Der Tamino-Liederabend: Franz Schubert

  • Deshalb eine konkrete Bitte an Dich, Stimmenliebhaber:


    Wärst Du bereit, die Stücke in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, die 2 Sets ergibt? Es würde reichen, wenn Du die Nummern in der Reihenfolge aufführst, die Du Dir vorstellst. Die Lieder würde ich ergänzen. Das wäre sehr schön.


    Lieber WoKa,


    dein Vertrauen ehrt mich, allerdings gestehe ich nicht alle ausgewählten Lieder gleich gut zu kennen. Helmut Hofmann wäre sicherlich der kompetentere Programmgestalter.


    Dennoch will ich es versuchen, wobei meine Grobeinteilung der beiden Konzerthälten die Lieder aus Zyklen von den Einzelliedern trennen wird.
    (lediglich der "Wanderer" eröffnet als programmatisches Lied den zweiten Teil mit den Einzelliedern aus den Zyklen).


    Im ersten Teil habe ich auf einen Wechsel zwischen Männerstimmen und Frauenstimmen geachtet, der im zweiten Teil entfällt, was auch gut so ist. :P
    Im zweiten Teil erfolgt zuerst noch ein Wechsel zwischen hohen und tieferen Männerstimmen, am Schluss wird es dann aber durchgehend baritonal, was auch nicht verkehrt ist. ;)



    01 Der Zwerg Werner Hollweg
    02 Gretchen am Spinnrad Jessye Norman
    03 Im Abendrot Matthias Goerne
    04 Hirt auf dem Felsen Soile Isokoski
    05 Nacht und Träume Christoph Prégardien mit Michael Gees
    06 Erlkönig Elisabeth Söderström
    07 Des Fischers Liebesglück Christian Gerhaher
    08 Ganymed Elisabeth Schwarzkopf
    09 Die Grenzen der Menschheit Gottlob Frick
    10 Herbst Christiane Karg
    11 Greisengesang Timothy Sharp
    12 Die Forelle Elisabeth Grümmer


    Pause


    13 Der Wanderer Carl Erb
    14 Der Doppelgänger Hans Hotter
    15 Ständchen Fritz Wunderlich
    16 Des Baches Wiegenlied Gérard Souzay
    17 Der Lindenbaum Hermann Prey
    18 Mut Dietrich Fischer-Dieskau mit Maurizio Pollini
    19 Die Nebensonnen Siegfried Lorenz
    20 Der Leiermann Thomas Quasthoff


    Man kann sich natürlich darüber streiten, ob dieser Abend ganz glücklich zusammengestellt (vor allem wegen der Einzellieder aus den Zyklen) ist und ob er mit "Des Baches Wiegenlied" oder dem "Leiermann" enden sollte - eigentlich kann nach beiden Liedern keine einzige Note mehr erklingen.


    Dass der erste Teil eine Liederabends etwas länger sein sollte als der zweite, ist bekannt, außerdem gibt es ja vielleicht doch noch Zugaben wie "Der Musensohn" oder "An die Musik". Das beißt sich zwar jetzt mit meinem letzten Absatz, aber ganz ernst nehmen kann man ja eine Realisierung dieses Liederabends von Programm her und schon gar nicht von den Interpreten her sowieso nicht. ;)


    Klar, man könnte sich das jetzt zu Hause so anhören, aber dann sollte man doch lieber die kompletten Liederzyklen von einem (jeweils) einzelnen Interpreten hören und sich dann vielleicht einen individuellen Liederabend aus Einzelliedern zusammenstellen. :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Klar, man könnte sich das jetzt zu Hause so anhören,


    Das werde ich wohl nicht tun, aber ich habe die Lieder in den hier vorgestellten Interpretationen im Zuge der Entstehung dieses "Liederabends" alle gehört und dabei eine ganze Reihe von interessanten Entdeckungen hinsichtlich der Interpreten gemacht. Daher hat sich dieses Unternehmen auf jeden Fall gelohnt. Dir, lieber WoKa, vielen Dank für den Anstoß dazu. :hello: Sehr positiv habe ich auch empfunden, dass hier die Gemeinsamkeiten betont wurden, nämlich die Begeisterung von uns allen für Schuberts Lieder.


    Außerdem haben meine Meinungsverschiedenheit mit Caruso im Hinblick auf die Bewertung bestimmter Interpretationen und die Tatsache, dass ich manche der hier vorgestellten Empfehlungen gar nicht zu teilen vermag, bei mir die Lust geweckt, etwas vertiefter in die vergleichende Bewertung von Liedgesang einzusteigen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Helmut Hofmann wäre sicherlich der kompetentere Programmgestalter.


    Lieber Stimmenliebhaber,
    für mich ist es nur schwer vorstellbar, dass Helmut Hofmann diese Programmgestaltung übernehmen würde ...
    Die Begründung lieferst Du ja am Ende Deines Beitrages gleich mit.


    Deshalb mochte ich mich, der ich ein eifriger »Liederabend-Geher« bin, hier auch nicht beteiligen. Aufgefallen ist mir, dass so exzellente Liedinterpreten wie Peter Anders (im historischen Bereich) und aktuelle erstklassige Liedsänger wie Christian Elsner, Werner Güra, Thomas Hampson und Robert Holl nicht vertreten sind.
    Klar, ich hätte sie ja nennen können, aber wie gesagt, ich hatte Angst um die Gestaltung des Programms, da kann ja nur ein »Bunter Abend« dabei herauskommen ...

  • Hallo!


    Ich danke Euch allen für die Teilnahme an dieser Planung eines fiktiven Liederabends.
    Vor allem natürlich auch Dir lieber Stimmenliebhaber für Deine Mühe, eine Reihenfolge zu erstellen, die gewissen nachvollziehbaren Kriterien folgt.


    Gewiss fehlen viele namhafte Interpreten und sicher sind Liedzyklen eher darauf angelegt, komplett gehört zu werden. Wollten wir allerdings allen Ansprüchen gerecht werden, hätte das Vorhaben nicht umgesetzt werden können. Daher lieber hart ist es nachvollziehbar, dass Du die Konsequenz aus der Begrenztheit der Möglichkeiten dieses Threads gezogen und Dich heraus gehalten hast. In solchen Situationen läuft man sonst Gefahr aus Sicht der Anderen als Spielverderber angesehen zu werden. Ich gebe allerdings zu, dass ich durchaus auch auf Deinen und den Sachverstand von Helmut Hoffmann gehofft hatte. :(


    Ich für meinen Teil werde mir die Interpretationen, die mir fehlen, "downloaden" oder kaufen und das fertige Programm sicher eines Abends in Ruhe genießen.


    Mal sehen - anschließend könnten wir uns ja Richard Strauss vornehmen. :)


    Gruß und Gute Nacht
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Weil mein Name hier erwähnt wurde ...


    Ich habe mich sehr gefreut, dass endlich wieder Leben in das Liedforum gekommen ist. WoKa sei Dank!
    Mit Interesse und großer Aufmerksamkeit verfolgte ich, wie es sich entfaltete. Verwunderung und Nachdenklichkeit stellten sich dabei ein. Verwunderung darüber, wie viele es hier gibt, die das Kunstlied lieben und über große Kennerschaft diesbezüglich verfügen; Nachdenklichkeit angesichts der Tatsache, dass ich mit dem, was ich meinerseits hier treibe, nicht nur keinen von ihnen zur Beteiligung und Mitarbeit zu motivieren vermag, sondern möglicherweise sogar Schaden anrichte.
    Warum ich selbst mich hier nicht beteiligte, das hat einen ganz einfachen Grund. Ich sagte mir: Halt die Klappe und störe die Nachtigallen nicht!

  • Nachdenklichkeit angesichts der Tatsache, dass ich mit dem, was ich meinerseits hier treibe, nicht nur keinen von ihnen zur Beteiligung und Mitarbeit zu motivieren vermag, sondern möglicherweise sogar Schaden anrichte.


    Lieber Helmut Hofmann,


    mit dem, was du hier in diesem Forum "treibst", leistest du ungleich Wertvolleres und daher ist deine diesbezügliche "Nachdenklichkeit" völlig unnötig. Einen eigenen Sängerliebling mit einem Schubert-Lied-Titel in den Ring zu werfen, ist weit unaufwändiger als allein das Lesen deiner analytischen Beiträge, geschweige denn eine Beiteiligung an diesen. Da erkennt man seine eigenen Grenzen und schreibt lieber nicht dazu, sondern hofft, irgendwann erst einmal in Ruhe gründlich nachlesen zu können. Da macht deine hiesige Arbeit aber nicht weniger wertvoll, im Gegenteil! :thumbup: :yes: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Helmut,


    In Diskussionen, die sich mit dem Liedgesang beschäftigen, ist hier im Forum Deine Mitarbeit immer gefragt und bereichernd. Nur hier bestehen unterschiedliche Aufgabenstelllungen und Arbeitsweisen. Du analysierst Liedtexte, die Kompositionen und den Vortrag des Interpreten methodisch und gründlich. Hier wird ein Tamino-Liederabend zusammengestellt, bei dem jeder ein Beispiel nennen kann. Damit werden Lieblingslieder und Lieblingssänger sicherlich schwerpunktmäßig nach dem Gesichtspunkt eigenes Gefallen ausgewählt. Du arbeitest mit dem Kopf, während bei der Zusammenstellung unsere Liederabends das Herz entscheidet.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Du arbeitest mit dem Kopf, während bei der Zusammenstellung unsere Liederabends das Herz entscheidet.


    Lieber "Operus",


    ich glaube nicht, dass Helmut nur mit dem Kopf schreibt, sondern auch mit dem Herzen, sogar mit sehr viel Herzblut, denn wenn er nur seinen Kopf benutzen würde, würde der ihm vielleicht sagen: Mach dir doch nie Mühe nicht und genieße lieber deinen Lebensabend! Sein Herz sagt ihm aber etwas anderes - und das ist auch gut so, gut für uns alle!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo!


    Gerade ist Pause. Das erste Set des Tamino-Liederabends "Franz Schubert " ist vorbei.


    Alle Stücke in der von uns zusammen gestellten Reihenfolge mit den festgelegten Interpreten.


    Dazu ein schönes Fläschchen Merlot von dem Pfälzer Winzer Alfons Ziegler.


    Die einzige kleine Beeinträchtigung: Unsere Havaneser-Hündin Amy, die neben mir liegt, schnarcht zeitweilig

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die einzige kleine Beeinträchtigung: Unsere Havaneser-Hündin Amy, die neben mir liegt, schnarcht zeitweilig

    Das kann einem im Live-Liederabend mit dem menschlichen Nachbarn auch passieren! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo!


    Hier das abschließende Programm des Liederabends mit den jeweiligen poetischen Grundlagen.
    Ich habe mir - soweit vorhanden - auch die Erläuterungen von Helmut Hofmann zusammengetragen.


    Gruß WoKa



    Der Tamino Liederabend: Franz Schubert



    01 Der Zwerg Werner Hollweg
    02 Gretchen am Spinnrad Jessye Norman
    03 Im Abendrot Matthias Goerne
    04 Hirt auf dem Felsen Soile Isokoski
    05 Nacht und Träume Christoph Prégardien mit Michael Gees
    06 Erlkönig Elisabeth Söderström
    07 Des Fischers Liebesglück Christian Gerhaher
    08 Ganymed Elisabeth Schwarzkopf
    09 Die Grenzen der Menschheit Gottlob Frick
    10 Herbst Christiane Karg
    11 Greisengesang Timothy Sharp
    12 Die Forelle Elisabeth Grümmer


    Pause


    13 Der Wanderer an den Mond Carl Erb
    14 Der Doppelgänger Hans Hotter
    15 Ständchen Fritz Wunderlich
    16 Des Baches Wiegenlied Gérard Souzay
    17 Der Lindenbaum Hermann Prey
    18 Mut Dietrich Fischer-Dieskau mit Maurizio Pollini
    19 Die Nebensonnen Siegfried Lorenz
    20 Der Leiermann Thomas Quasthoff


    Der Zwerg


    Im trüben Licht verschwinden schon die Berge,
    Es schwebt das Schiff auf glatten Meereswogen,
    Worauf die Königin mit ihrem Zwerge.
    Sie schaut empor zum hochgewölbten Bogen,
    Hinauf zur lichtdurchwirkten blauen Ferne;
    Die mit der Milch des Himmels [blau]1 durchzogen.
    "Nie, nie habt ihr mir gelogen noch, ihr Sterne,"
    So ruft sie aus, "bald werd' ich nun entschwinden,
    Ihr sagt es mir, doch sterb' ich wahrlich gerne."
    Da tritt der Zwerg zur Königin, mag binden
    Um ihren Hals die Schnur von roter Seide,
    Und weint, als wollt' er schnell vor Gram erblinden.
    Er spricht: "Du selbst bist schuld an diesem Leide
    Weil um den König du mich hast verlassen,
    Jetzt weckt dein Sterben einzig mir noch Freude.
    "Zwar werd' ich ewiglich mich selber haßen,
    Der dir mit dieser Hand den Tod gegeben,
    Doch mußt zum frühen Grab du nun erblassen."
    Sie legt die Hand aufs Herz voll jungem Leben,
    Und aus dem Aug' die schweren Tränen rinnen,
    Das sie zum Himmel betend will erheben.
    "Mögst du nicht Schmerz durch meinen Tod gewinnen!"
    Sie sagt's; da küßt der Zwerg die bleichen Wangen,
    D'rauf alsobald vergehen ihr die Sinnen.
    Der Zwerg schaut an die Frau, von Tod befangen,
    Er senkt sie tief ins Meer mit eig'nen Händen,
    Ihm brennt nach ihr das Herz so voll Verlangen,
    An keiner Küste wird er je mehr landen.


    Matthäus von Colin


    Gretchen am Spinnrade

    Meine Ruh ist hin,
    Mein Herz ist schwer,
    Ich finde sie nimmer
    Und nimmermehr.
    Wo ich ihn nicht hab,
    Ist mir das Grab,
    Die ganze Welt
    Ist mir vergällt.
    Mein armer Kopf
    Ist mir verrückt,
    Mein armer Sinn
    Ist mir zerstückt.
    Nach ihm nur schau ich
    Zum Fenster hinaus,
    Nach ihm nur geh ich
    Aus dem Haus.
    Sein hoher Gang,
    Sein' edle Gestalt,
    Seines Mundes Lächeln,
    Seiner Augen Gewalt,
    Und seiner Rede
    Zauberfluss,
    Sein Händedruck,
    Und ach, sein Kuss.
    Mein Busen drängt
    Sich nach ihm hin.
    Auch dürf ich fassen
    Und halten ihn,
    Und küssen ihn,
    So wie ich wollt,
    An seinen Küssen
    Vergehen sollt!


    Johann Wolfgang von Goethe



    Im Abendrot


    O wie schön ist deine Welt,
    Vater, wenn sie golden strahlet!
    Wenn dein Glanz herniederfällt
    Und den Staub mit Schimmer malet,
    Wenn das Rot, das in der Wolke blinkt,
    In mein stilles Fenster sinkt!
    Könnt ich klagen, könnt ich zagen?
    Irre sein an dir und mir?
    Nein, ich will im Busen tragen
    Deinen Himmel schon allhier.
    Und dies Herz, eh' es zusammenbricht,
    Trinkt noch Glut und schlürft noch Licht


    Karl Gottfried Lampe


    Der Hirt auf dem Felsen


    Wenn auf dem höchsten Fels ich steh',
    In's tiefe Tal hernieder seh',
    Und singe.


    Fern aus dem tiefen dunkeln Tal
    Schwingt sich empor der Widerhall
    Der Klüfte.


    Je weiter meine Stimme dringt,
    Je heller sie mir wieder klingt
    Von unten.


    Mein Liebchen wohnt so weit von mir,
    Drum sehn' ich mich so heiß nach ihr
    Hinüber.


    In tiefem Gram verzehr ich mich,
    Mir ist die Freude hin,
    Auf Erden mir die Hoffnung wich,
    Ich hier so einsam bin.


    So sehnend klang im Wald das Lied,
    So sehnend klang es durch die Nacht,
    Die Herzen es zum Himmel zieht
    Mit wunderbarer Macht.


    Der Frühling will kommen,
    Der Frühling, meine Freud',
    Nun mach' ich mich fertig
    Zum Wandern bereit


    Wilhelm Müller /Karl August Vanhagen von Ense



    Nacht und Träume

    Heil’ge Nacht, du sinkest nieder;
    Nieder wallen auch die Träume
    Wie dein Mondlicht durch die Räume,
    Durch der Menschen stille Brust.
    Die belauschen sie mit Lust;
    Rufen, wenn der Tag erwacht:
    Kehre wieder, heil’ge Nacht!
    Holde Träume, kehret wieder!


    Matthäus von Colin


    Erlkönig

    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
    Es ist der Vater mit seinem Kind;
    Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
    Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
    «Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?» -
    «Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
    Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?»
    «Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.»
    "Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
    Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
    Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
    Meine Mutter hat manch gülden Gewand."
    «Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
    Was Erlenkönig mir leise verspricht?»
    «Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:
    In dürren Blättern säuselt der Wind.»
    "Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
    Meine Töchter sollen dich warten schön;
    Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
    Und wiegen und tanzen und singen dich ein."
    «Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
    Erlkönigs Töchter am düstern Ort?»
    «Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
    Es scheinen die alten Weiden so grau.»
    "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
    Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."
    «Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
    Erlkönig hat mir ein Leids getan!»
    Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
    Er hält in Armen das ächzende Kind,
    Erreicht den Hof mit Müh' und Not:
    In seinen Armen das Kind war tot


    Johann Wolfgang von Goethe


    Des Fischers Liebesglück

    Dort blinket durch Weiden
    Und winket ein Schimmer
    Blaßstrahlig vom Zimmer
    Der Holden mir zu.
    Es gaukelt wie Irrlicht
    Und schaukelt sich leise,
    Sein Abglanz im Kreise
    Des schwankenden Sees.
    Ich schaue mit Sehnen
    Ins Blaue der Wellen
    Und grüße den hellen,
    Gespiegelten Strahl.
    Die blassen Nachtnebel
    Umfassen mit Hüllen
    Vor Spähern den stillen,
    Unschuldigen Scherz.
    Und tauschen wir Küsse
    So rauschen die Wellen,
    Im Sinken und Schwellen
    Den Horchern zum Trotz.
    Nur Sterne belauschen
    Uns ferne, und baden
    Tief unter den Pfaden
    Des gleitenden Kahns.
    So schweben wir selig
    Umgeben vom Dunkel,
    Hoch überm Gefunkel
    Der Sterne einher.
    Und weinen und lächeln,
    Und meinen enthoben
    Der Erde schon oben,
    Schon drüben zu sein.


    Karl Gottfried Ritter von Leitner



    Ganymed


    Wie im Morgenglanze
    Du rings mich anglühst,
    Frühling, Geliebter!
    Mit tausendfacher Liebeswonne
    Sich an mein Herz drängt
    Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl,
    Unendliche Schöne!
    Daß ich dich fassen möcht'
    In diesen Arm!
    Ach, an deinem Busen
    Lieg' [ich, schmachte
    Und deine Blumen, dein Gras
    Drängen sich an mein Herz.
    Du kühlst den brennenden
    Durst meines Busens,
    Lieblicher Morgenwind!
    Ruft drein die Nachtigall
    Liebend nach mir aus dem Nebeltal.
    Ich komm', ich komme!
    Wohin? Ach, wohin?
    Hinauf! Hinauf strebt's.
    Es schweben die Wolken
    Abwärts, die Wolken
    Neigen sich der sehnenden Liebe.
    Mir! Mir!
    In eurem Schosse
    Aufwärts!
    Umfangend umfangen!
    Aufwärts an deinen Busen,
    Alliebender Vater!


    Johann Wolfgang von Goethe



    Die Grenzen der Menschheit


    Wenn der uralte
    Heilige Vater
    Mit gelassener Hand
    Aus rollenden Wolken
    Segnende Blitze
    Über die Erde sät,
    Küß' ich den letzten
    Saum seines Kleides,
    Kindliche Schauer
    Treu in der Brust.


    Denn mit Göttern
    Soll sich nicht messen
    Irgendein Mensch
    Hebt er sich aufwärts
    Und berührt
    Mit dem Scheitel die Sterne,
    Nirgends haften dann
    Die unsichern Sohlen,
    Und mit ihm spielen
    Wolken und Winde.


    Steht er mit festen,
    Markigen Knochen
    Auf der wohlgegründeten,
    Dauernden Erde;
    Reicht er nicht auf,
    Nur mit der Eiche
    Oder der Rebe
    Sich zu vergleichen.

    Was unterscheidet
    Götter von Menschen?
    Daß viele Wellen
    Vor jenen wandeln,
    Ein ewiger Strom:
    Uns hebt die Welle,
    Verschlingt die Welle,
    Und wir versinken.

    Ein kleiner Ring
    Begrenzt unser Leben,
    Und viele Geschlechter
    Reihen sich dauernd
    An ihres Daseins
    Unendliche Kette.


    Johann Wolfgang von Goethe


    Herbst


    Es rauschen die Winde
    So herbstlich und kalt;
    Verödet die Fluren,
    Entblättert der Wald.
    Ihr blumigen Auen!
    Du sonniges Grün!
    So welken die Blüten
    Des Lebens dahin.


    Es ziehen die Wolken
    So finster und grau;
    Verschwunden die Sterne
    Am himmlischen Blau!
    Ach, wie die Gestirne
    Am Himmel entflieh'n,
    So sinket die Hoffnung
    Des Lebens dahin!


    Ihr Tage des Lenzes
    Mit Rosen geschmückt,
    Wo ich die Geliebte
    Ans Herze gedrückt!
    Kalt über den Hügel
    Rauscht, Winde, dahin!
    So sterben die Rosen
    Der Liebe dahin.


    Friedrich Hölderlin



    Greisengesang


    Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach;
    Doch warm ist mir's geblieben im Wohngemach.
    Der Winter hat die Scheitel mir weiß gedeckt;
    Doch fließt das Blut, das rote, durchs Herzgemach.
    Der Jugendflor der Wangen, die Rosen sind
    Gegangen, all gegangen einander nach -
    Wo sind sie hingegangen? ins Herz hinab:
    Da blühn sie nach Verlangen, wie vor so nach.
    Sind alle Freudenströme der Welt versiegt?
    Noch fließt mir durch den Busen ein stiller Bach.
    Sind alle Nachtigallen der Flur verstummt?
    Noch ist bei mir im Stillen hier eine wach.
    Sie singet: "Herr des Hauses! verschleuß dein Tor,
    Daß nicht die Welt, die kalte, dring ins Gemach.
    Schleuß aus den rauhen Odem der Wirklichkeit,
    Und nur dem Duft der Träume gib Dach und Fach!"


    Friedrich Rückert


    Die Forelle


    In einem Bächlein helle, da schoß in froher Eil,
    die launische Forelle vorüber wie ein Pfeil.
    Ich stand an dem Gestade und sah in süßer Ruh`
    des muntr´en Fischleins Bade
    im klaren Bächlein zu.


    Ein Fischer mit der Rute
    wohl an dem Ufer stand,
    er sah mit kühlem Blute,
    wie sich das Fischlein wand.
    Sie springet auf die Schnelle,
    ich lacht ihr ins Gesicht;
    so fängt er die Forelle mit seiner Angel nicht.

    Doch endlich ward dem Diebe
    die Zeit wohl doch zu lang,
    er macht das Bächlein trübe und eh ich es gedacht,
    so zuckte seine Rute, das Fischlein zappelte daran
    und ich mit regem Blute sah die Betrogne an


    Christian Daniel Friedrich Schubart


    Der Wanderer an den Mond


    Auf Erden - ich, am Himmel - du
    Wir wandern beide rüstig zu:
    Ich ernst und trüb, du und rein,
    Was mag der Unterschied wohl sein?
    Ich wandre fremd von Land zu Land,
    So heimatlos, so unbekannt;
    Berg auf, Berg ab, Wald ein, Wald aus,
    Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus.
    Du aber wanderst auf und ab
    Aus Ostens Wieg' in Westens Grab,
    Wallst Länder ein und Länder aus,
    Und bist doch, wo du bist, zu Haus.
    Der Himmel, endlos ausgespannt,
    Ist dein geliebtes Heimatland;
    O glücklich, wer, wohin er geht,
    Doch auf der Heimat Boden steht!


    Johann Gabriel Seidl



    Der Doppelgänger


    Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
    In diesem Hause wohnte mein Schatz;
    Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
    Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.


    Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
    Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
    Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe -
    Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.


    Du Doppelgänger! du bleicher Geselle!
    Was äffst du nach mein Liebesleid,
    Das mich gequält auf dieser Stelle,
    So manche Nacht, in alter Zeit?


    Heinrich Heine


    Ständchen


    Leise flehen meine Lieder
    Durch die Nacht zu dir;
    In den stillen Hain hernieder,
    Liebchen, komm zu mir!


    Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
    In des Mondes Licht;
    Des Verräters feindlich Lauschen
    Fürchte, Holde, nicht.


    Hörst die Nachtigallen schlagen?
    Ach! sie flehen dich,
    Mit der Töne süßen Klagen
    Flehen sie für mich.


    Sie verstehn des Busens Sehnen,
    Kennen Liebesschmerz,
    Rühren mit den Silbertönen
    Jedes weiche Herz.


    Laß auch dir die Brust bewegen,
    Liebchen, höre mich!
    Bebend harr' ich dir entgegen!
    Komm, beglücke mich!


    Ludwig Rellstab



    Des Baches Wiegenlied


    Gute Ruh, gute Ruh!
    Tu die Augen zu!
    Wandrer, du müder, du bist zu Haus.
    Die Treu' ist hier,
    Sollst liegen bei mir,
    Bis das Meer will trinken die Bächlein aus.
    Will betten dich kühl
    Auf weichem Pfühl
    In dem blauen kristallenen Kämmerlein.
    Heran, heran,
    Was wiegen kann,
    Woget und wieget den Knaben mir ein!
    Wenn ein Jagdhorn schallt
    Aus dem grünen Wald,
    Will ich sausen und brausen wohl um dich her.
    Blickt nicht herein,
    Blaue Blümelein!
    Ihr macht meinem Schläfer die Träume so schwer.
    Hinweg, hinweg
    Von dem Mühlensteg,
    Böses Mägdelein, daß ihn dein Schatten nicht weckt!
    Wirf mir herein
    Dein Tüchlein fein,
    Daß ich die Augen ihm halte bedeckt!
    Gute Nacht, gute Nacht!
    Bis alles wacht,
    Schlaf aus deine Freude, schlaf aus dein Leid!
    Der Vollmond steigt,
    Der Nebel weicht,
    Und der Himmel da oben, wie ist er so weit!


    Wilhelm Müller



    Der Lindenbaum


    Am Brunnen vor dem Tore,
    Da steht ein Lindenbaum:
    Ich träumt’ in seinem Schatten
    So manchen süßen Traum.
    Ich schnitt in seine Rinde
    so manches liebe Wort;
    Es zog in Freud und Leide
    Zu ihm mich immer fort.
    Ich mußt’ auch heute wandern
    Vorbei in tiefer Nacht,
    Da hab ich noch im Dunkel
    Die Augen zugemacht.
    Und seine Zweige rauschten,
    Als riefen sie mir zu:
    Komm her zu mir, Geselle,
    Hier findest Du Deine Ruh!
    Die kalten Winde bliesen
    Mir grad in’s Angesicht;
    Der Hut flog mir vom Kopfe,
    Ich wendete mich nicht.
    Nun bin ich manche Stunde
    entfernt von jenem Ort,
    Und immer hör ich’s rauschen:
    Du fändest Ruhe dort.


    Wilhelm Müller


    Mut


    Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
    Schüttl' ich ihn herunter.
    Wenn mein Herz im Busen spricht,
    Sing' ich hell und munter.
    Höre nicht, was es mir sagt,
    Habe keine Ohren;
    Fühle nicht, was es mir klagt,
    Klagen ist für Toren.
    Lustig in die Welt hinein
    Gegen Wind und Wetter !
    Will kein Gott auf Erden sein,
    Sind wir selber Götter !


    Wilhelm Müller


    Die Nebensonnen


    Drei Sonnen sah ich am Himmel steh'n,
    Hab' lang und fest sie angeseh'n;
    Und sie auch standen da so stier,
    Als wollten sie nicht weg von mir.
    Ach, meine Sonnen seid ihr nicht !
    Schaut ander'n doch ins Angesicht !
    Ja, neulich hatt' ich auch wohl drei;
    Nun sind hinab die besten zwei.
    Ging nur die dritt' erst hinterdrein !
    Im Dunkel wird mir wohler sein.


    Wilhelm Müller


    Der Leiermann


    Drüben hinterm Dorfe
    steht ein Leiermann
    Und mit starren Fingern
    dreht er, was er kann.
    Barfuß auf dem Eise
    wankt er hin und her
    Und sein kleiner Teller
    bleibt ihm immer leer.
    Keiner mag ihn hören,
    keiner sieht ihn an,
    Und die Hunde knurren
    um den alten Mann.
    Und er läßt es gehen
    alles, wie es will,
    Dreht und seine Leier
    steht ihm nimmer still.
    Wunderlicher Alter,
    soll ich mit dir geh'n?
    Willst zu meinen Liedern
    deine Leier dreh'n?


    Wilhelm Müller

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • kürzlich kam eine CD mit Orchestrierungen von Schubert Liedern unter dem Titel "Schubert revisited" heraus . Zumeist fand ich diese Stücke nicht besonders ansprechend- mit allerdings einigen wenigen Ausnahmen, vor allem dem packenden Erlkönig und des Fischers Liebesglück:

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan