Das Hammerklavier - ein klanglicher Irrtum?

  • Danke, lieber Glockenton! :)


    Wir sollten aber noch erklären, warum der Erard-Flügel, den Dieter ins Spiel gebracht hat, schon modern ist (nämlich einen Metallrahmen hat), und vielleicht die klangliche Weiterentwicklung demonstrieren. Der Erard klingt doch sehr "eigenartig" verführerisch schön, dass ich Lust habe, mich damit zu beschäftigen (die CD fehlt aber selbst bei mir großem Debussy-Liebhaber in meiner Sammlung :untertauch: )


    Zum Hören auf das Cover draufklicken!



    Um zu demonstrieren, dass die Entwicklung insgesamt keine "Fehlentwicklung" war, sondern ein folgerichtiger Prozeß, hätte ich noch Wagners Flügel aus der Villa Wahnfried anzubieten...


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Dieser Flügel hat wirklich etwas für sich. Er klingt sehr apart, und es macht Freude, die darauf gespielte Musik anzuhören ..... "eigenartig verführerisch schön" .... besser kann man es kaum sagen.


    Wenn Du den Wahnfried-Flügel auch noch online hast ..... sehr gerne! :)


    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    natürlich habe ich volles Verständnis, dass Du meinerseits auf Beispiele wartest - allein, ich kann sie nicht anbringen!
    All jene CDs, die ich ansprach, sind seit Jahren, teilweise Jahrzehnten vergriffen oder waren in Deutschland nicht oder nur mit großen Mühen erhältlich.
    Immerhin eine fand ich noch:



    Michiels spielt auf einem Erard von 1892.
    Vom selben Pianisten existiert auch eine Brahms-Aufnahme mit einem Bösendorfer von 1894.


    Die wundervolle Aufnahme mit Andrea Bonatta von späten Liszt-Sachen auf Wagners Flügel, die ich gern noch verlinkt hätte, ist ebenso vergriffen wie Schumanns "Album für die Jugend" mit Laura Alvini, die einen Erard spielte - wunderbar passend für diese Kleinodien an Charakterstücken; ebenso ihre Aufnahme der "Alterssünden" Rossinis auf dessen eigenem Erard.
    Besonders schmerzlich fehlt, finde ich, die Aufnahme der Brahms'schen Klavierquartette bei Symphonia mit einem feinen Bösendorfer, kurz vor der Jahrhundertwende gebaut.


    Du verstehst hoffentlich: es ist keine Böswilligkeit meinerseits, keine Beispiele zu bringen, sondern sachlich unmöglich.
    Ebensowenig wollte ich spitzfindig werden - Holgers Aussage, dass klar sei, dass sei kein Hammerflügel mehr, sondern ein modernes Klavier, sagt allein, so ohne Begründung nur eben nichts mehr aus, als dass Holger es so findet. Eine Begründung hast Du ja nun nachgeliefert: der Gussrahmen macht es.
    Das bin ich geneigt zu teilen.


    Genau aus diesem Grunde aber sind frühere Instrumente anders zu spielen um ihnen zu entlocken, was an Möglichkeiten in ihnen steckt.
    Um zu vermeiden, einen stumpfen, gläsernen Diskant erklingen zu lassen - was mir eben nicht grundsätzlich Schwäche des Instruments zu sein scheint, sondern eine Frage des Pianisten. "Beweisen" indes kann ich diese Behauptung wiederum nicht anhand von Beispielen, weil die Aufnahmen entweder vergriffen sind oder aber Live-Mitschnitte. Oder eben Erlebnisse in einem musikalischen Paradies bei einem Bekannten, der ein originales Tröndlin- Klavier besitzt, auf dem er gern Beethoven und Schubert spielt; ebenso original erhalten sein Broadwood-Klavier von ca. 1800, auf dem ich viel Mozart, Haydn und frühen Beethoven hörte.
    Sein Stein-Clavier ist ein Nachbau, auf dem Mozart sehr gut klingt, aber auch mancher CPE Bach.
    Und nicht zuletzt ein Nachbau des Hass-Cembalos von 1740, das allein der Lautstärke wegen alle Hammerklaviere "in den Sack" spielt.
    Aus diesem eigenen Erleben heraus behaupte ich, dass eben auch frühere Hammerflügel als ein Erard im Diskant sehr farbenreich klingen können, ausgewogen und nicht scheppernd. Wenn man denn ihre Eigenart, ihren Charakter respektiert und nicht mehr von ihnen verlangt als sie von sich aus zu geben bereit sind, was sie dann aber gern und großzügig schenken.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • ..ein Nachtrag noch:



    Dieser Mitschnitt sagt mir persönlich noch mehr zu als die nachproduzierten CD-Aufnahmen.
    In einem Konzert verschiedene Pianisten am selben Erard, ist faszinierend und aufschlussreich, denn nicht jedem gelingt gleich perfekt, die reichen klanglichen Möglichkeiten des Instruments auch hervorzukitzeln.

