthema in Dur ist zu Herzen gehend schön und auch im Crescendo hell und klar. In den wiegenden Sechzehnteln ab Takt 107 und den anschließenden Achteltriolen ab Takt 113 wird der dramatische Impetus organisch verstärkt und kulminiert wiederum im Fortissimo, hier in Takt 117. Nach einer neuerlichen Themenwiederholung spielt sie das Dolcethema ab Takt 134 herrlich klar in der hohen Oktave. Diesmal erwischt sie auch das Calando rechtzeitig und tritt wieder in das Thema ein.
    Sie mündet dann in eine dynamisch hochstehende Coda ein, die sie höchst kontrastreich zu Ende spielt.


    Eine große Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Maria Grinberg, Klavier
    AD: 1966
    Spielzeiten: 8:12-4:46-4:08 -- 17:06 min.;


    Maria Grinberg spielt das Grave in mittlerem Tempo (1:37), schneller als Annie Fischer, aber immer noch wesentlich langsamer als z. B. Wilhelm Backhaus (1:09). Dynamisch nutzt sie den ganzen Spielraum der Partitur aus und geht in den letzten beiden Takten nach unten (pp) noch darüber hinaus.
    Im Hauptsatz der Exposition spielt sie sehr schöne Steigerungen im ersten Teil und machtvolle Sforzandi im zweiten Teil zwischen Takt 31 und 42.
    Das Seitenthema spielt sie in aller Ruhe und gleichmäßigen Bewegung und schafft so einen unaufgeregten Vierer-Rhythmus.
    In der Schlussgruppe legt sie wieder temporal wie dynamisch zu und spielt prächtige Steigerungen, gipfelnd in der letzten zum Ende der Exposition hin. Sie wiederholt selbstverständlich die Exposition.
    Im ersten Graveeinschub beginnt sie mit einem machtvollen Auftaktakkord und fährt dann etwas zurück. Sie beendet diesen Einschub mit einem atemberaubenden Decrescendo.
    In der Durchführung nimmt sie den Schwung und den dramatischen Impetus von der Exposition wieder auf, lässt die Halben-Oktaven souverän laufen und spielt wieder mitreißende Crescendi.
    Nach dem überführenden Achtelabstieg spielt sie die Reprise ebenso schwungvoll und dynamisch wie die Exposition und die Durchführung.
    Im Seitenthema nimmt sie auch, wie schon in der Exposition, das Decrescendo aufmerksam wahr. Danach lässt sie mit derselben Verve die Schlussgruppe folgen, endend in einer abermals faszinierenden Fortissimo-Steigerung zum zweiten Graveeinschub hin., der ja dynamisch so ganz anders ist als der erste, bis auf die kurze Steigerung in Takt 297, quasi hingehaucht.
    Dem lässt sie ein machtvolles abschließendes kurzes Brio folgen.
    Ein großer Satz!


    Das Adagio spielt sie auch etwas schneller, wie Backhaus, aber ebenso zart und faszinierend wie er. Sie wählt im ersten Teil den Weg der geringen dynamischen Bewegung, ganz im Gegensatz zu Annie Fischer, aber genauso überzeugend.
    Auch das Seitenthema nach der Themenwiederholung nimmt sie wieder sehr behutsam und lässt demzufolge einen etwas "stilleren" "Sonnenaufgang" folgen. Im anschließenden Seitenthema bleibt sie im tiefen dynamischen Bereich und steigert in Takt 50 nur moderat.
    Erst in der Oktavierung ab Takt 59 erhebt das Klavier etwas seine Stimme, um jedoch gleich darauf wieder ins pp zurückzusinken, nicht ohne jedoch die kurzen Akzente in Takt 67 und 69 sowie die drei abschließenden moderaten Rinforzandi zu beachten.
    Großartig!


    Im Rondo ist sie zeitgleich mit Backhaus, schneller als Annie Fischer. Sie trägt den Satz geschmeidig und dynamisch sehr kontrastreich, ein großer Kontrast zum voraufgegangenen Adagio.
    Das Dolce-Seitenthema ist ganz entzückend und läuft ebenso zielgerichtet wie bei Annie Fischer auf das Fortissimo in Takt 58 zu. Auch die Wiederholung des Hauptthemas hält sie in diesem dynamischen Vorwärtsdrang.
    Mit dem kontrastiert das Dur-Seitenthema, erst zart und entspannt, dann, ab Takt 98 in die Achtel wechselnd mit ansteigender dynamischer und temporaler Bewegung in die virtuose Sechzehntel-Überleitung mündend, wiederum im Fortissimo kulminierend.
    In der zweiten Themenwiederholung führt sie das Dolcethema in der ganz hohen Oktav wunderbar zart und glänzend aus, und in der dann folgenden Portato-Sequenz leitet sie berückend zu dem ganz moderat ausgeführten Calando über. Eine letzte Themenwiederholung führt in die Coda, die sie mit dynamisch sehr kontrastreichem und temporal vorwärts drängenden furiosen Spiel im Fortissimo beendet.
    Eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    schön, dass Du Dich den großen alten Damen des Klaviers widmest. :) Ich hoffe, ich finde bald mal weniger turbulente Tage, wo ich einiges nachhören kann (von Grinberg habe ich allerdings nur ganz wenig, von Annie Fischer nichts und von Elly Ney auch nur einige ausgewählte Aufnahmen). :hello:


    Einen schönen Feiertag wünscht mit herzlichen Grüßen
    Holger

  • Liebr Holger,


    es scheint, als ob die "großen alten Damen" voller Überraschungsn stecken, dass sie ausgerechnet in der "Pathétique" so zuschlagen. Ich werde mich heute noch einer anderen Dame in einer anderen Sonate widmen, die mich bisher auch positiv überrascht hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Anne Oland, Klavier
    AD: 1995
    Spielzeiten: 9:18-5:19-4:28 -- 19:05 min.;


