Edvard Grieg - Der geheime Modernist?

  • Zwischenzeitlich habe ich die volle Gilels-Einspielung hier gefunden:


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    Ich kann mir gut vorstellen, dass man das in Deutschland wieder nicht hören kann.
    Nach diesen Eindrücken kann ich nur sagen: Must have, da gibt es keinen Weg `drumherum. Hätte ich das hier nicht gelesen, wäre es für mein Konto besser gewesen....


    Es ist tatsächlich so, wie es Holger schon sagte: Gilels nimmt die Musik als vollwertige Kunst sehr ernst. Das verdient diese Musik auch.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat von Glockenton

    Nach diesen Eindrücken kann ich nur sagen: Must have, da gibt es keinen Weg `drumherum. Hätte ich das hier nicht gelesen, wäre es für mein Konto besser gewesen....


    Lieber Glockenton,


    meine vollste Zustimmung. Das ist unter den vielen Sternstunden, die Gilels hatte, sicher eine der ganz, ganz großen. Das ist Anschlagskultur vom allerfeinsten und intelligente Phrasierungskunst. Ich bin ja ein großer Freund "kleiner" Klavierwerke, die manchmal ein wenig unterschätzt werden. Diese CD ist ein schönes Plädoyer für solche Werke.


    Viel Freude beim Hören wünscht
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Besten Dank, lieber JLang!


    Deinen Worten kann ich nach dem Zuhören auf Youtube nur zustimmen, geradezu Buchstabe für Buchstabe. :thumbup:
    Wie konnte solche eine Aufnahme unter meinem Radarschirm bisher nur unentdeckt bleiben?


    Ich hoffe, ich mache noch mehr solcher Entdeckungen. Sie machen das Leben spannender :)


    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Das hätte ich gestern fast selbst gemacht, lieber Holger - jetzt habe ich sie Dir überlassen :D
    Ich dachte, dass ich mich erst einmal auf die Gilels-CD stürze.


    Du kannst ja dann berichten, wie es beim Katsaris so klingt.


    Übrigens warte ich ja noch auf Deinen Bericht zu Mozart/Uchida. Aber keinen Stress....wenn es sich ergibt, vielleicht einmal :)


    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Du kannst ja dann berichten, wie es beim Katsaris so klingt.


    Übrigens warte ich ja noch auf Deinen Bericht zu Mozart/Uchida. Aber keinen Stress....wenn es sich ergibt, vielleicht einmal :)


    Das mache ich natürlich, lieber Glockenton! Im Moment habe ich arbeitsmäßig leider ein volles Programm - dazu muß ich noch einige Arbeiten in der neuen Wohnung erledigen, die sich "aufgestaut" haben. (Beim Blumenpflanzen am Wochende habe ich auch noch festgestellt, dass sich die Wespen im Rolladenkasten eingenistet haben!) So werde ich zu Mozart/Uchida wohl erst nächste Woche kommen! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Hallo,


    auf der in Beitrag Nr. 21 vorgestellten CD-Box ist auf der CD 4 zu hören:


    Schauspielmusik zu Sigurd Jorsalfar op. 22; es handelt sich um ein Bühnenstück von Bjornstjerne Bjornson; Näheres zu Sigurd Jorsalfar und dem Schriftsteller bei Wikipedia.


    Sigurd Jorsalfar lebte im 12./13. Jh. – es handelt sich bei Griegs Vertonung um Musik, wie der Mensch zu Griegs Zeiten zur Schauspielhandlung die Musik empfunden hätte,