    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Liebe Freunde des Klavierklanges


    Die Unterschiede von Clavichord, Cembalo, Hammerklavier und modernem Flügel werden in diesen auf Youtube zu findenden Filmen nachvollziehbar und anschaulich erklärt. Englisch Kenntnisse sind allerdings Voraussetzung, um den Ausführungen folgen zu können. Das Gehör ist auch hilfreich. ;)



    Was ich bisher nicht wusste, ist der Gebrauch des Knies, um den Ton beim Hammerklavier ändern zu können.



    Das Hammerklavier besitzt noch eine zweite Bezeichnung: Fortepiano. Was die Komponisten und Interpreten des zu Ende gehenden 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts begeisterte, waren die neuen dynamischem Möglichkeiten, die ihnen die neuen Instrumente boten. Man konnte mit dem Anschlag der Hammermechanik l a u t und l e i s e spielen.


    In diesem einstündigen Film erklärt Trevor Stephenson die klanglichen Möglichkeiten, welche die Hammerklaviere im Vergleich zum Cembalo bieten.



    .

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    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Du verstehst hoffentlich: es ist keine Böswilligkeit meinerseits, keine Beispiele zu bringen, sondern sachlich unmöglich.


    Lieber Melante,


    ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor!
    Es ging mir ja gar nicht darum, dass Du auch noch eigene neue Beispiele anbringen müsstest, sondern lediglich darum, dass es einmal interessant gewesen wäre, wenn Du Dich zu den bereits angesprochenen Beispielen äußern könntest, wie es Holger eben auch tat. Da könnte man ausschließen, dass man zwar miteinander redet, also auf die Buchstaben des Gegenübers eingeht, aber jeweils etwas Anderes meint, also eigentlich doch aneinander vorbeiredet. Es würde uns sicher einmal interessieren, ob Du meiner und Holgers Einschätzung bei den angeführten Beispielen folgst, oder ob Du die jeweiligen Gegenbeispiele mit dem Hammerklavier bevorzugts - und wenn ja, warum.


    Da gibt es das Andantino von Schubert, welches wir in den Interpretionen mit Badura-Skoda, Brendel, Staier, Uchida und Pollini besprachen. Du kannst die jeweiligen JPC-Links bzw. die Youtube-Filme oben im Thread finden, oder wenn Du hier auf die Textlinks klickst. Von mir aus lässt Du Badura-Skoda /Brendel weg, wenn Du es nicht mit Deinem Gewissen vereinbaren kannst... ;)


    Dann gab es in Beitrag Nr. 40 noch eine Appassionata mit einem Hammerklavier-Pianisten, Pollini und Brendel, sowie in Beitrag Nr. 43 etwas aus einer As-Dur-Sonate Beethovens mit Brautigam und Lewis - ein Beispiel, dass ich ebenfalls für aussagekräftig halte.


    In die von Dir neu angeführten schönen Beispiele habe ich übrigens hineingehört. Das sind alles Klangbilder, die man akzeptieren und mögen kann. Auf diesen Instrumenten kann man selbstverständlich eine ernstzunehmende Kunstmusik machen. Sie gäben wahrscheinlich gar keinen Anlass zu weitergehenden Diskussionen mit großen Meinungsverschiedenheiten.
    Allerdings unterscheiden sie sich auch nicht derart fundamental vom Klang des modernen Klaviers, wie eben in den von mir angesprochenen Beispielen.


    Gruß
    Glockenton

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  • Um zu vermeiden, einen stumpfen, gläsernen Diskant erklingen zu lassen- was mir eben nicht grundsätzlich Schwäche des Instruments zu sein scheint, sondern eine Frage des Pianisten. "Beweisen" indes kann ich diese Behauptung wiederum nicht

    Das ist wirklich lustig! Kein Badura-Skoda oder Staier wird so etwas Unsinniges behaupten - da gibt es nichts zu beweisen, sondern das ist einfach absurd falsch.



    Aus diesem eigenen Erleben heraus behaupte ich, dass eben auch frühere Hammerflügel als ein Erard im Diskant sehr farbenreich klingen können, ausgewogen und nicht scheppernd.

    Behauptest Du. Dann bringe doch die nachvollziehbaren Belege. Auf unsere Beispiele gehst Du ja nicht ein.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber moderato,


    vielen Dank für die schönen und aufschlußreichen Filme :thumbup:


    Sehr eindrucksvoll, wie man beim zweiten Film jeweils bei 6.40 und 4.27 den Anfang einer Mozart-Sonate hören kann.
    Beide Instrumente sind in guter Verfassung und der Pianist spielt gut.
    Auch wenn das historische Fortepiano seinen unbestreitbaren Reiz hat, ziehe ich hier doch - aus den nun schon öfter genannten Gründen - den Steinway angesichts auch dieses Hörbeispiels eindeutig vor. Die Schlussfolgerung, dass man nun für Mozart-Sonaten besser das Fortepiano einsetzen sollte, kann ich auch aufgrund dieser Eindrücke in der Tat nicht ziehen.