    Anne Oland spielt das Grave noch etwas langsamer als die zum Vergleich herangezogenen Paul Badura-Skoda und Michael Korstick. Sie füllt die Satzbezeichnung "Grave" im besten Sinne aus, sehr langsam und schwer. Ihr Klavierton ist natürlich und klar, Diskant und Bass ausgewogen. Auch dynamisch und rhythmisch ist das ausgezeichnet. Sie braucht für das Grave 1.48 min.
    Das Allegro die molto e con brio spielt sie temporal im richtigen Verhältnis zum Grave.
    Das staccato-geprägte Seitenthema spielt sie präzise entsprechend der Partitur und vergisst auch am Ende das Decrescendo nicht.
    Die rhythmisch wieder ganz anders strukturierte Schlussgruppe mit wechselnden Staccati und Legato-Abschnitte spielt sie ebenfalls sehr abwechslungsreich und auch dynamisch sehr kontrastreich mit einer veritablen Schlusssteigerung.
    Natürlich wiederholt sie die Exposition.
    Den ersten Grave-Einschub spielt sie mit kraftvollem Auftakt-ff-Akkord und nimmt die folgenden Fortepiani etwas zurück und lässt ein schönes, klares Decrescendo folgen.
    Die kurze Durchführung spielt sie dynamisch sehr hochstehend, wobei sie die Begleitung sehr präsent spielt. In einem kristallklar herunter perlenden Achtelabstieg leitet sie zur Reprise über.
    Diese spielt sie entsprechend der Exposition mit den Änderungen der musikalischen Formen. Sie beendet diese wiederum mit einer großartigen Steigerung und einem massiven ff-Akkord vor dem zweiten Grave-Einschub, den sie in den ersten beiden Takten auch sehr zart spielt, im dritten mit einem kräftigen Crescendo und am Ende mit einem wunderbaren Decrescendo. Sie beendet den Satz mit einer kraftvollen Allegro molto e con brio-Steigerung.


    Das Adagio cantabile spielt sie etwas langsamer als Paul Badura-Skoda, aber erheblich schneller als Michael Korstick. Das Tempo ist dennoch in Ordnung, und auch sie bringt ihr Instrument sehr schön zum Singen. Im wunderbaren Seitenthema strukturiert sie sehr klug durch moderate dynamische Bewegungen und schließt in Takt 24 und 26 schöne Crescendi an. Auch die Bewegung in Takt 27/28 ist grandios, auch in dem klaren, einfachen Klang.
    Auch den in moll beginnenden Mittelteil ab Takt 37 spielt sie großartig und spielt die "Sonnenaufgangssteigeurng", wie ich diese stelle immer nenne, klar und strahlend- toll! Auch im folgenden Abschnitt spielt sie die Staccato-Triolen in der Begleitung sehr akzentuiert, ohne den Fluss zu unterbrechen, bevor sie das zu Herzen gehende Hauptthema erneut in klarem leisen Gesang aufblühen und in der Oktavierung mit zusätzlichem Glanz bestreuen lässt.


    Im finalen Rondo ist Anne Oland etwas langsamer als Paul Badura Skoda und als Michael Korstick. Dennoch ist es ein fließendes entspanntes Spiel, dynamisch abwechslungsreich und rhythmisch wie immer ohne Fehl und Tadel. Auch das Dolcethema gestalte sie alert und schwungvoll fließend und d in der zweiten Hälfte mit rhythmisch prägnanten Staccato- und Nonlegato-Spiel, auf einer kraftvollen Fermate in Takt 61 auf der Eins endend. Die Wiederholung des Hauptthemas erfolgt mit geringfügig veränderten musikalischen Figuren, Den Dur-Einschub ab Takt 78 spielt sie wiederum ganz entspannt und abgeklärt, in der Oktavierung ganz luzide.
    Sehr schön grummeln auch bei ihr die Sechzehntel in der tiefen Oktav, die sie bis zum Fortissimo in Takt 117 crescendiert, hin zur zweiten, reprisenförmigen Themenwiederholung. Wiederum geht diese einher mit einer Änderung der musikalischen Figuren. Im nächsten Abschnitt ab Takt 154 mit Auftakt gemahnen wieder die Unisono-Portatoakkorde wie schon in Takt 44 mit Auftakt an das Adagio. Am Ende dieser Episode, vor der letzten Themenwiederholung, spielt sie das Calando als veritable Schlüsselstelle (Takt 167 bis 170).
    Die letzte Themenwiederholung führt sie dann auch geradewegs in die äußerst schwungvolle und dynamisch hochstehende Coda, die sie auch ganz mitreißend gestaltet.


    Eine weitere große Aufnahme von Anne Oland!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Alexey Gorlatch, Klavier
    AD: Juli 2013
    Spielzeiten: 8:30-5:30-4:25 -- 18:25 min.;


