Warum sind populäre Melodien bei einigen Taminos so verpönt?

  • stammen von Richard Wagner!
    "Treulich geführt..."
    "Steuermann, lass die Wacht!"
    "Pilgerchor" aus Tannhäuser.
    Dass es nicht noch mehr sind, dürft ihr getrost meiner Unkenntnis des Wagnerschen Werkes zuschreiben!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Und ich fände es auch sehr interessant, die Bezüge zum Dreißigjährigen Krieg einmal besonders herauszustellen. Warum es allerdings unbedingt der Dreißigjährige Krieg sein muss und nicht ein Krieg, den wir unmittelbarer erfahren haben, erschließt sich mir dann wiederum nicht.


    Hierzu ist tatsächlich der Wikipedia-Artikel zum historischen Hintergrund recht interessant.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von Dr.Pingel: Und Leute, wenn ihr noch weiter auf dem Freischütz herumhackt, nehme ich mir die "Lucia" vor.

    Ja, lieber Dr.Pingel, gerade diese Hackerei auf einigen Melodien des Freischütz und die unterschwellige Forderung, dass der "Freischütz" heutzutage eigentlich nur noch als Parodie erträglich sei, hat mich zu der Frage, unter der dieses Thema steht, veranlasst. Dass er aber nur noch auf diese Weise inszeniert wird, hat ihn - wenigstens von Bild her - für das Gros der Opernzuschauer unerträglich gemacht.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • stammen von Richard Wagner!
    "Treulich geführt..."
    "Steuermann, lass die Wacht!"
    "Pilgerchor" aus Tannhäuser.
    Dass es nicht noch mehr sind, dürft ihr getrost meiner Unkenntnis des Wagnerschen Werkes zuschreiben!



    Das finde ich nun überhaupt nicht. Ganz nebenbei gesagt geht es hier ja auch um Melodien, nicht nur um Chöre.
    Aber es stimmt, es gibt Melodien, bei denen ich sofort das Klassikradio ausdrehe, wenn ich damit im Auto belästigt werde, um dann ganz schnell auf Bach, Bruckner, Mozart, Schubert, Beethoven.........umzuschalten.


    Neulich war es bei mir auch ein Chor, nämlich der "Gefangenenchor" aus Nabucco. Vieles, wenn nicht sogar das Meiste aus diesem Genre finde ich melodisch, harmonisch, figurativ-arrangiertechnisch und auch aufführungspraktisch ( diese tatsächlich auch noch gewollten Glissandi, Portamenti uvm.) im Grund genommen grausig. Die italienisch-romantische Belcanto-Oper (aber auch Bizet/Carmen) ist in ihrem nicht vorhandenen Skrupel vor sentimentalen Geschmacklosigkeiten aus meiner Sicht der Vorreiter für die heutige beklagenswerte Populärklassik, die den Musikinteressierten den Weg zu einer Wahrheitserfahrung ganz und gar versperrt und verblendet.


    Wagner hingegen ist eine ganz andere Welt, die sich melodisch, harmonisch, rhythmisch-figurativ, formal und von der ganzen Haltung her fundamental und positiv von eben diesem Stehenbleiben bei "emotione" unterscheidet.


    Eine Melodie ist bei mir nicht verpönt, wenn sie populär ist, sondern wenn sie schlecht ist.
    Das "Air" aus der Orchestersuite Nr. 3 D-Dur von Bach ist sehr populär, und trotzdem unerschöpflich herrlich und gut.
    Das Gleiche gilt z.B. für diese edle und zugleich populäre Melodie aus dem f-moll Konzert von Bach, dass er auch für ein Orchestervorspiel einer Kantate nutzte :



    Ich habe hier eine Kempff-Transkribtion gewählt die zeigt, dass eine gute Musik auch eine geschmackvolle und gekonnt realisierte Bearbeitung hervorragend verträgt.

    Es gäbe viele Beispiele für wunderbare Melodien, auch und gerade von Mozart ( z.B. zweiter Satz Klarinettenkonzert, viele Melodien aus der Zauberflöte und so viel mehr) Schubert oder Brahms.