    Ich stelle es mir übrigens recht unangenehm (natürlich auch ungewohnt) vor, an den Stellen, bei denen man Pedal einsetzen möchte, immer das Knie anzuheben. Den Sustain-Effekt mit dem Fuß zu steuern ist aus meiner Sicht auch ergonomisch eine echte Verbesserung für den Spieler, der sich damit mehr auf die Musik konzentrieren kann.


    Im letzten Film gibt es ab ca. 38.00 die d-moll Fantasia von Mozart auf dem Hammerklavier zu hören.
    Dieses Instrument überzeugt mich noch wesentlich weniger, als jenes, dass der Pianist in Film 2 anspielte.


    Aber gut .... wer es denn mag ...


    Gruß
    Glockenton

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  • Lieber Holger,


    Glockenton versteht, warum mir nicht möglich ist, Beweise anzubringen.
    Mein eigenes Erleben gilt also für Dich nicht?
    Die Tatsache nicht, dass ich aus sachlichen Gründen keine Aufnahmen als Beispiel heranziehen kann, sehr wohl möchte.
    Dein Tonfall erinnert hier wieder an den Thread, der ... lassen wir das.


    Ich also soll Euren Beispielen folgen.
    Natürlich gern. Was den Schubert angeht: Brendel behagt mir nicht, weil er mir zu wenig auf notierte und tradierte Tempi Rücksicht nimmt - beherrscht allerdings seinen Steinway besser als Badura-Skoda seinen Graf. Badura-Skoda spielt im Grunde seinen Bösendorfer auf jedem Klavier, selbst auf dem Cembalo, ich kenne die Bachschen Partiten mit ihm.


    Darum sind Eure Beispiele für mich dergestalt, dass ich an beiden zu mäkeln hätte. Und das nicht wegen des Instruments!


    Nun also bitte ich, meinen Beispielen zu folgen, was ja wohl angemessen erscheint.
    Besorge Dir, lieber Holger, für hunderte von Euro CDs, von denen ich spreche und sei so sachlich, mir zu folgen wie Du mich aufforderst, Dir zu folgen.
    Die Forderung ist absurd?
    Wenn nicht, überdenke Deine Wortwahl.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Lieber Melante,


    lass uns versuchen, auf der sachlichen und freundlichen Ebene zu bleiben, weil wir sonst ganz schnell vom dafür viel zu interessanten Thema abkommen, und das wollen wir ja wohl alle nicht :angel:


    Eine Frage noch:
    Wie hörst Du aber die Beethoven-Beispiele mit Brautigam / Lewis und die Schubert-Beispiele mit Staier/Uchida/Pollini in Bezug auf die Klanglichkeit/Sanglichkeit und die Vorzüge der jeweiligen Instrumente?
    Ich hoffe, dass die von mir jetzt genannten Pianisten bei Dir nicht ebenfalls grundsätzliche Probleme verursachen und respektiere natürlich Dein eigenes Musikerleben.


    Es würde mich sehr interessieren, eine Antwort von Dir dazu zu lesen :)



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Lieber Glockenton,


    natürlich bin ich stets dafür, sachlich und freundlich zu bleiben.
    Wegen des Schubert möchte ich schlicht lieber die Klappe halten, da ich dessen Musik nicht besonders schätze.
    Zu Beethoven werde ich mich äußern, kann sogar vorab schon sagen, dass Brautigam mich nicht überzeugt obwohl ich Hammerflügel sehr schätze.
    Erlaube mir bitte Zeit zum Hören und Worte zu finden.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Mein eigenes Erleben gilt also für Dich nicht?

    Lieber Melante,


    man kann sich ja nun nur miteinander unterhalten, wenn sich das "Erleben" auf etwas Gemeinsames bezieht. Wie wollen wir überhaupt miteinander reden, wenn jeder sich nur auf das - nicht nachprüfbare - eigene Erleben beruft? Das ist letztlich nicht kommunizierbar. Und über Interpretationen und Komponisten wollen wir uns doch nicht unterhalten, sondern den Klang von Flügeln. Ich finde jedenfalls die Klangbeispiele, die Glockenton und ich angegeben haben, so eindeutig nachvollziehbar wie den Unterschied zwischen einer Quinte und einer Terz.


    Ich selber werde jedenfalls dafür sorgen, dass ich an die Aufnahme mit dem Erard von 1889 komme - zum Vergleich habe ich einen Erard von 1840. Schon die Hörschnipsel zeigen, dass zwischen diesen Instrumenten klanglich Welten liegen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    aus meiner Sicht kann man sehr wohl kommunizieren über nicht gemeinsam Erlebtes - das ist aus meiner Sicht sogar etwas, das uns unterscheidet in unserem Bewusstsein vom Tier.
    Ich kann Dir Erlebnisse mitteilen und Du bringst die Empathie auf, meinen Schilderungen zu folgen.
    Umgekehrt ebenso.
    Wie auch die, einem Hammerklavier zu folgen - oder etwa nicht?


