Elly Ney - - Pathos, Pose oder Innerlichkeit?"

  • Zitat von Thomas Pape

    Ich gestehe: über Martha Argerich wüsste ich nichts zu berichten. Eine Platte kenne ich von ihr, und die hat mir nicht gefallen. Einiges von Elly Ney zieht mich indes in den Bann.


    Lieber Thomas,


    Martha Argerich war indes nur ein Beispiel und hätte genauso gut durch ABM, Arrau, Gulda etc. ersetzt werden können. Da ich Martha Argerich sehr schätze, ist sie mir eben gleich eingefallen.



    Zitat

    Anders als Du schreibst, war die Dame weder mittelmäßig, noch arm im Geiste.

    Ich kenne ein bisschen Beethoven von ihr, aber was ich gehört habe ist sowohl technisch als auch interpretatorisch im Vergleich zu anderen bekannten Namen eher Mittelmaß.
    Dann sagen wir "geistig fehlgeleitet", "verwirrt", wie auch immer.


    Im Ernst: ich bin einer der letzten - genau wie Du - der selbstgerecht und moralinsauer über Personen urteilen möchte. Aber es ist hier schon des öfteren angesprochen worden: es gibt Unterschiede zwischen Mitläufertum á la Karajan und den schon zu Anbeginn des Nationalsozialismus gemachten Bekundungen der Frau Ney.
    Da Du ja auch der Ansicht bist, daß sich die Gesellschaft in den letzten 60 Jahren nicht sonderlich gebessert bzw. verändert hat, Du aber sicher Antisemitismus bzw. deren Anhänger aufs Schärfste verurteilst, muss es im Umkehrschluss erlaubt sein, eine Elly Ney mit dem gleichen Maß zu messen.
    Auch das Argument, wir hätten 60 Jahre später mit der Erfahrung der Geschichte leicht reden, halte ich nicht für wirklich stichhaltig.
    "Aus Geschichte lernen" kann IMO ein Individuum eigentlich gar nicht.
    Ob heute jemand dem Rassismus frönt, hängt eben leider nicht von seinem Wissenstand zum Nationalsozialismus des 2. Weltkrieges ab, sonst gäbe es auch nicht Holocaust-Leugner, die Verschwörungstheorien absurdesten Ausmaßes vermuten, um das Offensichtliche zu kaschieren. Es hängt allein von psychischer Disposition ab.
    Aber wie gesagt: es wäre mehr als anmaßend über diejenigen zu urteilen, die mit Elly Neys Kunst nun etwas anfangen können und möchten. Aber man muss es aushalten können, wenn man ihr Antisemitismus der ersten Stunde vorwirft - ohne Wenn und Aber und ohne Anführungszeichen.


    Nun schwebte ja die interessante Frage im Raum, ob sich ein bekennender Antisemitismus automatisch in der Interpretation niederschlägt.
    Hier bin ich mir selbst sehr unsicher. Die Antwort kann nur unbequem sein.


    Zitat

    Was nun die angeregten neuen Threads betrift: Muss ich Musik entschuldigen?
    Muss ich sie nach außermusikalischen Motivationen abklopfen?
    Gibt es eine teleologische lineare Entwicklung der Musik (am Ohr des Hörers vorbei?).

    Es geht ja nicht darum, zu entschuldigen, auch nicht um pennälerhaftes Abklopfen. Es geht um Kommunikation und Information, die - wie schon völlig zu recht angesprochen wurde - nicht die künstlerische Diskussion beschneiden soll, sondern Schweigen (ist ja auch eine Aussage!) verhindern soll.



    Zitat

    Man kann gewiss einen Russenthread eröffnen: es klingt aber dennoch als Entschuldigung.

    Entschuldigung wofür?? Die Schuld, die ein Künstler in diesen Zeiten auf sich geladen hat, können wir diesem sowieso nicht nehmen.


    Lass mich nur kurz - ich hoffe, das geht in Ordnung - noch einmal Bezug nehmen auf Deinen Vergleich mit Fischer.
    Für mich besteht schon ein Unterschied darin, ob ein Joschka Fischer in seiner Jugend mal einen Polizisten mit Steinen beworfen und evtl. sogar verletzt hat, oder ob die Gewalt aus so niederen Beweggründen wie Fremdenfeindlichkeit geschieht bzw. man sich vehement dafür einsetzt. Auf einen zweiten Blick, muss ich gestehen, ist es nicht selbstverständlich, sofort Unterschiede zu ziehen, denn Gewalt ist natürlich nicht zu befürworten, aber deswegen gleiches Mass zu nehmen bei den Jugendsünden eines ehem. Aussenministers und dem Füttern antisemitischen Gedankenguts hielte ich für realitätsfern und auch etwas anmaßend.
    (Joachim Kaiser sagte sogar, er hätte Fischer die Vereidigung mit Turnschuhen wesentlich übler genommen als den Wurf mit Steinen.)