    Eine Musik, die ich nach dem vorhergehenden Video mit Kempff auf jeden Fall nicht ertragen kann wäre z.B. diese hier:



    Es mag ja genretypisch gut gesetzt sein und die Diven-Verehrung "der Callas" würde ich jenen Seelen, die dafür ein Bedürfnis verspüren, ja gar nicht wegnehmen wollen, selbst wenn ich es könnte. Aber ich muss so etwas nicht auch noch gut finden. Es widerspricht in jeder Textur seines Seins dem, was meiner Ansicht nach eine wahre Musik, eine wahre Kunst sein sollte. Da sollte es um Wahrheit gehen, nicht um kurzfristige emotionale Effekte. Nach einer guten Musik bin ich erfüllt und frei, nach einer meiner Ansicht nach nicht guten Effekt-Musik ( mit ihren dazugehörigen Melodien) fühle ich mich so, als würde ich bereuen, in diesem schwedischen Süsswaren-Laden,



    (den ich als Familienvater leider sehr gut kenne....) mir den Bauch vollgeschlagen zu haben, anstelle den Platz im Magen für ein gutes Mittagessen freigelassen zu haben, vielleicht mit Lachs, Knoblauchsauce und einem nicht zu trockenem, aber schön kühlem Riesling aus St. Goar am Rhein.


    Die Einen sagen, dass man über Geschmack trefflich streiten kann, die Anderen behaupten, dass man denselben entweder hat, oder eben nicht.


    Mit diesen unerträglich-undiplomatischen und politisch reichlich inkorrekten Einlassungen am Sonntag-Nachmittag ( kurz vor dem norwegischen Waldspaziergang und Kaffee mit Apfelkuchen plus anschließender Pfeife...) verbleibe ich in der Hoffnung, nicht zu vielen Leuten auf die Hühneraugen getreten zu haben :pfeif:


    grüßend :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • stammen von Richard Wagner!
    "Treulich geführt..."
    "Steuermann, lass die Wacht!"
    "Pilgerchor" aus Tannhäuser.
    Dass es nicht noch mehr sind, dürft ihr getrost meiner Unkenntnis des Wagnerschen Werkes zuschreiben!


    Der Jungfernkranz toppt die alle! Locker! Da hatte Heine schon recht... Jägerchor hinter "Treulich geführt" etwa gleichauf mit dem Pilgerchor. Und der anderswo erwähnte "Va pensiero" kommt da auch irgendwo rein.
    (Mein persönliches Hass-Stück aus dem Freischütz ist allerdings der nicht allzu populäre Spottchor: die Kombination des biederen Vorsängers mit dem penetranten He-he-he ließe mich auch zum Hirschfänger greifen, wenn ich einen hätte...)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe eure Beiträge mit Vergnügen gelesen, vor allem den von Glockenton. Normalerweise reagiere ich nicht empfindlich, wenn auf meine Beiträge nicht geantwortet wird; ich halte es ja auch so. Aber eine Frage würde ich euch doch gerne stellen: wie haltet ihr es mit der Wolfschluchtszene? Das ist für mich überragende Musik!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • (Mein persönliches Hass-Stück aus dem Freischütz ist allerdings der nicht allzu populäre Spottchor: die Kombination des biederen Vorsängers mit dem penetranten He-he-he ließe mich auch zum Hirschfänger greifen, wenn ich einen hätte...)

    Und ich finde gerade dieses Stück hinreißend, auf eine Höhe wie die Wolfsschlucht, zu der es ja auch harmonische Parallelen gibt. Noch lieber ist mir persönlich freilich das ganze Finale des 3. Aktes, wo eigentlich alles drin ist.


    Nee, nee, das ist schon ne erstrangige Oper, die auch ganz erstrangig beginnt!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und ich finde gerade dieses Stück hinreißend, auf eine Höhe wie die Wolfsschlucht, zu der es ja auch harmonische Parallelen gibt. Noch lieber ist mir persönlich freilich das ganze Finale des 3. Aktes, wo eigentlich alles drin ist.


    Nee, nee, das ist schon ne erstrangige Oper, die auch ganz erstrangig beginnt!


