Herbert Blomstedt - Der unterschätzte Dirigent

  • Nach allem, was man auch so liest, gehört Blomstedt zu den Dirigenten, die mit dem Alter immer besser, aber nicht immer langsamer geworden sind. :D

  • Ich habe Herbert Blomstedt nie als unterschätzt empfunden. Mittlerweile ist er durch Gnade des Alters einer der letzten großen Maestri auf dem Pult. Mir ist keine unterdurchschnittlich gelungene Aufnahme Blomstedts bekannt. Das Meiste, das ich kenne, ist vielmehr sehr gut, nicht wenig herausragend. Gerade sein Bruckner ist m. E. außergewöhnlich gelungen, aber auch etwa sein Sibelius. Ich beziehe mich durchaus nicht nur auf die Studioaufnahmen, sondern auch etliche Live-Mitschnitte (Sibelius' Zweite mit seinem ehemaligen Orchester, dem San Francisco Symphony, von Februar 2015 z. B.). Er dürfte zudem der einzige Dirigent sein, der sowohl der Staatskapelle Dresden als auch dem Gewandhausorchester Leipzig vorstand.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit den New Yorker Philharmonikern erlebte ich 2012 einen auswendig dirigierenden Herbert Blomstedt in einer großartigen Aufführung von Mozarts Jeunehomme-Konzert und Tschaikowskys Fünfter.
    Federnder Gang, energiegeladen bis unter die Haarspitzen, hochkonzentriert vom ersten bis zum letzten Takt: Er war der Chef in der Avery Fisher Hall, was Respekt und große Begeisterung bei den 2700 Zuhörern auslöste. :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Dass Musik jung hält, haben nicht nur unsere beiden heutigen 90jährigen Mattiwilda Dobbs und Nicolai Gedda bewiesen, sondern auch Herbert Blomstedt, zu dessen Geburtstag ich dies ausgesucht habe:




    Herbert Blomstedt feiert heute seinen 88. Geburtstag.


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Zehn Jahre ist dieser Thread bereits alt. Schon damals war Herbert Blomstedt mit 79 Jahren betagt, doch nach wie vor steht er auch mit 89 vital wie wenige auf dem Podium und wird in wenigen Tagen zu einer weiteren Japan-Tournee aufbrechen.


    Nun gibt es, wie ich meine, hocherfreuliche Neuigkeiten, seine bereits sehr umfangreiche Diskographie betreffend:


    "Mit dem Gewandhausorchester Leipzig, das er von 1998 bis 2005 leitete, arbeitet Blomstedt gerade an einem kompletten Beethoven-Zyklus, der im kommenden Jahr, wenn sein 90. Geburtstag ansteht, auf CD erscheinen soll. 1975 bis 1980 hatte er die gesamten Sinfonien bereits einmal mit seinem anderen sächsischen Orchester eingespielt: der Staatskapelle Dresden, wo Blomstedt, noch zu DDR-Zeiten, von 1975 bis 1985 Chefdirigent war. Man darf gespannt sein, wie sich seine Beethoven-Sicht verändert hat." (Neue Zürcher Zeitung)


    Nach seinem spektakulären Leipziger Bruckner-Zyklus, der vor wenigen Jahren vollendet wurde, steht nun also ein weiteres Großprojekt aus dem Standardrepertoire der klassischen Musik an. Ich freue mich bereits und bin sehr gespannt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wie sich Blomstedts "Beethoven-Sicht verändert hat" ist bekannt: Er lässt inzwischen in deutscher Orchesteraufstellung spielen und bevorzugt schnellere Tempi als zu Zeiten der Staatskapelle Dresden.


    Ich kenne seine Live-Aufnahme der 4. Sinfonie mit dem SO des Bayer. Rdfs. (aus 2015, meine ich) und war über die jugendliche Frische, die er der Sinfonie zu Teil werden ließ, sehr erfreut.


