Hannover-Initiative gegen das "Regie-Theater"

  • Wie lange muß man Euch denn noch mit der Nase in den Kot stossen, damit Ihr Euch endlich von solchen verbalen Entgleisungen alle mal klar und deutlich distanziert?


    Sprachhygieniker, die einen mit der Nase in den Kot stoßen: Wäre das wörtlich genommen nicht etwas für Herrn Bieto, so als Regieidee? Könnte ich mir für die Rolle des Beckmesser in den "Meistersingern" als passend vorstellen. Bitte in großen Lettern über der Bühne die Worte: "FUROR TEUTONICUS". Damit gleich klar wird, es geht um Deutsche, Nazis und so.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Und mit dem österlichen Frieden ist es wieder mal dahin. Warten wir also bis Pfingsten a


    Kann ja noch kommen. Vielleicht erschallen uns Schlag zwölf ja auch Glockenklang und Engelschor wie einst Faust in seiner Studierstube. Ich nehme mir jedenfalls schon jetzt vor, hier vor Dienstag nichts mehr zu schreiben und Stimmenliebhaber das letzte Wort zu überlassen :stumm:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Beim Begriff "Sprachhygiene" musste ich bereits neulich unweigerlich an "Rassenhygiene" denken. Nichts für ungut.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Art und Weise, wie Kaletha und Stockert hier die Kritiker des Regietheaters behandeln, ist keinen Deut besser!

    Es ist schwierig, mit jemandem zu diskutieren, der einem erklärtermaßen nicht mehr zuhört. Und ich weiß im Moment wirklich nicht, was ich in einer Diskussion für schlimmer halten soll – den anderen abzuwerten oder ihn zu ignorieren. Kein anderer als Gerhard hat einmal geschrieben:


    Zitat

    Gutes Diskussionsklima heißt: Den anderen wegen seiner Meinung nicht niedermachen zu wollen, was entsprechenden Widerstand erzeugt, sondern ihm lediglich die eigene Meinung ohne persönliche Abwertung des anderen entgegen setzen. Wenn jeder dem anderen gegenüber diese Toleranz ausüben, vor den Schreiben das Gehirn einschalten und beim konkreten Thema selbst bleiben würde, bliebe die Diskussion im richtigen Rahmen.


    Das Ignorieren des Anderen gehört bestimmt nicht zu einem guten Diskussionsklima. Aber dass Stimmenliebhaber und Gerhard, so unterschiedliche Positionen sie teilweise auch haben, sich hier auf einer Ebene treffen, ist für mich doch etwas erstaunlich.


    Nichtsdestoweniger kann ich mich nicht erinnern, von den sogenannten »Anhängern« des Regietheaters Sätze gelesen zu haben wie »Ich gestehe, daß ich die RT-Regisseuere durchaus als Schädlinge sehe« oder »Feinde pflegt man in jeder Kultur zu vernichten«. Umgekehrt habe ich beispielsweise auf die Bemerkung »Letztlich nimmt mir dieser Mensch [der Regietheater-Regisseur] ein Stück Lebensqualität - und ist somit ein potenieller Feind« geantwortet: »Ich kann und mag so nicht denken. Wenn jemand in der Dritten Welt mehr Gerechtigkeit einfordert und das geht auf Kosten meiner Lebensqualität, dann ist dieser Jemand trotzdem nicht mein Feind, sondern ich muss ihm Recht geben (und bin gleichzeitig beschämt, weil ich selbst nicht bereit bin, mehr für die Gerechtigkeit zu tun und weiter auf seine Kosten lebe).« Es ist auch ein erheblicher Unterschied zwischen dem, dass man eine Inszenierung als »verstaubt« oder »langweilig« empfindet, auf der einen Seite, und der Bezeichnung einer Inszenierung als »hirnlos«, »Willkür« oder gar »Verbrechen« andererseits.


    Und wenn Norbert als Moderator am 12.11.2015 in der Diskussion über »Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?« geschrieben hat:

    Zitat

    Allerdings hat mir Dieter Stockerts Beitrag von 17.56 h gut gefallen, so dass ich als gnadenloser Idealist diesen Beitrag und ggfs. nachfolgende sachbezogene Beiträge als Grundlage nutzen möchte, sachbezogen weiter diskutieren zu können.

    dann meine ich (ohne mich selbst damit über Gebühr loben zu wollen, aber, wie es bei Goethe heißt, »Nur Lumpen sind bescheiden«), dass es so schlecht um meine Gesprächskultur doch nicht stehen kann.

  • Gerhard hält Bertarido vor:

    du liest nicht richtig. Von buchstabengetreuer Inszenierung habe ich niemals geredet, das hieße die Bühnenbilder genauso zu gestalten, wie es der Autor verlangt und die Auftritte von rechts auch unbedingt von rechts zu erfolgen haben usw. Ich habe immer gesagt, dass ich schon zufrieden wäre, wenn man das Wesentliche der von Autor vorgesehenen Regieanweisungen ausführen würde, wenn man die Handlung nicht willkürlich in eine ganz andere verwandeln würde und bei Opern, die in ein örtliches und zeitliches Umfeld eingebettet sind, dies nicht in andere Zeiten und an andere Orte verlegen würde.

    Ich mache es ja nicht wie Gerhard, der geschrieben hat:

    Zitat

    Obwohl ich die Ergüsse […] nicht mehr in ihrer gesamten Ausgedehntheit lese, weil sich das alles schon hundertmal wiederholt hat

    Ich lese seine Beiträge und das, was er hier über das, was er immer wieder – nicht müde werdend in »hundertmaliger Wiederholung« – geschrieben hat, schreibt, ist wohl richtig.

  • Und mit dem österlichen Frieden ist es wieder mal dahin. Warten wir also bis Pfingsten ab


    Da zu Pfingsten bekanntlich der Heilige Geist ausgegossen wird, kann es ja dann nur besser werden. :hello:

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Also um Ostern herum ging es ja bekanntlich nicht eben friedlich zu, wenn es denn stimmt, was in einem sehr berühmten Buche steht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zum xten Mal werden die Gegner des RT von Dr. Kaletha obesessiv in die Nazi-Ecke gestellt. Ich bin es dermassen satt! :cursing:


    Leider ist die Wortwahl der deutschen Sprache vielleicht etwas bescheiden, aber nur weil gewisse Worte vor über 7o Jahren von der braunen Horde verwendet wurden, sind sie deswegen in diesem Zusammenhang nicht notwendigerweise verfehlt. Wenn ich von Verunstaltung rede, muss mir das als einem liberal wählenden Schweizer gestattet sein! Von "unwerter Kunst" würde ich nie sprechen, da für mich Musik "eine heilige Kunst" ist. Wäre es denn besser Worte zu verwenden, die andere Sprachen für diese Regieform verwendet haben. Beispiele? Trash, bullshit, merde, stronzo...? ;)

  • Wenn wir uns darauf verständigen könnten, wäre aber zuvor noch wichtig, zu reflektieren, was wir (jeder Einzelne von uns) etwa unter Progressiv und Konservativ verstehen bzw. damit assoziieren - und ob beide Begriffe u.U. auch in ein und derselben Person Platz finden können (was ich z.B. mir selbst zutraue, wenn auch nicht immer durchhalte!).

    In diesem Punkt geht es mir wie Dir, ich sehe in mir beide Haltungen und ich empfinde das nicht als Widerspruch. Nur habe ich gerade nicht die Phantasie mir vorzustellen, inwiefern uns das in dieser Diskussion weiter bringen könnte. Könntest Du vielleicht etwas näher erläutern, in welche Richtung Du da gedacht hast?

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  • Dein Rat in Gottes Ohr, lieber Operus. Nur prompt erscheint mal wieder Deine "Partei" mit schwerem Säbel auf dem Kampfplatz:


    Lieber Holger,
    ich wehre mich, in eine Ecke sturer Parteilichkeit gestellt zu werden. Ich würde mich fachlich disqualifizieren und lächerlich machen,wenn ich darauf beharren würde, dass es nur einen richtigen Inszenierungsstil geben würde. Wie oft muss ich noch betonen, dass ich bei Inszenierungen allem offen gegenüber stehe und dankbar bin, wenn ich eine gelungene moderne Inszenierung erleben darf. Gerade herrscht im Opernschaffen ein Boom mit neuen und selten gespielten Aufführungen. In der neuesten Ausgabe der "Opernwelt" - die heute eingetroffen ist - werden ein Dutzend Opern besprochen, die mir vom Titel her nicht oder kaum bekannt sind. Diese Werke im Sinne ihrer Neuheit oder Orginalität zu inszenieren, das scheint mir die lohnende Aufgabe für moderne und vor allem junge Regisseure zu sein. Schwieriger ist das bei den klassischen Werken. Hier geht die Neuinszenierung oder Neudeutung oft fast zwangsläufig daneben. Meistersinger ohne Nürnberg sind meines Erachtens keine Meistersinger. Alle gut gemeinten Versuche, diese Perle der romantischen Oper zu modernisieren, die wir erlebten, haben meine Frau und mich als Wagnerkenner und -Freunde nie befriedigt. Der Fliederduft war verflogen, der Genius der Poesie und der naiven Philosophie dahin. Vehement lehne ich jedoch alle rassistischen, grob sexistischen, religiös abwertenden, Ekel- und Gewaltdarstellungen, sowie die Verächtlichmachung und ins Lächerliche ziehen von Werk und dessen Schöpfern ab. Ich möchte gewissermaßen als eine Art Opernkosmopolit noch viel Neues und Herausforderndes erleben - leider wird die Zeit dafür langsam knapp - und auch hier über vieles schreiben und diskutieren, ohne mich von einer Richtung einseitig vereinnahmen zu lassen. Ich wäre dankbar, wenn diese Haltung respektiert und akzeptiert würde.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wenn ich von Verunstaltung rede, muss mir das als einem liberal wählenden Schweizer gestattet sein!

    Auch wenn ich Holger in seiner Argumentation diesbezüglich eigentlich Recht gebe, so muss ich gestehen, dass ich beim Wort »Verunstaltungstheater« auch noch nie an Nazi-Vokabular gedacht habe. Trotzdem hat mich die Verwendung dieses Wortes erschreckt, als ich es das erste Mal hier gelesen habe, und auch die ständige Wiederholung durch Gerhard hat mich da nicht abstumpfen lassen. Für mein Empfinden ist das einfach zutiefst abwertend. Vielleicht würde ich das ja auch etwas entspannter sehen, wenn es bei Gerhard nicht eingebettet wäre in eine Vielzahl von Äußerungen, die nicht nur den bewussten Inszenierungsstil, sondern auch die Menschen, die damit zu tun haben, verächtlich machen.

  • ich wehre mich, in eine Ecke sturer Parteilichkeit gestellt zu werden.

    "Und das mit Recht!", um Hans Sachs zu zitieren.


    Wer mit den Realitäten nicht klar kommt, steckt andere in Schubladen...



    Meistersinger ohne Nürnberg sind meines Erachtens keine Meistersinger.

    Es sind dann vielleicht auch Meistersinger, aber eben nicht die von Nürnberg - und Nürnberg war Richard Wagner so wichtig, dass er den Ort mit in seinen Werktitel aufnahm. Das sollte man möglichst repektieren, da bin ich ganz bei dir! :hello:



    Ich wäre dankbar, wenn diese Haltung respektiert und akzeptiert würde.

    Da kannst du in diesem Forum bei einigen lange drauf warten, lieber "Operus"! :(


    Aber ich bewundere deine Engelsgeduld! :yes: Beneidenswert! :rolleyes: Die habe ich nämlich nicht... :no:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Aber ich bewundere deine Engelsgeduld! :yes: Beneidenswert! :rolleyes: Die habe ich nämlich nicht... :no:


    Lieber Stimmenliebhaber,


    genau das ist die Haltung der Toleranz und der Wertschätzung, die ich von mir erwarte und von anderen erhoffe.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Da schreibe ich mir die Finger wund - und das Resultat versinkt in einer Flut von parallel entstehenden anderen Beiträgen.
    Wem es auf diese Weise durch die Lappen gegangen ist, kann sich nochmal Nr. 263 vornehmen.