    Also: jeder soll die Musik hören dürfen, die er will und braucht sich selbstredend dafür nicht entschuldigen. Aber er muss es aushalten können, wenn man das Beziehungsgeflecht ausführender Künstler / Komponisten zum Nationalsozialismus bzw. Stalinismus an das Tageslicht befördert.
    Der Vorschlag, Elly Ney in einen entsprechenden thread zu verfrachten resultierte nicht aus einem Wunsch, ihre Interpretationen totzuschweigen, sondern ein nach außen merkwürdig anmutendes Missverhältnis von Künstlerportraits im Forum entgegenzuwirken. Kein anderer Komponist wusste soviel Beiträge zu seiner Person zu sammeln wie Werner Egk. Ganze Länderthreads sind bereits kürzer. Und alles, weil er als ein Geburtstagsthread gedacht war, der - wenn ich Harald richtig verstanden hatte - Biographisches außen vor lassen wollte. Das führte zu Reaktionen und so zu einem laaaangen Thread.
    Ein neuer Thread speziell zu diesem Thema kann einen einerseits motivieren, Biographisches näher zu erkunden oder aber gibt dann zumindest denen die Chance, die Biographisches nicht verschweigen wollen, im Thread Position zu beziehen, ohne daß ein Thread speziell zum Künstler bzw. Komponisten wieder ellenlang wird und viel wichtigere ins Hintertreffen geraten. Dieses "Gerechtigkeits"-Argument mag zwar pedantisch klingen, aber ich halte es in seiner Aussenwirkung für glücklicher und auch interessanter. Ein Thread speziell zum Thema des Mitläufertums/Überzeugungstäters bewirkt auch eine vorsichtigere Feder des Autors, zumal in den Threads zu Ney und Egk schnell und mit heißer Feder, wenn auch nicht unüberlegt, geschrieben wurde. Tempo rauszunehmen könnte auch wieder den Fokus auf andere Themen lenken und eine Diskussion zu diesem Thema in eine geregelte, laminare Strömung verwandeln. Ich mags zwar gerne turbulent, aber vielleicht nicht auf Kosten eines zu starken Ungleichgewichts.


    :hello:
    Wulf

  • ich bin jedenfalls froh, dass überhaupt "so unbefangen" über den geschichtlichen Hintergrund von Elly Ney im Nationalsozialismus gesprochen werden kann. In meiner Jugend (ich bin ein "Nachkriegskind") wurde sie eher belächelt, mit ihren zahlreichen nicht enden wollenden "Abschiedstourneen" und dem Kreis ergebener Jünger. Von ihrer sehr speziellen Geschichte kein Wort - auch nicht von meinen Eltern und Musiklehrern, die es hätten wissen müssen. Den Anstoß, mich einmal mit dieser Seite von Elly Ney zu beschäftigen, verdanke ich diesem Forum.


    Mit lieben Grüßen


    Peter

    Peter

  • heute vor 130 Jahren geboren:




    Elly Ney, * 27.9.1882 Düsseldorf,
    † 31.3.1968 Tutzing (Starnberger See); deutsche Pianistin.
    Sie erwarb sich ihren Namen vor allem als Beethoven-Interpretin, der die musikalisch Durchdringung des Notentextes wichtiger war als eine makellose Aufführung.

    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Grund genug, der alten Dame beim Klavierspiel zuzuhören und -zusehen:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    Anmerkung der Administration:
    Da das alte Video auf Grund eines Einspruchs des Rechteinhabers gekösch wurde - ist hier ein neues eingestellt worden. Dies lässt sich aber nur durch anklicken des YOUTUBE-Buttons ansehen.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Grund genug, der alten Dame beim Klavierspiel zuzuhören und -zusehen:


    In meiner Sammlung befindet sich von Elly Ney eine Single-Platte mit einem Konzert gespielt auf dem originalen Flügel im Bonner Beethovenhaus. Bei einem Besuch dort gibt es die Platte zu erwerben. Für Liebhaber von Elly Ney wohl ein Muß.

    W.S.

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  • heute vor 130 Jahren geboren:




    Elly Ney, * 27.9.1882 Düsseldorf,
    † 31.3.1968 Tutzing (Starnberger See); deutsche Pianistin.
    Sie erwarb sich ihren Namen vor allem als Beethoven-Interpretin, der die musikalisch Durchdringung des Notentextes wichtiger war als eine makellose Aufführung.


    Hallo Thomas,


    diese Doppel-CD besitze ich auch - sie zeigt, was für eine großartige Musikerin Elly Ney war. Zu ihrer Verstrikung in den Nationalsozialismus fällt mir die Anekdote eines bekannten Soziologen ein, der - selber jüdischen Glaubens - ein großer Bewunderer der Musik Richard Wagners ist. Er sagte ungefähr (in einer Fernsehsendung, es ist schon sehr lange her, ich erinnere mich nicht mehr so präzise): "Was kann ich dafür, diese geniale Musik zu lieben, auch wenn Wagner ein ekelhafter Antisemit und menschlich ein ziemliches Arschloch war!"


    Beste Grüße
    Holger

  • Die Brockhaus Enzyklopädie beschränkt sich auf Geburts- und Sterbedatum, sowie die Erwähnung ihrer Lehrer Leschetitzky und Emil von Sauer. Ferner weist sie darauf hin, daß sie eine EIGENWILLIGE Pianistin war.


    Letzteres möchte ich an Hand der (bisher nur wenigen) in meinem Besitz befindlichen Aufnahmen ausdrücklich bestätigen - und ich widerspreche jenen vehement, die zu Beginn dieses Threads versucht haben, Ellie Neys Klavierspiel als belanglos darzustellen. Über ihre Technik zu schreiben wäre vor allem dann ungerecht, wenn man dies an Hand der Stereoaufnahmen von ca 1962 täte.


    Das was ich von ihr aus dieser Zeit gehört habe, weist sie als eigenwillige Pianistin aus, welche zu gegebener Zeit in der Tat eine sehr dramatische Lesart von beispielsweise ausgewählten Beethoven Klaviersonaten abliefert, wobei mir relativ starke Schwankungen im Ausdruck aufgefallen sind. Eine gewisse Aggressivität wechselt mit sehr lyrischen Stellen ab.