    Auch mit dem NDR SO hat Blomstedt eine Beethoven Sinfonie aufgeführt. Ich habe aber peinlicher Weise nicht mehr in Erinnerung welche... :S


    Ich freue mich ebenfalls auf die Gesamtaufnahme.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Auch mit dem NDR SO hat Blomstedt eine Beethoven Sinfonie aufgeführt. Ich habe aber peinlicher Weise nicht mehr in Erinnerung welche... :S


    Ein kurzer Blick in meine "Blomstedt-Sammlung" förderte eine "Pastorale" vom 16./17. Jänner 2000 aus der Laeiszhalle in Hamburg zu Tage.


    Einen "alternativen" Beethoven-Zyklus von Blomstedt habe ich mir übrigens selbst zusammengestellt, und zwar:


    1. NHK SO, Tokio 2015
    2. Gewandhausorchester, Leipzig 2015
    3. Wiener Ph, Wien 2014
    4. Berliner Ph, Berlin 2013
    5. Gewandhausorchester, Leipzig 2003
    6. NDR SO, Hamburg 2000
    7. Gewandhausorchester, Leipzig 2015
    8. Gewandhausorchester, Leipzig 2014
    9. Gewandhausorchester, Leipzig 2015


    Vielleicht greift man für den neuen Zyklus ja zumindest teilweise auch auf einige dieser Mitschnitte zurück.


    Finde seine Beethoven-Sicht auch ganz großartig und erfrischend (zumal in dem Alter).

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    – Luís de Camões

  • Nach seinem spektakulären Leipziger Bruckner-Zyklus, der vor wenigen Jahren vollendet wurde, steht nun also ein weiteres Großprojekt aus dem Standardrepertoire der klassischen Musik an. Ich freue mich bereits und bin sehr gespannt.


    Ich hatte Blomstedt für Bruckner eigendlich gar nicht so direkt auf dem Schirm.
    Erst durch diesen Beitrag, deine begeisterten Kritiken und auch allgemein herausragende Kritiken (siehe auch bei amazon die Leserkritiken), wäre ich auf diesen recht neuen Zyklus aus Leipzig gespannt gewesen.
    Leider ist das CD/SACD-Label kein Standardlabel (querstand) und daher sind die Preise immer noch megahoch (und stehen quer) für diese Bruckner - Sinfonien - GA = derzeit 129,99€ ...
    Und das ist mir eindeutig zu teuer, zumal ich was die GA anbetrifft mich mit Karajan (DG), Solti (Decca) und Wand/Köln (RCA) eigendlich megazufrieden und TOP ausgestattet fühle. Hinzu kommen diverse Einzelaufnahmen mit den genialen Szell-Einzelaufnahmen und einige Erstfassungen mit Inbal (Teldec); den Marthe-Quark ( :D im Prinzip aus heutiger Sicht eine Zumutung !!) werde ich demnächst bei EBAY rausschmeissen ...


    ;) Wenn die "1" (bei der Kaufsumme) weg wäre, würde ich den Blomstedt-Zyklus bestellen ... aber so ... erst mal auf angemessene Preise warten.



    Querstand, 9 SACD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Mit den New Yorker Philharmonikern erlebte ich 2012 einen auswendig dirigierenden Herbert Blomstedt in einer großartigen Aufführung von Mozarts Jeunehomme-Konzert und Tschaikowskys Fünfter.
    Federnder Gang, energiegeladen bis unter die Haarspitzen, hochkonzentriert vom ersten bis zum letzten Takt: Er war der Chef in der Avery Fisher Hall, was Respekt und große Begeisterung bei den 2700 Zuhörern auslöste. :jubel:


    Lieber Siegfried,


    ich höre gerade im Moment in den Rundfunkmitschnitt dieses Konzerts. Ich kann Deine Begeisterung nun voll nachvollziehen. Es ist unfassbar, zu was Blomstedt das Orchester animiert. Ich habe die Blechbläser im Kopfsatz noch nie so virtuos gehört. Geradezu ungeheuerlich, die gehen auf volles Risiko, ohne sich eine Blöße zu geben. Das muss live wirklich ein phänomenales, unvergessliches Erlebnis gewesen sein!