    Dazu lädt ei: Sixtus

  • Nun, Sixtus, ich nehme deinen Ball auf!
    Für mich ist das zentrale Otello- Problem das folgende: Ein älterer Mann, mit Minderwertigkeitskomplexen, die aus seiner Herkunft rühren, mit durch die Verbindung mit einer wesentlich jüngeren Frau, wird das Opfer einer Intrige, entstanden durch durch einen bösartigen Untergebenen.
    Meine Idealvorstellungen, die auch auf DVD nachvollziehbar sind:
    Windgassen, Jurinac, Mittelman; I: Schenk
    Del Monaco, Stella, Gobbi!, Erede
    Domingo, Freni, Cappuccili, Kleiber ( Zeffirelli),
    Übrigens gefällt mir bis jetzt die Salzburger-Übertragung nicht schlecht, wenn man übersieht, dass die gesanglich beste Leistung von Cassio zu kommen scheint.

  • Zitat Sixtus

    Zitat

    Meine erste steile These ist eine Frage: Hat eine Oper (sagen wir Otello, der kommt heute Abend von Salzburg auf 3SAT) so etwas wie einen Kern, der nicht infrage gestellt werden sollte? Und wenn ja, welchen?


    Ja, hat sie. Wenn man es etwas schlicht ausdrücken will und das nicht per se als unzulässig erachtet, könnte man sie auf die Emotionen Eifersucht und Neid herunterbrechen. Jede Inszenierung, die das nicht irgendwie umsetzt, geht an der Sache vorbei. Es sind diese Grundemotionen, auf denen alles aufbaut. Mal sehen, wie das gelingt (ich nehme mir den Otello heute auf).
    Ich halte es für keine allzu steile These, dass Opern einen solchen Kern besitzen (bei manchen ist er sicher leichter wahrzunehmen als bei anderen).
    Man könnte zum Beispiel den Otello dann als konkretes Beispiel heranziehen und sich dieser Inszenierung fragend nähern. Allein,d as ist schon und er Vergangenheit einmal gescheitert. Aber was solls, einen Versuch wäre es wert.
    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Sorry, Wolfgang, sehe gerade, dass ich mich geirrt habe, es ist "del Monaco, Tucci, Gobbi! Trotzdem eine grossartige Aufnahme. ;)

  • Sprachhygieniker, die einen mit der Nase in den Kot stoßen: Wäre das wörtlich genommen nicht etwas für Herrn Bieto, so als Regieidee? Könnte ich mir für die Rolle des Beckmesser in den "Meistersingern" als passend vorstellen. Bitte in großen Lettern über der Bühne die Worte: "FUROR TEUTONICUS". Damit gleich klar wird, es geht um Deutsche, Nazis und so.

    Herrje! Wenn ich zu meinem Kollegen sage: "Grüße Dein Weib!" - dann ist das entweder ein Scherz oder eine Beleidigung. Wenn der Kollege sich dann über meine Wortwahl mokiert, kann ich das nicht einfach vom Tisch wischen, indem ich mich über ihn als "Sprachhygieniker" lustig mache. Es hilft eben nichts, dass Goethe einst "Weib" sagte und "Frau" als Bezeichnung für die adelige Dame reserviert war. Heute ist - infolge der Emanzipation von Frauen und dem damit verbundenen Bedeutungswandel - die Bezeichnung einfach diskriminierend. Dasselbe gilt von "entarteter" Kunst. Auch bei Friedrich Schlegel taucht eine solche Bezeichnung auf. Durch den Nationalsozialismus hat diese Bezeichnung aber einen entscheidenden Bedeutungswandel erfahren, die sie heute unverwendbar macht. Wenn ich einem Künstler heute sage, seine Kunst sei entartet, er sie ein Wertezerstörer, Verhöhner, Kulturzersetzer, dann kann er das nicht anders als diskriminierend werten vor diesem Hintergrund einer prägenden Wortsemantik. Das sind nun mal objektive Tatbestände und die sind nicht diskutierbar.


    Zum xten Mal werden die Gegner des RT von Dr. Kaletha obesessiv in die Nazi-Ecke gestellt. Ich bin es dermassen satt!

    Es ist ja auch so schwer zu verstehen: Der Diskurs über entartete Kunst läßt sich nun mal durch sein Wortfeld und die dazugehörige Wortsemantik ausweisen. Und weiter läßt sich Quellen spezifisch ausweisen, dass er im Kontext des Nationalsozialismus steht. Wer also dieses Wortfeld mit genau dieser Semantik heute benutzt, sollte wissen, was er tut. Alles andere ist Verschleierung. Wenn ein Arzt bei einem Patienten Tuberkulose diagnostiziert, kann der Patient natürlich auf die Idee kommen, die Diagnose zu verleugnen mit dem Argument: Sie wollen mich nur in die Ecke der Tuberkulose-Kranken stellen!


    ich wehre mich, in eine Ecke sturer Parteilichkeit gestellt zu werden.

