Auf den Spuren von Beethoven? - Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur, D 944 "Die Große"

  • Lieber Johannes,


    wenn ich das richtig mitbekommen habe, hat Norbert davon gesprochen, dass Beethoven in der Eroica, und da namentlich in der Marcia funebre die "bisherige klassische Form sprengte", und in meinen Ausführungen und Zitaten habe ich davon gesprochen, dass in den entsprechenden Werken Schuberts die "klassische Form noch respektiert" wurde (Alfred Beaujean).
    So, jetzt muss ich zum Singen, später kann ich Weiteres dazu sagen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wie gesagt, ich finde die Rede vom "Formensprengen" oft fragwürdig, auch wenn sie so verbreitet ist, dass anscheinend sich viele was darunter vorstellen können. Wäre es zB hilfreich zu sagen, "Der Lindenbaum" "sprenge" die Strophenform oder nicht viel plausibler, dass das Lied von vornherein in einer variierten Strophenform angelegt ist?


    Bei einem Satz wie dem Finale von Beethovens 9. kann ich die Sprechweise nachvollziehen. Das ist aber erstens wirklich eine große Ausnahme und zweitens kann man hier natürlich auch eine individuelle Anwendung von Formen (Variationen, Sonatenhauptsatz) finden. Das Stück ist alles andere als "formlos".


    Ich meine auch nicht, dass die klassischen Formen schematisch wären. Man kann sie schematisch anwenden, aber diesbezüglich ist Schubert in vieler Hinsicht schematischer als Haydn, wenn auch nicht im vorliegenden Werk.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Johannes Roehl: Das Stück ist alles andere als formlos.

    Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen, lieber Johannes. Etwas Formloses könnte ja auch nicht goerdnet werden, wäre quasi chaotisch, und wenn eine gegebene Form wie die Sonatensatzform erweitert oder geändert wird, z. B. durch eine Einleitung erweitert, so bleibt doch die Grundform als eine Art Ordnungsprinzip erhalten, oder wenn die Form verändert wird wie z. B. im Finalsatz der Eroica und zu einem Variationensatz wird, so bleibt doch eine Ordnung erhalten. Ohne eine feste Ordnung, die ein kompliziertes Gebilde wie ein mehrsätziges Musikstück zusammenhält, wäre es als Gesamtorganismus undenkbar. Und Formen verändern sich immer wieder entwickeln sich, werden neuen Situationen, Gebräuchen angepasst.
    Ich habe erst letztens noch darüber nachgedacht, als ich begann, mich in Haydns Streichquartettwerk einzuarbeiten. Da hatten die ersten 10 Werke noch eine andere Form als die nachfolgenden. Sie waren fünfsätzige Divertimenti, von denen die meisten einen (temporal) pyramidenförmigen Aufbau hatten. Aber Haydn durchbrach auch da schon mal die Form und setzte den Mittelsatz (Adagio) nach vorn, und etwas später wurde diese strenge Pyramidenform (Ecksätze ungefähr gleich lang und am kürzesten, Menuette ungefähr gleich lang und länger, Mittelsatz am längsten) aufgeweicht, und schließlich wurden die Quartette dann ab Nr. 11 viersätzig, und der lange Satz rückte an die dritte Stelle, und er war auch nicht immer im gleichen Tempo, ebenso wie die anderen Sätze, und dennoch ergab sich jedesmal ein vollendeter musikalischer Organismus. So ließen sich noch viele andere Beispiel aus allen Epochen und aus allen Lebensbereichen finden.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Ich lasse diesen Beitrag mal doppelt stehen, habe aber einen neuen Thread damit aufgemacht und die folgenden verschoben

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Franz Schubert: Symphonie Nr. 9 C-dur D.944 "Die Große"
    NDR-Symphonie-Orchester
    Dirigent: Günter Wand
    AD: 20. August 1995 (Abschlusskonzert des Schleswig Holstein Musikfestivals)
    Spielzeiten: 14:12-16:14-10:34-11:52 -- 52:52 min.;