    die Fanfaren vor dem 1. Akt stehen also in der Harmonik des 19. Jh., die Mehrstimmigkeit wird nur durch Echowirkung erzeugt (Orff hat bei seiner Carmina die Verbindungen der Musik an die Zeit zur Entstehung der Gedichte angedeutet).
    Das Vorspiel zum 1. Akt übernimmt die Fanfarenklänge (mit viel Tsching-Bums-Trara), der marschähnliche Rhythmus belebt den „kriegerischen“ Eindruck.
    Borghilds Traum bleibt musikalisch indifferent, dürfte aber keine glückliche Episode darstellen.
    In der Königshalle – lässt anfangs und dem Ende zu etwas von der Etikette und höfischen Strenge erahnen.
    Das Nordlandsvolk – eine volksliedhafte Melodie, die mit dem Choreinsatz kämpferisch-nationale Züge bekommt, aber keine musikalische Verbindung zu damaligen Volk hat.
    Huldigungsmarsch – eine sehr einprägsame Melodie, weshalb dieses Stück immer wieder zu hören und das einzig bekannte Stück aus dem Werk ist; bemerkenswert ist, dass der Huldigungsmarsch, von den Anfangsakkorden abgesehen, verhalten und p anfängt und die Melodie erst im weiteren Verlauf „triumphale“ Züge annimmt.
    Zwischenspiele I – steht noch unter dem musikalischen Einfluss des Huldigungsmarsches
    Zwischenspiel II – ist eine teilweise Wiederholung des Huldigungsmarsches
    Königslied – ein strahlend werdendes Lied, das mit Choreinsatz und viel „Tsching-Bums-Trara“ endet.



    Norwegische Tänze, op. 53 – orchestriert von Hans Sitt. Für mich hat die Orchestrierung der fürs Klavier komponierten 4 Tänze keine Verbesserung gebracht; ich meine, das Klavieroriginal ist stimmiger; hier nun auf YouTube das Klavieroriginal:

    https://www.youtube.com/watch?v=RTffkQsEfxY
    https://www.youtube.com/watch?v=JOO512xyVWk
    https://www.youtube.com/watch?v=rMR-ueYzvYI
    https://www.youtube.com/watch?v=SaRezJuf584


    Wer schließt sich meiner Meinung an?



    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Katsaris bringt von der pianistischen Seite her eigentlich alles mit, was man für eine gelungene Darstellung der „Lyrischen Stücke“ braucht: die Fähigkeit, den Ton fein und farbig abzustufen sowie eine überlegene Virtuosität und Leichtigkeit in den Fingern. Warum diese natürlich schöne Aufnahme dann doch nicht die „Größe“ eines Emil Gilels erreicht, liegt nicht zuletzt an einigen der bekannten „Marotten“ von Katsaris.


    Sehr gelungen ist sein Programm – auch stimmungsmäßig – mit der „Morgenstimmung“ aus der Peer-Gynt-Suite zu beginnen. Schon die folgende „Arietta“ op. 12 Nr. 1 zeigt jedoch, dass Katsaris generell den intimen und „privaten“ Ton doch nicht richtig trifft. Das ist oft eher am Rande des Burschikosen, allzu Konzertanten. Als Kontrast wählt er zwei späte Stücke – op. 68 Nr 5 und op. 71 Nr. 2. Man vermisst hier dann die spätromantisch reife, "gesättigte" Melancholie! Wirklich am Rande des Störenden ist aber die Katsaris-Marotte, fast jeden Akkord zum Arpeggio zu brechen und eine „Scheinpolyphonie“ zu präsentieren, die Nebenstimme im Bass zeitversetzt (die Pianisten nennen das „Nachklappern“) hervorzuheben: ein Beispiel für den Katsaris-Stil, den er auch bei Chopin gerne zeigt, die musikalischen Gewichte umzuverteilen, die Nebensache zur Hauptsache zu machen. Das stört doch die volksliedhafte Einfachheit – wirkt ein wenig manieriert. „An den Frühling“ (op. 43 Nr. 6) ist sehr schön – er spielt es „Allegro appassionato“ wie von Grieg gewollt. Wenn da nur nicht Svjatoslav Richter wäre, der dieses spätromantische Schmachtstück mit bedächtiger Gedankenschwere zu einer Klaviermeditation geadelt hätte! In den impressionistischen Stücken zeigt Katsaris, was er anschlagstechnisch kann – aber auch hier muss man sagen: ein Emil Gilels kann eben noch mehr. Man bekommt regelrecht Ehrfurcht vor dem großen Russen. Das ist einfach in jeder Hinsicht unerreichbar. Eigenwillig und wirklich verzichtbar ist, dass Katsaris im virtuosen Scherzo op. 54 Nr. 5 den Diskant des klanglichen Effektes wegen oben oktaviert. Eindeutig die Idiomatik verfehlt Katsaris beim „Norwegischen Tanz“ op. 47, Nr. 4 – das ist bei ihm keine nordische Schwerblütigkeit, sondern spritzender französischer Sekt. Wie schwer doch diese Grieg-Stücke in ihrer Idiomatik zu gestalten sind, merkt man bei dieser wirklich sehr guten Aufnahme!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo,


