Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 5 op 67 "Schicksalssinfonie"

  • Die Reduzierung des dynamischen Ambitus wird wohl musikhistorisch eher ein "richtiger Beethoven" sein, und kann nicht leugnen, dass die dynamischen Proportionen des Kammerorchesters stimmig sind. Dennoch kann man den grossorchestralen Beethoven mindestens genauso, wenn nicht sogar mehr mögen, weil man - wie schon einmal sagte- den Vorgriff auf die wagnerische Wucht aufgrund des strukturell enthaltenden Vorgriffes als legitim empfinden und einfach gutfinden kann.


    Das war schon recht defensiv formuliert. Angst vor der roten Karte, lieber Glockenton?


    Jedenfalls freut es mich, dass ich als Laie bei einem Experten Rückhall finde. Wie sehr ich auch die Transparenz der Holzbläster bei Järvi bewundere, eine Beethoven-Sinfonie ist für mich niemals Kammermusik. Die Beethoven-Weber-Wagner Streicherklänge sind für eine großes Orchester gedacht und sind - wenigstens für meine Ohren - nicht mit kammerorchestraler Balance oder Durchsichtigkeit zu ersetzen.


    Natürlich ist Paavo Järvi ein genialer Musiker, aber seine Beethoven Sinfonien lassen mich unberührt, weil mir bei ihnen das Pathos wichtiger ist, als die Eleganz.

  • Wie sehr ich auch die Transparenz der Holzbläster bei Järvi bewundere, eine Beethoven-Sinfonie ist für mich niemals Kammermusik. Die Beethoven-Weber-Wagner Streicherklänge sind für eine großes Orchester gedacht und sind - wenigstens für meine Ohren - nicht mit kammerorchestraler Balance oder Durchsichtigkeit zu ersetzen.


    Lieber Hami,
    :!: ein wichtiger Hinweis.
    Die "Bedenken" und Eindrücke bezüglich des zu dünn klingenden Orchesters hatte ich bei P.Järvi bei den RCA-Aufnahmen auf CD/SACD zunächst auch. Ich hatte diese Aufnahmen von einem netten Klasiskforianer bekommen, der mich davon überzeugen wollte. :huh: Nützte nichts ! Ich hatte sogar eher negativ dazu geschrieben und Unverständnis geerntet !


    Erst viel später sah, hörte und kaufte dann die letzte und ausgefeilteste Sicht von Paavo Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen: :thumbsup: Die SONY-GA auf DVD vom Beethovenfest Bonn 2010.
    Hier habe ich weder bei der Sinfonie Nr.5 noch bei den anderen Sinfonien den Eindruck das das Orchester zu dünn klingt, geschweige denn ein Kammerorchester zu hören. Das ist pures grosssinfonisches Feuer, bei dem das von Dir geforderte Pathos keinesfalls zu kurz kommt. Und wenn ich von P.Järvis-Beethoven positiv schreibe, bezieht sich das auch voll auf diese DVD-Aufnahmen von SONY 2010.
    Wenn ich mir die Bilder aus der Beethovenhalle in Erinnerung rufe, finde ich die Besetzung auch gar nicht so klein. An Kammerorchester erinnert da nur noch der Name des Orchesters.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Hami,


    auch ich habe seit gut zweieinhalb Jahren diese hervorragende GA, von der Wolfgang spricht, in meiner Sammlung, aber ich habe sie mir nicht gekauft, weil ich ihn etwa in der Beethovenhalle mit seinem Orchester live erlebt hätte (leider), sondern weil ich ihn in Kiel beim Schleswig-Holstein-Musikfestival live erlebte. Und da spielte er vor der Pausen Mendelssohns Violinkonzert mit Hillary Hahn und nach der Pause Schumann (ich meine, die Zweite). Und als Zugabe gab er das Allegretto aus Beethovens Achter. Und alles was ich da hörte, überzeugte mich vollends.
    Als ich dann von der Beethoven-GA hörte, habe ich sofort zugegriffen und es nie bereut. Auch die Schumann-GA (in der er die Besetzung nochmal vergrößerte) von Pier 2 in Bremen habe ich mittlerweile auch- absolute Kaufempfehlung. In der Zwischensaison und in der neuen Saison werde ich die Bremer mit Järvi zweimal erleben, am 25. Juli in Hamburg, ebenfalls mit Mendelssohns Violinkonzert und Julia Fischer und Brahms, Erste Symphonie, und vier Monate später, am 25. November, werde ich ihn in Köln erleben mit Beethovens Erster, dem Duett-Concertino fr Klarinette und Fagott von Richard Strauss mit Solisten der Deutschen Kammerphilharmonie und nach der Pause mit Brahms Vierter. Selbstverständlich werde ich nach den Konzerten jeweils berichten, wie sich Orchester und Dirigent mit dem Großssinfoniker Brahms geschlagen haben. Also: Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen lohnen sich. Übrigens, schon vor vielen Jahren hat Harnoncourt mit dem COE (Chamber Orchestra of Europe Beethovens Symphonien aufgenommen, die ich heute noch gerne höre.
    Außer Järvi und Harnoncourt habe ich noch Gardiner, Goodman, Hogwood, Krivine, Mackerras und Norrington mit Kammerorchestern und Beethoven GA's in meiner Sammlung. Außer Krivine, der manchmal eine zu dünne Besetzung aufbietet (z. B. in der Eroica), sind das durchweg ausgezeichnet Aufnahmen, die auch die notwendige Beethovensche Durchschlagskraft aufbieten, von der Transparenz mal ganz zu schweigen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Teleton, lieber William,


    wenn die vormitternächtliche Meinung gegen alle Regeln der gesunden Physiologie in keiner Weise von der nachmitternächtlichen abweicht, muss man dieses Faktum, bei hellem Tageslicht betrachtet, durchaus als Indiz für einen hohen Wahrheitsgehalt bewerten.


    Kleinmütig wie ich bin, werde ich daher meine Einstellung nochmals überprüfen. Mal sehen, was dabei rauskommt.