    Es ist sicher nicht anstrebenswert im Forum überwiegend mit Zitaten aus Klassiklexika zu operieren.
    Im speziellen Fall halte ich es aber für angebracht, um die fachliche Einschätzung ihres Klavierspiels zu dokumentieren - die im Gegensatz zur laut verkündeten Meinung einiger Ex- Forianer steht:


    So schreibt beispielsweise das führende deutsche Musiklexikon
    Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) in seiner neuesten Auflage;


    Zitat

    "in ihrer Frühzeit spielte Ney, die über eine beeindruckende Technik verfügte, auch das romantisch-virtuose Repertoire, später wurde sie mehr und mehr als Beethoven-Spezialistin bekannt. Ihr Spiel zeichnet sich durch absolute Werktreue, Schlichtheit und äußerst diskreten Pedalgebrauch aus, verbunden mit Klangschönheit und mit mitunter dämonisch gesteigerter Wildheit. In späteren Jahren wirkt ihr Spiel zunehmend verklärt und vergeistigt"


    Ich werde in nächster Zeit meine Ney-Minidiskographie (2 CDS) ein wenig aufstocken - und über meine subjektiven Eindrücke berichten.


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe während des Lesens des kompletten Threads einige Gedanken zu dieser Diskussion zu Papier gebracht...


    Erstaunlich, dass dieser Thread und die ausführliche Diskussion, die sich übrigens wie hier üblich auf erfreulich hohem Niveau geführt wurde, seinerzeit völlig an mir vorbei gegangen zu sein scheint. Nunmehr bin ich darauf gestoßen - wahrscheinlich, weil ich mich gerade intensiver mit den Beethoven-Klaviersonaten beschäftige.
    Ich denke, im Verlaufe der Diskussion ist sachlich alles Wesentliche geschrieben worden. Für mich resümiere ich, dass man entweder das künstlerische Wirken eines Musikers unabhängig von seiner Persönlichkeit betrachten, beurteilen und ggf. auch genießen kann, oder eben nicht. Ich bekenne, dass ich zu letzterer Gruppe gehöre. Ich gebe allerdings zu, dass ich doch einen Unterschied mache zwischen solchen Künstlern, die wohl eher aus Opportunismus denn aus tatsächlicher, glühender Überzeugung einem Verbrecher-Regime zugetan waren bzw. sich nicht distanzierten (z.B. Böhm, Furtwängler, Karajan - vielleicht will ich das bei denen aber auch einfach nur glauben…) und solchen, die die verbrecherische Philosophie tatsächlich aus Überzeugung aktiv vertreten und damals das „gesunde Volksempfinden“ bewusst durch eigene Äußerungen und Taten beeinflusst und das Regime damit aktiv unterstützt haben - hierzu ist nach allem, was ich weiß, Elly Ney zu zählen. Gravierend finde ich hierbei zudem, dass sie offenbar auch nach 1945 entsprechende Nachfolge-Organisationen finanziell unterstützt hat - das widerspricht dem Bild der fehlgeleiteten Opportunistin, die einige von Euch auch in ihr sehen. Meines Erachtens spricht das eher für eine echte und offenbar unerschütterliche Überzeugung, und hier sehe ich einen gewaltigen Unterschied.
    Ich werde mir von ihr keine Note anhören, gestehe aber jedem zu, das - siehe oben - anders zu handhaben. Nicht verstanden habe ich die ironische Äußerung von Thomas Pape, dessen Beiträge in diesem Forum ich immer sehr beachtenswert finde, in Beitrag Nr.69, dass diese meine Haltung von „so viel aufgeklärtem Gesellschaftsbewusstsein“ zeuge. Ich denke, man kann durchaus über ausreichendes Gesellschaftsbewusstsein verfügen und dennoch für sich entscheiden, sich aus den genannten Gründen mit den Produkten solcher Künstler einfach nicht beschäftigenzu wollen.


    ... nur um gegen Ende des Threads festzustellen, dass sich die Teilnehmer offenbar darauf verständigt haben, nur noch die künstlerische Leistung Neys zu diskutieren. Betrachtet also meine vorherigen Ausführungen als nicht gemacht... ;)

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Lieber Uranus,


    der Thread über Elly Ney hat lang geruht, und ich finde es erfreulich, dass er nun wieder gelegentlich ausgegraben wird. Die Diskussion seinerzeit konnte so ausschließlich vor dem damaligen Mitgliedertableau geführt werden. Viele der Diskutanten sind nicht mehr hier an Bord. Die Diskussion wurde ziemlich schnell politisch geführt (was ja nun per se nicht schlecht ist), hat aber eine Auseinandersetzung mit dem Klavierspiel Elly Neys verhindert. Der gelegentlche Hinweis, dass sie als Pianistin nurmehr Mittelmaß gewesen sei kam diskussionsverhindend noch dazu. Die vielen Beiträge, die kundtaten, von der Ney aufgrund ihrer Vergangenheit nichts anhören zu wollen waren in diesem Umfeld eher persönliches Bekenntnis zu einer Diskutantengruppe und Selbstpositionierung.


    Es steht mir überhaupt nicht zu, eine solche, wohlbegründete Haltung zu kritisieren. Die Ironie einigen Mitdiskutanten von damals gegenüber hast Du allerdings ganz richtig herausgelesen. Zumal damals bei Tamino recht viele Künstler vor dem Jüngsten Gericht der Tamino-Gerichtsbarkeit abegurteilt wurden. Irgendjemand wusste immer was an Bedenklichem über gerade gerühmte Interpreten und Komponisten zu posten, verbunden mit einem anklagenden "wie kann man nur..." (ich denke allein daran, wie man über den armen Siegfried hergefallen ist eben wegen dieses Threads und seiner ursprünglichen Namensgebung).


    Freilich, bei der Ney ist die Sachlage mehr oder weniger klar. Vorteile konnte sie sich durch ihre Haltung indes nicht verschaffen (weshalb man ja auch später rotzfrech behaupten konnte, dass sie politisch desinteressiert gewesen sei, da es keine Kontakte und Respektsbezeugungen durch die Nazis gab). Wie schon gesagt: Elly Ney war 1933 bereits international etabliert, wurde in einem Handbuch über lebende Klaviervirtuosen sogar dem als spröde angesehenen Backhaus vorgezogen. Interessant ist ein Vergleich beider Pianistenpersönlichkeiten, da sie einer Generation angehören. Während Backhaus demütiger Diener des Werkes ist, ist die Ney ganz im 19. Jahrhundert verhaftet und bringt das Werk als Symbiose von Virtuosin und Werk zur Auferstehung. Das kann durchaus hinreissend sein, geht aber auch schon mal mächtig schief (etwa bei einigen Beethoven-Aufnahmen). Schumann hingegen gelingt ihr ganz vorzüglich; ihre Aufnahme der Sinfonischen Etuden höre ich gerne.


    Im 20. Jahrhundert hat sich in punkto Klavierspiel einiges verändert, ich erwähne nur Klavier-Schulen wie Neuhaus in Moskau oder die französiche Schule um Cortot, Marguerite Long, Raymond Trouard (der übrigens phonographisch recht gut dokumentiert ist) oder Isidore Philipp. Auch der Blick auf die Musik und auf die Werke hat sich verändert (etwa mit der HIP-Bewegung, die schon in dne 1920er Jahren begann). Insfofern ist Elly Ney mit ihrem Verharren im 19. Jahrhundert, gepaart mit ihrer Exzentrik und ihrem starken Willen und Wollen interessant und hörenswert (zumal viel ihrer späteren Aufnahmen eine recht ordentliche Aufnahmequalität haben): als eine Art Fenster in das 19. Jahrhundert.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas,


    das war ein sehr nettes und freundliches "Jetzt mal zurück zur Sache Musik, Uranus!" von Dir. Ich habe verstanden. :thumbsup: ;)

    Herzliche Grüße
    Uranus

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  • Ich möchte mich heute mit etwas Unverfänglichem melden, nämlich mit der Erinenrung an Elly Neys Geburtstag. Dazu habe ich aus meiner Sammlung diese CD ausgesucht:



    Heute ist ihr 133. Geburtstag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • "Pathos, Pose oder Innerlichkeit?" heißt der Titel dieses Threads. Ich glaube, man kann nicht sagen, dass sie nur ein einziges der drei Schlagworte repräsentiert hat. Oberflächlich betrachtet (und von vielen in diesem langen Thread ja auch vertreten) war sie aus heutiger Sicht vielleicht eine Poseurin. Wer einmal die späten Videos gesehen hat, sieht eine Frau wie aus einer anderen Welt vor sich. Und sie kam ja auch aus einer so gänzlich anderen Zeit. 1882 geboren — da regierte noch Bismarck! Wie kaum ein/e ander/e Pianist/in verkörperte Ney die Spätromantik auf ihrem absoluten Höhepunkt. In ihrem Spiel überlebte das späte 19. Jahrhundert bis in die späten 1960er Jahre hinein. Natürlich finden wir in ihren Interpretationen viel Pathos, was manch einem heute unerträglich erscheinen will. Aber wir stoßen auch auf Innerlichkeit, wie ich sie so eigentlich nie gehört habe. Man lausche nur einmal ihrer Mondscheinsonate oder der Pathétique. Tiefer empfunden kann man das doch gar nicht spielen. Und nein, ich selbst finde eben gar nicht, dass sich das in schwülstigen Äußerlichkeiten ergeht.


    Mondscheinsonate 1+2 auf YT


    Ich kann und will die Person Elly Ney hier nicht bewerten. Dass sie oftmals auf ihre politische Gesinnung reduziert wird, bringt uns nicht weiter. Wer sie allein deswegen komplett ablehnt, beraubt sich einzigartiger Hörerlebnisse. Ich liebe besonders ihren Beethoven. Sie ist vielleicht das Musterbeispiel, dass "böse Menschen" eben doch Lieder haben.


    Leider ist die vorzügliche Gesamtaufnahme aller ihren späten Aufnahmen nur mehr zu astronomischen Preisen erhältlich. Sie ist es indes wert:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Man mag es kaum glauben, lieber Joseph, aber ich habe diese Box asm 85. Geburtstag von Nikolaus Harnoncourt noch für knapp unter 35 Euronen erstanden.


    Mich freut es besonders, dass du den Focus auf ihre Interpretationen gelegt hast und die beiden erwähnten Sonaten habe ich ja auch schon besprochen, und der Erinnerung halber will ich die Besprechung der Pathétique hier einmal einstellen:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • 29782 Seitenaufrufe erreichte dieser Thread bis heute. Das ist schon ein Indiz dafür, daß Elly Ney bis heute nicht vergessen ist - gleichgültig ob ihre Aufnahmen heute verfügbar sind oder unterdrückt wurden. Wenn man bedenkt wie viele Aufnahmen Colosseum Classics veröffentlicht hat. Leider habe ich in der Vergangenheit oft zu langsam gekauft. So besitze ich nur ganz wenig Aufnahmen von der Ney, die sogar die Bewunderung von Wilhelm Kempff genoss....."» … Ein geheimnisvoll angeschlagener Akkord (Beethoven, Sonate d-Moll) – und der Zuhörer war an ihren Stromkreis angeschlossen. Was sich dann begab, das kann und soll nicht mit Worten beschrieben, soll nicht wissenschaftlich seziert werden."


    Einen sehr ausführlichen - musikbezogenen Lebenslauf finden wir hier:
    http://www.proclassics.de/kuenstler/elly-ney-2/


    Wie man weiß verlinke ich nicht gern auf andere Klassikseiten - aber dieser interessante Artikel - wer weiß wie lange wir noch Gelegenheit haben werden ihn zu lesen - hat es verdient....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Musikfreunde,


    ich bin selbst erstaunt, wie schnell doch die Zeit seit meinem Start dieses Threads an uns vorbeigeflogen ist. Wer sich alles in den Anfängen bemüßigt fühlte, mit Dreck um sich zuwerfen, um Andere zu erniedrigen und um sich selbst zu erhöhen, ist schon erstaunlich.
    Beim Nachlesen dieser ersten Beiträge sträubten sich bei mir wieder die Nackenhaare, obwohl nach den meisten "Verfassern" inzwischen kein Hahn mehr kräht.