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Im letzten Film gibt es ab ca. 38.00 die d-moll Fantasia von Mozart auf dem Hammerklavier zu hören.
    Dieses Instrument überzeugt mich noch wesentlich weniger, als jenes, dass der Pianist in Film 2 anspielte.

    Das klingt aber, lieber Glockenton, noch wie ein modifiziertes Cembalo und behagt mir komischer Weise weit eher als spätere Instrumente, die "typischer" nach Hammerklavier klingen. Darüber muß ich noch nachdenken... :D



    Wie auch die, einem Hammerklavier zu folgen - oder etwa nicht?

    ... s.o.!, lieber Melante :hello:

  • Es gibt von Nikolaus Lahusen zwei bezaubernde und sehr tiefgründige Schubert-Aufnahmen. Mir sagt der Klang des Hammerklaivers in der Regel nicht so zu und ich finde auch, dass der moderne Flügel mehr Mglichkeiten bietet. Aber bei diese beiden Aufnahmen bin ich mir dann plötzlich unsicher: man hört hier sehr gut, dass Schubert für dieses Instrument komponiert hat und es gibt einige Stellen, die auf dem Flügel komplett untergehen. Allerdings vermag Lahusen dem Hammerklavier noch andere Facetten abzugewinnen als der hier schon erwähnte Badura-Skoda. Leider ist Lahusen früh verstorben.



    Viele Grüße,
    Christian

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  • Es gibt von Nikolaus Lahusen zwei bezaubernde und sehr tiefgründige Schubert-Aufnahmen. Mir sagt der Klang des Hammerklaivers in der Regel nicht so zu und ich finde auch, dass der moderne Flügel mehr Mglichkeiten bietet. Aber bei diese beiden Aufnahmen bin ich mir dann plötzlich unsicher: man hört hier sehr gut, dass Schubert für dieses Instrument komponiert hat und es gibt einige Stellen, die auf dem Flügel komplett untergehen. Allerdings vermag Lahusen dem Hammerklavier noch andere Facetten abzugewinnen als der hier schon erwähnte Badura-Skoda. Leider ist Lahusen früh verstorben.



    Viele Grüße,
    Christian

    Das klingt sehr vielversprechend und reizt mich zum Nachhören, lieber Christian. Die Aufnahmen müßte ich nur haben... :hello:


    Ein schönes Wochenende wünschend
    Holger

  • Aus dem Beiheft zur Einspielung der Dussek-Klaviersonaten von Andreas Staier bei der Deutschen Harmonia Mundi:


    Dussek und das englische Klavier
    Dussek verbrachte zehn Jahre seines Lebens in London. Während dieser Zeit, in den Jahren 1789 bis 1799, schloß er Freundschaft mit dem Klavierbauer John Broadwood. (Einmal, als Dussek mit Broadwood zu Tische saß, nutzte seine schottische Ehefrau die Gelegenheit, packte ihre Kleider in ihren Harfenkasten und ging mit ihrem Liebhaber durch!)
    Aus künstlerischer Sicht war der Umgang des Komponisten-Pianisten mit dem Meister-Handwerker fruchtbar. Am 13. November 1793 notierte Broadwood in seinem Geschäftsbuch: »In den letzten drei Jahren haben wir einige Flügel mit 5 1/2 Oktaven Tonumfang gebaut; der erste, um Dussek zufriedenzustellen; dann, weil es gefiel, bestellte Cramer jun. auch einen.«
    Das Klavier, das für die vorliegende Aufnahme verwendet wurde, stammt aus dem Jahre 1806 und ist im wesentlichen dasselbe Modell wie dasjenige, das »Dussek zufriedenstellen« sollte. Bei den Zuhörern, die den kultivierten, präzisen Klang des Wiener Klaviers gewohnt sind, wird der urkräftige Klangschwall, der sich aus dem englischen Instrument ergießt, heute wahrscheinlich ebenso viel Erstaunen erregen wie schon vor 200 Jahren.
    Die englischen und wienerischen Klaviere der damaligen Zeit unterschieden sich in jeder denkbaren Hinsicht. Der Klang der englischen Instrumente ist laut, rund, volltönend, dramatisch, ein bißchen vulgär; die wienerischen sind leiser, farbiger, beweglicher, kultiviert und etwas zurückhaltend. Bei einem Wiener Klavier ist der Rahmen massiv und starr, im Gegensatz zum Resonanzboden, der dünn und flexibel ist. Ein englisches Instrument, trotz seines eher massiven Aussehens, ist in der Tat ziemlich leicht und flexibel gebaut, aber mit einem Resonanzboden drei bis vier Mal so dick wie sein wienerisches Gegenstück. Dementsprechend schwingt das ganze Instrument mit, genau wie eine Violine. Die anderen Unterschiede betreffen die Mechanik; die leicht, direkt an den Tasten montierten Hämmer des Wiener Klaviers treffen die Saiten ziemlich an deren Enden mit einem flüchtigen Schlag, einen fein nuancierten, farbigen Klang erzeugend. Die schwereren englischen Hämmer, die an einer Leiste montiert sind, schlagen eher in der Mitte der Saiten an; dies produziert einen dumpferen, weniger schattierten, dafür aber viel kräftigeren Klang. Schließlich wurden, im Gegensatz zu der präzisen Dämpfung eines wienerischen Instruments, englische Dämpfer absichtlich unzulänglich gelassen, was einen permanenten »Nimbus« von Obertönen erzeugt, der die »lebendige« und nervöse Qualität des Klanges erhöht – ein Effekt, der uns heute ein wenig beunruhigt.
    Dussek, der zweifellos mit deutsch-österreichischen Klaviertypen groß geworden war, genoß und nutzte die dramatischen Möglichkeiten, die die englischen Instrumente ihm boten; seine öffentlichen Auftritte benötigten eine klangliche Intensität, zu der nur ein englisches Klavier damals fähig war. Das Wiener Klavier hätte »sempre fortissimo« gespielt werden müssen, um dieser Intensität zu entsprechen, und hätte dabei die ganze klangliche Vielfalt verloren, die seinen Hauptvorzug ausmacht.
    Die technischen Details des für diese Aufnahme gebrauchten Klaviers sind folgende: Umfang: 5 Oktaven FF–c4, durchgehend dreichörig; Eisensaiten in den Diskant- und Tenorregistern, Messing im Bass (mit geteilten Resonanzbodenstegen). Englische Flügelmechanik. Drei Pedale: 1. Tastaturverschiebung (ermöglicht den Anschlag von je einer, zwei oder drei Saiten); 2. Dämpfungsaufhebung im Bass; 3. Dämpfungsaufhebung im Diskant. Das Gehäuse aus Eichenholz ist mit honduranischem Mahagoni furniert und hat Einlegearbeiten aus Buchsbaum und Mahagoni. Es liegt auf einem Gestell, in dem die drei zentralgelegenen Pedale integriert sind. Das Instrument trägt über der Klaviatur das Datum 1806; seine Seriennummer ist 3404.
    Christopher Clarke (Übersetzung: Howard Weiner)

  • (Einmal, als Dussek mit Broadwood zu Tische saß, nutzte seine schottische Ehefrau die Gelegenheit, packte ihre Kleider in ihren Harfenkasten und ging mit ihrem Liebhaber durch!)

    :D :D :D


    Sehr spannend und erhellend, lieber Dieter! Das wäre wirklich eine Überlegung wert, mal die verschiedenen - nicht Ehefrauen :D - sondern Bautypen und Entwicklungen etwas systematischer in den Blick zu nehmen! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ludwig van Beethoven schätzte die Qualitäten des Broadwood-Flügels. Das ist eine Tuschskizze, die von Johann Nepomuk Hoechle im Sterbezimmer des Komponisten gemalt wurde und den englischen Hammerflügel zeigt.



    Auf YouTube findet sich eine Dokumentation über die Geschichte und Restauration dieses Flügels. Franz Liszt hatte ihn erworben aber nie gespielt. Er befindet sich im ungarischen Nationalmuseum in Budapest.







    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Lieber Moderato,


    dass Broadwood-Beispiel finde ich wirklich sehr nachdenkenswert! Es ist eindeutig nachvollziehbar, dass diese Klangästhetik (das "Kraftvolle") sehr gut zum "Sturm und Drang"-Beethoven paßt. Wenn die Wiener Instrumente (Dieters schöner Beitrag) zarter und "höflicher" waren, erklärt sich dadurch vielleicht Beethovens Vorliebe für das "con brio" als Spielanweisung - was er sich bei diesem Broadwood-Flügel sparen kann... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es gibt von Nikolaus Lahusen zwei bezaubernde und sehr tiefgründige Schubert-Aufnahmen. Mir sagt der Klang des Hammerklaivers in der Regel nicht so zu und ich finde auch, dass der moderne Flügel mehr Mglichkeiten bietet. Aber bei diese beiden Aufnahmen bin ich mir dann plötzlich unsicher: man hört hier sehr gut, dass Schubert für dieses Instrument komponiert hat und es gibt einige Stellen, die auf dem Flügel komplett untergehen. Allerdings vermag Lahusen dem Hammerklavier noch andere Facetten abzugewinnen als der hier schon erwähnte Badura-Skoda. Leider ist Lahusen früh verstorben.