    Im Kopfsatz ist Alexey Gorlatch nur scheinbar unwesentlich schneller als Rudolf Serkin in dessen Einspielung von 1945, meiner derzeitigen Referenz, die ich zum Vergleich herangezogen habe.
    Dynamisch betont er zwar auch die Takte 5 und 6 als Fortissimo, aber längst nicht so aggressiv, als wenn es kein Morgen mehr gäbe. Das ist alles beherrscht und runder als bei Serkin. Spätestens am Ende des Grave wissen wir, dass er doch wesentlich langsamer ist als Serkin, denn er braucht allein für das Grave 20 Sekunden mehr als Serkin (1:42 -- 1:22), ein untrügliches Zeichen dafür, dass er, wie die meisten anderen, das Grave nicht in die Wiederholung der Exposition mit einschließt, was Serkin aber tut.
    In der Exposition entwickelt Gorlatch aber dennoch einen ordentlichen dramatischen Impetus und sein Spiel ist getragen von großer Klarheit und Ausgeglichenheit zwischen Melodie und Begleitung und einer natürlichen Virtuosität, die aber nur Mittel zum Zweck ist. Das Seitenthema spielt er sehr melodiös und gleichzeitig von einem faszinierenden Rhythmus im Hin und Her zwischen Staccato und Legato. In der Schlussgruppe lässt er es in den Achteln in der rechten und linken Hand herrlich fließen, steigert nicht so extrem wie Serkin oder Schnabel, sondern bleibt auch da beherrscht, Vielleicht fehlt auch dadurch ein Quäntchen an Ausdruck. Wie schon vermutet, wiederholt auch er die Exposition, aber nicht das Grave. In der Wiederholung meine ich eine Steigerung der dynamischen Intensität in der Schlusssteigerung festzustellen, vor allem aber im abschließenden, direkt an den Graveeinschub anschließenden Fortissimoakkord. Nachzutragen wäre noch, dass auch er die drei Auftaktakkorde zu Beginn des Grave und im Graveeinschub mit einer gehörigen Portion schärfe versieht. Er schließt den Graveeinschub mit einem großartigen Decrescendo ab.
    Die kurze Durchführung gestaltet er dynamisch auf gewohnt hohem Niveau, wobei spieltechnisch gesehen seine Oktavwechsel in der oberen Oktave ab Takt 149 bis 163 grandios sind, desgleichen, als sie ab Takt 167 in die untere Oktave wechseln. Auch die jeweiligen Crescendi in der oberen Oktave gestaltet er kraftvoll und mit wirklichem Brio. Herrlich auch seine überleitenden absteigenden Achtel zur Reprise hin.
    Diese spielt er dynamisch sehr hochstehend und mit konstant kraftvollem Vorwärtsdrang. Hier ist der Abschluss der Steigerung zum zweiten Graveeinschub hin von äußerster Kraftentfaltung gekennzeichnet- grandios!
    Der dynamische Kontrast zwischen der ff-Fermate und dem ersten p-Akkord des Graveeinschubs ist gewaltig. Die Pausen zwischen den Gravemotiven nutzt er voll aus und spielt auch in Takt 297 ein kraftvolles Crescendo und ein wunderbares Decrescendo. Er schließt mit einem wiederum dynamisch äußerst überzeugenden Coda-Allegro ab, wenngleich er auch da nicht ganz an Serkin und Schnabel heranreicht, aber Serkin war zum Zeitpunkt der Aufnahme 42 Jahre alt, Schnabel 51 und Gorlatch 25. Das sagt ja auch Einiges aus. Wer weiß, wie Gorlatch die Sonate in 15 Jahren spielt?


    Alexej Gorlatch spielt das Thema in einem bezaubernden Pianissimo in einer herrlich intimen Tongebung und ist temporal bei Rudolf Serkin. Dynamisch aber ist dies durchaus ein eminenter Kontrast, da ja die Dynamik hier frei wählbar ist und ein Pianissimo sich doch sehr von einem Mezzoforte abhebt. Und beide Lesarten machen Sinn, das ist ja das Geniale an dieser Komposition. Außerdem gestaltet Gorlatch auf diese Weise ja auch einen erheblichen Kontrast zum voraufgegangenen Kopfsatz.
    Im zweiten Thema ab Takt 17 mit Auftakt behält er anfangs diese zarte Lautstärke bei, spielt aber bei alledem so klar, dass die Struktur auch in der Begleitung deutlich hervortritt. Die Crescendi in der zweiten Hälfte des Themas ab Takt 24 und 26 sowie das An- und Abschwellen in Takt 27 und 28 lässt er jedoch deutlich hervortreten. In Takt 29 treten wir mit dem Thema wieder in die träumerische Lesart Gorlatchs ein. Ich liebe diese Lesart heiß und innig, und er ist ja nicht der Einzige, der das so spielt.
    In seiner dynamischen Kurve nähert er sich hier Artur Schnabel an, auch in seinen ganz leichten, strukturierenden dynamischen Bewegungen. Vielleicht spielt Barenboim in diesem Thema die Achtelfigur im Takt 31 noch etwas "überirdischer", Barenboim, der ja bei seiner Aufnahme ungefähr im gleichen Alter war wie Gorlatch.
    Im Mittelteil ab Takt 37 mit Auftakt steigert Gorlatch m. E. noch mal seine Ausdruckstiefe, indem er auch einen sehr berührenden, strahlend schönen "Sonnenaufgang" spielt, beginnend mit dem Crescendo ab Takt 41. Auch rhythmisch ist dieser Abschnitt grandios gespielt, vor allem in den Staccatofiguren von Takt 48 bis 50 in der ganz tiefen Oktave.
    Beim dritten Mal spielt er das Thema genauso ergreifend wie bei den ersten beiden Malen, aber Beethoven selbst bringt ja durch die bei ihm so beliebte Oktavierung noch eine Steigerung, die Gorlatch herausragend spielt. Und in Takt 69 mit Auftakt erfolgt ja noch einmal eine solch überirdische Oktavierung, hier des Taktes 67 mit Auftakt, den wir auch als Beginn der Coda ansehen können, kurz, aber von großer Schönheit und musikalischer Tiefe, hier wiederum grandios gespielt.