    Dennoch bleibe ich bei meinen anfangs erwähnten Eindrücken: Die als 15-16-Jähriger erlebten Stuttgarter Beethoventage mit Ney/van Hoogstraten und den Stuttgarter Philharmonikern sind Marksteine für meine Liebe zur klassischen Musik geblieben.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Man sollte ja niemals NIE sagen - diese Aussage könnte Schwierigkeiten nach sich ziehen...


    An irgendeiner Stelle dieses unergründlichen Forums habe ich mal geschrieben, dass die musikalische Hinterlassenschaft der Ney nicht in meinem CD-Player rotieren wird. Es war eine Aussage, die innerhalb weniger Jahre unhaltbar geworden ist. Eine von mir an anderer Stelle genannte Einkaufsquelle niederländischer Provenienz hat mir nun ein Portrait der Ney auf den Tisch gelegt, bei dem ich nicht wiederstehen konnte - ich habe gehört.


    Das, was Siegfried schrieb, nämlich "als 15-16-Jähriger" die Ney gehört zu haben, kam mir auch sofort in den Kopf: zwar kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie alt (oder jung) ich war, als ich Elly Ney in einem Solistenkonzert in Hagen hörte, es könnte aber durchaus jenes Alter gewesen sein - fünfzehn oder sechzehn. Es war nämlich Anfang der 1960er Jahre, als ich ein Abonnement bei einer örtlichen Konzertdirektion aufnahm - und da war auch Elly Ney unter den auftretenden Künstlern. In welchem Jahr meiner dreijährigen Abo-Phase sie auftrat, ist mir nicht mehr erinnerlich.


    Falls mich mein Gedächtnis nicht trügt (es neigt ja bei vielen - so wahrscheinlich auch bei mir - dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren), gab es viel, sehr viel Applaus. Ich habe mich (damals) nicht gefragt, ob das nun alles "Nazi-Reste" waren, die der Pianistin zujubelten, ich wusste ja nichts von ihrer politischen Haltung. Und heute? Ihre Beethoven-Interpretationen auf den Silberscheiben lassen davon auch nichts hören, nicht mal erahnen...


    :hello:


    PS: Meine Liebe zur klassischen Musik hat Elly Ney übrigens nicht beeinflusst - die war durch das Elternhaus ohnehin vorgegeben...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Mein Vater (er ist inzwischen 88 !) erzählte mir, dass er Elly Ney auch gehört hat. Schon als Jugendlicher in Danzig (vor 1945) erlebte er Conrad Hansen, der dort die Beethoven-Sonaten spielte. Gieseking, Kempff, Monique Haas usw. hat er auch im Konzert erlebt. Zu Monique Haas sagte er "eine Pariser Dame :D ", Elly Ney hörte er wohl nach dem Krieg im hohen Alter. Ihr ganzes Auftreten fand er doch ein bisschen sehr "mystisch" abgedreht - Beethoven mit Weihrauch sozusagen. Im Alter muß sie in dieser Hinsicht also etwas seltsam geworden sein. :D Die CD, die ich von ihr besitze (s.o.!), finde ich musikalisch sehr überzeugend.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wie komme ich ausgerechnet heute auf DIESEN Thread.
    Nun der Anlass war der Thread, der sich mit CDs in Eigenbesitz gegen "streaming" efasste
    Immer wiueder fiel mir in diesem Zusammenhang - dieser unsäglich tendenziöse, haßerfüllte und IMO von dummen Aussagen geprägte Thread ein, wo politische Abrechnung betrieben wurde. Und das in gewisser Hinsicht in meinem Namen.
    Man muß sich vorstellen, wen SOLCHE Leute über das Steaming-Angebot bestimmen könnten, was dabei herauskäme !!! :


    Zitat

    ich hab mal nachgezählt. Der thread über Martha Argerich zählt (immerhin) 37 Antworten, der hiesige über Elly Ney ganze 108. Ich weiß, es ist kein gutes Gegenargument, aber können wir eine geistig Arme mit mediokren Fähigkeiten im Klavierspiel
    nicht einfach dem Vergessen anheim fallen lassen?


    Daher bin ich froh, daß es die CD gibt, wenngleich Colosseum Records derzeit nicht mehr im Angebot hat.


    Hier eine Videio-Kostprobe, der Pianistin, im Alter von 82 Jahren


    ein feurig-dämonisches Beethoven-Bild
    Eine zornig-energische Grand Dame des Klavierspiels mit einer gewissen Aura
    und sicherlich nicht "arm im Geist - auf wenn viele das gern so gehabt haben.



    Ich möchte bei dieser Gelegeneit auf zwei Dinge hinweisen


    a)The Grove Dictionary of Music and Musicians erwähnt mit keinem Wort etrwas über Elly Ney politische Ambitionen - man ist sich dort einfach zu vornehm dafür.


    b) diese "sachlich geführte Diskussien" - wie manche sie nannten - hatte auch ein "behinde the Stage"
    Zumindest ein Mitglied - vielleicht aber auch mehrere (?) wurde per PN - die gab es damals noch im Forum - wegen positiver Aussagen zu Elly Ney persönlich bdroht und verbal attackiert. Wie ausgeprägt diese "Bedrohungen" waren, das weiß ich nicht - es wurde mir zur Kenntnis gebracht.


    mfg aus Wien


    Alfred



    clck 32 332

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bereits in einem anderen Thread gezeigt . aber vermutlich nur von wenigen gesehen:

    Eine Elly-Ney Parodie von 1970

    Technisch und darstellerisch hervorragend gemacht - aber tendenziös und hundsgemein.

    Das ist keine lächelnde Parodie sondern eine in zerstörerischer Absicht gemachte,, die die Künstleriin in Frage stellen und desavoyieren soll....



    Es gibt einen Anlass, daß ich diese Parodie veröffentliche - abgesegen davon, daß ich den Pianistenbereich ein wenig forcieren will


    Auf bald


    Alfred



    PS; um das Video zu sehen muß man lediglich auf: "dieses Video auf youtube ansehen" klicken.


    clck 38.000

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine Elly-Ney Parodie von 1970

    Technisch und darstellerisch hervorragend gemacht - aber tendenziös und hundsgemein.

    Das ist keine lächelnde Parodie sondern eine in zerstörerischer Absicht gemachte,, die die Künstleriin in Frage stellen und desavoyieren soll....

    Irrtum, Alfred! Das ist keine Elly Ney-Parodie, sondern aus Mauricio Kagels "bösem und geistvollem" (Joachim Kaiser) Film "Ludwig van..." mit dem er den "besinnunglosen Rummel" (wieder Zitat Joachim Kaiser) des Beethoven-Jahres 1970 aufs Korn nahm: "Kagel verdeutlichte damit, was allen modernen Beethoven-Interpreten als ausgemacht gilt: die reaktionären "weihevollen" Falschspieler entstellen Beethoven. Sie machen aus Beethovens Allegro ein Herumtorkeln zwischen Gesangsthema-Betuhlichkeit und So-schnell-wie-möglich-Brutalität". Dann merkt Kaiser an, dass auch Gulda, Horowitz, Solomon und Gilels es machen wie Elly Ney, nämlich das Gesangsthema langsamer und getragener spielen. Die Aufnahme der Waldsteinsonate von Elly Ney habe ich - darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Hier im Film spielt im Elly Ney-Kostüm Klaus Lindemann. Artur Schnabel empfiehlt in seiner Ausgabe übrigens, beim Seitenthema das Tempo rauszunehmen, hält sich aber lustiger Weise in seiner Aufnahme nicht an seine eigenen Ratschläge. ;)


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Sehr interessant und aufschlussreich

    Dazu mehr in einem Kagel Thread - so es einen hier gibt.


    Ich wende mich aber im Moment wieder Elly Ney zu, die nach 1952 ihre Karriere zwar unbeschadet fortsetzen konnte, aber nach ihrem Tod teilweise angefeindet wurde. Was mich indes interessierte, waren ihre Aufnahmen, die teilweise von Capitol Records wiederveröffentlicht wurden, Ich begann einige zu kaufen - und quasi über Nacht waren sie verschwunden als ob jemand an irgendwelchen Knöpfen gedreht hätte....

    Haute bei meiner Recherche und Forenupdate fand ich indes erstaunliches:


    Fast auf den Tag genau erschienen 2 Editionen


    Am 3. Mai 2019 erschien eine 3 CD Box mit allen Brunswick und EMI Aufnahmen für Klavier solo
    Im Ankündigungstext wird sie als eine der bedeutendsten Beethoven-Interpreten des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

    Die Aufnahmen stammen von 1922-1938. Sie zeigen die Pianistin IMO wesentlich weicher und undramatischer als erwartet, aber sehr eigenwillig geprägt



    Kurz darauf ,, 24, Mai 2918 kommt das Label "Dokuments" mit einer seiner "Membran Wallet-Boxen" (10 CDs zum Preis von 15.99 Euro ) auf den Markt,und zwar zeitlich anschließend - also Aufnahmen von 1932.1962

    Die Edition ist übertitelt: NELLY NEY - Milestones of a Legend


    In der Ankündigung wird Joachim Kaiser zitiert:


    Zitat
    „Es war staunenswert, mit welcher Frische die Künstlerin das kraftvollste und strahlendste aller Beethoven-Konzerte auch in hohem Alter noch spielte. Technische Probleme interessierten sie nicht. Aber immer wieder versuchte sie, selbst im „Emperor“- Konzert, herauszuholen, worüber blendende Pianisten gerne hinwegrollen: die Innigkeit“.

    Daß sie überdies eine Zeitlang Professorin am Salzbrget Mozarteum war hatte ich bislang nicht bewußt wahrgenommen

    Sie - was von einigen Ex-Mitgliedern - getan wurde - als "Mittelmaß" und "überschätzte Pianistin" einzustufen dürfte wohl ein krasses (beabsichtigetes ?) Fehlurteil gewesen sein.....


    mfg aus Wien

    Alfred








    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Elly Ney kommt nach Hof! In den Sechzigern des letzten Jahrhunderts war das in einer Provinzstadt Schlagzeile der Lokalpresse. Ich erlebte, was hier als Überschrift steht, mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Pathos, Pose und Innerlichkeit. Die Hofer Symphoniker unter Werner Richter-Reichhelm begleiteten, beim 3. Klavierkonzert von Beethoven. Bei Dirigent und Orchester spürbar das, was man so schön "Kniefall des Herzens" nennt.


    Obwohl, oder vielleicht gerade weil, "die Ney" Gegenstand bissiger Witze war. Mauricio Kagel läßt grüßen. Das begann bei dem Kalauer "Witwe Beethovens" und hörte mit dem Gag "Spielt die Ney immer noch?" der Stimme aus Beethovens Grab nicht auf.