    Wie ich im Thread zur Unvollendeten schon ausführte, Dirigierte Günter Wand in o. a. Konzert vor der Pause die Unvollendete und nach der Pause die Große C-dur. Wie schon vor der Pause war auch die Neunte sensationell gut. Günter Wand führte auch in dieser Symphonie sein Orchester zu einer absoluten Spitzenleistung und stellte die Neunte so dar, dass man dies nur als Referenz bezeichnen kann. Wenn man ihm das auf Grund seiner bereits 83 1/2 Jahre auch nicht unbedingt zugetraut hätte, so war sein Grundtempo, im Andante noch gewohnt mäßig, sehr rasch im darauf folgenden Allegro ma non troppo sowie in den Sätzen drei und vier. Für das äußerst ausdrucksvolle Andante con moto nahm er sich alle Zeit der Welt, blieb aber m. E. durchaus im Andante-Rahmen.
    Im Scherzo und im Finale ließ er es dann gut sein und verzichtete auf die Wiederholungen, sonst wäre die Aufführung sicher 7 bis 8 Minuten länger gewesen. Bei derartig vollendet dargebotener Musik hätte man sich das gewünscht, aber auch so war es ein unvergessliches Konzert. Auch hier gelang wieder alles, war dynamisch wie temporal absolut ausgewogen und stand sicherlich der Berliner Neunten in Nichts nach, auch, weil er mit dem NDR-Sinfonie-Orchester sicherlich menschlich wie musikalisch enger verwurzelt war, was das möglicherweise noch etwa höhere künstlerische Niveau der Berliner Philharmoniker sicherlich ausglich.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    ich bin mit Günter Wand musikalisch sozialisiert und Franz Schubert ist einer meiner Lieblingskomponisten. Schon lange begleitet mich eine Aufnahme mit dem NDR-Sinfonieorchester, die leider gestrichen ist. Auch in diesem Thread konnte man lesen, daß Musik polarisiert. Ich war etwas überrascht, daß manche dieses Werk langweilig finden - ich ganz und gar nicht! Ich liebe die eingängie Melodik dieser Sinfonie, die tiefsinnigen Modulationen, die großen Steigerungen, die Spannung und Entspannung und die schwebende Rhythmik. Das Werkt hat gar keine Längen vor mir. Leider ist die sehr inspirierte Aufnahme mit dem NDR-Sinfonieorchester derzeit gestrichen. Also suchte ich bei jpc nach Ersatz und wurde fündig: Günter Wand mit dem NHK-Sinfonieorchester. Nach dem Hineinhören in die kurzen Abschnitte gefällt mir diese Aufnahme sogar noch besser, als die mit dem NDR-Sinfonieorchester. Sie ist stärker ausartikuliert, also noch sprechender! Wie vom NDR-Sinfonieorchester gewohnt, phrasiert Wand hervorragend, soweit man es beurteilen kann und forciert nicht. Von diesem Werk, einem meiner Lieblingswerke besitze ich derzeit wohl zwei Aufnahmen: Celebidache (ausgezeichnet - sehr sprechend artikuliert und hervorragend phrasiert - ein Meisterwerk) und Wand. Ich rate davon ab, von Lieblingswerken viele Interpretationen anzuschaffen, oft ist es günstiger, sich mit anderen Komponisten zu beschäftigen. Man braucht eigentlich nur eine zufriedenstellende Aufnahme. Aber ich glaube, hier werde ich schwach und kaufe mir auch noch eine dritte Aufnahme! Das NHK-Sinfonieorchester scheint ausgezeichnet zu sein, es hat schon die vor mir schönste 9. Sinfonie von Dvorak mit Vaclav Neumann eingespielt. Hier kann man bei jpc in die Aufnahme hineinhören:



    Meine "Musik-Ansprache"


    Ästhetik ist relativ - oder: Über Geschmack kann man nicht streiten


    Zum Umgang mit der Musik-Kritik


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • In den letzten Wochen habe ich im Auto und zu Hause fast ausschließlich privat Mozart und Schubert gehört.


    In Sachen Schubert bin ich immer wieder bei der großen C-Dur Symphonie hängengeblieben.
    Immer noch kann ich Willis Beitrag 225 vollinhaltlich unterstreichen.


    Es mag von der Chronik des Threads vielleicht merkwürdig anmuten, dass ich schon wieder oder immer noch diese Böhm-Aufnahme hier anspreche.


    Das liegt daran, dass ich als Musiker ständig dazulerne und mich verändere, d.h. ich höre jetzt viel durchdringender, bewusster und klarer. sowohl harmonisch-melodisch-rhythmisch als auch formal. Hier muss ich meiner Professorin für Gehörbildung dankbar sein.
    Aber es sind auch größere Erfahrung über den Prozess des Musikmachens, die Abläufe beim Proben und Vorspielen, aber auch allgemein ein naturgemäßes Mehr an Lebenserfahrung.
    Eigentlich wollte ich einen extra Thread nur über die Musik der C-Dur Symphonie eröffnen, um das vom ebenso interessanten Thema der Interpretation zu trennen. Aus Zeitgründen habe ich das wieder verworfen.
    Da Alfred weiter oben erwähnte, dass für ihn dieses Symphonie ein eher heiteres Werk sei, möchte ich das als Aufhänger nehmen, und hier ein bisschen darüber schreiben, bevor ich zum Aspekt der Interpretation komme.
    Zunächst einmal stimmt diese Auffassung durchaus, aber nicht nur. Wenn ich tiefer blicke, dann entdecke ich Elemente allergrößter Traurigkeit, und zwar in Dur! Diese Eigenart kenne ich in dieser Form nur von Schubert.


    Ich denke da z.B. an das von Bläsern bestimmte Trio aus dem dritten Satz. Es ist eine sehr schöne Musik, die mich jedoch tiefer angreift, als so manches dramatische Stück in Moll mit vielen verminderten Akkorden anderer Komponisten.
    Mir klingt es so, als ob hier eine in verklärender Rückschau zelebrierte Seligkeit hörbar wird. Der poetische Erzähler Schubert scheint aber nicht Bestandteil dieser Seligkeit zu sein. Sie kann meinem Eindruck nach entweder wie durch eine Glaswand oder wie eine schöne, aber nicht mehr reale Erinnerung empfunden werden.
    Bei Schubert liegt m.E. viel mehr als irgendeine flache Melancholie oder gar Sentimentalität vor. Es geht viel tiefer, weil hier das Schöne und Gute aus der Perspektive des Hoffnungslosen, des unerfüllt Sehnenden geschildert, ja gepriesen wird. Der Wunsch ist der Vater des Gedankens und der Empfindungen, nicht eigenen Lebenserfahrungen.


    Ich kenne eigentlich kaum einen Komponisten......(nun ja, Mozart und Brahms vielleicht auch noch), die in der Lage sind, in der Seele so einen menschlichen "Ton" zu treffen. Schubert ist daran der Meister schlechthin.
    Für mich erzählt diese Symphonie unglaublich viel vom Leben, von menschlicher Wärme, von Erinnerungen, aber auch vom Bewusstsein, dass bestimmte Dinge unwiederbringlich durch den Fortgang der Zeit verlorengehen (z.B. so etwas wie die Kindheit, die Nähe zu Kindern und Eltern, Liebe und Verlust derselben, versäumte Gespräche, zu späte Einsicht über eigene Fehler....) Das kann man alles schwer bzw. überhaupt nicht beweisen, weil ja scheinbar nur Noten in Klänge umgesetzt werden. Aber dieses reife Kunstwerk ist doch so viel mehr - dessen bin ich mir sicher.


    Durch wessen Interpretation kann denn diese unglaubliche Schubertmusik aus meiner Sicht am besten wirken?
    Je länger ich das Werk kenne, und je älter ich werde, bin ich geradezu gezwungen, hier in erster Linie den Namen Karl Böhm mit den Berliner Philharmonikern zu nennen.


    Ich höre jetzt - wie gesagt - noch viel deutlicher als damals, wie gut, wie perfektioniert, wie uneitel, wie ausbalanciert, wie.....wie.......(lange Liste) es Karl Böhm damals gelungen ist, die Partitur Schuberts in klingende Realität umzusetzen.
    Manchmal frage ich mich, ob und wo heute noch in dieser Gewissenhaftigkeit und Weisheit Schubert musiziert wird.
    Bevor ich noch weiter schwärme, kann ich nur empfehlen, sich die Aufnahme zu besorgen und sehr genau zuzuhören. Langweilig wird das NIE.
    Man ist beschenkt und erwärmt, wenn man das gehört hat. Ich will nicht verhehlen, dass einem gewisse Vorzüge einer Musik UND einer Interpretation erst aufgehen, wenn man fast 50 geworden ist.


    Schon vor einigen Jahren habe ich ja (siehe oben) diese Aufnahme mehrfach favorisiert. Der Grund, dass ich sie hier noch einmal anspreche liegt darin, dass ich damals zwar schon Einiges hörte, aber heute noch viel genauer erkenne und benennen könnte, wie beglückend und gelungen diese Einspielung geraten ist. Es ist nur schwer, das alles in Worte zu fassen, was in nur wenigen Takten geschieht. Um das alles zu benennen, bräuchte man sehr sehr viele Buchstaben. Selberhören ist da besser!


    Nach wie vor also eine dicke Empfehlung für Schuberts große C-Dur Symphonie mit Karl Böhm und den Berliner Philharmonikern.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Glockenton: Ich denke da z. B. and as von Bläsern bestimmte Trio aus dem dritten Satz...


    Lieber Glockenton, das Trio aus dem dritten Satz und auch das Seitenthema aus dem Finale gehören auch für mich zu den herausragenden Themen aus der Neunten (ich sage immer noch "Neunte" zur großen C-dur-Symphonie), die mich immer wieder mitreißen und zumal in der Interpretation Böhms und den diversen Interpretationen Wands mich um meine Fassung ringen lassen. In Letzter Zeit habe ich mich jedoch auch näher mit der Interpretation Abbados mit dem Chamber Orchestra of Europe und den beiden Aufnahmen von Charles Mackerras befasst, die auch alle drei sehr, sehr empfehlenswert sind:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Glockenton, das Trio aus dem dritten Satz und auch das Seitenthema aus dem Finale gehören auch für mich zu den herausragenden Themen aus der Neunten......, die mich immer wieder mitreißen und zumal in der Interpretation Böhms und den diversen Interpretationen Wands mich um meine Fassung ringen lassen.


    Ja eben - genau. Ich sehe schon, dass wir beide genau verstehen, wovon wir hier versuchen zu reden.


    Wand ist meinem Eindruck nach am dichtesten an der exemplarischen Aufnahme Böhms dran - allerdings kenne ich nicht so viele Versionen des Dirigenten, wie Du.
    Rein aufnahmetechnisch sind die Wandschen Aufnahmen wohl alle besser, als die zwar nicht wirklich schlechte, aber im Vergleich zur heutigen Technik doch schon hörbar "ältere" Aufnahme Böhms.


    Die Aufnahmen Abbados und Mackeras kenne ich noch nicht - aber ich werde in sie auf Deine Empfehlung hin einmal bei Gelegenheit hineinhören.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    auch von Karl Böhm gibt es mindestens drei Aufnahmen (in Stereo) von Schuberts Neunter, und zwar im Rahmen der GA mit den Berliner Philharmonikern (1963 bis 1973?), den Wiener Philharmonikern (1973) und der Staatskapelle Dresden (1979).
    Wenn ich wieder zu Hause bin (zur Zeit bin ich in Kappadokien), kann ich dir auch mitteilen, welche Aufnahmen ich von Günter Wand habe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    soeben habe ich einmal in die von Dir genannten Aufnahmen gehört, auch auf Youtube. Ich nenne nur einige Stichpunkte:


    Mackerras SCO: in sich eine gut gemachte, geschlossene und schlüssige Interpretation. Trotz aller Einschränkungen wegen niedrigerer Datenraten im Netz kann ich durch mein Equipment erahnen, dass die Telarc-Aufnahmequalität genau jene ist, die ich mir für die Böhm-Aufnahme wünschte. Die Tempi sind mir aber meistens zu schnell. Schubert (wie auch Mozart, aber noch mehr als der) ist ein Geschichtenerzähler. Flimmernde impressionistische Effekte, bei denen das Heraushören einzelner Noten unerwünscht wäre, gibt es bei ihnen nicht. Von daher ist die Deutlichkeit im dem Sinne wichtig, dass nicht nur schnelle Noten sauber gespielt werden, sondern dass man sie als Hörer auch gut nachvollziehen kann. Bei Böhms Tempi ist das auf jeden Fall so....


    Mackerras Enlightement: naturgemäss eine ähnliche Interpretation, vom Klangbild her jedoch nicht mein Geschmack. Ich vermisse bei den Streichern Wärme und mag mehr das rundere Klangbild eines modernen Orchesters für Schubert.


    Abbado COE: mir auch durchgehend etwas zu schnell, vor allem aber ein hörbar ständiges Interpretieren-Wollen. Für mich ist das bei allem Respekt ein "Fehler" (wenn ich mir überhaupt bei einem Mann wie Abbado so einen Ausdruck erlauben darf....) , auch wenn die Interpretation in sich sehr hochwertig durchgeführt wurde. Bei Böhm wird in einer kaum zu übertreffenden Perfektion einfach die Partitur in aller Deutlichkeit und mit menschlicher Wärme umgesetzt. Nie habe ich den Eindruck, dass der Dirigent irgendwie versucht, das Werk zu interpretieren, uns sozusagen seine Sicht der Dinge zu vermitteln. Dennoch wird einem klar, dass diesem völlig uneitlem Musizieren ein sehr intensives und genaues Proben vorausging.
    Bei Abbado höre ich in jedem Takt die eigentlich gut gemeinte Absicht, dem Notentext Richtung und Bedeutung zu geben. Da bei Schubert die langen melodischen Bögen so enorm wichtig sind, stört mich deshalb dieses hörbare Wollen und dieses gewisse Vor - und Zurück in der Dynamik/in der Phrasierung.
    Meines Erachtens haben Interpreten wie Böhm, Wand oder auch Furtwängler diese Klippe umschifft und zeigen eine größere Übersicht.
    Dennoch will ich Abbados Absichten auf keinen Fall Eitelkeit unterstellen, sondern ich höre eine sehr gut gemeinte Absicht, den Phrasen und Noten Sinn und Bedeutungen zu verleihen.


    In die anderen Böhm-Aufnahmen haben ich schon früher einmal gehört. Die mit den Wiener Philharmonikern ist auch ganz hervorragend (ich meine die, die es auch als Video aus dem Musikvereinssaal gibt). Klanglich kann man die Vorzüge des Wiener Hornklangs und vor allem des Oboenklangs mögen oder auch nicht. Auch die späte Einspielung mit der Staatskapelle Dresden wird ja sehr gelobt. Wenn ich mich recht erinnere, dann wird dort etwas schneller gespielt - das wäre eigentlich nicht so ganz in meinem Sinne. s.o.
    Dennoch hätte ich die Aufnahme gerne, die ich bei jpc nur als Japan-Import fand.
    Vielleicht ist ja die Aufnahmequalität dort besser als jene der älteren Einspielung mit den Berliner Philharmonikern?


    Mir scheint, dass man in Japan die Böhm-Aufnahmen höher einschätzt, als es in Europa der Fall wäre (wegen so mancher Japan-SHM-Ausgabe von Böhm-Aufnahmen)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Auch die späte Einspielung mit der Staatskapelle Dresden wird ja sehr gelobt. Wenn ich mich recht erinnere, dann wird dort etwas schneller gespielt - das wäre eigentlich nicht so ganz in meinem Sinne. s.o.
    Dennoch hätte ich die Aufnahme gerne, die ich bei jpc nur als Japan-Import fand.
    Vielleicht ist ja die Aufnahmequalität dort besser als jene der älteren Einspielung mit den Berliner Philharmonikern?


    Lieber Glockenton,


    bei Amazon wirst Du eher fündig:



    Die Tempi bei beiden Aufnahmen sind recht identisch mit einer Ausnahme: Im Kopfsatz ist Böhm 1979 (also mit der Staatskapelle Dresden) ca. 30 s schneller, was fast ausschließlich daran liegt, daß er das einleitende Andante wesentlich zügiger spielen lässt als in der für mich in der Beziehung zu verschleppten Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern.


    Was ich bei der Live-Aufnahme aus Dresden insbesondere schätze, fast bewundere, ist das Feuer, ist die Leidenschaft, zu der Karl Böhm das Orchester anleitete.


    Die von Dir geschätzte Wärme, die Heiterkeit, die tänzerische Grundhaltung im Scherzo, die gute Klangbalance zwischen den Orchestergruppen, kommt auch hier exemplarisch zum Vorschein, aber, siehe oben, Böhm, zum Zeitpunkt der Aufnahme immerhin stolze 84 Jahre "jung", übertrifft in der Aufnahme viele andere, wesentlich jüngere Dirigenten in Bezug auf Leidenschaft und Temperament. Die Aufnahme beinhaltet ein "inneres Feuer", das ich bei Schuberts 9. (bzw. 8.) Sinfonie sehr selten höre, auch wenn die Tempi schneller sind als bei Böhm.


    Deswegen zähle ich die Dresdner Aufnahme zu meinen absoluten Favoriten der Sinfonie.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Bei meiner youtube-Suche nach der Böhm-Interpretation mit der Staatskapelle Dresden bin ich zwar nicht fündig geworden, aber habe dafür diesen Schwarzweiss-Film mit Böhm und den Wiener Symphonikern gefunden:



    Es ist im Großen und Ganzen schon sehr ähnlich gegenüber der Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern, allerdings scheint mir letztere von den Innenverhältnissen der Tempi in sich noch besser austariert zu sein.
    Einige bekannte Concentus musicus-Gesichter habe ich auch entdeckt. Ob Harnoncourt selbst am Cello mitspielt, konnte ich aufgrund der historischen Bildqualität nicht erkennen....
    Für Dirigierstudenten wird erkennbar, dass Böhm nur sachdienliche Bewegungen macht, also keineswegs die Musik "vorschauspielert". Da kann man eine Menge lernen.


    Dann habe ich noch eine andere Einspielung mit der Staatskapelle Dresden gefunden, allerdings mit Herbert Blomstedt als Dirigent.



    Das Tempo ist hier noch langsamer, zu langsam für mein Dafürhalten. Die Musik wird zu massig und klebrig, bleibt stehen und man befürchtet, dass es so weitergehen könnte. Die klangliche und artikulatorische Klarheit Böhms konnte Blomstedt hier nicht erreichen.
    Ein gemessenes Tempo alleine ist also für sich genommen noch keineswegs eine Garantie für ein überzeugendes Ergebnis bei dieser Musik. Umso mehr Respekt empfinde ich vor der Interpretation Böhms.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Norbert,


    vielen Dank für Deinen wertvollen Hinweis - ich werde mich dort umgehend umsehen....;-)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Glockenton: Abbado COE: mir auch durchgehend etwas zu schnell...


    Ich bin nicht dieser Ansicht, lieber Glockenton. Ich habe mal zwei Dirigenten, die die 9. mit Wiederholungen vorgelegt haben, und zwei, die die Wiederholungen im dritten und vierten Satz ausgelassen haben, untereinander geschrieben. Abbado sieht da ganz gut bei aus, frappierend seine temporale Übereinstimmung mit Muti, und Klemperer und Celibidache sind eigentlich für langsamere Tempi bekannt. Wie man sich doch täuschen kann:


    - Claudio Abbado, COE....: 16:42-15:26-14:01-15:28 -- 61:37 min.;
    - Riccardo Muti, WPh.......: 16:42-15:15-14:10-15:20 -- 61:27 min.;
    - Sergiu Celibidache, MPh.: 15:34-16:32-10:19-13:06 -- 55:31 min.;
    - Otto Klemperer, PhO:....: 14:35-14:57-09:54-12:42 -- 52:08 min.;


    Erstaunlich ist, dass Otto Klemperer das Scherzo im "Affenzahn" nimmt, und auch Celi ist da nicht langsam. Darüber hinaus nehmen sowohl Celi als auch Kemperer den Kopfsatz wesentlich schneller als die beiden "Italiener". Aber Old Klemp ist auch im Andante am schnellsten, während Celi ihn als langsamen Satz nimmt. Das kann nur klappen wegens seines gewohnt spannunsgreichen Dirigats. Celi wäre natürlich auch im Finale am langsamsten gewesen, hätte er die Exposition wiederholt. Du kannst ja jetzt gut die Satzzeiten mit deinen Böhm-Aufnahmen vergleichen, wobei ich von hier aus (Kappadokien) nicht sgaen kann, wie Böhm abschneidet, aber du kannst davon ausgehen, dass im Scherzo und im Finale durch die Wiederholungen ca. 3 bis 3,5 Minuten dazukommen. Gerade die Exposition im Finale ist ziemlich lang, andererseits sind die Satzbezeichnungen im Scherzo und im Finale (Allegro vivace) so, dass es da nicht zu langsam zugehen sollte.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Bin vorhin gerade mit Mühe und Not der "unterirdischen Stadt" entronnen. :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • - Claudio Abbado, COE....: 16:42-15:26-14:01-15:28 -- 61:37 min.;
    - Riccardo Muti, WPh.......: 16:42-15:15-14:10-15:20 -- 61:27 min.;
    - Sergiu Celibidache, MPh.: 15:34-16:32-10:19-13:06 -- 55:31 min.;
    - Otto Klemperer, PhO:....: 14:35-14:57-09:54-12:42 -- 52:08 min.;


    Erstaunlich ist, dass Otto Klemperer das Scherzo im "Affenzahn" nimmt, und auch Celi ist da nicht langsam.


    Lieber Willi,


    das ist kein "Affenzahn", das ist schlichtweg das Weglassen der Wiederholung der Exposition im Scherzo. ;)


    Aus dem Gedächtnis heraus ließ Abbado alle Wiederholungen spielen und Klemperer keine. Im Scherzo wird auch bei den meisten Dirigenten, die so gut wie keine Wiederholung spielen lassen, zumindest die Exposition des Scherzos wiederholt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Lieber Willi,


    ich werde das noch nachhören...und hätte wahrscheinlich auf das Wort "durchgehend" verzichten sollen. Mein Eindruck bezieht sich dann wohl auf einzelne Sätze. Ich meine, dass er jedenfalls auf die Einleitung des ersten Satzes zutrifft, aber ich muss jetzt gleich weg - werde das später nachhören.
    Wegen der Sache mit den Wiederholungen müsste man ja eigentlich nicht in Minuten und Sekunden, sondern fachgerecht mit den Begriffen MM = circa x arbeiten. Das ist natürlich schon aufwendig, allein schon deshalb, weil man bei so eine Symphonie nicht knallhart metrisch durchschlägt, wie es etwa bei moderner elektronischer Dance-Music der Fall ist ;-)


    An Norbert:


    Schon gekauft! Beim Gebrauchtpreis von 0,01 EUR und Zustand "sehr gut" konnte ich nun wirklich nicht viel falschmachen :D


    Danke noch einmal für den Tip!


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ja, Glockenton, da hast Du ein unschlagbares Preis-, Leistungsverhältnis gehabt. ;) Ich bin gespannt, wie Du die Dresdner Aufnahme im Vergleich zur Berliner einschätzt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Norbert: Lieber Willi, das ist kein Affenzahn, das ist schlicht das Weglassen der Exposition im Scherzo.

    Das weiß ich lieber Norbert, und deshalb habe ich es ja auch in meinem Text erwähnt:"...zwei, die die Wiederholungen im dritten und vierten Satz ausgelassen haben.."
    Der "Affenzahn" bezog sich lediglich auf Otto Klemperer, von dem wir ja solche Tempi nicht gewohnt waren. Andererseits war die Aufnahem m. E. von 1964, da konnte er ja auch noch etwas schneller.
    Zum Vergleich habe ich mal in aller Eile drei Aufnahmen von Günter Wand aus meiner Sammlung zusammengestellt, der die Wiederholung im Scherzo auch nicht spielen lässt:
    Kölner RSO Ende 70er Jahre.: 10:37 min.;
    Münchner Ph, 90er Jahre......: 10:54 min.;
    DSO Berlin, 90er Jahre..........: 10:49 min.;


    Das ist doch schon ein deutlicher Unterschied zu Otto Klemperer, wie ich meine, und gleichzeitig ein Beleg für Wands fantastische innere Uhr.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Du empfiehlst in Beitrag 344 hauptsächlich die beiden Mackerras-Aufnahmen mit dem SCO und den enlightment Hippern.
    :?: Was ist mit der tollen Aufnahme mit dem Philharmonia Orchestra (SIGNUM, 2006, DDD)?
    Die hatte ich seinerzeit wegen Deiner TOP-Empfehlung gekauft und war wieder erstmals seit vielen Jahren erneut begeistert über eine weitere Int der Grossen Neunten.
    Spielzeiten: 15:38 - 14:08 - 13:40 - 15:16 Summe = 59:04



    SIGNUM, 2006, DDD


    Am Tempo könnte es kaum liegen, dass Glockenton diese nicht gefallen könnte. Von der zeitgemässen Klangqualität kann man nur mehr als erbaut sein ! Die Wdh im Scherzo sind zumindest da. Ich glaube da ist eine Wdh im Andante die Mackerras weg lässt. Diese ist klar eine meiner Favoriten für die Grosse C-Dur.


    Im Gegensatz zu Glockenton tendiere ich ansonsten eher zu den flotteren Aufnahmen: Szell (SONY); auch Bernstein (SONY), bei dem mir das Andante mit 15:13 aber bereits zu breit ist; von Karajan (DG) mit unter 46Minuten für die ganze Sinfonie ohne Wdh wollen wir jetzt hier gar nicht reden (aber mir gefällts :untertauch: ).
    ;) Die Mackerras-Aufnahme ist meine einzige CD der Neunten, bei der die Unvollendete nicht mit auf einer CD ist ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es war eine Verwechslung, lieber Wolfgang, weil ich in der Türkei keinen Zugriff auf meine Aufnahmen habe. Du hast natürlich Recht, ees war die Philharmonia-Aufnahme anstelle der mit dem SCO.


    Liebe Grüße


    Willi :hail:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Glockenton,


    schon interessant, dass Du nach 03/2013 jetzt 03/2015 noch einmal Deine grosse Begeisterung über die Böhm-Aufnahme (DG, 1963) mit einem gewohnt interessanten Beitrag von Dir kundtust.
    Du beklagst Dich über die Klangqualität bei Böhm.


    Ich habe die abgebildete eloquence-CD auf die mir ein Klassikforianer vor vielen Jahren zwingend empfohlen hatte und bin auch mit dem Klang recht zufrieden. Das ist die CD, die Du 2013 auch abgebildet hattest:

    DG, 1963, ADD


    Habe gerade rein gehört und stelle fest wie unterschiedlich die Sichtweisen sein können. Bei aller Wertschätung für diese wertvolle Böhm-Aufnahme, aber das Tempo wirkt für meinen Geschmack schon im ersten Satz etwas zu langsam. Ich bin halt anders geprägt.
    :D Beim Reinhören ist mir auch noch ein Fehler unterlaufen und ich hatte zuerst die falsche DG-CD gegriffen und über KH den Anfang gehört und gedacht: "Man, ist Böhm hier fetzig. Lässt der die Post abgehen." ... bis ich die Böhm-CD mit dem Gelbetikett auf dem Tisch liegen sehe ... ich hatte zuerst die Karajan-DG-CD gegriffen. :pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Lieber Willi, wir haben uns ein wenig missverstanden, denn ich bezog mich auch auf Klemperer.


    Dann verdeutliche ich noch einmal, was ich meine: Wand stellt das Thema des Scherzos vor, wiederholt dieses nach 43 s (Berliner Philharmoniker) noch einmal und macht dann mit der Durchführung weiter.


    Klemperer erreicht die Stelle nach 50 s, wiederholt das Thema aber nicht, sondern macht gleich mit der Durchführung weiter, also spielt noch eine Wiederholung weniger.


    Mit einem "Affenzahn" wartet George Szell auf, der ohne jegliche Wiederholung im Scherzo auf 7'18'' kommt; spielt man alle, erreicht man schnell mindestens die doppelte Spielzeit.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Mit eine "Affenzahn" wartet George Szell auf, der ohne jegliche Wiederholung im Scherzo auf 7'18'' kommt; spielt man alle, erreicht man schnell mindestens die doppelte Spielzeit.


    Lieber Norbert,


    mache die TOP-Szell-Aufnahme nicht schlechter als nötig. Als ich die von Dir geschriebene Spielzeit sah, wusste ich sofort, dass da was nicht stimmt:
    :!: Das Scherzo dauert bei Szell saubere 9:05!


    Da hat sich SONY auf der CD einen Druckfehler erlaubt! (Nachzulesen auf der Rückseite die man abrufen kann.)



    SONY, 1960, 1957, ADD


    Ich habe gerade auch mal wieder mit Freude reingehört: :thumbsup: Das ist mein Schubert!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    ich mache die Aufnahme durchaus nicht schlecht, aber ich sollte vielleicht erst einmal probehören, bevor ich Zeitangaben bedenkenlos traue ;) .


    Die 7'18'' kamen mir auch sehr schnell vor... :untertauch:

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Animiert durch Glockenton, stieß ich jetzt bei einer kurzen Recherche auf YouTube tatsächlich auf eine ganz späte Aufnahme Karl Böhms mit den Wiener Philharmonikern von den Salzburger Festspielen 1976:



    Interpretatorisch erstklassig und auch tontechnisch wirklich gut. Die Coda des Kopfsatzes habe ich wohl selten so fulminant gehört.


    Das wäre doch was für Orfeos Reihe von den Salzburger Festspielen!


    YouTube entwickelt sich wirklich immer mehr zum ernstzunehmenden Musikarchiv für Raritäten, die man sonst wohl seiner Lebtage nicht zu hören bekäme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Die Coda des Kopfsatzes, lieber Joseph, hat mich in Böhms verschiedenen Aufnahmen immer am meisten fasziniert. Das macht ihm keiner nach.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    Außerordentlich packend mit weiter Dynamik lässt Herbert Blomstedt in dieser Aufnahme mit dem San Francisco Symphony Orchestra eine kraftvolle und klassische "Große C-Dur" spielen, der es bei aller klanglichen Fülle nicht an Details und Feinheiten mangelt. Rd. 60 Minuten benötigt er - langweilig oder zerdehnt wird es dennoch in keiner Minute. Das SFSO spielt erstklassig und wird dabei von der hervorragenden Decca-Tontechnik (DDD, 1993) getragen. Unter den konventionellen Einspielungen durchaus eine, die allein seelig machen könnte. Großartig!

    Viele Grüße
    Frank


  • Schubert: Symphonie Nr. 9 C-Dur D 944 „Große“


    Schwedisches Rundfunk-Symphonieorchester
    Jewgeni Swetlanow
    Berwaldhallen, Stockholm, 8. September 1990
    Weitblick SSS0126-2


    Auf den Tag genau exakt vier Jahre nach seiner mitreißenden Aufführung der „Unvollendeten“ dirigierte der russische Dirigent Jewgeni Swetlanow (1928—2002) am selben Ort, in der Berwaldhallen in Stockholm, und mit demselben Orchester, dem Schwedischen Rundfunk-Symphonieorchester, welches ihn sieben Jahre später zu seinem Chefdirigenten berufen sollte, auch die „Große in C-Dur“ von Franz Schubert.


    Diese Aufführung der bedeutendsten und umfangreichsten Symphonie Schuberts von 1990 wird im deutschen Begleittext von Hiroshi Hayashi als „phänomenal“ bezeichnet. Hayashi verweist darauf, dass Swetlanow in diesem Jahr besonders produktiv gewesen sei und in Japan seinen vielgerühmten Tschaikowsky-Zyklus dirigiert habe.


    Den Kopfsatz (14:13) gestaltet Swetlanow mit titanischem Gestus und gemahnt bereits an die Symphonik des späten 19. Jahrhunderts. Die gekonnten Tempoverschiebungen zeugen von seinem Talent für eine flexible Tempogestaltung. Geradezu sensationell ist das Spiel der Blechbläser, besonders der Posaunen, zu nennen, das einen harschen Einschlag hat, wie man ihn von den russischen Aufnahmen dieses Dirigenten kennt. In der spektakulären Coda dieses Satzes demonstrieren die schwedischen Blechbläser ihr volles Potential und gestalten es trotz allen heroisches Triumphes zugleich sehr differenziert und durchhörbar. Mit grandiosem Rubato und zurückgenommenen Tempo endet der Kopfsatz.


    Sehr majestätisch beginnt der langsame Satz (16:11), den Swetlanow deutlich getragener nimmt als den mit derselben Bezeichnung Andante con moto versehenen der „Unvollendeten“. Man versteht anhand dieser Aufnahme Robert Schumanns Lobeshymne von der „himmlischen Länge“ besonders gut. Trotz einiger sehr zupackender Stellen überwiegt hier doch eine träumerische, im besten Sinne romantische Grundstimmung, oder wie Schumann schreibt: „Bei der Symphonie von Schubert, dem hellen, blühenden, romantischen Leben darin, taucht mir heute die Stadt [d. h. Wien] deutlicher als je wieder auf, wird es mir wieder recht klar, wie gerade in dieser Umgebung solche Werke geboren werden können.“


    Als Gegenentwurf zum vorhergehenden Satz muss das lebendige Scherzo (9:04) erscheinen. Wiederum erstaunlich, mit welcher Treffsicherheit die schwedischen Musiker unter Leitung des russischen Dirigenten den wienerischen Tonfall treffen. Alle Orchesterstimmen sind mit großer Liebe zum Detail vernehmbar. Besonders gut ist das Trio gelungen, das die richtige Balance zwischen Leichtigkeit und Klanggewalt hat.


    Höhepunkt ist der furiose Finalsatz (11:44), in welchem das Orchester noch einmal seine Qualitäten zur Schau stellen kann. Swetlanows unbändiger Energie ist es zu verdanken, die Schweden hier zu Höchstleistungen zu animieren. Beeindruckend das Aus-sich-Herausgehen der Musiker mit bemerkenswerter gleichzeitiger Präzision. Das Agieren der Blechbläser ist ein Traum. In der abschließenden Coda wird es noch einmal geheimnisvoll. Mit Karacho klingt das Werk aus und der von Bravo-Rufen übersäte Beifall brandet sogleich auf. Und es kommt noch besser: Es gibt sogar einen effektvollen Tusch des Orchesters für Jewgeni Swetlanow. Chapeau, Maestro!


    Die Klangqualität dieser ADD-Aufnahme ist außerordentlich. Das leichte Grundrauschen der vier Jahre früher aufgenommenen „Unvollendeten“ fehlt hier. Auch ist noch mehr Live-Atmosphäre spürbar, ohne dass es störende Nebengeräusche gäbe.


    Fazit: Eine der besten Interpretationen von Schuberts „Großer“ mit hervorragendem Orchester und zupackendem Dirigat in sehr gutem Klang. Referenzwürdig.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Als ich dieses Thema wieder sah, habe ich die ganzen Beiträge des letzten Jahres wieder gelesen, wo es ja im Grunde auf eine Entscheidung hinaus lief zwischen Böhm-BPh oder Wand (welches Orchester auch immer). Aber es gab auch noch einige Andere, und es gibt sie noch immer, und sogar (Gott sei Dank) in zunhemendem Maße.
    Schön, lieber Joseph, dass du jetzt auch Jewgeni Swetlanow mit ins Spiel gebracht hast.
    Auch ich hatte ja noch einige Andere in petto, aber bis auf Riccardo Muti und Claudio Abbado noch gar nicht näher vorgestellt. Heute möchte ich nun diese Unterlassungssünde ausmerzen und einen Schubertianer vorstellen, den ich seit beinahe 25 Jahren in meiner Sammlung habe, leider momentan in der ursprünglichen Abbildung nur noch in Japan erhältlich:



    Spielzeiten: 15:43-13:53-14:06-14:37 --- 58:19 min;


    Harnoncourt ist nun dafür bekannt, dass er immer die Werke, die er aufnehmen wollte, gründlich erforscht hat und sich dann ans Werk machte, und es ist durchgehend eine feste Linie erkennbar, ob es nun bei Mozart, Haydn, Beethoven oder Schubert war, dass ihm Werktreue sehr wichtig war, er sich aber auch überlegt hat, ob Klang und Rhythmus immer seiner Meinung nach richtig rübergebracht worden sind. Die sich daraus ergebenden Interpretationen sind ihm ja bis zuletzt, ja sogar über seinen Tod hinaus (Moazrt Nr. 39 bis 41) zum Teil übelgenommen worden. "Gegen den Strich gebürstet", war da noch eine eher harmlose Formulierung.
    Hier in Schuberts Nr. 9 legt er, wie sollte es auch anders sein, wieder ein komplettes Werk vor, und es ist zugleich eines der Schnellsten, jedenfalls, was Andante und Allegro vivace angeht, also eher etwas für Wolfgang (teleton) als für Glockenton. Aber auch ich stehe (mit Ausnahme von Böhm) zügigen Interprtetationen durchaus positiv gegenüber, wenn sie denn gut sind, so auch dieser. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht vorher darauf zu sprechen kam.
    Jedenfalls ist dieser Schubert m. E. klanglich geschärft, rhythmisch fulminant, dynamisch mitreißend und einfach packend. Anfang der Neunziger Jahre hätten die Holländer sich vielleicht näher mit Harroncourt an einen Tisch setzen sollen, aber vielleicht hatte er aber auch zuviel Sehnsucht nach Österreich. Wer will es ihm verdenken.


    Ich habe gerade noch einmal an das Threadthema gedacht und möchte als Antwort sagen. Nein!
    Denn Schubert hatte damals längst seinen eigenen Weg gefunden, und was für einen, und in welcher kurzen Zeit!


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P. S.: Ich habe vor dem Erstellen dieses Beitrages zwei Stunden vor meinem Hotel in Puerto de la Cruz gesessen (bei durchgehned milden 16° und einem hinreißenden kanarischen Gitarrenduo gelauscht, wie 30 andere Gäste auch und bin dann nach der Lektüre dieses Threads auf die Idee gekommen, dies noch zu schreiben.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Spielzeiten: 15:43-13:53-14:06-14:37 --- 58:19 min
    ... Jedenfalls ist dieser Schubert m. E. klanglich geschärft, rhythmisch fulminant, dynamisch mitreißend und einfach packend.
    ... Hier in Schuberts Nr. 9 legt er, wie sollte es auch anders sein, wieder ein komplettes Werk vor, und es ist zugleich eines der Schnellsten, jedenfalls, was Andante und Allegro vivace angeht, also eher etwas für Wolfgang (teleton) als für Glockenton.


    Lieber Willi, da hast Du bei mir aber total daneben getroffen.
    :| Das ist die Aufnahme der Neunten, die sich in meiner Schubert - Sinfonien _ GA mit Harnoncourt befindet. Seine Int der Schubert Sinf.Nr.1-6 schätze ich auf Höchste --- aber ich habe nie verstanden, wie man dann bei der Unvollendeten und der Grossen C-Dur so abfallen kann: Das sind für mich die langatmigsten Aufnahmen, die ich kenne.
    ?( Und schnell ist Harnoncourt doch überhaupt nicht, sondern total lahm hoch 3 (nur im Andante etwas schneller, aber nur von den Zahlen her ... nicht gefühlt).


    Vergleiche mal die spannenden Zeiten bei Swetlanow in Josefs Beitrag 358:
    14:13 - 16:11 - 9:04 - 11:44
    oder
    Weitere von mir geschätzte -
    selbst die grosse Böhm-Aufnahme (DG) hat mehr Schmackes: 14:27 - 13:53 - 11:18 - 11:29


    *** Szell (SONY) = 13:29 - 13:36 - 9:06 - 10:32
    ** Karajan (EMI) = 13:02 - 13:12 - 14:16 - 11:56
    **** OK, dieser Favorit fällt aus dem Rahmen; aber meine persönliche Hammeraufnahme - Karajan (DG) = 12:42 - 12:16 - 10:03 - 11:29
    *** Bernstein (SONY) = 13:27 - 15:13 - 10:06 - 10:07


    *** Mackerras (Signum) schätzen wir Beide (hatte diese seinerzeit durch deine dankenswerte Empfehlung kennen gelernt). Durch die Beachtung aller Wdh kommen wir auf längere Spielzeiten, aber das ist doch ein Aufnahme die ich als erstklassig bezeichen würde: 15:58 - 14:08 - 13:40 - 15:16

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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