    Im Schlussrondo ist Gorlatch doch deutlich langsamer als Serkin, Schnabel und Solomon, aber auch etwas schneller als Barenboim. Dynamisch spielt er das Thema durchaus kontrastreich und rhythmisch verbindet er wieder die kurzen und längeren Legatobögen ganz natürlich mit den Staccatoabschnitten und hält alles in einem natürlich Fluss, an dessen Schnittstellen er kraftvolle sfp- oder fp-Akkorde oder Fermaten setzt. Das Ende dieses ersten Abschnittes markiert er mit einem kraftvollen Crescendo, auf dessen höchstem Punkt er einen veritablen Fortissimo-Akkord setzt.
    Die Themenwiederholung führt er bis zu einem kraftvollen Crescendo, das nach einem Fortetakt zu dem friedvollen Dureinschub führt. Dieses Thema spielt er in ganz entspanntem Gesang auf seiner Reise durch die Oktaven in ein langes Crescendo ab Takt 101, das dann in die rollenden tiefen Sechzehntelfiguren überleitet, die er auch wunderbar crescendiert und wieder zum dem Fortissimozielpunkt in Takt 117 führt, adäquat zum Takt 58 und in der gleichen Abwärtsfigur und Fermate endend.
    In der zweiten Themenwiederholung spielt er wiederdas Dolce in zu Herzen gehenden Weise und lässt den Gesang in wunderbaren Legatobögen erklingen. Anschließend gestaltet er auch die Portatotakte ab Takt 154 mit Auftakt (wie zuvor 44 mit Auftakt) ebenfalls wunderbar singend undspielt auch das m. E. als Schlüsselstelle zu betrachtende Calando ab Takt 167 bis 170 in geradezu vorbildlicher Weise.
    Die nochmalige kurze Themenwiederholung führt er über das kurze und knackige Crescendo in die höchst dynamische Coda ab Takt 182. Auch diese spielt er ganz begeisternd und höchst kontrastreich, vor allem den kontrastreichen originellen Schluss nach der letzten donnernden Fermate in Takt 202.


    Eine große Aufnahme, mit der aber noch nicht das letzte Wort gesprochen haben mag, sondern die durchaus noch zu weiteren Steigerungen reizt! Sie hat aber jetzt schon so viel zu mir gesagt, dass ich so viel schreiben musste.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:



    P.S. Dieses war meine 555. Rezension, und da das eine Schnapszahl ist, werde ich mir nun einen kleinen Single Malt genehmigen, einen 12jährigen Aberlour.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • P.S. Dieses war meine 555. Rezension, und da das eine Schnapszahl ist, werde ich mir nun einen kleinen Single Malt genehmigen, einen 12jährigen Aberlour.

    Den hast du Dir wahrlich verdient (nach dieser offenbar vielversprechenden Enmtdeckung), lieber Willi! Prost! Natrave! (Mein bulgarischer Schnaps ist leider alle - Nachschub ist aber in Sicht!) :D :thumbsup: :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    als ich vor knapp drei Jahren einen zweiwöchigen Kururlaub in Pomorje, im Grand Hotel Pomorje, nahe Burgas verbrachte, kam ich durch eine Weinprobe in einem Weingut in der Näher von Pomorje auf die Spur eines 15 Jahre alten bulgarischen Brandys, den ich mir kaufte und mit nach Hause nahm. Er schmeckte köstlich, und ich habe lange etwas davon gehabt. Ich habe mir damals vorgenommen, da noch einmal hinzufahren, nicht wegen des Brandys, sondern weil es da noch so viel zu entdecken gibt, was man beim ersten Mal alles nicht wahrnhehmen konnte.


    Liebe Grüße


    Willi :)
    "
    P.S. In einem bezaubernden Straßencafé in der Fußgängerzone von Burgas kostete ein zwölfjähriger Single Malt der Marke "Macallan nur ein Sechstel dessen, was ich in unserem Hotel dafür bezahlen musste.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Alexej Gorlatch finde ich auch sehr spannend! Bei ihm hat die Musik einen natürlichen Fluss, nichts wirkt gewollt oder irgendwie besonders. Und trotzdem finde ich sein Spiel aufregend und mitreißend! Es gibt von ihm noch eine interessante Aufnahme von den Ruhr-Klavierfestspielen, die lag mal Fono Forum bei. Dort spielt er unter anderem die Brahms Balladen op. 10 und die Chopin Etüden op. 10! Das sind auch ganz starke Aufnahmen!



    (leider wird der Link zu amazon hier nicht angezeigt)


    Viele Grüße,


    Christian

  • Lieber Christian,


    vielen Dank für den Tipp, der aber in meinem Fall nicht nötig ist, da ich als jahrzehntelanger Abonnent von Fono Forum diese CD auch in meinem Bestand habe:



    Kleiner Tipp: Wenn du bei MP3-Aufnahmen das Cover mit der rechten Maustaste anklickst, darauf Kopieren mit der linken Maustaste anklickst, kannst du z. B. hier in diesem Dialogfeld mit links auf das Eingabezeichen klicken, dann mit links Einfügen anklicken, die Eingabe markieren und im oberen Menue "Bild einfügen" anklicken.
    Schon erscheint das Cover.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Eine große Aufnahme, mit der aber noch nicht das letzte Wort gesprochen haben mag, sondern die durchaus noch zu weiteren Steigerungen reizt! Dieses war meine 555. Rezension, und da das eine Schnapszahl ist, werde ich mir nun einen kleinen Single Malt genehmigen, einen 12jährigen Aberlour.


    Da will ich auch zu gratulieren, das ist wirklich ein exzellenter Tropfen! Ich habe diese Aufnahme ebenfalls, deshalb werde ich mir deine Rezension dazulegen zum immerwährenden Vergleich. Und da sind ja noch zwei Beethoven-Sonaten... Der Pianist ist noch jung genug, da ist hoffentlich noch einiges zu erwarten, vielleicht auch mit Orchester.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Lieber Willi,


    Pomorie - da fahre ich demnächst wieder durch! :) Unser Bus von Sofia fährt nämlich über Burgas und Pomorie die Küste entlang nach Nessebar (Slanchev Bryag ist der Sonnenstrand):



    Zuletzt war ich doch sehr erschreckt - ich kenne diesen Küstenabschnitt ja nun seit 20 Jahren! Sie haben in den letzten Jahren die komplette Küste regelrecht zugebaut, da gibt es zwischendrin keinen freien Fleck mehr. Deswegen sind wir gerne in Nessebar mit seiner schönen Altstadt (UNESCO-Weltkulturerbe), da gibt es ein "Zentrum" und nicht diese endlosen Touristenstraßen. Und auf die großen Hotels am Sonnestrand sind wir sowieso nicht angewiesen - wir wohnen in einem vorzüglichen kleinen privaten Hotel in Nessebar für 15 Euro pro Nacht (mit Klimaanlage, Aufzug und allem drum und dran). In Bulgarien kann man wirklich sehr preiswert und gut Urlaub machen. Ganz früher konnte man auch nur den Charterflug allein ohne Hotel nach Burgas buchen (mit den alten Tupulevs der Balkan Air). Das geht heute nicht mehr - nur noch mit WIZZ per Linienflug nach Sofia und dann mit dem Bus.