    Blomstedt und Tschaikowsky klingt ja erst einmal nach einer seltsamen Kombination. Tatsächlich dirigiert er diesen Komponisten seit Jahrzehnten. In Japan führte er 2014 etwa eine Serie der drei letzten Symphonien mit dem NHK Symphony Orchestra auf. Aber auch in Deutschland spielte er Tschaikowsky, so die Fünfte in den 90er Jahren mit dem RSO Stuttgart und dem NDR Sinfonieorchester.


    Beste Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Ich habe nur eine Aufnahme aus dem Radio mit: "Das ewige Evangelium" von Janacek. Der Mann scheint alles zu können, denn hier trifft er den Janacek-Ton wie Charles Mackerras zu seinen besten Zeiten (Orchester und Solisten habe ich im Moment nicht parat).

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Für Mozart wurde Blomstedt ja auch nie so berühmt, aber zumindest die späten Symphonien hat er eingespielt.




    Hier eine Kostprobe, die noch immer etwas vernachlässigte 34. Symphonie, die doch zu den großartigsten gerechnet werden darf:



    Blomstedt dirigiert das Nationale Symphonieorchester des Dänischen Rundfunks 2010 live. Als einer der wenigen auf Nicht-Originalinstrumenten lässt er alle Wiederholungen im Finalsatz spielen.

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    – Luís de Camões

  • Auch hier möchte ich heute Herbert Blomstedt gratulieren, an den ich schon hier gedacht habe:


    Erinnerungen an verstorbene und Geburtstags-Glückwünsche an lebende Musiker


    Gleichzeitig möchte ich Alfred bitten, den Threadtitel zu ändern. Mein Vorschlag wäre: Herbert Blomstedt - der große Schwede


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Blomstedt genießt in Leipzig besondere Hochachtung. So wird er kommende Spielzeit mehrere Konzerte dirigieren, mit dem Orchester sogar auf Europatournee gehen. Meine Hochachtung und besten Wünsche begleiten ihn dabei, und die Hoffnung, auch gesund zu bleiben. Er ist ein Wunder!!


    Ich habe ihn mind. ein Dutzend mal erlebt, sogar sein Abschiedskonzert vor etwa 10 Jahren mit Bruckners 7. Sinfonie (oder war es die 8.?). Es war phantastisch, danach wurde ich zum Bruckner-Anhänger.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • 12. Symphoniekonzert


    Herbert Blomstedt Dirigent
    Sir András Schiff Klavier


    Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15
    Anton Bruckner Symphonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«

    Wenige Tage vor seinem neunzigsten Geburtstag kehrt der langjährige ehemalige Chefdirigent Herbert Blomstedt mit einem Wunschprogramm an das Pult der Sächsischen Staatskapelle zurück. Immer wieder hat sich der Maestro intensiv mit Anton Bruckners symphonischem Oeuvre auseinandergesetzt und kombiniert dessen »Romantische« mit dem ersten Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven, das Sir András Schiff brillant zu musizieren versteht.


    • 01.07.2017 11:00 Uhr Semperoper Ausverkauft
    • 02.07.2017 20:00 Uhr Semperoper Ausverkauft
    • 03.07.2017 19:00 Uhr Semperoper Ausverkauft


    Unsere Nachbarin war bei einem dieser Konzerte und berichtete mir begeistert davon.
    Gemeinsam mit ihrem Bruder, der in Dresden wohnt, haben sie seit vielen Jahren ein Konzertabo.
    Wie sie mir erzählte, war es ein großartiges umjubeltes Konzert. Blomstedt, zwar im Sitzen dirigierend, machte einen immer noch sehr vitalen Eindruck.
    Das Konzert wurde auf Großbild - Leinwand auf dem Theaterplatz übertragen und es waren auch dort sehr, sehr viele Zuschauer.


    CHRISSY


    Für Interessenten, wer diese TV - Sender empfängt, hier der heutige Sendetermin: 11. Juli 2017, ab 20.05 Uhr bei MDR Kultur und MDR Klassik

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Herbert Blomstedt dirigiert Bruckner

    19.07.2017: Bamberg, Kaiserdom | 20:00 Uhr | Symphony No 5 B-dur


    Seit 35 Jahren ist Herbert Blomstedt den Bamberger Symphonikern verbunden, an die 200 Konzerte in acht Ländern Europas und Asiens hat er mit unserem Orchester gegeben, und seit 2006 ist er unser Ehrendirigent auf Lebenszeit.


