ZitatIch war erstaunt, dass ich im Forum noch keinen Thread für den den Bariton Peter Edelmann fand
...schrieb Operus heute. Ich war noch wesentlich mehr erstaunt, dass ich auch nach instensivem Suchen noch keinen Thread für einen der bedeutenden deutschen Komponisten fand.
Gleich Schubert starb Bruhns im Alter von 31 Jahren, jedoch annähernd genau 100 Jahre vor dessen Geburt und am entgegengesetzten Ende Deutschlands. Das bestenfalls mittelgrosse, hansisch geprägte Husum in Nordfriesland scheint Bruhns ausreichend künstlerische Möglichkeiten geboten zu haben, um als zufriedener Musiker zu gelten, der offenbar „pflegeleichter“ als Bach war – eher erstaunlich ob seines immensen Talents. Im Zuge der Bach-Rezeption des 19. Jahrhunderts wurde auch Bruhns „wiederentdeckt“ , da er im Nekrolog ausdrücklich als ein Vorbild für Bachs Orgelkompositionen genannt wird. Bruhns Orgelwerke können zwar problemlos in den stilistischen Kontext des späten 17. Jahrhunderts eingeordnet werden, gleichwohl ist nicht verwunderlich, dass diese phantasievoll-spontanen Werke dem späteren 19. Jahrhundert als genialische Werke eines jung verstorbenen Heroen erscheinen mussten.
Nur vier erhaltene Präludien sind es, die Bruhns den Ruf als fähigsten Komponisten des norddeutschen Orgelbarocks – nächst Buxtehude – eintrugen. Dieser basiert weniger auf Bruhnsens satztechnischen Künsten, obgleich der Komponist souverän mit doppeltem Kontrapunkt oder mehrfachen Kontrasubjekten in den Fugen zu hantieren verstand. Stärker sind die Werke durch eine improvisatorisch geprägte Affektvielfalt geprägt, mit manch rhetorischen und theatralischen Gesten versehen. Nirgendwo in der Orgelmusik dürfte sich der „Stylus phantastius“ prägnanter manifestieren als hier.
Angesichts der problematischen Quellenlage wurden Bruhns auch weitere Werke, insbesondere auch aus dem Bachwerkverzeichnis, zugeschrieben. Das prominenteste Beispiel ist BWV 565. Das einstige Tamino-Mitglied BigBerlinBear etwa plädierte mit durchaus validen Argumenten für diese Neuzuschreibung. Auch wenn manche Aspekte für Bruhns und gegen Bach zu sprechen scheinen, entspricht diese Toccata & Fuge doch nicht recht dem bei Bruhns üblichen fünfteiligen Werkaufbau. Immerhin ist es eine reizvolle und nicht völlig abwägige Vorstellung, das berühmteste Orgelwerk der Geschichte wäre von einem in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannten „jugendlichen Genie“ verfasst.
[Ganz jenseits des Umstands, dass mindestens Bruhns grosses e-Moll Präludium das überzegendere Musikstück darstellt...]
Jedenfalls zeigte Bruhns bereits als Jugendlicher Talent. Er stammte aus einer Musikerfamilie, der Vater mag bei Franz Tunder studiert haben, dessen älterer Bruder leitete die Hamburger Dommusik, der jüngere war Geiger in Lübeck. Zu Letzterem wurde Nicolaus geschickt, um sich im Violinspiel ausbilden zu lassen – mit vorzüglichem Erfolg. Bei seiner Ankunft in Lübeck konnte er bereits so gut mit der Orgel umgehen, dass er offensichtlich rasch zu einem Lieblingsschüler Buxtehudes wurde. So entwickelte er sich auf beiden Instrumenten zu einem Virtuosen – bei Mattheson findet sich eine Andeutung, Bruhns habe sich beim Geigespielen mittels Orgelpedal auch gleich die eigene Continuobegleitung geliefert.
Für seine Fähigkeiten an der Geige spricht die technisch anspruchsvolle polyphone Sonatina, welche die Kantate „Mein Herz ist bereit“ eröffnet. Es handelt sich um eine von mehreren Solokantaten, die Bruhns für seinen Kollegen, den Husumer Kantor Georg Ferber - einen fähigen Bassisten – verfasst zu haben scheint. Diese Werke sind zwar formal gesehen durchkomponiert, tragen aber auchZüge einer „Nummernrevue“. Wesentlich zentrifugaler konzipiert scheint die grossangelegte Kantate „Die Zeit meines Abschieds“ . Hinzu kommen Choralkonzert, Ensemblekonzerte und insbesondere drei „Madrigalkantaten“ die bereits an Werke der Bachzeit erinnern. Auch wenn derartige Vokalwerke im späten 17. Jahrhundert oft affektgeladen daherkommen, ist der besondere expressive Gehalt der Bruhnsschen Beiträge bemerkenswert (Kollegen wie Geist oder Lübeck erscheinen dagegen eher blass). Auch darin mag man eine entfernte Parallele zu Schubert erkennen.