    Nessebar, Hafen


    Der Pomorie-Schnaps und Brandy ist hervorragend - wir haben ihn oft getrunken und verschenkt! :D


    P.S. Ich hoffe, Beethoven und die Pathetique können diesen kleinen alkoholischen Exkurs vertragen und werden nicht gleich besoffen! :thumbsup:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    Auch ich war während des Aufenthaltes in Nessebar. Ich werde dir einige Fotos aus Nessebar zumailen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD:1982
    Spielzeiten:8:45-5:41-4:19 --- 18:45 min.;


    Rudolf Buchbinder ist in seiner frühen Aufnahme temporal dicht bei den zum Vergleich herangezogenen Paul Badura-Skoda und Solomon Cutner. Auch in den einzelnen Sätzen unterscheiden sich die Aufnahmen nicht gravierend voneinander.
    Buchbinder nimmt das Grave schwer und breit, also durchaus genau der Partitur entsprechend, wobei sich auch bei ihm in Takt 3 die Klangfarbe ins Grelle, Scharfe hinein verändert, und in Takt 5 und 6 fährt auch er in die leise Aufwärtsbewegung der Sechzehnteloktaven mit machtvollen Fortissimo-Akkorden dazwischen. All das bleibt schwer lastend, auch das drängende Crescendo ab Takt 8 und rutscht dann in Takt 10 subito in die Tiefe.
    Die Exposition treibt er rasch und schwungvoll voran, auch rhythmisch setzt er die Staccato- und non-Legato-Passagen klar voneinander ab. Auch das schwierige Seitenthema mit den vielen Staccati, Vorschlagsnoten und Trillern spielt er glänzend und schließt dann eine ebenfalls bravourös bewältigte rhythmisch wiederum sehr kontrastreiche Schlussgruppe an mit einem bemerkenswerten Schlusscrescendo. Dann wiederholt er natürlich die Exposition.
    Das Grave Tempo I mit dem dreimaligen Fortepiano schließt er mit einem in der lastenden Schwere von Takt zu Takt langsam abnehmender Intensität an und schließt diese vier Takte mit einem faszinierenden kurzen Decrescendo.
    Die Durchführung mit ihren wirbelnden Halben- und Achteloktaven im Staccato, Legato und Nonlegato spielt Buchbinder m. E. grandios, auch in den dynamischen Verläufen einschließlich der fabelhaften überführenden Achtelabwärtsbewegung Takt 187 bis 194 zum Beginn der Reprise hin.
    In der Reprise mit ihren musikalisch leicht geänderten Figuren nimmt er das Tempo und Brio der Exposition wieder auf, desgleichen im Seitenthema und in der Schlussgruppe, die er in einem kraftvollen vierzehntaktigen Crescendo bis zum Fortissimo hin auslaufen lässt.
    Auch die Coda mit dem neuerlichen Gravethema, diesmal in Lage und Dynamik verändert und einem letztmaligen kraftvollen Thema spielt Buchbinder, wie ich finde, absolut partiturgetreu und endet in einem veritablen Fortissimo-Viertel-Akkord.
    Ein grandios gespielter Kopfsatz!


    Im überirdischen Adagio ist Buchbinder deutlich langsamer als sein Landsmann Badura-Skoda, aber auch etwas schneller als Solomon. In seiner späteren Aufnahme ist Buchbinder noch etwas schneller.
    Das Thema, Teil A, Takt 1 bis 8, und die durch zwei Sechzehnteltriolen verbundene Oktavierung nach oben spielt er atemberaubend im pp und schließt dann den Teil B, leicht melancholisch beginnend, mit aufmerksam gestalteter dynamischer Bewegung, die dann ab Takt 29 in die Themenwiederholung mündet.
    Die Themenwiederholung beginnt er dann nach Partiturvorschrift im Piano und wechselt dann ab Takt 37 in der leicht verdunkelten Sechzehntel-Triolen-Begleitung ins Pianissimo. Wunderbar spielt auch er die von mir sogenannte Sonnenaufgangssequenz, das Crescendo ab Takt 41 mit dem Höhepunkt in Takt 43, dann durch ein wunderbares Decrescendo von Takt 45 an in eine neuerliche Themenwiederholung mit begleitenden Sechzehnteltriolen und zusätzlichen typischen Beethovenschen Humors geführt.
    Dieser Satz strahlt in Buchbinders frühen Lesart eine wunderbare Ruhe aus, auch in der nach oben oktavierten Wiederholung des Themas ab Takt 59 mit Auftakt. Auch die originelle kurze Coda behält das extrem hohe Niveau dieses himmlischen Adagios bei.


    Im Finale ist er etwa temproal gleich mit Badura-Skoda, aber signifikant langsamer als Solomon und auch langsamer als er selbst in seiner zweiten Einspielung. Wie sich das Ganze im Vergleich zu seiner dritten Einspielung, die erst kürzlich live bei den Salzburger Festspielen auf DVD und Blu Ray festgehalten wurde, wird sich später herausstellen.