    auf der in den Beiträgen Nr.1 und 21 vorgestellten CD-Box (Neeme Järvi) ist auf der CD 6 op. 51 "Old Norwegian Melody with Variations" zu hören. Es sind 18 Variationen, wobei das Thema erst nach der 1. Variation zu hören ist. Es sind 17 sehr kurze Variationen - unter 2 min.- nur die 14. Variation 02:38. Es handelt sich m. E. um Unterhaltungs-Klassik (allerdings um sehr gute) - mit bekannten Variationswerken aber nicht vergleichbar. Die altnorwegische Melodie wird im Stil norwegischer Volksmelodien variiert. Es gibt die Aussage, "Grieg ist der Meister der kleinen Form", was sich hier gut nachhören lässt.


    Auf YouTube gibt es in hörbarer Fassung nur die für 2 Klaviere (Original?) - wie in ähnlichen seiner Werke ist diese zumindest ebenbürtig (für mich besser - der "kleinen Form" angemessener).
    https://www.youtube.com/watch?v=UDnl9BghJmo


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Zu seinem heutigen Todestag habe ich die Aufnahme aus meiner Sammlung ausgesucht, die Holger mir vor einer Weile empfohlen hat und die mich wirklich überzeugt hat:



    Heute ist Edvard Griegs 108. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nach vielen Jahren hörte ich dieser Tage wieder einmal die schönen Peer Gynt - Suiten.


    Ich bediente mich zuerst einer sehr schönen Aufnahme mit Bernstein/New Yorker PH, die jetzt in der neu remasterten Sibelius-Sinfonien - Box als Extra - CD enthalten ist.
    Bernstein´s Aufnahme ist Klasse und bietet eine ausgewogene Sicht, die sich hören lassen kann und steht auch den beiden Karajan Aufnahmen (DG, ADD und DDD) in keinster Weise nach.


    *** Aber mir fiel noch eine CD in die Hände, die ich mal wegen der Bizet-Carmen-Suiten gekauft hatte und die Peer Gynt-Suiten auch enthält. Es spielt das Royal PO unter Mark Ermler.
    Die CD ist aus der superpreiswerten audiophilen RPO-Serie, die man bei Rossman & Co für 2,50€ kaufen konnte.
    8o Was für ein Grieg, was für ein Ausdruck, welche Emotion, was für eine orchestrale Präzision und was für ein Spitzensound.
    In der Halle des Bergkönigs dauert 2:31, sodass man die Steigerung des Satzes auch angemessen bis zum hier megapackenden Finale geniessen kann. Die Pauken sind hammermässig und prägnant, wie man es sich wünscht.


    (Die Carmen-Suiten sind auch viel besser als meine anderen Aufnahmen mit Bernstein, Batiz und erreichen ähnliches Niveau wie Ormandy´s Glanzaufnahme.)


    Bei aller Wertschätzung für die o.g. Grieg-Aufnahmen, aber diese werden in allen Punkten von dieser "Billig-CD" übertroffen:



    RPO, 1993, DDD


    Diese CD kann man auch als SACD kaufen, aber das bringt klanglich nichts, weil die Aufnahmen in Stereo und nicht multikanal für SACD aufgenommen sind. Die Hybrid-SACD kostet auch nur max 7Euro, klingt aber eher flacher als die CD-Spur. Das ist klangliche Huddlei, was die auf SASCD verkaufen wolllen, wie ich auch aus anderen SACD-Beispielen der Serie erfahren musste. Und wie wir von Schneewittchen erfahren haben, sind bei etlichen SACD aus dieser Serie die Stereospuren vertauscht ... :!: also ganz klar: * Zur CD greifen - die sind richtig gut !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Das freut mich sehr, dass Du den ein wenig übersehenen Mark Ermler hier einbringst, lieber Wolfgang. Ich widmete ihm schon 2015 einen eigenen Thread: Mark Ermler


