Sofia Gubaidulina
In tempus praesens
Concerto for violin and orchestra
Das Violinkonzert wurde in den Jahren 2006/2007 komponiert und 2007 in Luzern uraufgeführt und ist Anne-Sophie Mutter gewidmet.
Die formale und musikalische Konzeption des fünfteiligen Violinkonzerts entfaltet sich in zwei Richtungen: Einerseits folgt sie dem leidenschaftlichen Willen zur Entwicklung, die sich mit einer potenzierten Anzahl von Klängen fächerförmig ausbreitet, in höchste Register (Himmel) vordringt, aber auch, etwa durch Posaunen, Tuba oder Kontrafagott, tiefste Regionen (Hölle) erreicht.
Andererseits offenbart sich im Verlauf des Werks die unbedingte Notwendigkeit, diese ganze schöpferische Vielfalt wieder in einen einzigen Klang zusammenzuführen: ins Unisono – in die göttliche Einheit. Dies geschieht konkret im Übergang von der vierten zur fünften Episode.
Für Sofia Gubaidulina gibt es das Ideal einer architektonischen Gesetzmäßigkeit in der Musik, die das Zeitverhältnis einzelner Formabschnitte zueinander bedingt. Entsprechende Berechnungen im Kanon der Zahlenmystik gewinnen im Violinkonzert große Bedeutung. Gubaidulina sucht erklärtermaßen den „Rhythmus der Form“. Die Solo-Violine wird dabei in „himmlische Sphären“ entrückt, nimmt dadurch eine klangliche Sonderstellung ein, die durch den Verzicht auf erste und zweite Geigen im Orchesterverband ausdrücklich betont wird.
Dieser Beitrag wurde aus dem Booklet zur CD der DGG Bach/Gubaidulina/Anne-Sophie Mutter auszugsweise entnommen. Autorin ist Selke Harten-Strehk.