    Das Rondo lässt er anmutig fließen, auch hier Staccato und Legato organisch miteinander verquickend und die hier großenteils überschaubaren dynamischen Kontraste sorgfältig nachzeichnend.
    Im Dolce (ab Takt 25 ertönt anmutiger heller Gesang. Erst am Ende dieses Themenkomplexes erklimmt die Dynamik die Fortissimo-Höhe, die Buchbinder dann aber auch prägnant vorstellt.
    Hieran schließt sich der zweiten Themenauftritt an (Takt 61ff.)
    Er hat im Gefolge das anrührende Dur-Seitenthema ab Takt 79 mit Auftakt, das kurz mehrfach verändert auftritt, bevor es in Takt 107 in eine kurze Episode mit sozusagen neuen Schwung holenden Sechzehntelfiguren geht, die zum dritten Themenauftritt ab Takt 120 führen. Diese kurzen Abschnitt erfüllt Buchbinder mit schier berstender Energie.
    Auch im dritten Themenauftritt zeichnet Buchbinder die geänderten musikalischen Figuren sorgfältig nach, in denen er wiederum die drei verschiedenen rhythmischen Strukturen Staccato, Legato und Non-Legato im Fluss miteinander verknüpft.
    Am Ende dieses dritten Ritornells spielt Buchbinder ein aufmerksames Calando, das in das kurze vierte Ritornell führt, dieses wiederum ab Takt 182 in die relativ lange und hochdynamische Coda.
    Hier darf Buchbinder auch noch einmal seine virtuosen Fähigkeiten unter Beweis stellen.


    Eine grandiose Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique"
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD: 5. 6. 1947, Leningrad live, First Release
    Spielzeiten: 7:13-4:40-4:11 --- 16:04 min.;


    In dieser seiner ersten Pathétique-Aufnahme ist Richter noch etwas schneller als in der Moskauer Aufnahme vom 4. 6. 1959, die ich ja schon besprochen habe.
    Hier ist noch stärker als in der 12 Jahre später entstandenen Aufnahme seine Auffassung zu spüren, das "Grave" in erster Linie als bedeutungsschwer zu nehmen und weniger als temporal schwer. Und so eröffnet er denn auch das Grave mit einem dunkel dräuenden machtvoll ff-Akkord in Takt 1, nimmt aber die nächsten beiden fp-Akkord zurück, hier schon in einem Vorwärtsdrang befindlich und in den nächsten beiden ff-Stellen Takt 5 und 6 wieder dramatisch zuzuschlagen. Auch das Crescendo ab Takt 8 hat diesen unwiderstehlichen Zug, bevor es dann in Takt 10 ins Bodenlose stürzt.
    Im Allegro di molto e con brio bricht sich der unwiderstehliche Vorwärtsdrang dann endgültig Bahn.
    Das rhythmisch sehr eigenwillige Seitenthema mit den vielen Pralltrillern spielt er schon 1947 sehr leicht, dabei die Sforzandi mit den Vorschlagsachteln nicht überbetonend.
    Auch die Schlussgruppe spielt er mit unnachahmlichem Zug. Selbstverständlich wiederholt er die Exposition.
    Den Tempo I-Einschub am Ende der Exposition hin zur Durchführung spielt er dynamisch genauso wie zu Beginn des Grave und beendet ihn mit einem unglaublichen Decrescendo.
    In der nicht einmal halb so langen Durchführung gegenüber der Exposition entwickelt er gleichwohl einen dynamisch-temporalen Furor von hohen Graden und schließt mit einer brillanten Achtelkette ab- mein Gott!
    Die in der musikalischen Figuration etwas veränderte Reprise spielt er mit dem gleichen Brio wie die Exposition , sowohl Hauptsatz als auch Seitensatz und Schlussgruppe, wobei er auch hier die dynamischen Bewegungen genauestens nachzeichnet, einschließlich des berückenden Decrescendos ab Takt 245, um nur eine zu nennen.
    Die Pause zu Beginn des neuerlichen Graveeinschubs in Takt 295 dehnt er lang aus, auch die Pausen zwischen den einzelnen Gravetakten und endet mit einem atemberaubenden Decrescendo in Takt 298, dem er ein letztes kurzes Briofeuerwerk zum Abschluss folgen lässt.


    Im Adagio ist er eine gute dreiviertel Minute schneller als 1959, spielt es aber dennoch mit einer ungeheuren Ruhe und musikalischen Tiefe. Auch hier spielt er dynamische Bewegungen, obwohl Beethoven das hier offen gelassen hat (erst in Takt 24 folgt die erste dynamische Vorschrift (cresc.)
    Durch diese dynamischen Bewegungen strukturiert er dieses zweiteilige Thema (Takt 1-16, Takt 17 bis 28) sehr schön. Dann spielt er selbstverständlich auch die beiden Crescendi in Takt 24 und 26 sowie den dynamischen Impuls in Takt 27/28.
    Dann spielt er mit der gleichen Tiefe die Themenwiederholung, in der ab Takt 37 nochmal ein Wechsel vollzogen wird. Diese von mir sogenannte Sonnenaufgangssequenz mit den Sechzehnteltriolen in der Begleitung spielt Richter schon 1947 zum Niederknien, auch die Überleitung zum neuerlich überirdischen Thema hin. ab Takt 44 mit den ansteigenden Sechzehntelfiguren in der Begleitung.
    Dieses Thema mit(ab Takt 51) samt Oktavierung nach oben (ab Takt 59 mit Auftakt) spielt Richter noch einmal mit allen ihm zu Gebote stehenden pianistischen Mitteln, und die scheinen schier grenzenlos zu sein.
    Welch ein grandios gespielter Satz!


    Im finalen Rondo ist Richter ebenfalls rascher als 12 Jahre später. Hier nimmt er den temporal-dynamischen Impetus aus dem berauschenden Kopfsatz wieder auf. Hier spielt er virtuos auf, ohne virtuos sein zu wollen. Das ergibt sich einfach aus den Noten, die er samt den häufigen Rhythmuswechseln einfach fließen lässt. Fast wie ein Perpetuum mobile setzt sich der musikalische Fluss einfach immer weiter fort, wobei er die dynamischen Höhepunkte, z. B. am Ende des ersten Ritornells, Takt 58 bis 60, durchaus voll auskostet. Wunderbar bettet er auch das Dur-Thema ab Takt 78, eine Art Atempause, in den immerwährenden Fluss organisch ein, bevor sich auch dieses verflüchtigt nach dem Forteabstieg (Takt 103ff) und in einem Sechzehntelwirbel (ab Takt 107), der in einem neuerlich ff-Abstieg von hohen Graden zum nächsten Ritornell führt.
    In diesem spielt er die Achtel in der ganz hohen Oktave atemberaubend. Auch die Portatopassage ab Takt 154 mit Auftakt, sozusagen die nächste Atempause, spielt er überragend, mit einem überragend gespielten Calando in das letzte Ritornell einleitend, das nur ganz kurz bis zur Coda langt.
    Diese stellt eigentlich in jeder Hinsicht, dynamisch temporal und rhythmisch, den Höhepunkt des Finales dar- welch ein überragend gespielter Satz!


    Ich denke, da darf ich ihn bedenkenlos auf eine Stufe mit meinen anderen Referenzen, Badura-Skoda, Gulda und Solomon stellen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Annie Fischer spielt einen so gar nicht romantisierenden, klassischen Beethoven, kernig, unsentimental und hochseriös. Die „Grave“-Einleitung klingt wuchtig und schwergewichtig. Was mir hier allerdings fehlt, ist eine dynamische Entwicklung, welche einen großen Bogen spannt und damit auch in dieser Einleitung so etwas wie Sukzessivität entstehen lässt. So bleibt es doch bei ein wenig statisch gegenübergestellten Blöcken. Hauptthema und Seitenthema wirken ein bisschen nüchtern, es fehlt dem Seitenthema z.B. doch ein gewisser Reiz und verspielter Bewegungsdrang. Das ist sicher alles hochseriös, für meinen Geschmack aber auch ein wenig bieder. Sehr gut dagegen gefällt mir die Durchführung, wie sie da das Piano zum Ausdruck von Verhaltenheit werden lässt, zur beseelten Zurücknahme, um dann ungemein klug ohne jede Effekthascherei die Kontraste zu schärfen. Der langsame Satz klingt doch sehr herb. Da will sie um keinen Preis irgendeine selbstverliebte Melodieseligkeit aufkommen lassen. Letztlich vermisst man aber bei der Betonung der rhythmischen Figuren doch den tieferen Sinn, der sich dadurch einfach nicht erschließen will. Das Finale ist mit neusachlicher Nüchternheit vorgetragen eher männlich herb, weder verspielt noch dramatisch.


    Das Fazit: Ein untadelig seriöser Beethoven, der mich aber auch nicht unbedingt vom Stuhl reißt. Allerdings zeigt ihre sehr souveräne und kluge Spielanlage, dass sie in Sachen Beethoven durchaus zu Großem fähig sein kann. Ich bin mal gespannt, was ich noch von ihr hören werde und lasse mich – hoffentlich positiv – überraschen. (Die erste Überraschung war weniger positiv, nämlich op. 109.)



    Radu Lupu zeigt gleich zu Beginn, wie er das „Pathetische“ bei Beethoven sieht: als eine Musik für das Gemüt, die sich in das Innere versenkt. In der Einleitung werden entsprechend keine gravitätischen Akkord-Granitsäulen in den Flügel gestemmt; der Ton ist eher verhalten, nachdenklich, das Tempo breit. Dadurch wird die Einleitung zu einer Art Vorspiel und Ouvertüre, die mit ihrer besinnlichen Ruhe nicht in das dramatisch-bewegte Geschehen der Exposition eingebunden ist, das bei Lupu dann die Lebendigkeit und Kontraste entfaltet, welche die Einleitung verinnerlichend abgemildert hatte. Puristen könnten hier anmerken, dass Lupu damit Beethovens Dynamik-Dramaturgie umkehrt, wonach die Grave-Einleitung schärfer kontrastiert als die Exposition. Die Durchführung zelebriert entsprechend die Momente der Grave-Einleitung breit und exzessiv lyrisch. Auch den lyrischen langsamen Satz nimmt Lupu mit dieser Breite und Besinnlichkeit. Das Finale ist wiederum lebhaft, allerdings manchmal etwas weniger von Beethovens sukzessivisch-zupackender Kontrastierung geprägt als romantisch-epischer Schilderung. Beeindruckend ist diese Interpretation aber allemal. Das ist ein ungemein persönlicher Beethoven, höchst musikalisch und sensibel ausgestaltet. Das lässt in jedem Moment aufhorchen, indem man denkt: So hast du die „Pathétique“ noch nie gehört. Ich finde das großartig!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    schönen Dank für deinen Beitrag,


    ich bin mal gespannt, wie mir Annie Fischers erste, 20 Jahre zuvor entstandene Aufnahme gefällt, die zweite habe ich ja hier schon besprochen, und sie gefiel mir ausnehmend gut.
    Bei Radu Lupu habe ih in er Tat zu den Puristen gehört. Ich muss mich einfach enger an die Partitur klammern, weil mir die praktische Erfahrung mit dem Instrument fehlt, und da kann ich nicht die milde philosophische Sicht walten lassen, die du hier offenbart hast :D. Jeder muss mit den Kräften umgehen, die ihm zur Verfügung stehen.
    Übrigens werde ich mir heute Abend erst den zweiten Teil des Sokolov-Recital mit op. 90 und op. 111 vornehmen, solange es noch einigermaßen frisch ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich muss mich einfach enger an die Partitur klammern, weil mir die praktische Erfahrung mit dem Instrument fehlt, und da kann ich nicht die milde philosophische Sicht walten lassen, die du hier offenbart hast :D.

    Beides hat etwas für sich, lieber Willi und gehört zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille! :D Viel Spaß noch in Kiel, wo einst meine Tante wohnte (und heute noch Verwandten von mir). Hoffentlich hast Du das richtige Wetter für die Förde! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Vielen Dank für deine Wünsche, lieber Holger, aber ich bin schon seit gestern Nachmittag wieder zu Hause, wo ich schon den ersten Teil meines Berichtes über mozart geschrieben habe, da das Wlan im ICE nicht funktionierte.
    Das Wetter war übrigens Dienstag, am Konzertabend, typisch nordfriesisch, aber dafür hatte ich ja meinen Schirm dabei, und im Konzertsal waren wir nach den ersten Sokolov-takten eh schon auf Betriebstemperatur.
    Gestern morgen konnte ich dann bei freundlichem milden Wetter zu Fuß zum Bahnhof gehen. Wenn Sokolov nächstes Jahr wieder beim SHMF auftritt, wovon ich ausgehe, dann werde ich hoffentlich die Gelegenheit haben, ihn innerhalb Vierteljahresfrist dreimal mit dem gleichen Programm zu erleben, in Münster, Köln und Kiel (oder Lübeck).


    Hast du übrigens Karten für Münster und für Burgsteinfurt (Gelber) erhalten?


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Hast du übrigens Karten für münster und für Burgsteinfurt (Gelber) erhalten?

    Nee, lieber Willi. :D Wegen Burgsteinfurt wollte ich Dich schon anmailen, weil ich nämlich wegen meines Jobs da nicht anrufen kann. Ich hätte gleich sagen sollen, dass Du mir netter Weise eine Karte mit reservierst, wenn das geht. Für Münster gibt es die auch schon? Übers Wochenende bin ich zum Malen in Düsseldorf, hoffentlich ist das Wetter etwas besser als der Wetterbericht... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Willi, lieber Holger,


    ich habe mir gerade die Nr. 8 c-moll in Lupus Interpretation angehört.
    Meine Reaktion: Großartig - wohl noch nie habe ich bei dieser Musik derart fasziniert zugehört, d.h. erst war ich nur fasziniert, dann mitgerissen und im Inneren betroffen. Es geht tief, ziemlich tief......wieso habe ich das vorher noch nie derart tief eindringend empfunden?
    So soll es doch eigentlich sein, oder?
    Lupu führt den Hörer an den Kern der künstlerischen Aussage des Werkes heran, ganz ähnlich wie ein großartiger Geschichtenerzähler ( Hans Paetsch...), ja, man wird geradezu in diese "Geschichte" hineingesogen.


    Pianistisch ist es von der Beherrschung und der Klanglichkeit her Weltspitze - bei Bedarf dramatisch, aber nicht knallig, lyrisch doch nicht sentimental, immer singend ( ach, wie sehr ich das doch bei so manchem vermisse), richtiges Verhältnis von Melodie und Begleitung.....und noch viel mehr. Ich könnte fachlich gesehen viel dazu sagen, möchte aber eher beim Eindruck bleiben, den die Musik hinterließ und nicht ins Analytische gehen.
    Hier spielt jemand, der der Musik dient, der sie nicht zur eitlen Selbstdarstellung missbraucht. Wer da spielt, wird beim Hören immer unwichtiger, doch die Botschaft, die Beethoven - inspiriert doch was auch immer- vermitteln wollte, die dominiert zunehmend.
    Was ist die Botschaft? Schwer zu sagen, denn die Musik drückt ja zum Glück das Unsagbare aus. Etwas Heiteres ist es auf jeden Fall nicht. Es geht um etwas Tragisches, Bedrückendes, aber auch um andere Zustände, durchaus auch um eine noble, idealisierte Innigkeit, Wärme und Liebe.


    Für mich rangiert diese Einspielung ganz oben, d.h. bei Brendel, Lewis und Gulda ( der sehr anders und .....nun ja.....auch manchmal etwas knallig, dafür immer auch straight und maskulin spielt). Ich tendiere dazu, mit dieser Aufnahme einen neuen Favoriten für das Werk gefunden zu haben. Was für ein reifer und großer Pianist war Lupu doch schon damals, als die Einspielung entstand!


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lienber Glockenton,


    dein Beitrag hat mich gelehrt, dass ich Lupu doch noch mal ohne Partitur hören muss, schließlich muss ich ja irgendwann meine Unsicherheit ablegen, und die Pathetique habe ich ja nun schon 52 Mal besprochen, sonst kann ich ja bald mein Realfoto mit diesem Avatar vertauschen:


    :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi!


    Ich habe tatsächlich diese Aufnahme nur gehört und nicht die Noten mitgelesen. Ab einem gewissen Stadium braucht man diese m.E. auch nicht mehr mitlesen, wenn man nämlich das Stück und die Noten so gut vom Analytischen her kennt, dass es besser ist, das einmal alles zu vergessen.
    Man kann sich auch zu sehr in all den Einzelheiten und der Frage " wieso macht er das jetzt so, da steht doch...." aufhalten, dass einem das Ohr verstellt wird. In einer Anfangsphase, vielleicht auch in der Mitte der Auseinandersetzung mit dem Werk sind die Noten sehr hilfreich und dienen oftmals als Ohrenöffner. Später jedoch kann die visuelle Komponente einem auch etwas den "akustischen Blick" verstellen. Musik ist ja in erster Linie eine Sache, die man auditiv aufnimmt.... ;)


    Von daher: ja, wenn Du Zeit und Lust hast, kann ich Dir, der Du Dich schon so intensiv mit der Sonate beschäftigt hast, das Anhören der Lupu-Aufnahme ohne Noten sehr empfehlen.


    Alles Gute Dir :)


    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)