    Zu seinem 90. Geburtstag schenken wir ihm eine Tournee zu den großen Kathedralen von Bamberg, Würzburg, Passau und St. Florian mit der 5. Symphonie von Anton Bruckner, einem Komponisten, dem er sich auch durch seine bewundernswerte Spiritualität besonders verbunden fühlt.


    Die Tournee beginnt im tausendjährigen Kaiserdom zu Bamberg und schließt Konzerte beim Würzburger Mozartfest, den Europäischen Wochen Passau und beim Festival »Oberösterreichische Stiftskonzerte« in der Stiftsbasilika St. Florian bei Linz ein, in der Bruckner begraben liegt.

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Gestern Nacht kam im Bayerischen Fernsehen eine Konzertaufzeichnung aus dem Herkulessaal München mit Herbert Blomstedt und dem Sinfonieorchester des BR, offensichtlich von 2015. Gespielt wurde die Vierte von Beethoven und die Fünfte von Nielsen. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, ließ ich es halt laufen und hörte zu. Also, orchester- und spieltechnisch war das wirklich astrein, und die Musiker waren auch gut bei der Sache für Blomstedt. Die Vierte lief ab wie ein Uhrwerk, präzise, klar, sachlich, nüchtern - und irgendwann war sie dann halt zuende. Nur: mich hat das alles völlig kalt gelassen und nicht berührt oder emotional erreicht. Ich habe mich gefragt: warum dirigiert er dieses Werk? Was bedeutet es Ihm? Ich konnte das nicht heraushören. Hier wurde kein Beethovenscher Kampf hörbar, keine Innenspannung. Nein, so will ich das nicht hören.
    Die Fünfte von Nielsen habe ich mir dann nicht mehr angehört - ich war zu müde und auch ernüchtert vom Beethoven.

  • Anlässlich des Neunzigsten auch hier nochmal der Hinweis darauf, dass die oben angekündigte Box mit Blomstedts zweitem Beethoven-Zyklus vor einigen Tagen erschienen ist:



    Er dürfte damit der einzige Dirigent sein, der eine Gesamtaufnahme der neun Beethoven-Symphonien sowohl mit der Staatskapelle Dresden als auch mit dem Gewandhausorchester Leipzig vorgelegt hat, denen er übrigens beiden als Chefdirigent vorstand.

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    – Luís de Camões

  • Alle, die sich näher mit der Person Herbert Blomstedt befassen wollen, möchte ich auf die Sendung "Zur Person" am kommenden Sonntag auf SWR2 hinweisen. Zur Vorinformation ist der folgende Link sehr zu empfehlen:


    https://www.swr.de/swr2/progra…660494/1m0d6w4/index.html


    Leider werde ich die Sendung nicht hören können, weil ich mich zu dieser Zeit außerhalb des Empfangsbereichs des Senders befinde. Aber vermutlich wird die Sendung noch für einige Zeit zum Nachhören zur Verfügung stehen.


    Viele Grüße
    harry

  • Anlässlich des Neunzigsten auch hier nochmal der Hinweis darauf, dass die oben angekündigte Box mit Blomstedts zweitem Beethoven-Zyklus vor einigen Tagen erschienen ist:


    Ja, die neue GA der Beethoven-Sinfonien mit Blomstedt werde ich mir in den nächsten Monaten auch zulegen, wenn der Preis sich "normalisiert" hat. ;) Wenn man so viele GA hat, dann möchte ich jedenfalls keine 40 Euro mehr für eine GA ausgeben ...


    Willi äusserte dieser Tage sehr begeisternde Eindrücke über die zuerst gehörte Sinfonie Nr.1 aus der GA. Ich möchte dich daran erinnern, lieber Willi, dass gerade bei GA weitere Sinfonien aus den Zyklen zu ganz anderen Höreindrücken gelangen können und bei Weitem nicht immer einheitlich gut sind!
    Aber zu Blomstedt habe ich auch vertrauen, zumal er sich von seinen alten recht langsamen Tempi seiner dresdener GA verabschiedet hat (da finde ich nur die Sinfonie Nr.8 herausragend).
    Zu gegebener Zeit werde ich bestellen ...