    Ich hatte auch "Partei" in Anführungszeichen gesetzt - das war uneigentliche Rede, lieber Operus.


    Meistersinger ohne Nürnberg sind meines Erachtens keine Meistersinger.

    Wenn sich dieses Urteil nur auf die Meistersinger bezieht, kann man es vielleicht eindeutig mit ja oder nein beantworten - mit Gründen. Wenn es aber die Generalisierung enthält, die Handlung einer Oper dürfe prinzipiell nicht an einen anderen Ort versetzt werden, dann ist das etwas Anderes. Dann behauptet man nämlich eine Norm, die über den Einzelfall hinausgeht und zugleich, Regisseure, die sich nicht an diese Norm halten, täten damit etwas prinzipiell Irreguläres.


    Vehement lehne ich jedoch alle rassistischen, grob sexistischen, religiös abwertenden, Ekel- und Gewaltdarstellungen, sowie die Verächtlichmachung und ins Lächerliche ziehen von Werk und dessen Schöpfern ab.

    Diese Wendung von Dir finde ich nun ziemlich enttäuschend - der Beantwortung meiner klaren Frage bist Du einmal mehr ausgewichen. Soll das etwa heißen: Unterstellt wird, dass RT-Regisseure das Werk und den Komponisten "verächtlich" machen, was dann die Legitimationsgrundlage dafür abgibt, dass man diese RT-Regisseure wiederum verächtlich machen darf als "Verunstalter", "Zersetzer", "Wertezerstörer" und dgl.? Das aber wäre dann genau die "Logik" des Diskurses über entartete Kunst, die für mich absolut inakzeptabel ist. So jedenfalls kommen wir zu keinerlei gemeinsamer Basis.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zum xten Mal werden die Gegner des RT von Dr. Kaletha obesessiv in die Nazi-Ecke gestellt. Ich bin es dermassen satt!


    Tja, lieber Marcel, du übersiehst aber offensichtlich, wie gut und edel man sich dabei fühlen kann. Wie sagt schon Wilhelm Busch:


    "Ei, ja. Da bin ich wirklich froh!
    Denn Gott sei Dank, ich bin nicht so!"

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Nun, Sixtus, ich nehme deinen Ball auf! Für mich ist das zentrale Otello-Problem das folgende: Ein älterer Mann, mit Minderwertigkeitskomplexen, die aus seiner Herkunft rühren, mit durch die Verbindung mit einer wesentlich jüngeren Frau, wird das Opfer einer Intrige, entstanden durch durch einen bösartigen Untergebenen.


    Eigentlich wollte ich (zumindest diesmal) darauf verzichten, in nennenswerten Umfang in diesen Thread einzusteigen, aber hierzu doch eine kurze Bemerkung: Wenn ich obiges als zentrales Handlungsproblem des Otello (und wohl gleichfalls des Othello) ansehe, dann handelt es sich m.E. ein archetypisches, welches keinerlei festen Zeitbezug besitzt. Insofern würde auch eine in die Jetzt-Zeit versetzte Inszenierung sowohl der Oper, als auch des Dramas diesen Kern zumindest a priori nicht angreifen. Mit anderen Worten: Es ist für das Werk nicht konstitutiv, dass es sich bei dem namensgebenden Protagonisten um einen "Mohren" und venizianischen Dogen handelt. Ebenso muss die Handlung nicht notwendig in Venedig stattfinden.


    M.E. handelt es sich hier aber sogar um ein typisches Merkmal der meisten Opern- und Dramenhandlungen, die eben selten auf ein libretto- bzw. textbuchgetreues "Setting" angewiesen sind, sondern archetypische und insbesondere zeitlose Probleme verhandeln. - In diesem Sinne habe ich übrigens auch Stimmliebhabers Beitrag verstanden und unterstützt (siehe hier): Für den wirklichen Sinngehalt des Werkes wird die äußere Szene letztlich unwesentlich, solange die Darstellung der inneren Handlung glaubwürdig bleibt.