    Ermler war einer der größten russischen Operndirigenten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (ich weiß, nicht wirklich Dein Gebiet). Viel zu kurz amtierte er als Musikdirektor des Bolschoi-Theaters (1998—2000), wo er schon in den Jahrzehnten zuvor ständig dirigiert hatte. Daneben war er ebenfalls kurzzeitig Chefdirigent der Moskauer Philharmoniker (1996—1998). Er starb 2002 während einer Probe in Seoul, kurz vor seinem 70. Geburtstag.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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    Eine sehr gelungene Einspielung der beiden "Peer Gynt"-Suiten legte der tschechische Dirigent Václav Smetácek auf Supraphon mit dem Prager Symphonieorchester vor, dem er 30 Jahre lang vorstand. Der ein wenig im Schatten stehende Smetácek lotet jedes Detail der zu Tode gespielten Orchestermusik aus und wird von dem exzellenten Klangkörper darin unterstützt. Die "Halle des Bergkönigs" hier mit ganz gekonntem Spannungsaufbau. Schön paukenstark auch die übrigen Stücke.


    Als Dreingabe gibt es noch die 5. Symphonie und den "Schwan von Tuonela" von Sibelius mit der Tschechischen Philharmonie unter Gaetano Delogu. Das ist nach ersten Höreindrücken eine sehr interessante Interpretation, die sich freilich einer unüberschaubaren Konkurrenz stellen muss.


    Die Einspielungen aus den Jahren 1976 und 1980 sind in sehr gutem Stereo eingefangen. Zumindest gerade noch war die Platte auf dem Amazon-Marketplace auch noch "für 'nen Appel und 'n Ei" erhältlich. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Folgende CD (leider ziemlich teuer, ich habe die vor Jahren mal eher zufällig auf Ebay oder so geschnappt) enthält einige Raritäten. Die Ballade für Klavier und das Melodram "Bergliot" in Bearbeitungen für Streichquartett, sowie eine Komplettierung des fragmentarischen 2. Streichquartetts F-Dur, alles vom Cellisten des Oslo String Quartets Oystein Sonstad. Die beiden Grieg einigermaßen fertiggestellten Sätze des F-Dur-Quartetts hat auch das Petersen Quartett (und vermutlich auch andere) eingespielt, vorliegende ist die einzige mir bekannte Vervollständigung.


    Es gibt eine Aufnahme der Sätze + Skizzen bei hyperion und eine des Raphael Quartetts, die eine Komplettierung von Julius Röntgen spielen (kenne beide nicht, laut Beiheft der Oslo SQ CD klänge letztere sehr nach Röntgen). Die sind beide deutlich günstiger und die Kopplung mit dem g-moll-Quartett vielleicht auch attraktiver, sofern man kein Interesse an den anderen Stücken hat...


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hier hätten wir das kammermusikalische Gesamtwerk zum (zumindest gebraucht) aktuell äußerst günstigen Brilliant-Preis:



    Enthalten sind die weiter oben bereits genannten anderthalb Streichquartette mit dem Raphael-Quartett und der Röntgen-Manipulation, die wirklich ansprechenden drei Violinsonaten, die Cellosonate und einige weitere Kleinigkeiten. Damit bin ich durchaus zufrieden, in jeder Hinsicht.


    Allerdings ist die Gesamtaufnahme dann eben doch wieder keine, wie so oft. Ich freue mich auf die folgenden Neuanschaffung, welche noch nicht eingetroffen ist:



    Johannes Roehls alternative Vorschläge könnte man sich zusätzlich anschaffen, um der Idee der quasi unrealisierbaren Integrale einen weiteren Schritt näherzutreten ... :D


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!