    :!: Eines hat mich aber schon gewundert = die absolut unterschiedlichen Eindrücke von Norbert und Agon zur Blomstedt-Aufnahme der Sinfonie Nr.4:


    Also, orchester- und spieltechnisch war das wirklich astrein, und die Musiker waren auch gut bei der Sache für Blomstedt. Die Vierte lief ab wie ein Uhrwerk, präzise, klar, sachlich, nüchtern - und irgendwann war sie dann halt zuende. Nur: mich hat das alles völlig kalt gelassen und nicht berührt oder emotional erreicht. Ich habe mich gefragt: warum dirigiert er dieses Werk? Was bedeutet es Ihm? Ich konnte das nicht heraushören. Hier wurde kein Beethovenscher Kampf hörbar, keine Innenspannung. Nein, so will ich das nicht hören.
    Die Fünfte von Nielsen habe ich mir dann nicht mehr angehört - ich war zu müde und auch ernüchtert vom Beethoven.


    - aus "Heute gehört":
    Bisheriges Highlight war die so häufig unterschätzte 4. Sinfonie, die im März 2017 aufgenommen wurde und trotzdem am vitalsten wirkt. Das Werk ist von einer Heiterkeit umgeben, die nur ein weiser Dirigent vermitteln kann. Spielfreude pur. :thumbsup:


    8o Da bin ich jetzt schon drauf gespannt, wie die Höreindrücke bei mir sein werden.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine sehr amüsante Anekdote berichtet Herbert Blomstedt im Gratis-Heft "Concerti" Juli/August 2017 im Rahmen eines CD-Hörens seiner alten Aufnahmen:


    "Ich erinnere mich an ein für mich schockierendes Erlebnis: Ich war Student in Stockholm und besuchte ein Konzert der Wiener Philharmoniker mit Furtwängler. Damals stand Bruckners Achte Sinfonie auf dem Programm. Nach dem Konzert habe ich vor dem Bühneneingang gewartet, um mir von Furtwängler ein Autogramm geben zu lassen. Als er dann rauskam, hörte ich Ihn nur brüllen: 'Nie wieder spiele ich Bruckner in Stockholm!' Der Grund dafür war, dass das Publikum keinerlei Begeisterung für dieses Werk zeigte. Damals habe ich mir gesagt: Das ändere ich! Ich habe dann auch gar nicht wenig Bruckner in Schweden gespielt. Es hat aber wenig genützt."


    :D

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  • Das ist ja wirklich köstlich. Darauf geht Blomstedt auch in einem Interview mit Derek Werber für klassikinfo.de ein. Ferner gibt es da noch eine interessante Passage, die ich euch nicht vorenthalten will (es geht wiederum um Bruckners 8. Symphonie):


    "Wenn man jung ist, ist man sehr abhängig von Vorbildern. Ich habe mich orientiert an Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Arturo Toscanini, Bruno Walter, Erich Kleiber und Hans Knappertsbusch. Das waren meine Idole. Ich habe einmal in den fünfziger Jahren in Salzburg die Achte Bruckner mit Knappertsbusch gehört. Das vergesse ich nie. Er hat sich kaum bewegt. Sehr aufschlussreich, was er machte, auch was er nicht machte. Ein Unikum, er wusste, wie man mit einem Orchester umgeht."