    Wohlgemerkt behaupte ich jetzt nicht, dass eine beliebige "RT-Inszenierung" da besser wäre, als eine konventionelle Inszenierung, denn bei der Behandlung des Problems äußere vs. innere Handlung können (und dürfen(!)) beide scheitern. Was ich allerdings behaupte ist, dass die heutige Form des (Opern-)Theaters hier die Möglichkeiten der Darstellung freier und mutiger (aber unbenommen sicherlich nicht immer erfolgreich) zu nutzen versteht.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Da hatte ich gedacht, ich könnte euch auf ein realitätsbezogenes Gleis locken. Aber schon seid ihr wieder bei euren Grabenkämpfen. Wir waren doch schon bei Otello - und nicht bei politischen Worthülsen.


    Lieber Holger, ich glaube, du tust den Nazis zu viel der Ehre an, wenn du ihnen wegen ihrer "entarteten Kunst" einen erfolgreichen Bedeutungswandel zugestehst. Siebzig Jahre nach dem Ende des Spuks müssen wir doch erkennen, dass nicht der Begriff selbst entwertet ist, sondern die willkürliche Zuschreibung des Inhalts. Künftige Sprachphilosophen werden den Kopf schütteln ob unserer Verzagtheit - und sagen: "Nicht der Begriff ist schlecht, sondern die, die ihn nach ihrem Pöbelgeschmack auf infame Weise entstellt haben. Und ihr habt euch durch eure Verzagtheit nachträglich zu ihren Knechten gemacht."


    Alles Lebendige und Kulturelle kann entarten. Wir müssen nur den Mut aufbringen, das zu korrigieren - und neu definieren, was wir für entartet halten. Dann ist der aufrechte Gang wieder möglich, den besonders wir Deutschen nötig haben. Wir dürfen uns nicht von einem Entarteten die Definition aufzwingen lassen, was entartet ist. Was Adorno damals gesagt hat, ist verständlich, aber heute überholt. Wenn wir seinem Diktum auf immer folgen, kastrieren wir uns geistig.


    Ich schlage vor, dass wir nicht länger als Sklaven von Begriffsbesetzungen durch die Nazis herumlaufen. Zumindest nicht bei Dingen wie Oper und klassischer Musik, die turmhoch über der perversen Zuordnung von Verrückten stehen. Oder soll man auch "pervers" nicht mehr sagen dürfen und andere Worte, die diese Banausen in den Dreck gezogen haben?!


    Darüber könnten wir, meine ich, morgen noch ein wenig plaudern. Jetzt erst mal Gute Nacht!


    Schöne Grüße von Sixtus

  • Lieber Holger, ich glaube, du tust den Nazis zu viel der Ehre an, wenn du ihnen wegen ihrer "entarteten Kunst" einen erfolgreichen Bedeutungswandel zugestehst. Siebzig Jahre nach dem Ende des Spuks müssen wir doch erkennen, dass nicht der Begriff selbst entwertet ist, sondern die willkürliche Zuschreibung des Inhalts. Künftige Sprachphilosophen werden den Kopf schütteln ob unserer Verzagtheit - und sagen: "Nicht der Begriff ist schlecht, sondern die, die ihn nach ihrem Pöbelgeschmack auf infame Weise entstellt haben. Und ihr habt euch durch eure Verzagtheit nachträglich zu ihren Knechten gemacht."


    Alles Lebendige und Kulturelle kann entarten. Wir müssen nur den Mut aufbringen, das zu korrigieren - und neu definieren, was wir für entartet halten. Dann ist der aufrechte Gang wieder möglich, den besonders wir Deutschen nötig haben. Wir dürfen uns nicht von einem Entarteten die Definition aufzwingen lassen, was entartet ist. Was Adorno damals gesagt hat, ist verständlich, aber heute überholt. Wenn wir seinem Diktum auf immer folgen, kastrieren wir uns geistig.


    Ich lese einmal, zweimal und nochmal: Wort für Wort - und bin schlicht fassungslos!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von M.Joho: Wenn ich von Verunstaltung rede, muss mir das als einem liberal wählenden Schweizer gestattet sein!