    Meine Bekanntschaft mit Järvis Beethoven-Sinfonienen habe ich vor ein oder zwei? Jahren bei Classica gemacht und zwar mit den Bremern.
    Sind das die Aufnahmen, von denen Ihr sprecht?
    Zugegeben, ich habe sie mir nicht alle angehört. Soviel ich mich erinnern kann, war ich von der Einleitung zur Vierten sehr beeindruckt.
    Dagegen hat mich die Sechste enttäuscht, vor allem der zweite Satz. Der war mir einfach zu trocken, bin mir aber bewusst, dass hier mancher Dirigent eine Ahnung zu viel nachzuckert.
    Ich denke aber, dass Überschwenglichkeit hier das kleinere Übel ist, denn die Wirkung von Naturerlebnissen auf die menschliche Psyche lässt sich ohnehin (bisher noch) nicht exakt berechnen.


    Liebe Grüße!

  • Man kann beim Vergleich der Interpretationsansätze (etwa Järvi vs.Thielemann) viele Aspekte anführen und viele Worte verlieren.
    Wenn man es versucht, ganz kurz und einfach zusammenzufassen, dann käme m.E. das hier heraus:


    Für beide Musizierwelten gibt es gute Begründungen, und man kann hier und da sogar beide mögen. Es ist gut, wenn dem Klassikhörer verschiedene Alternativen vorliegen. Er kann dann - je nach dem, wie er gerade aufgelegt ist, zwischen verschiedenen Beethovenaufnahmen wählen und sich daran vergnügen.


    @hami799
    Also Angst vor einer roten Karte hatte ich damals wohl nicht, lieber hami799 (fragt sich, wer denn der Schiedsrichter wäre...).
    Es ist wohl so, dass ich einfach von meinem Standpunkt aus für beide Seiten gute Argumente finden kann. Doch nicht nur das: Ich kann auch vom Empfinden her beiden Seiten etwas abgewinnen, wobei Empfinden ja auch das gute Gefühl sein kann, dass einem an einer bestimmten Stelle "ein Licht aufgegangen ist".


    Merkwürdigerweise kann ich vom Gefühl her dem Järvi-Ansatz bei Schumann ein klares "Ja" entgegenbringen, während ich bei Beethoven es etwas varierter (auch nach Symphonien differenziert) empfinde. Für die 3, 5,6, 7 und 9 höre ich einfach lieber den Sound der Wiener oder Berliner Philharmoniker, während ich bei der 1, 2, 4, und 8 auch durchaus den Kammerorchesterklang etc. als mir ebenso zusagende Alternative sehe.
    Klar ist, dass man die Intentionen Beethovens mit beiden Orchestertypen sehr gut umsetzen kann. Kammermusikalische Aspekte des dialogischen Zusammenspiels bekommt man mit einem Kammerorchester natürlich etwas leichter realisiert. Es kommt in jedem Fall mehr auf die Interpretation des Dirigenten und die jeweilige Umsetzung an.


    Der entscheidende Punkt bei einer solchen Diskussion ist für mich, ob man die tiefere Aussage, den eigentlichen Kern der künstlerischen Botschaft auffassen kann. Meiner Ansicht nach ist das weniger eine Frage der Orchesterbesetzung (inklusive alte oder "moderne" Instrumente) sondern eben der Kombination aus Gedankentiefe und musikalischem Handwerkszeug, die sich in Dirigent und Orchester mehr oder eben weniger manifestieren.


    Den eigentlichen inhaltlichen Gedanken des Erlebnisses eines Spaziergangs am Bach habe ich -obwohl ich die Musik seit ich 6 Jahre alt war kenne- nie derart begreiflich und ergreifend erlebt, wie bei der Thielemann-Aufnahme (als Blue-ray).
    Ein Harnoncourt macht hier vom Klangrednerischen her alles richtig, auch ein Järvi. Bei der romantischen Interpretation Guilinis oder Furtwänglers klingt es poetisch und erzählend, bei Karajan trifft man auf ein massives "Nichts-mit-anfangen-können" (weswegen er einfach sein Standardlegatorezept + straffes Tempo versucht) usw.
    Doch bei Thielemann taucht vor meinem geistigen Auge ein Film auf, in dem ich selbst durch eine Bachlandschaft an einem sonnigen Tag gehe und all die Eindrücke mit einer staunenden Ergriffenheit in mich aufsauge.
    Für mich ist er da zum Kern durchgedrungen. Ob nun das Orchester von der Besetzung her etc. genau wie bei Beethoven war usw. spielt dann aus meiner Sicht kaum noch eine Rolle.


    Nun geht es hier ja um die 5. und nicht um die 6. Ich erwähne die 6. deswegen, weil sie vorher schon angeführt wurde und weil ich daran erläutern wollte, dass das Erlebnis der künstlerischen Kernaussage eines Meisterwerks wesentlich entscheidender ist, als die Frage nach Besetzungen oder Instrumentarium. Damit sage ich nicht, dass Aufführungen mit Kammerorchestern oder gar alten Instrumenten obsolet oder ein Fehler wären. Ich lehne jedoch die Aussage ab, dass sie zwingende Voraussetzung für ein grossartiges "richtiges" Beethovenerlebnis wären. Zudem machen sie auch die Interpretationen mit den Symphonieorchestern keineswegs überflüssig. Es kann Gründe geben, je nach Werk oder Interpretation, das Eine oder Andere vorzuziehen. Übrigens kann auch ein Spitzen-Symphonieorchester transparent und leichtfüssig (etwas für die 1 oder 2 ) klingen, wenn es entsprechend dirigiert wird. Deren Musiker spielen ja ohnehin in allen möglichen Kammermusikformationen....


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Nikolaus Harnoncourt, fast 86, ist bekannt für kontroverse Deutungen. Im Mai diesen Jahres dirigierte er die 5. (und die 4.) Symphonie von Beethoven mit seinem Concentus Musicus im Goldenen Saal des Musikvereins in Wien. Vor op. 67, dem zweiten Teil des Konzerts, hielt er eine 7-minütige Ansprache, in der er seine Sicht der Dinge darlegte. Seit 60 Jahren beschäftige ihn das Werk nun, erst als Orchestermitglied, später als Dirigent. Gleichwohl sei dieses seine erste Interpretation auf historischen Instrumenten. Der Deutung von der "Schicksalssymphonie" erteilte er eine Abfuhr. Vielmehr sei für ihn mittlerweile klar, dass die Fünfte als einzige Beethoven-Symphonie neben der "Eroica" ein politisches Programm besitze. Es sei eine Art musikalische Verarbeitung der Französischen Revolution. Im Kopfsatz sei der noch gescheiterte Versuch einer revolutionären Erhebung dargestellt. Das düstere Motiv stelle die reaktionären Kräfte des Ancien Régime dar, das im Widerstreit stehe mit dem anderen, helleren Motiv, das im Laufe der Symphonie so wichtig werde und an "La liberté", "Die Freiheit", denken lasse. Der langsame Satz sei dann ein verinnerlichtes Gebet nach dem Scheitern des ersten Versuch des Aufbegehrens im Kopfsatz. Es werde um göttlichen Beistand ersucht, da die Sache der Freiheit sonst verloren sei. Im Scherzo dann die zunehmende Zuspitzung des Konfliktes zwischen Alt und Neu, zwischen absolutistischem Königtum und revolutionären Kräften. In der Überleitung zum Finalsatz schließlich der Durchbruch, der Sieg der Revolution. Im napoleonischen Frankreich hätten die Leute, so Harnoncourt, bei diesem Satz sofort "Vive l'Empereur!", "Es lebe der Kaiser!" gerufen. Napoleon gewissermaßen als der Erfüller der Revolution. Das hätte Beethoven wohl nach dessen Kaiserkrönung nicht mehr unterschrieben, aber ein dennoch interessanter Gedanke. Überhaupt sei das Instrumentarium, das nun erst im Finale zum Einsatz kommt, ein Indiz für festliche Jubelmusik.


    Man mag von dieser Theorie halten was man will. So gänzlich aus der Luft gegriffen erscheint mir der Gedanke jedenfalls nicht. Zumindest überzeugender als das angebliche Klopfen des Schicksals an die Pforte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ganze Generationen von Musikwissenschaftlern haben sich mit Mozart und Beethoven auseinandergesetzt - da hat die Musikwelt nur gewartet auf den Schmarr'n vom Mozartschen "Sinfonien-Oratorium" und jetzt die "Freiheits"-Umdeutung von Beethovens 5. Sinfonie durch Herrn H.


    Der Herr Nikolaus ist nur noch ein Wichtigtuer, der mit solchen Äußerungen zum Kaufen seiner zweifelhaften Neudeutungen animieren will. Schade, denn ich kannte einen besseren Harnoncourt - aber das ist lange her....



    :hello: LT

  • Lieber Liebestraum,


    da schreibst Du aber gereizt....
    Ganze Generationen von Musikwissenschaftlern haben sich auseinandergesetzt- und wir pflegen Karajans, Böhms und Bernsteins Lesart.
    Verzeih die Ironie.


    Allein die drei gehen mit Mozart auch nicht anders um als der Herr Unverzagt: immer auf der Suche, Mozart den eigenen Vorstellungen einzuverleiben.
    Was er selbst wohl wollte?


    Vielleicht sitzt er irgendwo kichernd auf einem Wölkchen und lacht sich tot darüber, dass wir immer die alten Fehler machen. Nämlich uns über die Fehler aufregen, die andere machen, die aber eigentlich unsere eigenen sind.
    Grundkurs Psychologie.


    Hier wird so oft von Visionen gesprochen, mit der Mozart und Beethoven den Steinway beschworen haben wollen sollen- warum nicht auch einen Freiheitsgedanken? Oder eine zyklische Denkungsart der letzten Sinfonien? Eine Oper ohne Worte? Ist nicht absurder als die Vision eines Instruments, das erst in hundert Jahren unser aller Klangvorstellung bestimmt haben wird.


    Bitte entschuldige, alle Einschränkungen aber zeigen nur unser eigenes Unvermögen, nicht das des Komponisten.


    So spät wie heute war ich noch nie zum Dienst!
    So herzlich grinsend aber auch nicht.
    Mike

  • Lieber Mike,


    du hast recht, es klingt gereizt, genervt und vergnatzt - das kommt daher, dass ich mit seinen Interpretationen seit etlichen Jahren nicht mehr einverstanden bin. Obwohl ich mich den Neuerscheinungen immer wieder stelle - bleibt ein fader Beigeschmack...


    :hello: LT

  • Lieber Liebestraum,
    bin im Dienst und darum gehen mir meine Patienten vor. Entschuldige bitte.
    Verstehe aber Deinen Frust, Harnoncourt betreffend- kann und will jetzt nur nicht konkreter antworten.
    Denke aber, dass gerade dieser "Harnoncourt-Frust" ein eigentlich sinnvoller ist: man ist gezwungen, sich Gedanken zu machen und Position zu beziehen.
    Ist Auseinandersetzung und die ist nie schlecht. Bei allem Frust nicht.


    Der alte Nikolaus ist zwar körperlich gebrechlich geworden, geistig aber provoziert er noch immer.
    Dafür danke ich ihm!
    Weil ich seine Meinung nicht immer teile, lässt er mich aufmerksam sein.


    Sorry, jetzt muss ich wirklich weg.
    Herzliche Grüße,
    Mike

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  • Zitat

    Man mag von dieser Theorie halten was man will. So gänzlich aus der Luft gegriffen erscheint mir der Gedanke jedenfalls nicht.


    Harnoncourt ist schliesslich ein Intellektueller, wenn auchg IMO ein "verschrobener", der Dinge in Kompositionen hineinprojiziert, von denen vermutlich nicht einmal der Komponist etwas geahnt hat. Was mich persönlich an Harnoncourt stört, ist, daß er mein Bedürfnis nach Schönheit des Klanges nicht befriedigen kann oder will, sondern seiner "Klangsprache (die ich nicht hören will) alles unterordnet. Ich greife - im Gegensatz zu anderen - Herrn Harnoncourt nicht an. Allerdings gibt es andere Dirigernten deren klangliches Ergebnis mir angenehmer erscheint.


    Zitat

    Zumindest überzeugender als das angebliche Klopfen des Schicksals an die Pforte.


    Das ist keine Kunst, denn dies ist schon lange widerlegt.
    Beethoven hat dies (angeblich?) sogar selbst gesagt, aber wie es sich mir darstellt war dies ein Anflug seines berühmten grimmigen Humors. Er machte sich über die Dummheit des Fragestellers lustig.


    Dazu gibt es übrigens ein Pendant aus späterer Zeit. Eine nicht gerade mit geistigen Gütern gesegnete Dame versucht auf einem Ball mit Albert Einstein ins Gespräch zu kommen.
    "wie ist denn das mit der Zeit - Herr Professor ?"
    Einstein antwortet darauf: "Wenn ich die Zeit wissen will - dann sehe ich auf meine Uhr !"


    So ähnlich sollte man sich Beethovens Anwort auf die Frage nach dem Beginn der 5. Sinfonie vorstellen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir mittlerweile den ORF-Mitschnitt der 5. Symphonie angehört. Das hinterließ doch insgesamt einen sehr zufriedenstellenden, interessanten Eindruck. Gewisse exzentrische Eigenheiten sind vorhanden, am extremsten ganz am Ende in der Coda des Finalsatzes, wo Harnoncourt mehrere sehr eigenwillige Ritenuti einbaut.


    Da die Werkeinführung wohl auch für andere interessant sein könnte, habe ich mir erlaubt, sie komplett heraufzuladen (absichtlich mit geringer Bitrate, da für eine Ansprache absolut ausreichend und die Datei dadurch viel kleiner ist). Damit wir den Stein des Anstoßes auch nochmal im Originalwortlaut haben.

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    – Luís de Camões

  • Die Deutung scheint mir nun (im Ggs. zum trisinfonischen Instrumentaloratorium) nicht allzu weit hergeholt (und ziemlich sicher auch nicht neu), wenn auch etwas zu eindeutig konkretisiert, ist es allemal plausibler als eine *persönliche* Schicksalssinfonie. Dafür ist die Musik viel zu "öffentlich" im Charakter.


    Gebet höre ich im langsamen Satz weniger, es gibt den Aspekt der "Einkehr" (was nicht religös sein muss) und natürlich die "motivierenden" Stellen, die schon nach dem Finale klingen und es gibt eine Stelle (habe ich oben, glaube ich schonmal erwähnt), die für mich sehr deutlich nach einer "in Bewegung kommenden Masse" klingt, was aber in diesem Satz noch nicht zum Durchbruch kommt. Die Gestik am Beginn des 3. Satz mit "niederdrückender Staatsgewalt" in Verbindung zu bringen wird u.a. durch eine nicht unähnliche Gestik in der Egmont-Ouverture, in der diese Passagen mit einiger Sicherheit die spanische Zwangsherrschaft symbolisieren, gestützt.
    Und natürlich klingt das Finale weit eher wie ein politischer oder militärischer Triumph als ein "privater".

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Und natürlich klingt das Finale weit eher wie ein politischer oder militärischer Triumph als ein "privater".


    Zunächst: Kein Widerspruch. Dennoch: Woran machst Du das fest? An der elementaren Formstrenge und - mild kritisch gemeint - elementaren Formelhaftigkeit - man denke an die doch ein wenig redundante Quasi-Stretta-Coda? An einzelnen - für mich bösen Menschen wiederum eigentlich verzichtbaren - Piccolo-Effekten? Hatte der mittlere Beethoven bereits die Sichtweise des doppelbödigen, ja bisweilen ironischen Spätwerks? Ich denke, nein, auch nicht theoretisch. Ebenso hatte er nicht die elementaren politischen Erfahrungen eines Schostakowitsch machen müssen. Wie aber wäre aus seiner Sicht ein "militärischer Triumph" zu verstehen? Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gab es nicht mehr; Beethovens Haltung zum vermeintlichen Revolutionär Napoleon hatte sich radikal gewandelt.


    Wie könnte ein "privater Triumph" des (mittleren) Beethoven ausgesehen haben? Denkst Du an bestimmte Werke?


    Falls es oben mitschwingt - ja, es ist so: Nach wie vor finde ich den Übergang vom dritten zum Finalsatz spannend, auch als spezifisch diskussionsrelevant für den Vergleich von Aufnahmen. Dann aber hätte - meines Erachtens - Beethoven deutlich schneller aufhören sollen.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich kann mir eigentlich auch nicht vorstellen, dass bisher noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, die 5. Symphonie in irgendeinen Bezug zur Französischen Revolution zu stellen. Zwischen dem offiziellen Ende der Revolution (Dezember 1799) und der Fertigstellung der Symphonie (Frühjahr 1808) liegen nicht einmal zehn Jahre; erste Aufzeichnungen sollen übrigens bereits in Jahr 1800 datieren. Zudem ist eine Apotheose der Freiheit ja nicht gleichbedeutend mit einer Apotheose Napoleons.


    Die Kritik am Finalsatz kann ich übrigens heute nicht mehr so nachvollziehen. Ich erinnere mich aber, dass ich früher vom Finale gar nicht so angetan war. Nach wie vor ist der Kopfsatz mein persönlicher Favorit, und natürlich die wahrhaft revolutionäre Überleitung vom Scherzo ins Finale. Insgesamt würde ich sagen, dass die Fünfte noch immer meine persönliche Lieblingssymphonie von Beethoven ist. Mit der "Eroica" konnte ich lange Zeit ganz wenig anfangen, und ich finde sie noch heute deutlich schwieriger und gerade für Ersthörer "komplizierter".


    Noch ein Wort zu Harnoncourts Motivation direkt: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein fast 90-Jähriger mit dieser seiner neuen Interpretation irgendwelche kommerziellen Interessen verfolgt. Dazu ist gerade Nikolaus Harnoncourt nun wirklich der falsche Mann. Ich unterstelle ihm durchaus die ehrliche Überzeugung von dem, was er ausführt. Und so dogmatisch klingt er in der Werkeinführung auch nicht, da er einräumt, jeder müsse sich natürlich sein eigenes Urteil bilden, das nicht mit seinem übereinzustimmen brauche.

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    – Luís de Camões

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  • Wie gesagt, ich bin gegenüber allzu konkreten Ausdeutungen, egal welcher Art, skeptisch. Ein "privater Triumph" wäre die Überwindung des persönlichen Schicksals, das im Kopfsatz pocht (biographisch etwa das Akzeptieren der Ertaubung u.a. persönlicher Leiden).
    Ein militärisch-politischer Triumph wäre natürlich auch nicht konkret und spezifisch (wie bei Wellingtons Sieg) zu verstehen, sondern eben "Sieg der Freiheit/Gleichheit/Brüderlichkeit". Und das Finale erinnert ja angeblich explizit an die Gestik von Musik aus dem Umkreis der Revolution.


    Man kann das Ganze auch als "abstrakte", "rein musikalische" Entwicklung sehen. Als vorher nie versuchte enge Integration der 4 Sätze in einen großen Bogen, mit motivischen u.a. Verknüpfungen 1. Satz -> 3. Satz -> Reminiszenz vor Reprise im Finale, Trompeten/Pauken-Stellen in 2. Satz -> C-Dur-Fugato im "Trio" -> Triumphfinale usw. Sowie Gegensätzen: Extrem verdichteter, thematisch einheitlicher Kopfsatz vs. eher "entspannter" (allerdings s.o.) Variationensatz - dämonisches Anti-Scherzo - breit angelegtes Triumphfinale mit vielfältigem Material.


    Ich finde leider nicht mehr, was ich mal zu den Kleibers und Karajan geschrieben habe...
    EDIT: Es war in einem Carlos-Kleiber-Thread: Legenden auf dem Prüfstand


    Selbst wenn das zum Klischee geworden sein mag: Es ist gar nicht einfach, den "ad astra"-Umschwung musikalisch überzeugend zu komponieren. Bei Beethoven ist das weniger häufig als man denken mag. Viele Moll-Werke schließen einfach in Moll (zB die Klaviersonaten mit "Sturmfinali" wie Appassionata), andere haben eine eher "technische" (d.h. emotional nicht so aufgeladene) Dur-Wende erst ganz am Ende (z.B. op.10/1). Bei anderen wieder steht das Finale einfach in Dur, ohne dass der "Konflikt" explizit gelöst worden wäre: Kreutzersonate oder auch op.90, op.111. Bei wieder anderen kann die Durwende gewollt bzw. der Schluss beinahe "angehängt" wirken: 3. Klavierkonzert, Egmont-Ouverture (hier freilich durch das Drama begründet), f-moll-Quartett. Ohne jetzt alle Kandidaten durchgegangen zu sein, scheint mir der einzige Fall, der mir beinahe noch "organischer" als die 5. Sinfonie scheint, das Finale von op.132, da hier die "triumphale" lange Coda mit transformiertem Material des vorhergehend leidenschaftlich-düsteren Satzes bestritten wird. Ähnlich auch die Coda von op.133.

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    (Bob Dylan)


  • "Jahrzehntelang setzte sich Nikolaus Harnoncourt mit den Werken Ludwig van Beethovens auseinander. Diese Erfahrung wird zum Ende seiner Karriere ein letztes Mal hörbar – mit einer meisterhaften Interpretation der 4. und 5. Symphonie."


    So heißt es in der Beschreibung dieser Aufnahme der 5. Symphonie, die zusammen mit der 4. Symphonie zwischen dem 8. und 11. Mai 2015 im Großen Saal des Wiener Musikvereins entstand und nun ungeplant zum musikalischen Testament des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt wurde, der sich am Vorabend seines 86. Geburtstages aus dem Musikleben zurückzog. Damit dürften auch alle Hoffnungen, er könnte den begonnenen letzten Beethoven-Zyklus mit dem Concentus Musicus zumindest noch unter Studiobedingungen vollenden, endgültig beerdigt sein. Sehr schade angesichts des Resultats, das mich teilweise an Mengelberg auf historischen Instrumenten erinnerte.


    Weiter oben in diesem Thema erwähnte ich ja bereits den im Rundfunk gesendeten Mitschnitt. Man wird sagen dürfen, dass Sony hervorragende Arbeit geleistet hat und spürbare Verbesserungen sowohl im Klangbild als auch in der Ausführung erzielte. Offensichtlich wurden hier Teile der Konzerte und evtl. auch der Proben verwendet, was man dem Endprodukt indes nicht negativ anmerkt. Etwaige Publikumsgeräusche sind völlig eliminiert worden, ohne dass der Klang darunter gelitten hätte. Hier ein großes Lob an die Tontechnik, die beweist, dass man es doch noch drauf hat, wenn man nur will (ganz anders die vermurkste Klangqualität der Beethoven-Aufnahmen unter Thielemann, ebenfalls bei Sony erschienen).


    Diese wohl berühmteste aller Symphonien kennen die meisten von uns in- und auswendig. Dass man gleichwohl auch nach der tausendsten Aufnahme noch Neuerkenntnisse geliefert bekäme, das stellte ich zumindest in Frage. Harnoncourt gelingt indes genau das. Das Jahrzehnte lang auf ihn eingespielte Orchester agiert geradezu weltmeisterlich und kann ihm auf Schritt und Tritt folgen. Keine Alterserscheinungen des Dirigenten, der genau weiß, was er will, und das auch bekommt. Selten hörte ich den Kopfsatz in einer solch rabiaten, geradezu harschen Weise wie hier. Einige exzentrische, aber gelungene Temporückungen lassen keine Langeweile aufkommen. Man hat vor sich tatsächlich das Bild einer ersten revolutionären Erhebung, die von der Obrigkeit brutal niedergeschlagen wird. Spielzeit 7:24.


    Im langsamen Satz dann die innere Einkehr und auch Resignation angesichts des Scheiterns des Sich-Aufbäumens. Mit 9:06 keineswegs verschleppt, sondern adäquat umgesetzt. Auch hier hört man selten gehörte Töne.


    Im Scherzo (8:18) kommt neue Hoffnung auf. Das Orchester spielt sich allmählich zur Gluthitze hoch. Die Tempowechsel sind wieder allgegenwärtig und in sich schlüssig. Sehr prägnant die Blechbläser und die Pauken, die dann im Finale (10:57) zu ihrem Höhepunkt kommen: der Durchbruch der Revolution. Auch oft ungehörte Nebenstimmen gehen angesichts der Tontechnik nicht unter. Geradezu detailverliebt geht Harnoncourt hier zur Sache. Die Coda habe ich ewig nicht mehr in einer solchen Intensität gehört. In den letzten Sekunden fühlt man sich an Willem Mengelbergs Exzentrik erinnert, als Harnoncourt geradezu ans frühe 20. Jahrhundert erinnernde Ritenuti bringt. Das wird wohl manchen Hörer aufhorchen lassen oder gar als unpassend erscheinen, aber mir gefiel es in seiner Eigenwilligkeit ganz ausgezeichnet.


    Unterm Strich bleibt eine sehr eigene Interpretation der Fünften, die man wohl als würdigen Abschluss der Karriere Harnoncourts bezeichnen darf. Nichts für Neueinsteiger, aber für Fortgeschrittene — und Harnoncourt-Anhänger ohnehin. Es ist wirklich jammerschade, dass wir seine Letztsicht auf die noch ausstehenden Beethoven-Symphonien nicht mehr hören werden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke, lieber Joseph, für Deine Einschätzung.
    Klingt kaufanreizend... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Vielen Dank auf von mir für den Hinweis auf diese leider schon historische Aufnahme.
    Da ich diesem Musiker eine Menge zu verdanken habe, sollte sie eine der wenigen CDs sein, die ich ungehört bestellen kann.


    Allerdings möchte ich hierzu noch etwas bemerken:


    Hier ein großes Lob an die Tontechnik, die beweist, dass man es doch noch drauf hat, wenn man nur will (ganz anders die vermurkste Klangqualität der Beethoven-Aufnahmen unter Thielemann, ebenfalls bei Sony erschienen).


    Welche Kriterien waren für Dich bei der Beurteilung der Klangqualität ausschlaggebend, und mit welcher Art von Abhörequipment hast Du gehört, um zu dieser Einschätzung belastbar gekommen zu sein?


    Meine Kriterien für eine gute Orchesteraufnahme sind: Wärme, Klarheit, richtige und natürliche Klangfarben, Transparenz, Ortungsschärfte in Breite und Tiefe, natürliche Ausgewogenheit zwischen Bässen, Mitten und Höhen und natürlich Dynamik.


    Meine Abhörequipment habe ich vor kurzem auf Tamino vorgestellt.
    Zusätzlich zu dem im Link erwähnten Lautsprecherset und den Referenz-Kopfhörern HD800 und LCD-X kann ich berichten, dass ich die Thielemann-Aufnahme in der Stereospur über die als besonders neutral geltenen Modelle von AKG K812 und K701, sowie dem Beyerdynamic DT770 pro hörte, jeweils über den Violectric HPA V200 Kopfhörerverstärker.


    Meine Bewertung der Klangqualität:
    Neben einer Denon-One-Point-Recording-CD und einer Wagner-Blueray ( Der Ring ohne Worte) mit Maazel und den Berliner Philharmonikern, ist diese Blue-ray mit den Beethoven-Symphonien unter Thielemann meine klangtechnisch bisher beste Orchesteraufnahme überhaupt, und zwar hinsichtlich der oben genannten Kriterien.
    Egal, ob ich die Stereo-Spur oder den Surround-Mix höre, kann ich zu keinem anderen Ergebnis kommen. Von daher machte mich Deine Aussage etwas stutzig.


    Oder bezogst Du Dich auf die vorhandenen Publikumsgeräusche?
    Es stimmt, diese sind bei Thielemann vorhanden. Wie in jedem Konzert räuspert sich der ganze goldene Saal des Wiener Musikvereins zwischen den Sätzen. Ebenso ist der Applaus in voller Länge vorhanden. Es ist sicher eine Geschmacksfrage, aber ich mag auch das.
    Wenn ich den Raum verdunkle und eine dieser Symphonien im Sweetspot sitzend im Surround-Mix höre ( und/oder auch auf dem Schirm sehe), dann ist das Gefühl des Dabeisseins schon recht greifbar.

    Ich habe auch einige klangtechnisch vermurkste Aufnahmen - ausgerechnet diese Thielemann-Beethoven-Einspielung gehört aber bestimmt nicht dazu.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Joseph II: (ganz anders die vermurkste Klangqualität der Beethoven-Aufnahmen unter Thielemann, ebenfalls bei Sony erschienen).


    Das kann ich ganz und gar nicht nachollziehen :no:


    Zitat

    Glockenton: Neben einer Denon-One-Point-Recording-CD und einer Wagner-Blueray ( Der Ring ohne Worte) mit Maazel und den Berliner Philharmonikern, ist diese Blue-ray mit den Beethoven-Symphonien unter Thielemann meine klangtechnisch bisher beste Orchesteraufnahme überhaupt, und zwar hinsichtlich der oben genannten Kriterien.


    Das kann ich ganz und gar nachvollziehen :yes:



    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Die Harnoncourt-Aufnahme habe ich natürlich auch schon bestellt.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Liebe Freunde,


    die Tonqualität bei Thielemann bezog sich durchaus auf die Aufnahmen an sich, nicht auf Publikumsgeräusche (die mich nur in Ausnahmefällen stören). Die DVDs kann ich nicht beurteilen, es ging um die CD-Veröffentlichung.


    Was mich zu der Auffassung bringt? In einer langen vergleichenden Hörsitzung bei einem guten Freund auf dessen sicher überdurchschnittlicher Anlage hörten wir uns einige Aufnahmen von Beethoven-Symphonien an, angefangen bei Furtwängler bis hin zu Thielemann, alle mit den Wiener Philharmonikern. Und die Klangqualität bei Bernstein in seiner 70er-Jahre-Aufnahme erschien uns beiden deutlich natürlicher und voller. Bei Thielemann war der Dynamikumfang beschränkt, laute Stellen waren kaum anders als leise. Ich bezweifle, dass es an der Anlage lag. Die Anlage ist nach meiner Information ein teures Erbstück und von Marantz, also sicher kein Billigheimer.


    Jedenfalls erscheint mir die neue Veröffentlichung der Harnoncourt-Aufnahme klangtechnisch eindeutig vorzuziehen zu sein, von der Interpretation ganz zu schweigen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Und die Klangqualität bei Bernstein in seiner 70er-Jahre-Aufnahme erschien uns beiden deutlich natürlicher und voller.


    ....sehr merkwürdig.
    Gerade die klingt bei mir im Vergleich mit manchen Anderen schon etwas "älter".
    Ich kenne ja nicht den Sound der Thielemann-CDs, würde mich allerdings etwas wundern, wenn die Stereo-Spuren von der Blue-ray so anders wären. Ausschließen will ich das aber nicht.
    Ich habe die Brahms-Sonaten mit ASM sowohl auf Blue-ray als auch auf CD. Der Stereomix der Blue-ray gefällt mir besser, aber da weiß ich nicht so genau, ob die CD ebenfalls aus dem Live-Konzert entstand oder eben eine ganz andere Aufnahme ist.


    Interessierten an der Thielemann-Aufnahme werden auf jeden Fall nichts Falsches machen, wenn sie den Zusatzbetrag zahlen und sich statt der CDs gleich die Blue-rays zu bestellen. Nicht nur, dass der Klang dort hervorragend ist, aber auch die Extras, wie die interessanten Gespräche mit Thielemann zu den jeweiligen Symphonien, bei denen auch gelegentliche Einspieler anderer Dirigenten vorhanden sind, sehe ich als echten Mehrwert, natürlich auch das Bild, wobei ich die interessante Erfahrung gemacht habe, dass man vielmehr hört, wenn man den Bildschirm abdeckt.
    Wenn man dann wieder auf den Schirm blickt, dann wundert es einen, dass die da bei der vielen "Aktion" die man gehört hat, doch verhältnismäßig ruhig und gesittet dort sitzen und ihrer Arbeit nachgehen. Es klingt aufregender, als es aussieht....


    Kurzer Exkurs zum BD-P für Leute, die sich so etwas ohnehin in absehbarer Zeit zulegen wollen:
    Bei einem einigermaßen guten BD-P sollte auch für den Fall, dass man keinen AV-Receiver mit HDMI und keine Surroundanlage hat, aus den Stereo-Chinchausgängen ein guter Klang herauskommen. Momentan habe ich einen Yamaha-Multiplayer, aber wenn es nur um Blue-ray, DVD und CD geht, dann habe ich früher auch sehr gute Erfahrungen mit Panasonic-Playern gemacht, die man recht günstig bekommen kann. Die Vorteile der besseren Bildqualität gegenüber DVD sind ja immer mehr als deutlich, vor allem natürlich bei Blue-rays, aber nicht nur ( Upskaling).


    Teuer und richtig gut geht natürlich auch - dann wäre ein Multiplayer von Oppo sicher eine gute und immer noch relativ preisgünstige Wahl. Marantz und Denon bauen natürlich auch gute Sachen, aber da muss man ein noch besser gefülltes Konto haben...


    Schade, dass wir so weit auseinanderwohnen, sonst könnten Joseph II und ich einmal bei mir versuchen, ob wir hinsichtlich der Klangbeurteilung Einigkeit erzielen können. Die Harnoncourt-Aufnahme käme dann natürlich auch in den Player :)



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich kenne ja nicht den Sound der Thielemann-CDs, würde mich allerdings etwas wundern, wenn die Stereo-Spuren von der Blue-ray so anders wären. Ausschließen will ich das aber nicht.

    Lieber Glockenton,


    ein Freund von mir hat etliche Orchester- und auch Klavieraufnahmen auf CD (und die dann gerippt) sowie zugleich auf Blue-Ray bzw. DVD. Leider ist es in den meisten Fällen so, dass die Tonspuren nicht identisch sind. DVD bzw. Blue-Ray ist in der Regel (Ausnahmen gibt es natürlich) klanglich erheblich schlechter!


    Herzlich grüßend
    Holger

  • DVD bzw. Blue-Ray ist in der Regel (Ausnahmen gibt es natürlich) klanglich erheblich schlechter!


    Wenn es um neue Aufnahmen geht, würde mich das doch sehr wundern ( nicht bei DVD) lieber Holger, denn die Blue-rays bieten ja umkomprimierten Sound in einer mit der SACD ziemlich vergleichbaren Qualität an ( wie auch die DVD-A, über die wir hier aber nicht reden), und das m.E. nicht nur für den Mehrkanalsound, sondern auch in Stereo. Natürlich kann es aber vorkommen, dass es einfach andere Abmischungen sind - wir werden das hier nicht klären können, denke ich.


    Aber jetzt habe ich einmal eine andere Frage an die Solti-Kenner:


    Ist diese CD hier


    51EW1tZsBfL.jpg


    eigentlich hinsichtlich der 5. von Beethoven dieselbe Aufnahme wie diese in einem anderen Thread von teleton angesprochene CD?



    Ich habe hineingehört und finde beide vom Tempo her und auch ansonsten vielversprechender als die CSO-Aufnahmen, die man ja überall sehr leicht bekommt. Wenn man bei amazon beide CDs online anspielt, dann denkt man, dass es sich um dieselbe Aufführung handelt, aber bei der grauen "Legends" -Doppel-CD mit reinem Beethoven-Inhalt scheint das Horn direkter das Motiv von rechts hineinzupfeffern ( Satz 1), während bei der CD mit dem farbigen Cover das Horn etwas weiter entfernt klingt und der Hall etwas länger wirkt als bei der trockener wirkenden Legends-CD. Da ich den Kopfhörer an einer externen USB-Soundkarte von Steinberg/Yamaha hengen habe, kann ich solche Dinge durchaus auch bei den komprimierten Anspieldateien von amazon heraushören. Vielleicht haben sie nicht nur die Originalbänder mit 96kHz und 24 bit gesampelt ( und dann wieder auf 16bit und 44,1kHz runterskaliert...), sondern eben auch an der Abmischung, bzw. am Mastering etwas geändert - oder es ist eben doch eine andere Aufnahme, die rein zufällig genau im gleichen Tempo ist und bei der auch vom Stereo-Panorama alles genau gleich aufgenommen wurde.....was ich aber kaum glauben kann.
    Wer kennt sich da im Solti-Universum aus? Shostakovich ist ja nicht so meine Musik, von daher würde ich lieber eine reine Beethoven-CD kaufen, aber andererseits mag ich es nicht, wenn durch die Aufnahmetechnik es sich so anhört ( wie leider bei der 7. mit Solti/CSO) als ob die Hörner direkt in der Gruppe der 1. Violinen säßen und nicht weiter hinten im Raum. Bei den Abspielgeräten der 70er-Jahre und einer "wohnraumfreundlichen " Platzierung der Lautsprecher vielen solche Dinge damals wohl weniger ins Gewicht, als es heute der Fall sein kann, jedenfalls bei mir.


    In den letzten Tagen habe ich mich übrigens mit der 7. Beethovens mit Solti und dem CSO beschäftigt. Meine musikalischen Eindrücke hierzu will ich später posten, aber jetzt nur klangtechnisch erwähnen, dass die Bässe zwar Decca-alttypisch deutlich betont hervorkommen ( warum auch nicht, es kann gut gefallen) , ansonsten die Aufnahme aber zu sehr solche Dinge wie die beschriebenen Stützmikros und auch einen nicht so besonderns transparenten Klang mit zu spitzen Höhen über meine Anlage offenbart. Es kommt auch hinzu, dass die hohen Streicherstimmen alle von links kommen ( wohl die amerikanische Aufstellung), was ich gerade bei dem nicht ganz aktuellen Klangbild dann bald auf dem linken Ohr etwas anstrengend finde, sowohl mit Lautsprechern ( bei mir gibt es fast nur Direktschall, keinen Diffusschall vom Raum), als auch mit dem Kopfhörer. Von daher war meine Überlegung, ob die Aufnahmen mit dem wahrscheinlich eher in deutscher Aufstellung spielenden WPO eventuell so sind, dass die 2. Geigen von rechts kommen, was ja dann für den Stereohörer einen balancierteren Klangeindruck gäbe.
    Wenn sie dann auch musikalisch mehr überzeugend klingen als die CSO-Aufnahme, dann käme ohnehin eine der beiden WPO-CDs für die 5. in die engere Wahl.


    Diese von mir genannten aufnahmetechnischen Einschränkungen der Aufnahme aus den 70ern ( bei meiner Autoanlage stören diese Dinge nicht, und die Hörfreude ist nur in diesem Fall eigentlich größer als zu Hause) finde ich nebenbei gesagt angesichts der gebotenen Interpretation sehr schade, denn diese 7. mit Solti hat tatsächlich ihre sehr individuellen und werkimmanenten Vorzüge - doch dazu werden ich denn irgendwann im entsprechenden Thread wieder einmal etwas ins Plaudern kommen.... :D


    Jetzt wäre es aber schön, wenn irgendjemand mir mit der 5. und den beiden o.g. CDs weiterhelfen könnte...


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich kann zuhause folgende Geräte miteinander kombinieren und habe dies eben beim Anhören und -sehen der 7. Symphonie (siehe dortigen Thread) auch getan:


    Panasonic Blur-Ray-Player BDT 700 +
    41C%2BPfhEU0L.jpg --

    Pioneer AV-Receiver SC-LX 58 K + Panasonic Viera TX 55CXW684 (4K) +
    Focal Spirit Classic Kopfhörer


    Meine Infinity-Boxen Kappa 9.2 i habe ich in Anbetracht der vorgerückten Stunde und der Tatsache, dass über mir wieder Leute eingezogen sind, außen vor gelassen.


    Auch so war das Ganze ein absoluter Hör- und Seh-Genuss. Am größten war er allerdings bei meinen sämtlichen Audio/Video-Schallquellen bisher bei Thielemann (Beethoven) und bei Mahler bei Abbado, Chailly und Järvi :D .


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Glockenton,


    die Aufnahmen sind nicht identisch.


    Die Beethoven-Schostakowitsch Aufnahme deckt sich mit



    und ist eine Live-Aufnahme vom Mai 1990. Ich besitze die Beethoven Mendelssohn Zusammenstellung und kann über Beethovens 5. nur positives berichten.
    Die Tempi sind straff, aber "werkgerecht", die Spielkultur des Orchesters ist natürlich hervorragend, wartet aber nicht mit "Schönklang" auf. Solti schafft es, eines der bekanntesten Werke der Musikgeschichte nicht wie "Routine" erklingen zu lassen, und das ist vielleicht der größte Verdienst der Aufnahme.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    ganz vielen Dank für den guten Hinweis! Die CD ist schon auf Dein Wort hin (gebraucht für 2,37 EUR...) bestellt :)


    Bin auch gespannt, wie sich sein Konzept bei Mendelssohn anhört.


    Gruß
    Glockenton

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  • Lieber Glockenton,


    Mendelssohns 4. Sinfonie wurde live im Februar 1993 aufgenommen.
    Die beiden Binnensätze mag ich nicht sonderlich, aber zum 1. und 4. Satz lässt sich positiv bemerken, dass Soltis Temperament den Satzcharakteren sehr entgegen kommt.


    Ich bin auf Deine Einschätzungen gespannt...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Glockenton, lieber Norbert,


    was Soltis Aufnahmen von Beethovens Fünfter angeht bin ich eigentlich bisher nur wirklich von seiner Aufnahmen mit den Wiener PH (Decca, 1958, ADD) voll überzeugt (eben die abgebildete Decca-Legens-Doppel-CD).
    Das straffe Tempo halte ich auch für "werkgerecht" und absolut stimmig: 7:20 - 11:09 - 5:07 - 8:39


    Die beiden CSO - Aufnahmen fallen für "Solti-Verhältnisse" ungewöhnlich "zahm" aus. Da hätte ich mir mehr Dramatik und Solti-Power gewünscht. Weder Tempoansatz in den Ecksätzen noch emotionaler Zugriff können mich so richtig überzeugen (mit etwas Vorteil bei der Digitalen), weshalb ich dann zunächst auch die Live - Aufnahme aus Wien nie mehr als so unbedingt notwendig angesehen habe.
    Spielzeiten Chicago SO (Decca, 1974, ADD) = 8:16 - 11:08 - 5:32 - 11:32
    Spielzeiten Chicago SO (Decca, 1986, DDD) = 8:13 - 11:35 - 5:31 - 11:34


    *** Die von Dir Glockenton angefragte Live-Aufnahme Mai 1990 mit den Wiener PH würde mich schon wegen Schostakowitsch 9 ( ;) habe die YT-Datei), auch sehr interessieren, aber habe auch wegen des zu hohen Preises bisher darauf verzichtet.
    Da nun die Decca-Kopplung mit Mendelssohn 4 in anständige Preisregionen gerückt ist, habe ich mir als Solti-Fan diese CD doch (bei medimops aus germany) bestellt. Und das auch deshalb, weil Du Norbert nicht nur jetzt, sondern bereits in früheren Beiträgen sehr positiv über diese Decca-LIVE-CD 1990 berichtet hast. Die soll ja laut deinen Worten den CSO-Aufnahmen deutlich vorzuziehen sein, was mich kaum verwundert.
    :jubel: Ich bin mal gespannt, denn alleine klangtechnisch dürfte diese Aufnahme der hochgeschätzten alten aus Wien von 1958 deutlich überlegen sein.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die CD ist schon auf Dein Wort hin (gebraucht für 2,37 EUR...) bestellt
    Bin auch gespannt, wie sich sein Konzept bei Mendelssohn anhört.


    Lieber Glockenton,


    dann habe ich die Nächste in gleicher Preisregion etwas später als Du bestellt. Ich bin gespannt wie wir die Aufnahmen der Beethoven 5 und Mendelssohn 4 dann beurteilen werden.


    OT zu Mendelssohn 4:
    Ich habe die Decca-CD mit Soltis Studioaufnahme der Mendelssohn Sinfonien Nr.3 und 4 (Decca, 1986). Die Italienische ist angemessen feurig in den Sätzen 1 und 4; dazwischen etwas behäbiger. Das Finale strahlt wunschgemäss auch italienisches Temprament aus. Aber natürlich kein Vergleich mit der Hammeraufnahme unter Szell (SONY) - meinem absoluten Favorit !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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