    Auf mich, beneidenswerte 17/18 Jahre alt damals, hinterließ der Abend einen tiefen Eindruck. Eine, in diesem Fall würdige, Greisin im lockigen Haar (klingt wie ein Klauer unter mißbräuchlicher Verwendung Albert Lortzing's, es war aber so) erschien auf der Bühne. Gehüllt in Spitze und Plüsch, männlich-herb und zerbrechlich gleichermaßen. An der Stelle merke ich, wie, wörtlich zu nehmen, unbeschreiblich dieser Abend war. Mein musikalisches Gedächtnis hat nichts bewahrt. Es war eine Begegnung, wie sie der Holländer besingt "wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten...".


    Eine Assoziation, mehr nicht, schon gar kein politisches Statement in Sachen Elly Ney: wenige Jahre später spielten die Hofer Symphoiniker das Violinkonzert von Siegfried Wagner. Des Komponisten Witwe, Wilfred Wagner, als Ehrengast geladen. In der Pause überreicht ein "Stadtbekannter", ein liebenswürdiger Kauz, Frau Wagner einen üppigen Strauß weißer Levkojen. Ein atemberaubender Moment für mich - tja, und es fiel mir Elly Ney ein.


    Eine letzter Schritt, und dann ist Schluß, versprochen: all das kam wieder hoch, als ich die Aufzeichnung von Stefan Herheims Blick auf den "Parsifal" sah, in seiner denkwürdigen Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen.

  • "Mittelmaß" und "überschätzte Pianistin"

    …. sind politisch gefärbte (Vor-)Urteile, die keiner sachlichen Überprüfung standhalten!


    Auf mich, beneidenswerte 17/18 Jahre alt damals, hinterließ der Abend einen tiefen Eindruck.

    Lieber "udohasso",


    da ging es Dir geradeso wie mir, als ich die damals über 80jährige Künstlerin beim Bonner Beethovenfest 1964 erlebte. Sie war auf ihrer letzten Deutschland-Tournee, mit dem Berliner Symphonischen Orchester, unter C.A. Bünte, und spielte Beethovens Fünftes Klavierkonzert.


    Ich besuchte das Konzert damals mit einem Freund, wir waren beide Anfang 20, und wir waren von der Darbietung Elly Neys so tief beeindruckt, daß wir fast vergessen haben zu applaudieren. Die alte, würdige Dame am Flügel, fast wie eine Erscheinung aus der anderen Welt, war so versunken in ihr Spiel, daß man fast den Atem anhielt. Von allen Konzerten, die ich in meinem Leben besucht habe, ist mir dieses am tiefsten ins Gedächtnis eingegraben. Es war ein einmaliges, unwiederholbares Erlebnis ….

    Ich habe anderwärts hier im Forum darüber schon einmal berichtet, weiß im Moment aber nicht, in welchem Thread das war. Wie auch immer, ich kann Deine Gefühle sehr gut nachempfinden und freue mich, daß auch andere ähnliche Eindrücke von der großen Künstlerin mit nach Hause genommen haben.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ellly Ney ist für mich das Maß aller Dinge in Sachen Beethoven-Interpretation. Zum Glück konnte sie beim Nürnberger Label Colosseum einen Großteil ihres Repertoires in den 1960er Jahren noch in sehr gutem Stereoklang einspielen - die heuchlerischen großen Labels haben sie da bereits gemieden. Ein Juwel der Diskographie, das wie ein Fels in der Brandung steht und für mich seinesgleichen nicht hat. Colosseum hatte glücklicherweise keine Berührungsängste und hat der Nachwelt diesen unermesslichen Dienst erwiesen. Dafür ist den seinerzeit Verantwortlichen auf ewig zu danken.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • a ging es Dir geradeso wie mir, als ich die damals über 80jährige Künstlerin beim Bonner Beethovenfest 1964 erlebte. Sie war auf ihrer letzten Deutschland-Tournee, mit dem Berliner Symphonischen Orchester, unter C.A. Bünte, und spielte Beethovens Fünftes Klavierkonzert.


    Ich besuchte das Konzert damals mit einem Freund, wir waren beide Anfang 20, und wir waren von der Darbietung Elly Neys so tief beeindruckt, daß wir fast vergessen haben zu applaudieren. Die alte, würdige Dame am Flügel, fast wie eine Erscheinung aus der anderen Welt, war so versunken in ihr Spiel, daß man fast den Atem anhielt. Von allen Konzerten, die ich in meinem Leben besucht habe, ist mir dieses am tiefsten ins Gedächtnis eingegraben. Es war ein einmaliges, unwiederholbares Erlebnis ….

    Ich habe anderwärts hier im Forum darüber schon einmal berichtet, weiß im Moment aber nicht, in welchem Thread das war. Wie auch immer, ich kann Deine Gefühle sehr gut nachempfinden und freue mich, daß auch andere ähnliche Eindrücke von der großen Künstlerin mit nach Hause genommen haben.

    Lieber Nemorino,


    1964, da war ich noch im Kindergarten! ^^ Aber mein Vater hat Elly Ney noch gehört. Er meinte, sie sei im Alter schon eine etwas seltsame quasi von Weihrauch umschwebte Erscheinung gewesen! Das war in früheren Tagen wohl nicht so oder nicht so extrem. Ich kenne sie nur von Aufnahmen - und keine einzige finde ich kitschig! >Kitschapotheosem vollbringen, das können die Damen heute besser! :D :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

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  • Er meinte, sie sei im Alter schon eine etwas seltsame quasi von Weihrauch umschwebte Erscheinung gewesen!

    Lieber Holger,


    so ähnlich ist sie mir in Erinnerung geblieben:


    Portrait der berühmten Beethoven- und Brahms-Interpretin Elly Ney ...

    vielleicht war sie noch eine Spur älter damals in Bonn. Das mit dem Weihrauch ist gar nicht so verkehrt, sie strahlte tatsächlich etwas schier Überirdisches aus, und das übertrug sich auch auf die Zuhörerschaft.

    1964, da war ich noch im Kindergarten!

    Du Glücklicher, dann bist Du ja noch heute ein ganz junger Hüpfer:D! (zumindest im Vergleich zu mir)

    Zum Glück konnte sie beim Nürnberger Label Colosseum einen Großteil ihres Repertoires in den 1960er Jahren noch in sehr gutem Stereoklang einspielen - die heuchlerischen großen Labels haben sie da bereits gemieden.

    Lieber Joseph II.,


    … nach dem in Beitrag 143 erwähnten Konzert habe ich mir spontan folgende LP angeschafft:

    Ludwig van Beethoven ‧ Elly Ney - Klaviersonate Nr. 14 Cis-moll Op ...

    Es gab auch noch (auf LPEM 19084) die Sonaten Nr. 8 (Pathétique) und Nr. 31 As-dur op. 110, in gleicher Aufmachung. Aufnahmen der Deutschen Grammophon von ca. 1953.

    Wie allseits bekannt, war die DGG damals eine Tochterfirma des SIEMENS-Konzerns, der im 2. Weltkrieg in großem Stil Zwangsarbeiter beschäftigt und ausgebeutet hat.

    So weit mir bekannt, sind das die einzigen Nachkriegsaufnahmen der DGG mit Elly Ney. Danach hat man die Zusammenarbeit nicht fortgeführt.


    Nun kann man Elly Ney ja einiges vorwerfen, aber Zwangsarbeiter hat sie ganz sicher nicht bschäftigt, und sie hat auch, soweit bekannt, keine persönlichen Vorteile aus ihrer geistigen Nähe zu den Nazis gezogen. Daß sie auf politischem Gebiet unmögliche, total verschrobene Ansichten vertreten hat, steht außer Frage, aber ihr Klavierspiel war alles andere als verschroben, und da es hier ausschließlich um Musik geht, ist das allein für mich maßgebend. Anders sähe die Sache (für mich) aus, wenn sie an den Verbrechen des Naziregimes aktiv beteiligt gewesen wäre. Doch davon kann wohl keine Rede sein.


    Für mich war und ist sie eine Beethoven-Interpretin von hohen Graden und eine wunderbare, großartige Künstlerin. Für alles andere bin ich weder ihr Ankläger noch ihr Richter.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich will zunächst mal meine Besprechung der Appassionata-Aufnahme Elly Neys vom 16. 12. 2014, lfd. Nr. 248, mit diesem Thread verknüpfen:

    Beethoven - leidenschaftlich: Klaviersonate Nr 23 in f-moll-op. 57 "Appassionata" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)


    Dann kann sich jeder Interessierte ein Bild machen, wie ich über ihre Sichtweise und auch ihr noch in dem Alter vorhandenes Können gedacht habe. Ich will nur so viel verraten,, dass meine Rezension im Grunde Josephs Ansicht (Beitrag Nr. 144) in keiner Weise widerspricht.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Du Glücklicher, dann bist Du ja noch heute ein ganz junger Hüpfer :D ! (zumindest im Vergleich mit mir)

    Lieber Nemorino,


    dieses Jahr bin ich endgültig im Opa-Alter angekommen - Opa bin ich ja faktisch schon! ^^ Die DGG-Aufnahmen von Elly Ney haben sie tatsächlich nie auf CD veröffentlicht?


    Liebe Grüße

    Holger

  • Opa bin ich ja faktisch schon!

    Es gibt auch jugendliche Opas, lieber Holger:)! (Nur bei den Omas bin ich mir da nicht so sicher …:/).

    Die DGG-Aufnahmen von Elly Ney haben sie tatsächlich nie auf CD veröffentlicht?

    Meines Wissens nicht! Die Aufnahmen sind zwar später noch einmal auf dem Billig-Label HELIODOR veröffentlicht worden, aber nur als LP. So sahen die Originale aus:

    Klaviersonaten 14 & 23,, Elly Ney [Vinyl LP]  Ludwig van Beethoven Klaviersonate Nr. 8 c-moll Nr. 31 As-dur

    Die links abgebildete befindet sich noch in meiner LP-Sammlung.


    Warum die DGG keine weiteren Aufnahmen mit Elly Ney gemacht hat, ist mir nicht bekannt. Ernst von Siemens, der ja die DGG mehr oder weniger als Privat-Hobby betrieb, war selber in die Nazi-Vergangenheit seines Unternehmens verstrickt, was ihn aber nicht davon abhielt, die Theresienstadt-Überlebende Elsa Schiller zu seiner, übrigens überaus erfolgreichen, Produktionschefin zu machen. Sie machte u.a. die Exklusiv-Verträge mit Ferenc Fricsay, Eugen Jochum und später mit Herbert von Karajan, dessen berühmter Beethoven-Zyklus von 1962 als letzte Großtat unter ihrer Regie entstand. Es gab nach dem Krieg schon seltsame Kombinationen. Vielleicht, aber das ist reine Spekulation, war Frau Schiller nicht bereit, Elly Ney unter ihre Fittiche zu nehmen. Oder waren sie sich in besonderer Abneigung "zugetan"? Elly Neys Aussagen über Juden und jüdische Künstler waren ja in Musikerkreisen nicht unbekannt. Elsa Schiller hatte zwar ein weites Herz, aber irgendwo wird sie auch ihre Grenzen gehabt haben, und Ernst von Siemens ließ ihr weitestgehend freie Hand. Als die CD eingeführt wurde (1981), waren bei der DGG bereits andere Entscheidungsträger verantwortlich, und das Thema Nazi-Vergangenheit spielte eine wesentlich größere Rolle als zu Schillers Zeiten. Das mag der Grund sein, weshalb man die durchaus gut klingenden Ney-Platten nicht auf das neue Medium überspielt hat.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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