    Ich muß Christian erst einmal Recht geben: Selbst wenn man "Hammerklavier-Skeptiker" ist, kann sich mit dieser Aufnahme wirklich anfreunden. Das liegt einmal an Nikolaus Lahusen. Das ist wirklich wunderbar einfühlsam interpretiert, mit Sinn für die tragischen Seiten von Schuberts Musik, aber auch für klassische Proportionen. Lahusen kann seinen Graf-Flügel singen lassen, besonders schön in D 946 Nr. 2 zu hören und im zweiten Satz der B-Dur-Sonate. Die typischen "Probleme" des Hammerklaviers hört man aber auch, wobei ich sagen muß, dass der Graf-Flügel schon erstaunlich ausgewogen klingt. Christian, um Deine "Kernthesen" zu überprüfen, müßten wir allerdings ins Detail gehen. Aufgefallen ist mir, dass dieses Instrument noch eine gewisse Nähe zum Cembalo zeigt, was das Spiel mit Klangregistern angeht, z.B. tönt dann der Mittelteil von D 946 Nr 1. in einer ganz anderen Tonfarbe, fast schon so, als spiele da ein anderes Instrument. Auffallend ist aber auch, dass z.B. zu Beginn der B-Dur-Sonate die Parallelität der Stimmführung nicht so gut nachvollziehbar ist wie auf einem modernen Konzertflügel.


    Ich belasse es mal bei diesem Beitrag als Anstoß für eine hoffentlich interessante und erhellende Diskussion!


    Schöne Grüße
    Holger


  • Wie unterschiedlich die Eindrücke doch sind! Es gibt Werke, zu denen paßt das Hammerklavier einfach besser als bei anderen, bei denen ich es eher unvorteilhaft empfinde. Mit der großen B-Dur-Sonate fand ich das sehr ansprechend. Dagegen gefällt mir der Hammerflügel mit D 850 gar nicht. Vom Klaviersatz ist der Kopfsatz sehr orchestral, mit großen dynamischen Kontrasten und auch Stimmungswechseln. Da fehlt dem Hammerflügel finde ich einfach die klangliche Autorität. Das klingt hart, scharf, laut, forsch statt wuchtig, weil die Fülle und sowohl die grob- als auch feindynamische Differenzierung fehlt. Auch im zweiten Satz mit den aufregenden Wechseln von Non-Legato und melodischem Legato finde ich das Instrument mit einem modernen Flügel nicht konkurrenzfähig. Und auch bei der Ungarischen Melodie höre ich die wunderbare Aufnahme des ganz jungen Vladimir Ashkenazy lieber...


    Schöne Grüße
    Holger

  • Und gerade diese Aufnahme gefällt mir besonders gut von Lahusen, Holger! Wenn man sich mal auf den anderen Klang eingelassen hat, gibt es doch Erstaunliches zu entdecken. So scheint mir vor allem im dritten und vierten Satz (aber auch schon mit Mittelteil des zweiten Satzes) Schubert mit der Melodie wie mit einem Echo zu spielen. Im vierten Satz beginnt die Melodie in der Oberstimme, wandert dann nach unten. Durch die im Vergleich zum Flügel viel weniger ausgeglichenen Lagen entsteht ein ganz einzigartiger Effekt, eine Art Echo des zuvor Gehörten. Das klingt am Flügel völlig anders - bzw. kann man es so eben nicht hören - und ich vermute, dass Schubert das gezielt für die Eigenarten des Hammerklaviers komponiert hat. Bezaubernd auch, wie Lahusen im vierten Satz die Moll-Eintrübung bei 0:50 spielt (hier scheint mir das Hammerklavier für diese Art von Modulation viel 'sensibler' zu sein als der Flügel).


    Die D-Dur Sonate wird ja nicht so oft gespielt, live habe ich sie noch nie gehört. Kempff, Klien, Brendel, und Lewis spielen die Begleitung im vierten Satz in der linken Hand übrigens legato, alles anderen punktieren. Eine der schönsten Aufnahmen stammt meiner Erinnerung nach von Clifford Curzon. Und auch die Aufnahme von Lahusen würde ich ganz vorne einordnen!


    Viele Grüße,
    Christian

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  • Hallo Christian,


    an den Lahusen-Aufnahmen scheinen sich die Geister ganz besonders zu scheiden- was ich befremdlich finde, aber ist eben so.
    Erinnre Dich: genau wegen dieser von Dir gelobten CD kam dieser Thread zustande.


    Ich persönlich kann dazu nur von meinen ersten Höreindrücken schreiben: da hatte ich nämlich den Eindruck, genau so! müsse Schubert klingen, für diesen Klang ist diese Musik komponiert. All das, was Du lobend beschreibst, empfand ich geradezu deckungsgleich.
    Aber eben auch, was Du anmerkst: "Wenn man sich mal auf den anderen Klang eingelassen hat".