    Also, lieber Stimmenliebhaber, das kann ich hundertprozentig unterstützen. Die Zauberflöte und vor allem Fidelio erscheinen mir nicht besser als "Der Freischütz", von der " Entführung" ganz zu schweigen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)


  • Lieber Dottore,


    hättest du in deinen Ausführungen zwischen "von" und "Richard Wagner" die Buchstaben und Punkte "m. E." oder ähnliches eingefügt, hätte ich dies gar nicht geschrieben. Aber absolut gesetzt, kann ich das nicht so stehen lassen. Nun mögen meine Widerworte wohl daher rühren, dass ich nicht von der Renaissance, sondern von der Klassik und Romantik geprägt wurde, und obwohl ich fast 50 Jahre der Oper fern geblieben bin, habe ich ausgerechnet in diesem Jahr wieder zu ihr gefunden, und so habe ich gleich dreimal den Fliegenden Holländer gesehen, und die Tatsache, dass er eine meiner Lieblingsopern ist, habe ich in der Tat dem Steuermannschor zu verdanken.
    Ich weiß ja, wie du es gemeint hast, und darum kann ich dir nicht gram sein, und was Johannes da abgesondert hat, lasse ich mal unkommentiert so stehen.
    Aber ich glaube, dass keiner von den hehren Taminos, die "wie die Wildsäue" über diesen wunderbaren Chöre hergefallen sind, darüber traurig wäre, wenn ihnen nur einer von diesen Chören (mit der entsprechenden Oper drumherum) eingefallen wäre und sie dadruch unsterblich geworden wären.


    So wird das allerdings nichts, liebe Freunde. :baeh01:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wobei der Pilgerchor im Tannhäuser für mich immer ein Highlight ist lieber dr. Pingel, wenn der Chor so gut ist wie an der Rheinoper. Auch Steuermann lass die Wacht gehört für mich zu meinen Lieblings Opern Chören. Nur bei treulich geführt, kann ich dir zustimmen. Hast du in Düsseldorf den Freischütz, ich glaube das war eine Otto Schenk Inszenierung, gesehen ? Das war noch eine Wolfsschlucht. Ich hatte jedesmal Angst, daß der Tenor der den Max singt, beim hinunterklettern stürzt :) .

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich steige sehr spät hier wieder ein, füge mich also leider harmonisch nicht in den aktuellen Threadverlauf


    Zitat

    Warum es allerdings unbedingt der Dreißigjährige Krieg sein muss und nicht ein Krieg, den wir unmittelbarer erfahren haben, erschließt sich mir dann wiederum nicht

    .
    Abgesehen von Spitzfindigkeiten vor allem deshalb, weil dieses Zeitalter eine breite Palette an malerischen Kostümen ermöglichte, der dreißigjärige Krieg ist überhaupt ein Lieblingsthema diverser Autoren (siehe "Peter Schmoll und seine Nachbarn" - ebenfalls von Weber oder "Der Bärenhäuter" von Siegfried Wagner", "Simplicius Simplizissimus" von Grimmelshausen. Ich glaube - von Ausnahmen abgesehen - wurde dieser Krieg lediglich als "Zeitmarke" mißbraucht, weil auch weniger historisch Gebildete eine Vorstellung von dieser Zeit hatten (Landsknechtuniformen und -Lieder) Zudem gibt dieses geschichtliche Nebendetail der unwahrscheinlichen Geschichte mehr Glaubwürdigkeit. Heute wäre die Geschichte undenkbar, denn wer glaubt schon an Teufelsspuk, Zauberei und Eremiten.
    Ein historisch anfechtbares Detail ist die Stora vom sogenannten "Erbförster", Fürster an sich gabs erst im 18. Jahrhundert (davor hatten die andere Titel) und der "Erbförster" taucht erstemals in der ersten hälfte des 19. Jahrhunderts auf.


    Zu r musik der Wolfsschluchtszene: Das ist sicher sehr wirkungsvoll, besonders bei geeigneter szenische Umsetzung, als schäne musik würde ich das indes nicht grade bezeichnen. Sie ist als Teil eines dramatischen Ganzen zu akzeptieren, aber als Einzelnummer würde ich sie mir nicht wünschen.....


    Dan schon lieber den zuckersüssen Jungfernkranz. Da diese Chöre (Spinnerinenchor bei Wagner etc) immer wieder von unterschiedlichsten Komponisten dieser Epoche in die Handlung eingebaut wurden, darf man davon ausgehen, daß beim Publikum Interesse daran herrschte - Damals war das Publikum noch die oberste Instanz... !!!


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !