Beethoven - leidenschaftlich: Klaviersonate Nr 23 in f-moll-op. 57 "Appassionata" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    György Cziffra, Klavier
    AD: Zwischen 1959 und 1986
    Spielzeiten: 10:20-7:12-8:42 -- 26:24 min.;


    György Cziffra spielt den Hauptsatz ganz anders als viele Andere. Das klingt geheimnisvoll, sozusagen ein Misterioso. Vor allem das Klopfmotiv nimmt er länger und schwerer, drückend- faszinierend.
    Und welch ein Kontrast tut sich nach dem poco ritartando im Forte, eher Fortissimo, des "a Tempo" ab Takt 14 mit Auftakt, auf.
    Hell und kraftvoll perlen die Sechzehntel in die Abwärtsbewegung, und gleich darauf geht es in den ff-Anstiegen wieder dunkel dräuend ins Ungewisse.
    Auch in der Überleitung präsentiert er auf engstem Raum beiden Klangbilder, das Helle, beinahe Elysische im Diskant und das Dunkle romantische Verhangene im Tiefbass.
    Ich weiß ja viel zu wenig über die Klavierwerke Franz Liszts und über seinen Landsmann György Cziffra, von dem ich lediglich die ungarischen Rhapsodien und einige kleine Einzelwerke habe, aber mir scheint da eine Verbindung zu liegen zu dieser faszinierenden Interpretation der Appassionata.
    Auch das Seitenthema trägt diese duale Ansicht, und in dem neuerlichen Übergang, gleiten die hellen, fast grellen Trillertreppenstufen unerbittlich wieder in den dunklen, geheimnisvollen Tiefbass, die andere Seite der Medaille, die sich in dem machtvoll gespielten Schlusssatz fortsetzt, wieder in den Diskant hinein vorstößt und dann im Diminuendo in Takt 64 fast "morendo" wieder in die Gegenrichtung versinkt. So schlüssig ist mir das eigentlich, wie ich glaube, noch nie aufgefallen.
    Und dann spielt er auch atemberaubend den Beginn der Durchführung ab Takt 65, hier noch in Moll, wo die Figur in Takt 66 in Dur aufscheint und bei Cziffra, wie ich finde, fast pastoral leuchtet. Dann lässt er eindrucksvoll die Trilleroktavwechsel folgen (Takt 70 bis 77) mit dem dynamischen Akzent jeweils auf der Mitte, bevor das Thema zwischen Takt 79 und 90 dynamisch sehr hoch stehend die Oktaven wechselt, sozusagen den ersten musikalischen Höhepunkt der Durchführung offerierend und mit den kontrastierenden Sechzehnteln als Kontrast in wilder Hatz zur Weiderholung der Überleitung führend, in der sich das musikalischen Geschehen vorübergehend beruhigt, von Cziffra hier eindrucksvoll wieder gegeben, aber auch, wie ich finde, durch gelegentliche kaum merkliche Temposchwankungen anzeigt, dass die Ruhe nur trügerisch ist, wie wir im Seitenthema noch eindrucksvoller als in der Exposition noch feststellen werden. Das beginnt schon in dem lyrischen Aufschwung ab Takt 105, in dem Cziffra das Crescendo kräftig und klar, ja fast grell gestaltet.
    Ebenso schnell geht es in seiner Interpretation mit dem Seitenthema dahin, das innerhalb kürzester Zeit, spätestens ab dem sempre piu forte (Takt 118 mit Auftakt) zerfasert wird und in den wilden Sechzehntelfiguren ab Takt 123 untergeht und in der Überleitung mit den Oktavwechseln des Klopfmotivs unter der Begleitung der sinistren Sechzehntelfiguren nochmal ein dynamischer Höhepunkt entsteht, bevor es in Takt 137 in die Reprise geht.
    Jetzt in der Reprise spielt Cziffra interessanterweise das Klopfmotiv in dem schnelleren Tempo, dass auch viele seiner Kolleginnen und Kollegen bevorzugen.
    Die nunmehr fünf ff-Aufwärtsbewegungen spielt er mit der gleichen dynamischen Verve wie in der Exposition, auch die neuerliche modulierende Überleitung und das Seitenthema. Noch Eines muss ich hier zum Seitenthema bemerken, dass er den trennenden Takt 181 (42), der sozusagen das "Helle" vom "Dunklen" trennt, wesentlich weicher, ja fast versöhnlicher spielt als etliche seiner Kollegen. Dafür hat sein Achtelabstieg wieder etwas "Endgültiges", einschließlich der massiven Schlussgruppe.
    Wunderbar auch wieder sein "singendes" Diminuendo ab Takt 203 (64), aber wie unerbittlich auch sein erneutes Zerbröseln des lyrischen Seitenthemas, das mit unvermindertem Tempo in die grandios gespielten Arpeggien übergeht. Auch das erneut "beruhigende" Ritartando (adagio) spielt er meisterlich, ebenso wie die hämmernde Coda, die er in ein höchst kontrastreiches verdämmerndes "morendo" übergehen lässt.


    Im Andante con moto spielt Cziffra den ersten Teil des Themas (Takt 1 bis 8) mit unglaublicher Wärme und moderater dynamischer Akzentuierung. Das ist reiner Gesang.
    Im zweiten Thementeil (Takt 9 bis 17)geht die dynamische Kurve merklich nach oben, der erste Akzent Takt 10 noch sehr sanft, der zweite Takt 12 stärker und der dritte mit dem Cresc./Rinf. Takt 13 und 14 noch ein wenig stärker. Es sieht also bis hierhin so aus, als ob er den dynamischen Verlauf kontinuierlich bis zum Ende der letzten Variation steigern will, wie es gehört. So sanft das auch im Thema klingen mag, schon im zweiten Teil lässt Cziffra mit seiner tiefdunklen Bassfärbung schon die Gedanken gelegentlich abschweifen in eine andere weniger sanfte Richtung.
    In der unglaublich gespielten ersten Variation tritt dies Gefühl noch stärker zutage. Dieser trotz des langsamen Tempos immer noch schreitende Rhythmus kündigt an, dass es immer nur in eine Richtung geht. Auch im zweiten Teil der ersten Variation (Takt 31) fällt wieder auf, wie sorgfältig György Cziffra jede kleinste dynamische Regung beachtet und dadurch die Struktur ungemein erhellt.
    Die zweite Variation singt Cziffra mit seinem Instrument wieder sehr berührend. Wunderbar finde ich die Sechzehntelfigur im Bass in Takt 40 und diejenige in Takt 48. So etwas komponiert nur Beethoven, der Großmeister der langsamen Sätze. Aber in der dynamischen Aufwärtsbewegung macht Cziffra immer noch kleine Schritte.
    Aber in der dritten Variation öffnet sich dann die dynamische Schere, wobei hier temporal die Zweiunddreißigstelsequenz erreicht ist. Innerhalb dieser Variation steigert er dann so wunderbar, dass m. E. kein Wunsch mehr offen bleibt, wobei sich die Gelehrten darüber streiten mögen, ob er in Takt 71 und Takt 79 wirklich das Fortissimo erreicht hat. Das ist für mich nicht mehr relevant, wenn das Gesamtkonstrukt so überzeugend ist.
    Auch das abschließende Thema, dass hier dynamisch wesentlich kontrastreicher ist als zu Beginn, lässt für mich keine Wünsche offen.
    Hier hat ein großer Pianist bewiesen, dass langsame Sätze Beethovens dann optimal wiedergegeben werden können, wenn man sie auch langsam spielt und in einem schlüssigen Tempo sich ganz dem musikalischen Ausdruck hingeben kann.


    Im letzten Takt 97: attacca, setzt Cziffra einen trockenen, heftigen ff-Takt, wobei er im Beginn des Allegro, ma non troppo (und die Satzbezeichnung gehört in einer großen Palette verschiedener Tempi ja eher noch zur langsameren Hälfte, was sich natürlich nicht auf die unglaubliche Coda bezieht), das Fortissimo vergleichsweise moderat spielt und erst ab Takt 13 dynamisch so richtig loslegt.
    Cziffra gehört zu denjenigen, die die Satzbezeichnung "Allegro, ma non troppo" ernst nehmen. Die andere Fraktion, die das Finale möglichst schnell spielt (einschließlich des "ma non troppo), muss schon über die Ausdruckstiefe eines Swjatoslaw Richter oder eines Lazar Berman verfügen, um in einem so hohen Tempo eine so große musikalische Ausdruckstiefe zu erreichen. Cziffra lässt sich nicht auf das Spiel ein.
    Dynamisch setzt er den eigentlichen Beginn nach der Einleitung in Takt in Takt 13 an, der dann dynamisch auch schon etwas herausragt. Dieser dynamisch und rhythmisch so abwechslungsreiche
    Verlauf dieses verstörenden Finalsatzes gewinnt in Cziffra Lesart an Transparenz und Struktur. Die dynamische Auf-und Abwärtsbewegungen treten klar hervor, kein Ton fällt dem Tempo zum Opfer.
    Am Ende der Exposition legt er in den fünf hackenden Oktavtakten 99, 103, 105, 107, 109 und 111 dynamisch ordentlich zu und geht in la seconda parte.
    Diesen zweiten Teil des Finales spielt Cziffra mit der gleichen Ruhe und Konzentration wie den ersten. Man kann ihm höchstens vorwerfen (aber warum eigentlich), dass er sich von der Sogkraft dieses Satzes (die hauptsächlich pianistische Hitzköpfe ergreift), nicht forttragen lässt.
    In den berühmten acht Doppeltakten mit den ansteigenden Oktavhämmern (Takt 168 bis 176) ist selten so viel Struktur zu vernehmen wie bei Cziffra und einigen anderen, die in diesem Tempo unterwegs sind.
    Aber auch die "Ruhepause" im Diminuendo (Takt 186 bis 211) lenkt trotz des moderaten Tempos Cziffra nicht vom Inhalt dieses Satzes ab, von seiner Unerbittlichkeit, von einem Weg ohne Ausweg, ohne Wiederkehr, wie in der Reprise ab Takt 212 so eindrucksvoll zu hören ist.
    Auch die Reprise spielt Cziffra mit der gleichen temporalen Konsequenz wie die Exposition. Auch bei ihm ist im musikalischen Ausdruck die Sequenz in der hohen Oktave ab Takt 260 ein Höhepunkt in diesem Satz.
    Natürlich wiederholt Cziffra auch la seconda Parte und gestattet sich lediglich, im Presto das Tempo gewaltig zu erhöhen, weil es ja auch ein Presto ist - im Gegensatz zu einem Allegro ma non troppo.
    Aber bei alledem verliert er nie die Kontrolle, spielt von Anfang bis zum Ende kristallklar und, sozusagen, trotz seiner überragenden Fähigkeiten, ohne den Virtuosen herauszukehren, sondern sich ganz in den Dienst der Sache zu stellen.


    Eine überragende Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    was für eine Freude, am Sonntagmorgen Deine so begeistert-inspirierende Cziffra-Rezension zu lesen! :) Dass Du diese "romantische" Seite herausgestellt hast bei ihm, finde ich ungemein erhellend und habe große Lust, mir seine Appassionata nun nochmals anzuhören! :hello:


    Einen schönen Sonntag wünscht
    Holger

  • Danke, lieber Holger, auch noch einmal für die Dateien. Ich finde auch, dass die Musik die Sichtweise Cziffras ohne Weiteres hergibt.


    Auch dir und deiner Frau einen schönen Sonntag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi,


    meinen schönen Dank zurück! :) Hast Du den "neuen" Gilels schon vermerkt (gestern erschienen) - mit der Waldstein-Sonate:



    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich hatte den Giels noch nicht vermerkt, schönen Dank für den Tipp. Ich habe ihn sofort bestellt. Nach den Höreindrücken verspricht dies eine neue Referenz zu werden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • ich hatte den Giels noch nicht vermerkt, schönen Dank für den Tipp. Ich habe ihn sofort bestellt. Nach den Höreindrücken verspricht dies eine neue Referenz zu werden.

    Lieber Willi,


    nach den Hörschnipseln war ich auch "hin und weg" wie man so schön sagt - und habe sie schon gestern mitgenommen. Zum Hören kome ich wohl aber erst in einer Woche... :)


    Liebe Grüße
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Jorge Bolet, Klavier
    AD: 14. 5. 1988, Schwetzingen, live
    Spielzeiten: 10:36-7:17-9:26 -- 27:19 min.;


    Ich bin noch die Rezension der Live-Aufnahme Bolets schuldig. Schauen wir mal, was sich ergibt:
    Bolet geht das Allegro asssai temporal sehr moderat an, was ihn zunächst gar nicht so sehr von anderen unterscheidet. aber dann höre ich zum ersten Mal in meiner 71. Appassionaten-Rezension etwas, das ich in Wirklichkeit gar nicht höre: Bolet spielt in Takt 13 im Klopfmotiv im Tiefbass die Viertelnote nach den drei Achteln nicht: das ist das erste Mal, dass ich das nicht höre. Ich frage mich, warum das so ist, werde aber wahrscheinlich keine Antwort drauf erhalten. Der Hauptsatz sät bis hierhin nicht nur temporal moderat, sondern auch dynamisch und rhythmisch. Die dynamischen Akzente habe ich (Takte 9 und 11) vielfach deutlicher gehört.
    Auch im hochdynamischen "à tempo"- Abschnitt hätte er mehr aus sich herausgehen können, ja ich meine fast, müssen, denn die drei Fortissimo-Anstiege reißen keinen wirklich vom Hocker. Das geht schon fast ins Beiläufige.
    Das Seitenthema scheint ihm mehr entgegen zu kommen, jedoch stellt sich der schroffe stimmungsmäßige Gegensatz in dem berühmt-berüchtigten Takt 42 nicht so recht ein. Die Trillertreppe klingt recht ansehnlich, und die Achtelsequenz führt geradewegs nach unten, aber m. E. ohne die aussichtslose Leere.
    Auch dem Schlusssatz (ab Takt 51) mangelt es an glutvoller Durchdringung. Das ist alles glänzend musikziert, aber as erschüttert keinen (jedenfalls nicht mich).
    Auch in der Durchführung, in der Andere in den Trillern und den dynamischen Akzenten zu fesseln vermögen, ereignet sich hier; wenig. Das setzt sich in den Themenoktavwechseln ab Takt 79 fort. Jorge Bolet spielt das, das im ganzen Abschnitt im Forte steht, m. E. zu zaghaft und zu brav. Da sind bei anderen Pianisten doch ganz anders die Fetzen geflogen.
    Die neuerliche lyrische Überleitung zum Seitenthema spielt er dagegen ganz manierlich, doch als sich in der Folge das Seitenthema durch die knallharten Fortschreitungen auflöst, stellt sich bei ihm nicht diese Ausweglosigkeit des musikalischen Geschehens ein, dabei ist dies (ab Takt 116) im sempre piu forte ein dramatischer Höhepunkt dieses Satzes. Die Sequenz ab Takt 123 ist pianistisch glänzend gespielt, aber nicht Fortissimo. Auch der Überleitung ab Takt 130 fehlt es m. E. an Fortissimo-Kraft.
    So geht es beiläufig in die Reprise.
    In dieser sind wenigstens die ff-Aufwärtsgänge kraftvoller. Aber von der grellen Klangzeichnung anderer Pianisten in den Trillern ist er immer noch weit entfernt. Auch ansonsten gelten die in der Exposition festgestellten Aussagen auch für die Reprise. Z.. B. ist der Takt 192 keinesfalls ein Fortissimo, bestenfalls ein Forte. Es scheint fast, als wenn Bolet Angst hätte, Fortissimo zu spielen. Dabei ist doch di Appassionata eine Beethoven-Sonate, der das Fortissimo mit am wenigsten fremd sein dürfte.
    Wenigstens flackert im Crescendo ab Takt 213 etwas mehr Energie auf. Auch die Arpeggien ab Takt 227 spielt er technisch einwandfrei, aber ab Takt 22 steht in der Partitur ein "sempre fortissimo", aber das ist es keineswegs. Am Ende der Reprise spielt er allerdings das Ritartando ganz herausragend, aber das ist ja nur der kleinste Teil des ganzen Satzes.
    Auch die Qualität der kurzen Coda überragt den größten Teil des Kopfsatzes bei Weitem.


    Das Thema des Andante con moto gefällt mir insgesamt besser als der Kopfsatz, obwohl Bolet auch hier die dynamischen Verläufe, wie ich finde, nicht energisch genug nachzeichnet.
    Im ersten Teil der ersten Variation, wo andere Pianisten auch ohne Hinweise in der Partitur dynamisch strukturieren, tut Bolet dies hier nicht. Dadurch bleibt der Eindruck der Beiläufigkeit erhalten. Das zieht sich auch weiter so dahin. Und ohne dynamische Akzente ist auch Bolets Tempo hier im Andante zu langsam. Ich kann m., E. ein langsameres Tempo nur durch dynamische Strukturierung aufrecht erhalten. Das geht auch aus der zweiten Variation hervor, die konturlos vor sich hin plätschert.
    Dieses "Vor sich Hin plätschern" scheint auch in der dritten Variation wieder auf, in deren zweiter Hälfte in Takt 71 das ff keineswegs erreicht ist. Das ist bestenfalls ein Mezzoforte. So geht der Satz in diesem dynamisch unzureichenden Rahmen zu Ende.


    Das Finale wirkt vollends verstörend. Es schleicht in einem gewissen Tempo dahin, eingebettet in einen wiederum beiläufigen Rhythmus und in eine dynamisch langweilige Performance. Wenn ich dagegen z. B . an Swjatoslaw Richter denke: Wie hätte er all dies ohne die geringste Mühe weggeblasen.
    Auch dynamisch ist nochmals festzustellen, dass Bolet es an der nötigen Sorgfalt mangeln lässt: die dynamisch wichtigen Akzente in "la prima parte" in Takt 61 bis 73 sind einfach nicht zu vernehmen, und das mitreißende Gefühl, das sich bei andere Pianisten am Ende von "la prima parte" einstellt, ist hier m. E. keinesfalls zu verspüren. Die Oktavtreppen ab Takt 99 strahlen bei Bolet keine Wirkung aus. hier müssen die Fetzen fliegen.
    Es ist Bolet natürlich zu gute zu halten, dass er "la seconda parte" wieerholt. Aber er schlägt auch aus der Coda nicht die Funken, die man erwartet.


    Eine enttäuschende Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich bin noch die Rezension der Live-Aufnahme Bolets schuldig.

    Lieber Willi,


    das gilt auch für mich - heute morgen, bei endlich "moderaten" Temperaturen (was offensichtlich auch für Bolets Interpretation gilt :D ) werde auch ich diese "Schuld" abbüßen. Meine Erinnerungen sind ähnlich kritisch wie Deine! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Die Veröffentlichung dieses Konzerts, dass ich damals im Radio hörte und teilweise auf Cassette mitschnitt, bedeutet für mich eine Wiederbegegnung nach langer Zeit. Ich hatte es immer als ein sehr typisches Bolet-Konzert in Erinnerung behalten, das – bis auf die „Appassionata“, davon wird noch zu reden sein – seine großen Qualitäten zeigt: die überragende Geschmackssicherheit und Noblesse gerade, wenn es um Virtuosenliteratur geht und „dekadente“ Spätromantik, die er niemals ins klaviertechnisch Sportliche und Gesund-Robuste wandelt, sondern stets wohldosiert empfindsam bleibt im Verzicht auf jegliche virtuose Effekthascherei. Bolets Visitenkarte ist, romantische Virtuosität mit einer an Bach gemahnenden Durchsichtigkeit zu präsentieren, ohne jedes selbstgefällige Schwelgen im Gefühlsrausch. Die „Appassionata“ hatte ich allerdings in meiner Erinnerung mehr oder weniger ausgeblendet, das schien mir alles zu terrassenförmig abgeklärt gestaltet, ein Beethoven, wo Bolet wie beim Bau einer Kathedrale Stein für Stein Klangblöcke auftürmt statt einfach vorwärts zu stürmen und drängen. Dazu passt nun witziger Weise der Klappentext von Peter Cossé. Der Kritiker lobt die große Noblesse von Bolet – und gibt dem Meister wiederum die noble Geste zurück, indem er diese Bolet-„Appassionata“ schlicht mit Schweigen übergeht! Sprechender kann ein solches scheinbar großmütiges Verschweigen nicht sein – da verrät sich allzu offensichtlich das komplette Unverständnis eines Deutschen einem so gar nicht „deutsch“ tönenden Beethoven gegenüber.


    Aber muss man diese Bolet-„Appassionata“ wirklich schamhaft verschweigen? Jedes Konzert hat seine eigene Dramaturgie, und diese CD gibt insofern ein schiefes Bild, als nämlich ein wichtiger Programmpunkt Bolets an diesem Abend nicht übernommen würde, weil dies wohl die Spieldauer der CD überschreitet. Darüber informiert das Booklet nicht, aber ich weiß es, da ich das komplette Programm damals im Radio gehört und teilweise aufgenommen hatte. Bolet spielte nämlich noch von César Franck „Präludium, Choral und Fuge“ – und damit verrät das Programm letztlich seine Dramaturgie. Nicht zufällig also ist Mendelssohns Präludium und Fuge gewählt und die Norma-Paraphrase von Liszt. Bolet präsentiert „architektonischen“ Fugengeist im romantischen Sinne, also eine Architektur, welche romantische Empfindsamkeit fasst und zugleich über das Architektonische hinausgeht wie bei Franck, wo die Fuge eigentlich eine Fugen-Paraphrase ist, wozu wiederum die Liszt-Paraphrase als „freie“ Fortsetzung passt. Und genau da hinein stellt nun Bolet die „Appassionata“ in einem Programm, das Romantik durch das Zeigen von „Architektur“ Monumentalität verleihen will. Das kann man mit Jörn treffend auch „Würde“ nennen im Sinne von „bewältigter“ Romantik, die nicht einfach rauschhaft überwältigen will. Vergegenwärtigt man sich diese Programm-Gestaltung, dann verliert Bolets „gemäßigte“ Darstellung der „Appassionata“ doch einiges von ihrer Rätselhaftigkeit. Und ich muss sagen, dass ich beim Wiederhören doch beglückt war! Das liegt natürlich nicht zuletzt an meiner Schwäche für Ästhetik, für ein „schönes“ Klavierspiel. Denn Bolets „Appassionata“ ist einfach wunderbar gespielt, „schön“ nicht nur vom Klavierton her, auch von der Klarheit der Gestaltung, der bezwingenden Natürlichkeit, der funkelnden Farbigkeit, alles „sitzt“. Nur freilich ist das ein Beethoven ohne „Wille“. Bolet geht Beethoven an von der Melodik her – man darf nicht vergessen, er ist Godowsky-Schüler. Genau hier liegt das Problem eines solchen Interpretations-Ansatzes, da ist kein Antrieb, kein Drang zu spüren, der sich gegen irgendeinen imaginären „Widerstand“ ankämpft, den es zu überwinden gilt. Nein! Dieser Vortrag ist nie lasch, nie spannungslos, auch trefflich charakterisiert, aber er fließt eben wie eine gesungene Melodie dahin, die man zu ihrem Gang nicht irgendwie zwingen muss und die auch keine „Hemmungen“ kennt, die sich ihr in den Weg stellen. Sie quillt einfach aus ihr selbst wie ein Bach, der aus der Quelle sprudelt. Das ist der Beethoven eines Romanen, der weder deutsch-lutherische Derbheit noch die Grobheit von trotzigen Gewaltakten der Weltbewältigung kennt, sondern nur im Blick hat, eine großartige Sonatenarchitektur aufzubauen, Stein für Stein, bis die monumentale Klang-Kathedrale steht. Bezeichnend rückt in Bolets romantisierender Darstellung das Seitenthema ins Zentrum, mit seiner Kraft des geordneten, gefassten „Aufbaus“ erhebt es sich über die zerfließende Beweglichkeit des Hauptthemenkomplexes wie das gebaute Haus über sein tragendes Fundament. Bolets Spiel gelingt einfach in jedem Moment eine glückliche Fügung. Doch genau an dieser Stelle fragt man sich natürlich: Wird diese überragend souveräne, „integrale“ Sicht dem Appassionata-Geist wirklich gerecht? Ist hier nicht der „hässliche“ aber charakteristische Beethovensche Widerspruchsgeist, das Unwirsche, Ungebändigte, in lauter Schönheit gestorben? Keine Frage: Bolet ästhetisiert und romantisiert, aber eben unglaublich gekonnt. Er verwandelt Sturm und Drang in ein romantisches Monument, das Menschlich-Allzumenschliche des an sich selber leidenden Willens ins Erhabene, Übermenschliche von formbewältigter Empfindung. Denn Wärme und auch Leidenschaft hat Bolet – nur keine, welche Architekturen zertrümmert, destruiert statt konstruiert. Und Gespür für Proportionen und die Dosierung der Bewegungsmomente besitzt er ebenso. Das Andante con moto nimmt er passend eher herb, es hat Bewegung, freilich wiederum „gothisch“ vornehm ohne Stachel. Und im Finale, auch wenn es weder furios noch unbändig drängend ist, langweile ich mich doch nicht, weil es einfach entwaffnend natürlich gespielt ist mit einer sehr souveränen Coda als hymnischem Kulminationspunkt wie der Schlussstein eines Gewölbes. Was also sage ich heute nach so langer Zeit der Wiederbegegnung zu dieser Bolet-„Appassionata“? Ich weiß sehr gut, was diese „Appassionata“ nicht ist: Es ist eindeutig kein Sturm-und-Drang-Beethoven. Aber soll man dies wirklich nur negativ sehen? Worauf ich Wert legen würde ist: Man sollte diese „Appassionata“ nicht nur isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang sehen, als Teil des ausgewählten Programms an diesem Abend. Sie bildet sozusagen die klassische Mitte, in der sich Romantik und Spätromantik spiegeln und wird entsprechend von beiden Seiten „beleuchtet“. Wie ich das meine? Die eine Spiegelung ist der architektonische Fugengeist – Mendelssohns an Goethe geschulte und „gebändigte“ Romantik, die klassische Fassung romantischer Fassungslosigkeit unendlicher Sehnsucht. Die andere – romantisch-spätromantische – Seite kommt zum Vorschein bei César Franck, in Liszts Dämonie und nicht zuletzt der wunderschönen Elegie von Godowsky. Hier zeigt sich spätromantischer Geist der Gebrochenheit – die Ambiguität von Liebesfreud und Liebesleid wie bei Rachmaninow/Kreisler. Noblesse bedeutet bei Bolet also keineswegs einfach Glättung, sondern im spätromantischen Geiste die Brechung, Filterung des emotional vermeintlich Einfachen und Eindeutigen, seine Verfielfältigung ins Dämonisch-Mehrdeutige. Deutsche Eindimensionalität positivistischer Kraftakte wandelt sich somit in romantische Stimmungskomplexität, ein Changieren zwischen den Gegensätzen, ein Leuchten und Schillern, welches diese Bolet-„Appassionata“ so emotional „schön“ und ich muss sogar nach so langer Zeit sagen: faszinierend macht. Zugegeben: Dies ist zweifellos nicht die „originale“ Beethoven-Appassionata, sondern eine ins imaginäre Konzertmuseum zwischen Klassisch-Romantischem und Romantisch-Spätromantischem gestellte Bolet-„Appassionata“. Aber wer will eigentlich im Zeitalter der Postmoderne, der Zeit des „Abschieds vom Prinzipiellen“, eine Interpretation wirklich noch auf die Goldwaage des Authentizitäts-Glaubens legen?


    P.S. Für Willi: In Takt 14 beim klopfenden Schicksalsmotiv ist tatsächlich eine Taste hängen geblieben – so was passiert eben live! :hello:


    (Passend zugleich auch im Bolet-Thread eingestellt!)


    Noh einmal P.S. Gerade habe ich nachgeschaut: "Präludium, Choral und Fuge" von C. Franck aus dem Schwetzinger Konzert habe ich zum Glück noch von der Cassette über den Analog-Digitalwandler meines damaligen Hifi-CD-Brenners auf CD-R digitalisiert. Ich habe das Dokument, dass hier auf der CD fehlt, also tatsächlich als Beleg zur Verfügung! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Willi, lieber Holger,
    habt vielen Dank für die ausführlichen Rezensionen, in denen ich eines von meinen Eindrücken wiederfand, anderes nicht. Und das ist auch gut so. Ich würde, lieber Willi, für mich allerdings nicht so weit gehen, zu sagen, das mich die Aufnahme der Appassionata enttäuscht hätte. Hier entsprach der Ansatz anscheinend einfach so gar nicht Deiner Erwartung, weshalb ich Deine Reaktion absolut verstehen kann.


    Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    Vergegenwärtigt man sich diese Programm-Gestaltung, dann verliert Bolets „gemäßigte“ Darstellung der „Appassionata“ doch einiges von ihrer Rätselhaftigkeit.


    Zitat

    Man sollte diese „Appassionata“ nicht nur isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang sehen, als Teil des ausgewählten Programms an diesem Abend.


    Lieber Holger,
    Dein Ansatz, die Interpretation aus dem Programm des Recital heraus verstehen zu müssen, leuchtet mir absolut ein. Bolet ordnet das Werk damit praktisch einem Grundgedanken des Recital unter. So ergibt doch einiges von dem, was ich gehört habe, mehr Sinn, als mir bisher klar war. Vielen Dank, das hatte ich so noch gar nicht bedacht :)


    Zitat

    Dies ist zweifellos nicht die „originale“ Beethoven-Appassionata, sondern eine ins imaginäre Konzertmuseum zwischen Klassisch-Romantischem und Romantisch-Spätromantischem gestellte Bolet-„Appassionata“. Aber wer will eigentlich im Zeitalter der Postmoderne, der Zeit des „Abschieds vom Prinzipiellen“, eine Interpretation wirklich noch auf die Goldwaage des Authentizitäts-Glaubens legen?


    Auch da, lieber Holger, ist etwas Wahres daran. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass der vorwärtsdrängende Ansatz bei dieser Sonate mehr trägt, aber es ist in sich alles sehr stimmig.


    Ich finde, dass diese Aufnahme sehr schön zeigt, wie fruchtbar dieser thread ist. Willi, der "seinen" Beethoven durch eine Vielzahl von Aufnahmen gefunden hat, findet auf der Aufnahme nicht das vor, was er erwartet und ist erwartungsgemäß und verständlicherweise enttäuscht. Ich bin, obwohl großer Bolet Fan, beim Hören dennoch nicht ganz überzeugt und Holger hatte die Aufnahme eigentlich in etwas anderer Erinnerung und bietet nun mit dem Hinweis auf das Programm einen wichtigen Baustein, um die Aufnahme in ihrer speziellen Art zu verstehen. Welche Rezension könnte einen so differenzierten Blick auf ein Werk bieten?


    Herzlichen Dank und beste Grüße
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Ich finde, dass diese Aufnahme sehr schön zeigt, wie fruchtbar dieser thread ist.

    Das finde ich auch, lieber Jörn! "Präludium, Choral und Fuge" aus dem damaligen Programm habe ich zum Glück vor dem Ableben meines einstmaligen Hifi-CD-R-Brenners auf CD-R kopiert, sehe ich gerade! Ich kann es also "beweisen"! Eigentlich ist diese beschneidende "Auswahl" auf der CD künstlerisch kaum zu vertreten. Wirklich schade - denn der Franck ist ein Paradestück von Bolet. Da muss man dann zu seiner Decca-Aufnahme auf dem Baldwin-Flügel greifen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    schönen Dank für deine erhellende Rezension, die Bolets Interpretation in einen musikalisch-architektonischen Gesamtzusammenhang des Programms dieses Klavierabends stellt. Diese Sichtweise hatte ich natürlich nicht, sondern hatte die zuletzt gehörten grandiosen Aufnahmen von Arrau, Berman und Cziffra im Ohr. Folglich musste meine Beurteilung eher härter ausfallen, aber auch deswegen, weil ich als Laie mich an die Wahrhaftigkeit der Beethovenschen Partiturund an ihre Umsetzung halten muss.
    Da habe ich schon in den letzten Jahren bei mir eine zunehmende Toleranz gegen temporale und dynamische, auch rhythmische Abweichungen verschiedener Pianisten von der Partitur festgestellt. Und wenn ich die Aufnahme Bolets mit der Cziffras vergleiche, so sind sie in den Satzzeiten sehr ähnlich:
    Cziffra: 10:20-7:12-8:42 -- 26:14 min.;
    Bolet..: 10:36-7:17-9:26 -- 27:19 min;


    Dennoch kommen sie in ähnlichen Zeitabständen zu so unterschiedlichen Sichtweisen, wobei ich als Laie keine Chance habe, zu anderen Ergebnissen zu kommen, als zu denjenigen, die ich geschildert habe. Natürlich ist das, was Bolet gespielt hat, pianistisch großartig, aber ist es auch das, was in den Noten steht, und ist es vor allen Dingen das, was hinter den Noten steht?


    Zitat

    JLang: Ich würde, lieber Willi, für mich allerdings nicht so weit gehen, zu sagen, das mich die Aufnahme der Appassionata enttäuscht hätte. Hier entsprach der Ansatz anscheinend einfach so gar nicht Deiner Erwartung, weshalb ich Deine Reaktion absolut verstehen kann.


    Lieber Jörn, wäre Bolets Interpretation die erste gewesen, die ich gehört häte, so wäre ich vermutlich nicht enttäuscht gewesen, sondern hätte erfreut zur Kenntnis genommen, mit welchem Wohlklang und welcher "Würde", wie du es glaube ich gennant hast, er dieses Werk vorgetragen hat, aber es war die 71. Aufnahme.
    Ist es Zufall, dass Peter Cossé, den ich als langjhährigen Chefredakteur des Fono Forum kenne, seinen Text im Booklet mit den Worten "Mit dem Feuer nobler Gelassenheit" überschreibt? Weiter schreibt Cossé: "Beethoven - hier die Appassionata, übermittelte Bolet wie ein Partitur-Treuhänder." -- Ist das so?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    nachher melde ich mich nochmals zu diesem spannenden Thema. Nun muss ich erst einmal bei noch moderaten morgendlichen Temperaturen Musik hören... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • schönen Dank für deine erhellende Rezension, die Bolets Interpretation in einen musikalisch-architektonischen Gesamtzusammenhang des Programms dieses Klavierabends stellt. Diese Sichtweise hatte ich natürlich nicht, sondern hatte die zuletzt gehörten grandiosen Aufnahmen von Arrau, Berman und Cziffra im Ohr. Folglich musste meine Beurteilung eher härter ausfallen, aber auch deswegen, weil ich als Laie mich an die Wahrhaftigkeit der Beethovenschen Partiturund an ihre Umsetzung halten muss.
    Da habe ich schon in den letzten Jahren bei mir eine zunehmende Toleranz gegen temporale und dynamische, auch rhythmische Abweichungen verschiedener Pianisten von der Partitur festgestellt. Und wenn ich die Aufnahme Bolets mit der Cziffras vergleiche, so sind sie in den Satzzeiten sehr ähnlich:
    Cziffra: 10:20-7:12-8:42 -- 26:14 min.;
    Bolet..: 10:36-7:17-9:26 -- 27:19 min;


    Dennoch kommen sie in ähnlichen Zeitabständen zu so unterschiedlichen Sichtweisen, wobei ich als Laie keine Chance habe, zu anderen Ergebnissen zu kommen, als zu denjenigen, die ich geschildert habe. Natürlich ist das, was Bolet gespielt hat, pianistisch großartig, aber ist es auch das, was in den Noten steht, und ist es vor allen Dingen das, was hinter den Noten steht?

    Lieber Willi,


    ich glaube, die Frage hat hier weniger damit zu tun, ob wir als Hörer nun Laien, Liebhaber oder Kenner (natürlich gehörst Du "Tiefstapler" längst zur letzten Kategorie :D ) als Hörer sind. Man kann die Einstellung von Joachim Kaiser haben, und nach der "Wahrheit" der Appassionata suchen, wie sie eigentlich und richtig gespielt werden muss. Das war ja auch meine erste Reaktion 1988 gegenüber diesem Bolet-Konzert. Ich fand, dass er mit seiner Musizierhaltung Beethoven eigentlich nicht trifft. Bei Kaiser ist es Barenboim, dem er vorhält, die Appassionata zu verharmlosen und zu ästhetisieren. Die "Wahrheit" der Appassionata sei die Transzendierung des Ästhetischen ins Unästhetische, weswegen Kaiser Artur Schnabel für "den" Interpreten der Appassionata schlechthin hält. Du hast aber schön von Wahrhaftigkeit gesprochen - und die muß ja nicht Wahrheit sein. Beim Wiederhören habe ich mich einfach Bolets Sicht quasi zueigen gemacht bzw. das Bemerkenswerte und für mich Überraschende war, dass mir dieses "Kunststück" der Identifikation tatsächlich gelungen ist! Das Seltsame dabei ist: Ich hatte so einfach kein Bedürnis bei der Wahrhaftigkeit von Bolets Appassionata-Sicht, die Wahrheits-Frage im Sinne Kaisers überhaupt zu stellen. Dann frage ich mich wiederum selbst: Warum gefällt mir dann Perahia nicht, dessen Ästhetisierung ich als störende Verharmlosung empfand? Der Unterschied ist glaube ich, dass Perahia irgendwie noch den gewohnten Zugang hat, dann aber glättet. Und das fällt negativ auf. Bolet dagegen ist einfach radikal anders, so dass man gar nicht mehr auf die Idee kommt, zu vergleichen. Er erreicht eine fast vollkommene Geschlossenheit, so dass man hier sagen kann: das Werk ist seine Aufführung, welche dieses Musikstück in seiner Sicht neu entstehen läßt. Natürlich kann man hinterher sagen: So soll die Appassionata eigentlich nicht sein. Aber dann ist es so ähnlich wie mit Sokolov und seiner letzten Aufnahme der "Hammerklaviersonate". Das hat mir bei den Hörschnipseln erst gar nicht gefallen, die Eliminierung des "Sturm und Drang". Wenn man sich dann aber auf seine Deutung einläßt, dann auf einmal merkt man: das ist doch ein Erlebnis! (Kaufen muss ich beide Sokolov-Aufnahmen auch noch...) Dass Bolet angeblich die Partitur nachbuchstabiert, ist natürlich Quatsch. Es ist schon eine Deutung, das "Melodische" so zu betonen. Du singst ja im Chor und weißt von daher, dass das Singen keine schroffen Kontraste wie ppp und fff kennt sondern immer kontinuierlich-fließend ist. Entsprechend bindet Bolet die Kontraste zu einer melodischen Phrase gleichsam zusammen - das hat also "System". Um es kurz zu sagen: Wenn ich nicht erwarte, die "Appasionata an sich" zu hören, sondern mich mit der "Bolet-Appassionata" zufrieden gebe, dann bin ich einfach sehr zufrieden. Genau das passiert mir bei der "Perahia-Appassionata" nicht, weil es eben gehört doch keine "Perahia-Appassionata" ist, sondern nur die gewohnte Beethoven-Appassionata, wie sie Perahia auf seine Weise ästhetisierend interpretiert. Brendel ästhetisiert und romantisiert letztlich auch. Da wiederum geht es mir ähnlich wie bei Bolet: Mit der "Brendel-Appassionata" kann ich mich ebenfalls zufrieden geben, ohne nach der "Appassionata an sich" zu fragen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Das ist sicherlich eine berechtigte Sichtweise, die du hier äußerst, lieber Holger, und ich habe schon bei verschiedenen anderen Sonaten in eine ähnliche Richtung gedacht und bin zu der Meinung gelangt, dass Beethovens Sonaten eben in einem bestimmten Rahmen verschiedene Sichtweisen zulassen, dass das eben das Faszinierende an Beethoven und seiner Klaviermusik ist. Ich werde mal versuchen, in den neun noch ausstehenden Appassionata-Aufnahmen die Toleranzschwelle wieder nach oben zu setzen.
    Was die beiden Sokolov-Hämmer betrifft, so will ich mal schauen, wo sie liegen und sie dann in Marsch setzen. Momentan geht es nicht, weil ich gerade im Biergarten sitze (100 m von meiner Haustür enttfernt) und auf mein Essen warte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Momentan geht es nicht, weil ich gerade im Biergarten sitze (100 m von meiner Haustür enttfernt) und auf mein Essen warte.

    Lieber Willi,


    das ist bei diesem tollen Wetter der richtige Ort - also laß das Bierchen so richtig "zischen"! :D


    Hetzlich grüßend
    Holger

  • Inzwischen sitze ich schon wieder am Rechner, und die beiden Hämmer müssten schon bei dir eingetroffen sein.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat William B. A.

    Zitat

    Ist es Zufall, dass Peter Cossé, den ich als langjhährigen Chefredakteur des Fono Forum kenne, seinen Text im Booklet mit den Worten "Mit dem Feuer nobler Gelassenheit" überschreibt? Weiter schreibt Cossé: "Beethoven - hier die Appassionata, übermittelte Bolet wie ein Partitur-Treuhänder." -- Ist das so?


    Lieber Willi,
    nun ja, als Treuhänder würde ich Bolet nur wirklich nicht verstehen, das scheint mir einfach der falsche Begriff, den Cossé da gewählt hat, die "noble Gelassenheit" trifft es schon eher, charakterisiert sie doch Boltes Spiel insgesamt treffend. Bolet selbst hätte sich vermutlich auch nie als Treuhänder verstanden, dazu war viel zu sehr der Virtuosenschule des 19./ frühen 20. Jh. verhaftet.


    Ich finde es im übrigen vollkommen nachvollziehbar und auch berechtigt, dass Du ein Verständnis dieser Sonate hast, dem Bolet so gar nicht entsprochen hast und daher enttäuscht warst. Bolets Wahrheit ist nicht Deine Wahrheit. Wahrhaftig sind aber m. E. eben beide Verständnisse.


    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57, "Appassionata"
    Hans Richter-Haaser, Klavier
    AD: 1956
    Spielzeiten: 9:25-6:03-5:09 --- 20:37 min.;


    Hans Richter-Haaser gehört im Kopfsatz zu den Schnelleren im Lande, er ist gut eine Minute schneller als Bolet und fast so schnell wie Pollini. Das Klangbild der 60 Jahre alten Aufnahme ist dunkel aber klar im Hauptsatz. Die ersten dynamischen Akzente zeichnet er fein nach.
    Im "a tempo"-Abschnitt ab Takt 14 mit Auftakt setzt er einen veritablen dynamischen Kontrast, und die Fortissimi in Takt 17f, 20 und 22 sind kraftvoll, wie man es erwartet.
    In der modulierenden Überleitung kommt sein zügiges Tempo auf erfrischende Weise zum Tragen. Da sind die fein rhythmisierten Begleitachtel ein großer Kontrast zu den massiven ff-Vierteln in der ff-Passage.
    Und im Seitenthema trifft er m. E. den dolce-Ton durchaus, was er wieder durch den sinistren Forteakkord in Takt 42 sehr schön kontrastiert. Auch die Triller-Treppe und der anschließende Achtel-Abstieg profitieren vom höheren Tempo, halten den unermüdlichen Vorwärtsdrang aufrecht. Auch die massive Schlussgruppe, die in der flirrenden hohen Oktave ausläuft, spielt er m. E. grandios.
    Im Durchführungsbeginn gestaltet er die dynamisch akzentuierten fragenden Triller sehr entschieden, bevor das Themenmotiv durch die Oktaven wandert und nach der wilden Jagd wieder in der modulierenden Überleitung mündet. Auch Richter-Haaser spinnt den dramatischen Bogen in dem neuerlichen Seitenthema sehr schön aus und spielt glänzende Arpeggien in den Takten 123 bis 125 und lässt die Last dann in das sinistre Klopfmotiv in der tiefe Oktave fallen (ab Takt 130).
    In der Reprise spielt er dann auch mit leicht geänderten musikalischen Figuren, so zielstrebig wie in der Exposition, auch in der ff-Sequenz. Nach den absteigenden Achteln setzt er die Reise flugs mit den Sechzehnteln fort. führt das Seitenthema vorübergehend in lichte Höhen, bevor es erneut zerstiebt und sich in den Arpeggien Takt 227 bis234 verliert. Das abschließende Ritartando spielt Richter-Haaser ganz eindringlich und schließt eine mitreißende Coda an mit hohem Tempo und endend in einem wunderbaren Morendo-Schluss.


    Das Andante spielt Richter-Haaser auch etwas langsamer als Pollini, aber wesentlich schneller als Bolet, und vor allem spielt er es im Thema von so atemberaubender musikalischer Tiefe, wie ich es mir erträume, und schon möchte ich wieder mitsingen: Heil'ge Nacht o gieße du Himmelsfrieden in dies Herz! Und schon denke ich wieder an Hans Mikl.
    Mir ist es in diesem Satz einfach unglaublich wichtig, dass der Pianist hier mit dem richtigen Maße dynamisch strukturiert und somit die Musik richtig atmen lässt. Dazu gehört auch, dass er in der zweiten Hälfte der ersten Variation in Takt 29 das Forte erreicht. Das ist ein wichtiger dynamischer Kulminationspunkt, wie ich finde. Besonders mag ich die zweite Variation- welch ein überirdisches Legato, wie wunderbar zu Herzen gehend die Begleitfiguren in Takt 40 und 48. Wegen dieser ganzen herausragenden Stellen und auch, weil ich den o. a. Männerchorsatz schon des Öfteren gesungen habe, liebe ich diesen Satz so sehr. Die dritte Variation ist dann nur noch elysische Freude, hier von Richter-Haaser grandios in Szene gesetzt, auch dynamisch.


    Im Finale beweist Richter-Haaser dann, dass er auch "dramatisch" kann. Hier schlägt er auch ein ordentliches Tempo an und stellt wunderbar die zahlreich dynamischen Erhebungen heraus, vor allem in den Takten 64 bis 72, wo sich eine an die andere reiht. Auch die dynamische Schlusssteigerung in "la prima parte" in den Oktavverschiebungen ab Takt 99 bis 112 gelingt ihm prächtig, wie ich meine.
    Auch in "la seconda parte" setzt sich dieses dynamische Weben fort, das einhergeht mit einem Fließen durch die Oktaven. Auch dieser ständige Staccato-Rhythmus gelingt Richter-Haaser prächtig, auch am Ende des ersten Teils von la seconda parte, in den neuerlichen, hier steigenden Oktavverschiebungen an Takt 168 bis 175, die von kurzen Arpeggien abgelöst werden. und in die rätselhafte sempre-pp-Atempause hineinführen., bevor der zweite Teil von la seconda parte, der reprisenhafte, anhebt. Was mir auch über die Maßen gefällt in Richter-Haasers Spiel, ist trotz seines temporal-dynamischen Impetus seine absolute Kontrolle, die er im Spiel an den Tag legt. Ergreifend seine hohe Oktave ab Takt 260- das ist ganz große Pianistik.
    Der einzige Minuspunkt, wenn ich ihn als solchen bezeichnen darf, weil es mir doch immer wieder auffällt, dass gerade in Aufnahmen aus den 50er und 60er Jahren diese Kürzungen vorgenommen werden, ist, dass er auch la seconda parte nicht wiederholt- schade, ich hätte gerne noch die zweieinhalb oder drei Minuten gewartet, und dann diese unglaubliche Coda bewundert, die nicht dieses Prädikat erwirbt durch ein unglaubliches Tempo, sondern durch eine unglaubliche Intonation, Klarheit und mitreißenden Schwung. Richter-Haaser gehört zu denjenigen, die hier nicht eine Zirkusnummer abliefern wollen, sondern einen überzeugenden, zielgerichteten abschließenden Höhepunkt.


    Grandios, von vorne bis hinten!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Sagitt sagt DANKE
    Richter Haaser könnte in Deutschland nie richtig bekannt werden.Seine Aufnahmen waren damals überwiegend bei der englischen Columbia erschienen.Zwar bekam er für seine Wiedergabe des zweiten Brahma Konzerts den Grad Prix und wurde in der rororo Sammlung klassischer Musik sehr gelobt,aber in Deutschland blieb er verkannt.Er war der Star meiner Jugend,ich schwärmte für ihn,schrueb begeisterte Briefe und er schrieb zurück.Seine Diskographie ist klein,gegen Kempff und Backhaus hatte er einfach keine Chance.
    Heute bin ich nicht mehr so begeistert,aber freue dennoch über jede Würdigung.

  • Hallo Willi,


    danke für den Beitrag und Hinweis auf die Einspielung von Richter-Haaser.


    Heute sofort bestellt.


    Wenn er das in gleicher künstlerischen Qualität wie beim 2.KK von Brahms erklingen läßt, wird es eine Bereicherung meiner Sammlung werden.


    Übrigens: Neben der Appassionata schätze ich auch Appassimento. ;)


    von Karl

  • Da verdanken wir dem Engagement von Willi mal wieder eine (Wieder-)Entdeckung: Hans Richter-Haaser. Ich selbst kenne ihn allenfalls aus dem Radio. Für ihn stand wohl die Karriere als Konzertpianist nicht an erster Stelle: Komponieren, Unterrichten und Dirigieren waren ihm vielleicht mindestens ebenso wichtig. Die Hörschnipsel von Beethoven haben mir spontan sehr gefallen, ein voller, runder Ton, der an Wilhelm Backhaus erinnert.


    Einen Namen möchte ich noch erwähnen, der leider auch fast vergessen ist: Conrad Hansen (1906-2002).


    https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Hansen


    Wie Richter-Haaser hatte auch er eine Professur in Detmold inne, 1946 hat er die Musikakademie dort mitbegründet. Mein Vater (er wird im nächsten Jahr 90 Jahre alt! :) ) erzählte mir, dass Hansen noch vor 1945 in Danzig einen Konzertzyklus gab, wo er sämtliche Beethoven-Klaviersonaten aufführte. Mein Vater war damals Gymnasiast in Danzig-Langfuhr (Günter Grass war derselbe Jahrgang und am selben Gymnasium in einer Parallelklasse) und als Flakhelfer eingezogen, besorgte sich aus Interesse Konzertkarten und hat Hansen also in Danzig damals vielleicht sogar mehrfach gehört. In der Interpretationsgeschichte der Beethoven-Soanten hat Hansen seinen Platz und es wäre natürlich sehr spannend, wenn man von ihm u.a. auch eine Aufnahme der "Appassionata" ausgraben könnte.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Mir ist der Name Conrad Hansen durchaus geläufig, liebr Holger, weil ich mich schon früher nach Beethoven-Sonatenaufnahmen von ihm umgeschaut hatte. Auf CD gibt es momentan nur diese Aufnahme:



    Darauf sind auf Doppel-CD enthatlen Beethovens KK Nr. 5, die Sonaten Nr. 5 und Nr. 32 sowie Brahms' Klavierquartett op. 25 und seine Sonate Nr. 3.


    Interessant ist jedoch auch dieses MP3-Album bei Amazon, auf dem zum Preis von 7,29 € enthalten sind:



    -- die fünf Klavierkonzerte (Nr. 3 mit Arrau, die anderen vier mit Gilels)


    alle Klaviersonaten:


    Nr. 1, 6, 9, 11, 12, 13, 15, 16, 18, 25, 28 mit Artur Schnabel
    Nr, 2, 4, 10, 14, 19, 20, 26, 27, 29, 20, 31 mit Walter Gieseking
    Nr. 3 , 22 mit Swjatoslav Richter
    Nr. 5 mit Conrad Hansen
    Nr. 7 mit Edwin Fischer
    Nr. 8 mit Wilhelm Kempff
    Nr. 17, 32 mit Clara Haskil
    Nr. 21 mit Annie Fischer
    Nr. 24 mit Heinrich Neuhaus
    Bagatellen op. 33, 119, 126 mit Swjatoslaw Richter
    Eroica-Variationen op. 35 mit Glenn Gould
    Chor-Fantasie op. 80 Mit Hans Richter-Haaser, WPh und Karl Böhm


    Das ist doch unglaublich. Wenn diese Werke alle auf CD wären, bräuchte man mindestens 12, eher 13 CD's. Die meisten Aufnahmen habe ich zwar, die KK, Schnabel und Gieseking, Kempff, Annie Fischer und Richter, aber einige habe ich noch nicht, Conrad Hansen, Edwin Fischer, Heinrich Neuhaus. Ich werde mir das mal überlegen.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, herzlichen Dank für Richter-Haaser, den ich mangels Zeit nur kurz und im Überblick rezensieren kann. Ich hoffe doch, dass wir gerade bei Beethoven auch ein Bild der "deutschen Schule" vermitteln können - vielleicht demnächst dann auch noch Conrad Hansen oder Eduard Erdmann.


    Hier meine kurz zusammengefaßten Eindrücke zu Hans Richter-Haaser:



    Die Familienähnlichkeit mit Wilhelm Backhaus ist mit Händen zu greifen: ein voller und runder, „kerniger“ Klavierton, der keine unnatürlichen Härten kennt, ein absolut schnörkelloses Spiel ohne jede interpretatorische Mätzchen wie rhetorische Forcierungen oder irgendwelches Bemühen um eine „gewollt“ persönliche Handschrift. Eine Interpretation, die sich ins Unauffällige zurücknimmt mit einer Tendenz zur „Neuen Sachlichkeit“. Dieser Beethoven ist „gesund“ und immer natürlich gespielt, souverän bewältigt. Beethoven als Klassiker und nicht Romantiker. Es gibt allerdings auch keine merklich auffälligen Gedanken für bestimmte einzelne Wendungen, die einem als unverwechselbar in Erinnerung blieben. Der „große Bogen“ dominiert – und er stimmt. Da wird nichts irgendwie Gewagtes riskiert, sondern die Unanstößigkeit des goldenen Mittelwegs gesucht und auch gefunden. Das ist sympathisch uneitel gespielt, aber mir fehlt dann doch das gewisse „Etwas“, was einem eine solche Deutung als individuell Besondere im Gedächtnis hält. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • Nachdem ich heute gleich am ersten des neuen Monats 22 Erinnerungen einzustellen hatte, komme ich jetzt noch kurz dazu zu antworten. Ich sehe, dass du zu ähnlichen Ergebnissen gekommen bist wie ich, was die Grundausrichtung von Hans Richter-Haasers Interpretationsansatz betrifft. Schönen Dank dafür, dass du so kurz vor dem Urlaub noch geschrieben hast.


    Und nun schöne Urlaubswochen und gute Erholung


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Appassionata - die Leidenschaftliche


    Und die spielt Richter-Haaser mit einem Flügel, der im Grundton recht warm, weich und dunkel intoniert ist.


    Das wirkt auf mich brav und in Teilen fast schon gemütlich.


    Erregung ist was anderes, die spürt man bei Sviatoslav Richter schon nach den ersten Tönen.

  • Lieber Karl,


    schönen Dank für deinen Beitrag. Im Aufnahmebereich der Appassioanta gibt es ja in der Tat viel zu entdecken. Vielleicht kannst du über eine andere Aufnahme aus deiner Sammlung berichten?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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