Aus Beitrag 176:
"Auch zum Beurteilen von Musikstücken und Interpretationen durch den Hörer gehört eine gewisse Kompetenz und Erfahrung. Hörer, die da nicht über genügend Ressourcen verfügen, können sich im Urteil auch schon einmal krass irren und eine schlechte Interpretation für eine gute halten."
Eine doch recht arrogante Haltung. Konsequent eingehalten führte sie das Konzept eine Klassikforums, in dem auch ausdrücklich Laien schreiben sollen, ad absurdum.
Aber offenbar können sich auch Experten kraß irren. Igor Strawinsky wird man vermutlich für einen solchen halten dürfen. Sein Verdikt der Konzerte Vivaldis, der Komponist habe 500mal das gleiche Konzert geschrieben, dürfte ein krasses Fehlurteil sein (wenn es eventuell auch als Bonmot gemeint war). Und es gibt beliebig viele andere Beispiele, bei denen sich ausgewiesene Experten völlig uneins waren.
Die Rückzugsposition könnte sein: Laien irren öfter kraß, was allerdings erstmal zu "beweisen" wäre. Zudem müßte man "irren" operationalisieren.
Erneut aus Beitrag 176:
"Das kommt dann heraus, wenn diese Urteile schlecht oder nicht gut begründet sind. Und dazu hilft eben auch der Notentext." (Anscheinend eine Operationalisierung)
Schluß: Die Kenntnis des Notentexts schützt vor krassen Fehlurteilen.
Derselbe Autor schreibt in einem anderen Thread (was ist eigentlich werk-"treu" oder werk-"gerecht", Beitrag 1):
"...Chopins Klaviersonate mit dem Trauermarsch op. 35. Die Darstellungen des Trauermarsches zweier der berühmtesten Interpretationen, nämlich Sergei Rachmaninow und Artur Rubinstein, sind praktisch Bearbeitungen, die sich ausdrücklich nicht an den Notentext halten. Beide Aufnahmen finden aber immer wieder Nachahmer – bis in die junge und jüngste Pianistengeneration hinein. Darf man deshalb also Rachmaninow und Rubinstein und allen anderen Pianisten, die ihnen gefolgt sind, vorwerfen, ihre Interpretationen seien nicht „werkgerecht“? Die Antwort lautet natürlich: Nein!"
Scheint mir ein recht krasser Widerspruch zum obigen Schluß zu sein.
Wenn also Rubinstein nicht irrt, wenn er vom Notentext abweicht, warum irren dann andere, wenn sie das gleiche tun?
Und andersrum: wenn Askenasy sich an den Notentext hält, und es kommt was ziemlich Langweiliges raus: hat er geirrt?
Insgesamt erscheint mir die gesamte, in Beitrag 176 dargestellte Position sowohl anmaßend als auch widersprüchlich.