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Und gerade diese Aufnahme gefällt mir besonders gut von Lahusen, Holger! Wenn man sich mal auf den anderen Klang eingelassen hat, gibt es doch Erstaunliches zu entdecken. So scheint mir vor allem im dritten und vierten Satz (aber auch schon mit Mittelteil des zweiten Satzes) Schubert mit der Melodie wie mit einem Echo zu spielen. Im vierten Satz beginnt die Melodie in der Oberstimme, wandert dann nach unten. Durch die im Vergleich zum Flügel viel weniger ausgeglichenen Lagen entsteht ein ganz einzigartiger Effekt, eine Art Echo des zuvor Gehörten. Das klingt am Flügel völlig anders - bzw. kann man es so eben nicht hören - und ich vermute, dass Schubert das gezielt für die Eigenarten des Hammerklaviers komponiert hat. Bezaubernd auch, wie Lahusen im vierten Satz die Moll-Eintrübung bei 0:50 spielt (hier scheint mir das Hammerklavier für diese Art von Modulation viel 'sensibler' zu sein als der Flügel).


    Dann fangen wir doch mal bei dieser Molltrübung an, lieber Christian: Im Notentext steht da pp - d.h. diese Stelle soll abgesetzt werden. Lahusen spielt nun wirklich das Allegro "moderat" als Allegro moderato und das Thema Non-Legato. Um diese Stelle abzuheben, nimmt er noch einmal das Tempo heraus (was so im Notentext nicht geschrieben steht!) und spielt nun Legato - nutzt also den Gegensatz Non legato-Legato aus. Dazu registriert er, tritt offenbar ein Pedal. Brendel und Kempff kriegen das einfach deshalb nicht so hin, weil sie von vornherein und durchgehend Legato spielen. Gilels (RCA) und Richter (Prag-Mitschnitt) spielen zwar sehr fein, aber haben ein zügiges Tempo, deshalb hört man die Zurücknahme ins Pianissimo nicht so "rhetorisch" deutlich und auch, weil es in diesem Tempofluß sinnwidrig wäre, plötzlich Legato zu spielen und das Tempo herauszunehmen. Das ist letztlich eine Interpretationsfrage, welche über die Wahl der pianistischen Mittel entscheidet.


    Was folgt daraus für die These, dass Schubert diese Musik "für das Hammerklavier" komponiert habe? Für mich eindeutig eben gerade kein zweifelsfreier Beleg dafür. Wenn Schubert ein solches Instrument gespielt hat, dann hat er vielleicht dieser Möglichkeit der Abtönung durch Registrierung genutzt. Was aber überhaupt nicht heißt, dass eine solche Wirkung auf dem modernen Konzertflügel nicht auch realisierbar wäre. Wenn man das Tempo herausnimmt, den Gegensatz Non Legato-Legato betonen will, läßt sich genau dieselbe Wirkung erzielen, nur mit anderen Mitteln.


    Ich würde sogar noch weiter gehen. Am Beispiel des vorherigen Scherzos läßt sich diese These sogar eindeutig widerlegen. Das Thema ist im wuchtigen ff notiert, die tänzerischen Terzen Takt 44 ff. sollen p gespielt werden. Dazu ist der Hammerflügel von Lahusen aber nicht in der Lage! Das Piano ist natürlich viel zu laut (Brendel übrigens auch, dass es tatsächlich geht, beweisen Gilels und Richter). Genau an dieser Stelle macht Lahusen nun genau denselben Trick wie an der besagten Passage aus dem Schluß-Rondo. Faktisch spielt er nicht Piano, sondern bestenfalls Mezzoforte. Dann aber setzt er die Stelle ab mit Legato-Spiel und eben dieser Registrierung wie im letzten Satz - d.h. kompensiert damit die auf diesem Instrument nicht adäquat zu realisierende dynamische Abstufung. Wenn Schubert wirklich "für das Hammerklavier" komponiert hat - warum hat er es dann nicht genauso im Notentext fixiert, also mf hingeschrieben und die Pedalisierung notiert? Das alles spricht deshalb für die Gegenthese, dass die musikalische Inspiration über die beschränkten Möglichkeiten des tatsächlich zur Verfügung stehenden Instrumentes hinausgeht.


    Gehen wir weiter zum zweiten Satz. Der ist überschrieben mit "Con moto" und (wichtig!) "ligato". Lahusen ist hier der Einzige, der gar kein Ligato spielt! Er phrasiert so, wie es geschrieben steht, aber eben völlig "trocken" ohne das von Schubert geforderte bindende Legato. Liegt das nun an Lahusen oder am Instrument, fragt man sich hier. Kempff verleitet das "Con moto" zu einem etwas überhasteten Tempo, Gilels singt das wunderbar aus, er ist aber vielleicht einen Tick zu langsam. Wirklich ideal realisiert ist das für meinen Geschmack bei Richter.


    Der Kopfsatz: Brendel gefällt mir hier gar nicht und auch Ushida nicht. Da fehlt die rhythmische Präzision, die scharfe Zeichnung der Kontraste. Kempff ist da viel, viel besser, aber eben auch sehr langsam. In dieser Hinsicht perfekt sind Emil Gilels und Svjatoslav Richter, der den Satz sehr "energisch" (und noch schneller als Gilels) nimmt, aber völlig passend finde ich. Interpetatorisch ist da Lahusen zweifellos sehr gut in der Herausarbeitung der thematischen Kontraste, wenn auch manchmal etwas der dynamische Faden verloren geht.


    Und nun zum Klang des Flügels. Ich lasse mich gerne auf den Klang des Hammerklaviers ein. Für mich ist das Erlebnis aber nur dann befriedigiend, wenn ich die nun mal objektiv unbestreitbaren Schwächen dieses Instruments in tonaler (physikalisch meßbarer) und klangästhetischer Hinsicht vergessen kann. Bei D 960 gelingt mir das bei der Lahusen-Aufnahme, ich höre darüber sozusagen hinweg. Bei D 850 (tut mir leid, wenn ich das ehrlich sagen muß) scheppert dieses Instrument aber leider (gerade auch im Piano!) wie ein abgedroschenes Schifferklavier. Wenn man darüber diskutieren will, dass auch das angeblich "schön" ist, überschreitet das für mein Empfinden die Grenze zum Ideologischen (oder Dilettantischen). Da bin ich dann ganz auf der Seite von Glockenton. Wenn ich Pianist wäre, würde mir die eine "interessante" Stelle im letzten Satz bei weitem nicht reichen, um mich für so ein Instrument zu entscheiden.


    Um zu ergründen, was in dieser Sonate steckt, würde ich zum Hören zuerst zu Richter und Gilels greifen, und dann später erst kommt Lahusen. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Wenn ich Pianist wäre, würde mir die eine "interessante" Stelle im letzten Satz bei weitem nicht reichen, um mich für so ein Instrument zu entscheiden.


    Lieber Holger,


    es gibt gewiss nicht nur diese eine interessante Stelle im letzten Satz, die hatte ich ja nur als exemplarisches Beispiel genannt. Das ist schon ein bisschen spitzfindig von Dir formuliert, oder? Finde Deine Ausführungen ansonsten wie immer wunderbar aufschlussreich, diese Stelle ist bei Lahusen einfach bezaubernd, da ich keine Noten habe, wusste ich auch nicht, dass hier pp steht. Das spielt ja kaum einer! Lahusen hat sich tatsächlich was einfallen lassen, wie er das mit den eigentümlichen und begrenzten Möglichkeiten seines Instruments realisiert! Dass dies nun im Umkehrschluss tatsächlich meine vom Höreindruck so reingeworfene These "diese Musik ist fürs das Hammerklavier komponiert und gewisse Schattierungen sind nur auf diesem hörbar" in Frage stellt, nehme ich da gerne in Kauf, ohne sie schon über Bord zu werfen. Für alles weitere müsste ich mir erst die Noten besorgen und mehr Zeit haben. Wundere mich ein bisschen, dass die Hammerklavier-Spezialisten, die von der Materie gewiss mehr verstehen als ich, sich noch nicht dazu geäußert haben.
    Die Aufnahme von Gilels habe ich sehr glatt in Erinnerung, da hast Du mich jetzt neugierig gemacht!


    Viele Grüße,
    Christian

  • Lieber Holger, es gibt gewiss nicht nur diese eine interessante Stelle im letzten Satz, die hatte ich ja nur als exemplarisches Beispiel genannt. Das ist schon ein bisschen spitzfindig von Dir formuliert, oder? Finde Deine Ausführungen ansonsten wie immer wunderbar aufschlussreich, diese Stelle ist bei Lahusen einfach bezaubernd, da ich keine Noten habe, wusste ich auch nicht, dass hier pp steht.


    Finde ich auch, lieber Christian. Man sollte allerdings berücksichtigen, dass 1950, 1960 oder 1970 Rhetorik eher verpönt war und als "unmodern" galt (also die Zeit, wo Richter oder Gilels die Sonate gespielt und/oder aufgenommen haben). Heute haben sich die Zeiten geändert. Brendel macht es z.B. in D 664 im Schlußsatz in der letzten Aufnahme genauso wie Lahusen an dieser Stelle. ABM würde sie vermutlich ähnlich auskosten, besonders in seinen späten Jahren, wenn er die Sonate gespielt hätte. Klar habe ich das ein bisschen überspitzt. Ich kann natürlich Pianisten verstehen, wenn sie solche "Ausflüge" machen, weil dies den Erfahrungsschatz bereichert gerade auch auf dem modernen Instrument. Zur historischen Aufführungspraxis gehört die Wiederentdeckung der Rhetorik, das ist wohl unbestreitbar. Das ist in der Tat eine Erholung gegenüber lange gepflegter neusachlicher Glätte. :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Hat denn schon jemand Andras Schiffs Neueinspielung (2015) der B-Dur Sonate D. 960 auf dem Hammerklavier gehört?
    Der Vergleich zu Lahusen würde mich interessieren.


    Viele Grüße,
    Christian


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