    Außerdem spricht er über Wilhelm Stenhammar und dessen 2. Symphonie, die er für sein bedeutendstes Werk hält und die er jetzt auch aufgenommen habe. Na hoffentlich erscheint bald diese Einspielung!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Den Titel habe ich geklaut, wenn auch mit geändertem Geschlecht... vielleicht kennt das ja jemand mit einem Ohr für deutschen Pop abseits des Mainstreams. Ist auch schon 'ne Weile her.
    Zu Blomstedt fiel mir eben genau das ein, deswegen melde ich mich hier zu Wort: er hat ein inneres Leuchten, ein Licht, das nichts mit hohlem Glanz zu tun hat; er wirkt sehr bescheiden; ein Diener der Musik und der Musiker, mit feinem Humor, der auf dem Podium hie und da durchblitzt.
    Fast dreißig Jahre schätze ich diesen Dirigenten nun als einen meiner liebsten. Live kennengelernt habe ich ihn einst in Frankfurt mit einer beeindruckenden Aufführung Bruckners Vierter mit dem SFS. Aufnahmen, die mir damals von der wunderbaren Französin im Frankfurter "Phonohaus" empfohlen wurden, waren u.a. die Berwald-Sinfonien und Carl Orffs "Carmina". An anderer Stelle dieses Forums habe ich das möglicherweise schon mal geschrieben: meine Libelingsaufnahme aus allen verfügbaren (lange vor dem Internet war das eben "im Phonohaus" und "im Bielefelder") war jene unter der Leitung von Franz Welser-Möst, mit Barbara Hendricks, Jeffrey Black, Michael Chance und dem London Philharmonic. Eine zweite CD mit diesem Stück? Überflüssig! Bis ich dann in Blomstedts Decca-Version hineingehört hatte. Diese CD war glaube ich die erste mit Blomstedt, es folgten Berwald und Sibelius, und anschließend quasi alle anderen unmittelbar zum Zeitpunkt der VÖ.
    Ich bin gespannt, was außer dem jüngsten Beethoven-Zyklus noch kommt; ein Tripelkonzert könnte man auf CD bringen, und außer dem Stenhammar liegen möglicherweise noch einige Konserven auf Lager, bei Decca, querstand, dem MDR. Ich wünsche mir natürlich, dass es Blomstedt noch lange gut geht. Und wenn dabei weitere tolle Konzerte und Aufnahmen zustande kommen, umso besser für seine Fan-Gemeinde.


    Viele Grüße, Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Im Juni 2018 gibt es drei Konzerte mit dem TOZ unter Blomstedt: Mendelssohn Violinkonzert mit Julia Fischer, danach Mahlers Erste. Das interessiert mich ja brennend...

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Ich wünsche mir natürlich, dass es Blomstedt noch lange gut geht. Und wenn dabei weitere tolle Konzerte und Aufnahmen zustande kommen, umso besser für seine Fan-Gemeinde.


    Diesen Wunsch kann ich gerne unterschreiben. :hello:


    Außerdem: in Bamberg war ich mit dabei – eine grandiose Vorstellung! Eine absolute, tief beeindruckende Interpretation. Gänsehautfaktor pur!!


    Anbei noch zwei lesenswerte Artikel:


    worldwideweb.welt.de/kultur/buehne-konzert/article166935682/Er-bringt-Bruckner-die-5-Symphonie-direkt-ans-Grab
    worldwideweb.klassikinfo.de/blomstedt-mit-bruckner-im-bamberger-dom/

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Ich bin im Laufe der letzten Jahre zu einem großen Blomstedt-Fan geworden. So habe ich auch das Konzert im Bamberger Dom mit der 5. Symphonie von Bruckner erlebt. Ein einmaliges Erlebnis! Aktuell ist der inzwischen 91-jährige Dirigent mit der Staatskapelle Dresden auf Tournee und hat gestern in der Berliner Philharmonie Station gemacht, die spärlich gefüllt war, was an der Preispolitik des Veranstalters liegen dürfte (55-130 €). Auf dem Programm stehen das 1. Klavierkonzert von Brahms mit Leif Ove Andsnes und 1. Symphonie von Brahms. Nach beiden Werken gab es eine Zugabe. Heute geht es in Dortmund weiter, es folgen München, Köln, Stuttgart und Freiburg. Blomstedt dirigiert seit einiger Zeit wieder im Stehen. Die Strapazen der letztjährigen Mammut-Tournee mit dem Gewandhausorchester scheinen ihn eher jünger gemacht zu haben. Ich schätze an Blomstedt sein ehrliches Musizieren, das nicht auf dramatische Effekte aus ist, sondern Freude und Optimismus verströmt. Im Ergebnis ist jedes Konzert ein Ereignis. Im September war ich in Leipzig, als er Berwald und Berlioz dirigiert hat. Gerne hätte ich im Juni die 9. von Mahler in Bamberg erlebt.

  • Auch ich war in dem Brahms-Konzert in der Berliner Philharmonie. Veranstalter war die Konzertdirektion Hans Adler und die Eintrittspreise hatten es in sich. Das mag ein Grund für den schleppenden Vorverkauf gewesen sein, aber auch andere sehr interessante Gastspielkonzerte in den Tagen zuvor. Die Berliner Phiharmoniker sind ja zurzeit in Asien. Sehr erstaunlich, dass dann eine riesige Schlange an der Abendkasse anstand, um noch Karten zu ergattern, so dass das Konzert etwas später begann. Ich schätze Herbert Blomstedt sehr und wollte deshalb auf das Konzert nicht verzichten. Flotten Schrittes geht er auf das Dirigentenpult zu und steht das Konzert von Anfang bis zum Schluss durch. Inzwischen dirigiert er ohne Taktstock, das machen andere (Tugan Sokhiev z.B.) auch, aber bei Blomstedt fand ich es gestern teilweise problematisch. Im ersten Satz des Brahms-Klavierkonzertes entglitt ihm das Orchester mehrmals, der Pianist stoppte einmal, weil die Streicher hinterher schleppten. Ich denke, es lag auch an der ungenauen Zeichengebung. Der Solist mag vielleicht auch eigenwillig die Tempi gestaltet haben, aber ein erfahrener Dirigent mit einem Spitzenorchester sollte damit keine Probleme haben. Und bei den langsamen Stellen war das Orchester fast tonlos, das kenne ich so nicht. Nach der Pause war das Orchester wie ausgewechselt, das war ein sehr schöner Brahms mit wunderbarem Streicherteppich. Solo-Violine und Solo-Horn waren gut. Also ein sehr interessantes Konzert, die Sinfonie dirigierte Blomstedt auswendig, das ist natürlich auch für das Orchester ein Standardwerk, das es gut kennen dürfte. Ich wünsche Blomstedt für die weiteren Konzerte alles Gute und hoffe, dass er der Musikwelt noch ein Weilchen erhalten bleibt.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Am 12. November dirigierte Herbert Blomstedt dieses Programm (Brahms' 1. Klavierkonzert mit Leif Ove Andsnes und die 1. Symphonie) bereits in Dresden. Es spielte nicht nur die Sächsische Staatskapelle Dresden, sondern auch das Gewandhausorchester Leipzig, denen Blomstedt bekanntlich beiden lange Jahren vorstand. Umschrieben war es als "Konzert für ein friedliches Miteinander". MDR Kultur übertrug es. Ich hörte bisher nur in die Symphonie hinein, aber das ist wirklich sagenhaft. Eine klangliche Pracht sondergleichen, beide Orchester gaben spürbar ihr Bestes. Blomstedt scheint langsamer geworden zu sein als früher (50 Minuten für das Werk), aber nicht weniger intensiv. Das wäre CD-würdig.


    Hier zum Nachhören: https://www.mdr.de/mediathek/s…674546d0_zs-df360c07.html

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Na, dann bin ich mal gespannt, lieber Joseph,


    ich habe ihn am Sonntag auf dem Programm, in der Kölner Philharmonie, aber nur mit der Staatskapelle und natürlich auch mit Leif Ove Andsnes, den ich vor einem Jahr in Köln noch mit einem Solorecital (Schubert und Beethoven) genießen konnte. Übrigens nicht viel weniger brauchte Giulini schon vor 55 Jahren, und wir wissen ja beide, wie intensiv auch dessen Dirigat war.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Über die vergangenen Jahre kam Herbert Blomstedt regelmäßig nach Hamburg um das NDR Elbphilharmonie Orchester (ehemals NDR Sinfonieorchester), dessen Chef er von 1996 bis 1997 gewesen ist, zu leiten. Zumeist gibt es Bruckner, aber auch schon Grieg und Sibelius. Am 13.Dezember wird er in der Elbphilharmonie Beethovens KK5, sowie die 2te Brahms dirigieren. Da es sich um einen öffentlich-rechtlichen Klangkörper handelt, sind die Karten hierfür glücklicherweise recht erschwinglich.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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