    Lieber Marcel,


    ich denke, auch als Deutscher darf ich das Wort gebrauchen. Diejenigen, die sich darüber aufregen, haben noch immer nicht verstanden, was ich schon viele Male zu erklären versucht habe: Ich verwende das Wort bewusst, weil ich damit entstellte Inszenierungen von denen unterschieden wissen will, was man allgemein mit dem fälschlichen Ausdruck"Regietheater" bezeichnet. Aber das werden diese Herren wohl geistig nie erfassen. Aber ich werde weiterhin den Ausdruck verwenden, wenn ich eine Inszenierung als entstellt ansehe.
    Ich finde wenn ein Mitglied - was ich jetzt in hier in einem Zitat lesen muss - andere Mitglieder des Forums "mit der Nase in den Kot stoßen" möchte, dann empfinde ich das als die allerärgste Sprachentgleisung, die hier in all den Jahren, die ich dabei bin, jemals vorgekommen ist. Derjenige sollte erstmal bei sich anfangen, wenn er anderen hier "Sprachhygiene" beibringen möchte. Wahrhaftig, solche Aussprüche sind Kot erster Güte!!
    Um auf den Otello zu kommen, muss ich sagen, dass er mir auch nicht so schlecht gefallen hat. Musikalisch war es in meinen Ohren hervorragend und die Regie hat sich auch an die Handlung gehalten und sie sicher auch in dem Sinne, wie du es dargestellt hast, verstanden. Die Kostüme allerding fand ich recht uneinheitlich. Und den Kinderchor in Messdienerkleidung auftreten zu lassen, war wohl den Osterfest geschuldet?
    Allerdings frage ich mich, warum er unbedingt den schwarzen Engel mit der Flamme zur Unterstützung seiner Inszenierung hinzu erfinden musste, der schon im ersten Akt, aber speziell zu Beginn des dritten Aktes ständig auf dem Tisch herummarschieren und mit den Kerzen spielen musste. Im letzten Akt wollte Desdemona ihr Hochzeitskleid haben, das war wohl das Gewand, was an der Decke hing (ein wenig albern, Kleider an die Decke zu hängen) aber dann da auch hängen blieb. Ein Bett gab es im Schlafzimmer nicht. Desdemona verlässt zum Sterben dem Raum und der Ersatz, an den Otello seinen Abschiedsgesang richten kann, soll dann wohl auch dieser schwarze Engel sein. Das fand ich eine sehr eigenwillige Konstruktion.
    Alles in allem hielt sich dieser Otello aber in einem noch zu ertragenden Rahmen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Ich lese einmal, zweimal und nochmal: Wort für Wort - und bin schlicht fassungslos!

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen! (Dank dir musste ich das ja nun doch lesen)


    Auch Stimmenliebhaber, der mir eigentlich sympathisch ist, macht sich mit seinem Blockier-Gehabe nur lächerlich.

    Aber es ist ja nahezu die einzige Möglichkeit, sich nicht permanent über das Wiedergekäue der altbekannten Argumente beider Schützengräben aufregen zu müssen...


    Dass eine sinnvolle Diskussion über dieses Thema hier nicht möglich zu sein scheint, hast du ja selbst erkannt, und das, was ich dazu hier noch sporadisch lese, lässt mich in meinem Entschluss nicht einen Hauch wanken, mit bestimmten Leuten nicht mehr zu diskutieren, weil es sinnlos ist. Nicht nur du, ich habe es nämlich auch satt!!!


    Jede Diskussion braucht eine Grundlage, eine Basis. Diese müsste aus meiner Sicht unverzichtbar zwei Punkte enthalten:
    1. die Würdigung der Bedeutung der Existenz der Opern- und Theaterszene für unser Kulturleben, die einzigartig und unbedingt erhaltenswert ist (stattdessen wird hier immer wieder nach Subventionskürzungen, also nach der faktischen Zerstörung der Theaterlandschaft geschrien).
    2. dem Überlegen, wie man möglichst vielen Menschen mit unterschiedlichen Ansprüchen das in Oper und Theater bieten kann, was sie sehen wollen und in die Theater lockt (auch davon sind wr angesichts des elitären Gehabes auf beiden Seiten und der mangenden Akzeptanz für die Wünsche der jeweils anderen Seite, ebenfalls auf beiden Seiten, meilenweit entfernt.


    Daraus habe ich nun persönliche Konsequenzen gezogen, die man nicht gutheißen muss, aber doch akzeptieren sollte. Aber das Akzeptanzproblem ist ein Grundproblem dieses Forums...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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