Verachtet mir die Meister nicht – Wer war der beste Sachs?

  • Zitat Cartman: "Live habe ich Falk Struckmann (Berlin) und Florian Lukas (Darmstadt) als Sachs erlebt."



    Muss natürlich heißen: Ralf Lukas. Der Fehler kam wohl daher, dass ich zuvor im Thread über Klaus Florian Vogt gestöbert habe. Entschuldigung, Herr Lukas - war nicht böse gemeint.

  • Hallo Cartmann,
    eine Frage am Rande: Bist Du identisch mit "ME_Cartmann"?


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat zweiterbass: "Bist Du identisch mit "ME_Cartmann"?"


    Nein, bin ich nicht. ME_Cartmann sagt mir nichts; ist das auch ein Forenmitglied?


    Gruß


    Cartman (The one and only)

  • In meinem Beitrag beziehe ich mich nur auf diejenigen Sachs-Interpreten, die ich live ab 1960 gehört habe. Zu den neueren Sachsen kann ich also nicht Stellung nehmen (meine letzten Meistersinger sind immerhin schon 10 Jahre her), ebensowenig wie ich die Tonaufnahmen einbeziehen möchte.


    Für mich war es früher immer selbstverständlich, dass ein Sachs als Schuster und Poet glaubhaft sein musste. Daher war mein Lieblings-Sachs


    Theo Adam (in Bayreuth, Hamburg und Ost-Berlin). Wenn ich mich nur auf die Karajan-Einspielung stützen würde, könnte ich das Urteil derjenigen, die ihn ablehnen, verstehen. Wie Hotter ist Adam auf Ton-Konserven nicht adäquat vertreten, doch auf der Bühne begeisterte mich seine große Sänger-Persönlichkeit, seine überlegene und überlegte Stimm-Darstellung.


    Ihm ähnlich war Hubert Hofmann (in West-Berlin und Hamburg), wie bei seinem Mathis der Maler ein großer Menschendarsteller, dessen Höhenprobleme hier weniger zum Tragen kamen.


    Während bei beiden deutlich wurde, dass sie Evchen durchaus gefährlich werden konnten, war Josef Greindl (Bayreuth 1960) mehr der weise, teilweise boshaft verschmitzte, die Fäden ziehende Sachs, stimmlich damals noch (fast) ungefochten.


    Im Abstand von wenigen Monaten gastierten in Hamburg Norman Bailey und Giorgio Tozzi, und als der damalige Intendant Rolf Liebermann Zuschauer aus dem Stammpublikum befragte, wer ihnen besser gefallen habe, war die Antwort : Giorgio Tozzi. Mit einem warm timbrierten Bassbariton und erstaunlich guter Diktion stellte er Bailey deutlich in den Schatten, der mit seinem großvolumigen, allerdings immer etwas grobkörnigen Heldenbariton mehr Schuster als Poet war, ein Eindruck, der sich später in Bayreuth wiederholte.


    Zu den stimmlich hervorragenden, jedoch eindimensional bleibenden Sachsen möchte ich zählen:


    Karl Ridderbusch (Bayreuth, Kiel 1982), Bernd Weikl (Bayreuth) trotz seines balsamisch schönen Timbres und der Mühelosigkeit der Tonproduktion, Manfred Schenk (1982 Bremen und Hannover), Peter Meven (Hamburg 1986) und Hans Tschammer (Savonlinna 2002) - sicher tonschöne Sachse, bei denen mir (vor allem im Vergleich zu Adam, Hofmann) immer etwas fehlte.


    Dieser Eindruck verstärkte sich noch bei Donald McIntyre (Hamburg 1986) und Hans Sotin (Hamburg 1984). Besonders Sotin hatte - obgleich eher hoher Bass - auf der Festwiese große Konditionsprobleme, vielleicht auch auf das Bühnenbild Herbert Wernickes zurückzuführen.


    Gruß, Peter

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  • Eine wirklich ausnehmend guter Rolleninterpret war der US-Amerikaner Giorgio Tozzi (1923—2011).


    Der Bassist italienischer Abstammung sang diese Paraderolle absolut akzentfrei und beeindruckend problemlos bis in die schwierigen Spitzentöne.


    1970 machte die Hamburgische Staatsoper eine Verfilmung der "Meistersinger". Die Sängerbesetzung luxuriös, besonders die männlichen Rollen erstklassig: Toni Blankenheim (Beckmesser), Richard Cassilly (Stolzing) und Gerhard Unger (David). Sehr energisches und mitreissendes Dirigat des heute etwas vergessenen Leopold Ludwig. Tozzi ist auch darstellerisch eine Wucht. Gegen ihn sieht Cassilly — mit Verlaub — alt aus, und man fragt sich, wieso Eva nicht lieber den Sachs nimmt. :D



    Jetzt auch bei YouTube in voller Länger abrufbar:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • ... und man fragt sich, wieso Eva nicht lieber den Sachs nimmt. :D


    Diese Frage treibt mich bei den MEISTERSINGERN ganz grundsätzlich um. Deshalb habe ich mal diesen Thread hervorgeholt. Für mich besteht eine der ganz großen Erfindungen in dieser Oper in dem Verhältnis zwischen Sachs und Eva. Es wird ja nicht vordergründig dargestellt, es schwingt im Hintergrund mit - und in der Musik. Es ist ein ganz wesentlicher dramatischer Faktor. Es treibt Sachs um. Aber auch Eva ist davon nicht unberührt. Warum komme ich gerade jetzt darauf? Weil ich diesese Beziehung in einer Inzsnierung von David McVicar aus Glyndebourne sehr poetisch und diskret zugleich dargestellt finde. Eigentlich kein so großer Freund von Opern auf dem Fernsehschirm, muss ich mir diese Produktion von Zeit zu Zeit ansehen. So perfekt finde ich sie in der Umsetzung des Werkes insgesamt:



    Da stimmt wirklich alles - bis hin zum dem Schusterhandwerk geschuldeten Schmutz unter den Fingernägeln. Gerald Finley, den Joseph II. bereits im Zusammenhang mit einer CD erwähnte, gibt den Hans Sachs. Diese Bilder stammen aus der Inszenierung:




    Er ist ein relativ junger Sachs. Das dürfte für die Konzeption eine Vorausetzung sein. Nur gehört, bleibt er hinter den berühmten Vertretern der Rolle, die hier genannt wurden, etwas zurück. In der szenischen Umsetzung aber hat er auf mich den stärkten Eindruck gemacht, den ich mir vorstellen kann.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Theo Adam (Suitner/Tokio 1987)

    Da gefällt er mich nicht sehr, mir wäre lieber gewesen, der damals auch als Sachs alternierende Siegfried Vogel wäre damals in dieser Rolle aufgezeichnet worden.
    Adam war hier, sieben Jahre früher bei der Fernsehaufzeichnung 1980, noch wesentlich besser bei Stimme als 1987 in Japan.




    Dank des "Hochholens" der Rubrik durch "Rheingold1876" habe ich diese Rubrik nun auch mal komplett durchgelesen, und das durchaus mit Interesse. Bevor ich selbst meine Favoriten benenne, noch ein Wort zu der Frage, warum sich Eva für Stolzing und gegen Sachs entscheidet. Bei Wagner herrscht immer Liebesnot und Liebeszwang, die Liebenden sehen sich das erste Mal und sind sich verfallen. Das wird auch in den "Meistersingern" in Text und Musik sehr deutlich. Eva spricht ja im 3. Aufzug darüber zu Sachs: Hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich dich gewählt, ABER:


    Zitat

    Doch nun hat's mich gewählt
    zu nie gekannter Qual:
    und werd' ich heut' vermählt,
    so war's ohn' alle Wahl!
    Das war ein Müssen, war ein Zwang!

    Insofern stellt sich diese Frage nicht wirklich, nicht für Eva. sie verfällt Stolzing wie Isolde ihrem Tristan. Das weiß Sachs auch, daher sein anschließendes Tristan-Zitat.


    Und jetzt zu meine Favoriten als Hans Sachs.
    Meine "historischen", also nicht mehr live erlebteb Lieblings-Sachse waren: Ferdinand Frantz, Paul Schöffler und an dritter Stelle dann doch schon Theo Adam, den ich in Partien wie Holländer, Landgraf, König Heinrich, König Marke, "Rheingold"-Wotan, Gurnemanz, Pimen, Scarpia Jochanaan noch live erlebt habe, als Sachs aber knapp verpasst habe. Besonders gut gefällt mir Adam in einem Mitschnitt aus Rom 1971 unter Sawallisch mit Ernst Kozub als Stolzing und Günther Leib als Beckmesser.
    Letztlich ziehe ich ihn außer Frantz und Greindl nahezu allen anderen vor, ob Hotter, Edelmann oder Wiener.


    Mein live erlebter Lieblings-Sachs ist gaz klar Siegfried Vogel, den ich in Berlin, Dresden und Chemnitz noch insgesamt 10x in dieser Rolle erleben durfte.
    Vor einigen Tagen habe ich mir ja den "Meistersinger"-Mitschnitt aus Toronto von 1985 (da war er 48, also im besten Sachs-Alter) geleistet und bin wirklich begeistert, wie toll er das singt. Leider kann Herr Johns da als Stolzing nicht annähernd mithalten, es gibt auch einige wirklich unschöne Striche im 3. Akt, Johns singt bei der Erfindung der Weise nur einen Bar statt deren drei, aber mit welcher Frische und Souveränität, gepaart mit großem Ausdruck und wie immer bei Vogel bester Sprachbehandlung und Erlebbarwerdung(!) des Textes, Siegfried Vogel da den Sachs singt, das ist schon große Klasse und bestätigt mich in meiner Einschätzung, dass das der beste Sachs war, den live zu erleben mir je vergönnt war (und ich hatte ja auch zahlreiche andere, so ist ja nicht, Schenk, Brendel, Weikl, Holl, Struckmann, Wlaschiha - mein zweitliebster, Rootering und viele andere mehr, einige berühmte Namen wie von Kannen und Tomlinson will ich angesichts der erlebten Live-Leistungen in dieser Rolle lieber gleich vergessen...)


    Hier eine kleine Kostprobe aus der Toronto-Aufnahme, der Fliedermonolog aus dem 2. Akt:
    (der ganze zweite Akt ist für mich traumhaft gelungen, im 3. Akt auch der Wahn-Monolog, doch dann beginnt das Stolzing- und Striche-Leiden, der 3. Akt dauert da nur noch 1:40!)


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Gerald Finley, den Joseph II. bereits im Zusammenhang mit einer CD erwähnte, gibt den Hans Sachs. Dies

    Lieber Rheingold, ich kenne diese Inszenierung auch. Was der Herr Finley an Darstellungskraft und an Stimmkraft auch in der Schlußansprache auf die Bühne bringt, ist überaus bewundernswert. Einer der besten Hans Sachse, die ich je gesehen habe, noch vor Vogel , Tomlinson, Probst oder Hawlata (die habe ich live erlebt)


    Daß auch die Inszenierung für mich stimmig ist, das hat den Wert dieser Aufführung noch verstärkt.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.