Im Schatten der andern - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 8 op. 93

  • Hallo MSchenk,


    Zu Willis Erläuterungen wäre vielleicht noch interessant, zu erwähnen , daß 1950 von RUDOLF SERKIN die Idee ausging, in Marlboro eine Musikschule zu gründen und das MARLBORO FESTIVAL ins Leben zu rufen. Aus zunächst Masterclasses für Cellisten, zu denen SERKIN vor allem PABLO CASALS gewann, entwickelten sich dann allmählich auch Proben mit Streichern generell, und auch Bläsern, und als 3 Jahre später der große Konzertsaal in Marlboro eingeweiht wurde, kam es dann zu regelmäßigen Konzerten und Plattenaufnahmen, zunächst von Musik des Barock und Rokoko bis dann später hin zu den großen Klassikern. PABLO CASALS leitete einige dieser Konzerte, und es kam zu mehreren LP-Aufnahmen durch COLUMBIA RECORDS von diesen Konzerten. Auch RUDOLF SERKIN selbst war Mitwirkender einiger dieser Konzerte. In der Zeit, als CASALS dieses Orchester leitete, bestand es aus 40 - 50 Orchestermitgliedern. Die 7. Sinfonie von BEETHOVEN spielte man mit 50 Musikern, die 8. Sinfonie mit 40. Dieses setzte sich, wie gesagt, aus namhaften Musikern, wie Konzertsolisten, Konzertmeistern berühmter Orchester, namhaften Kammermusikern und Hochschulprofessoren zusammen. Dieses Festival und sein Orchester haben bis heute einen sehr guten Ruf erlangt, und erstklassige Musiker haben sich dafür engagiert.


    Viele Grüße


    wok


  • 1. Satz: Allegro vivace e con brio (9:02):


    Wie woanders, so beginnt auch hier die Achte mit einem großsymphonischen Klang, aber wie in dieser gesamten Edition, ist das hier in einem hellen, transparenten Klangbild der Fall. Die tonangebenden Blechbläser werden kongenial von den Streichern und Holzbläsern kontrastiert.
    Sofort sit aber auch hier klar, dass es sich um eine ganz große Sinfonie im wahrsten Sinne des Wortes handelt, die keineswegs der Fragestellung dieses Threads entspricht, erstmal grundsätzlich nicht und dann, wie wir wissen, in den Interpretationen Herbert von Karajans erst recht nicht.
    Hier spielt kein provinzielles Kammerorchester mit historischen Instrumenten, sondern die Berliner Philharmoniker mit modernen Instrumenten, und wir hören, dass es wunderbar passt..
    Das Tempo ist ... richtig!! (W. Furtwändler s.u.).
    Die für die Symphonie nötige Leichtigkeit, Souveränität und der unendlich federnde Rhythmus, aber auch die strukturierenden , vorwärts treibenden Trompeten und Posaunen sowie die stets präsenten, aber sich nicht vordrängenden Pauken treiben perpetuum-mobile-artig das Geschehen voran. Man merkt Maestro Karajan nicht an, dass er nur kanpp 2 Moante vor Vollendung seines 76. Geburtstages steht. Beeindruckend auch das Fagott, das ja in der Achten eine besonders große Rolle spielt und dem Fagottisten oft (bei entprechendem Tempo) alles abverlangt. Ich bin schon jetzt gespannt, wie Karajan die weiland von Furtwängler so ultimativ bewältigte großen Steigerung zu Beginn der zweiten Hälfte des Kopfsatzes anlegt.
    In der dramtisch angelegten Durchführung gelangen wir nun zu dieser Steigerung, die Karajan dann aber doch nicht so hochdramatiscch aus dem Kontext herauslöst wie FU, sondern organisch in die Entwicklung einfügt.
    Also auch diese Lesart, die nicht so ein Detail als Ziel eines solchen Satzes sieht (wie FU), sondern nach dem Prinzip "Der Weg ist das Ziel" agiert, hat durchaus ihre Berechtigung: also auch hier nicht "Furtwängler oder Karajan", sondern "Sowohl Furtwängler als auch Karajan". (Ich habe hier Furtwängler als Vergleich herangezogen, weil mich seine Interpretation dieser Steigerung nach einem Tipp von Swjatoslaw ungeheuer beeindruckt hat).


    Klanglich ist diese Aufnahme über jeden Zweifel erhaben. Trotz der generellen klanglichen Dichte der Achten ist sie sehr transparent und sind sehr viele Details zu entdecken, vor allem bei den wieder einmal ganz souveränen Berliner Holzbläsern.
    Auch die Coda, die nochmals an Aktion zunimmt, bis hin zu einem wie öfters bei Beethoven überraschenden Schluss, gelingt prächtig und endet (wie immer) mit genau dem Ton, mit dem das Allegretto beginnt.


    2. Satz: Allegretto scherzando (4:03):


    Mit einem durchschnittlichen Tempo (immer am Tempo mancher HIP-Aufnahmen gemessen), aber auch der gleichen Transparenz wie im Kopfsatz, die sich hier sogar noch etwas steigert, beginnt dieser Satz. Das ist alles ganz unspektakulär und vielleicht gerade deshalb so schön. Auch hier geht eines ins andere über, durch den Holzbläser-Rhythmus wieder nach Art des Perpetuum mobile. Auch dieser Satz ist ein herausragendes Beispiel für den "humorvollen" Beethoven, der auch hier am Ende des Satzes mit den irrwitzigen Tutti wieder eine Überraschung bereithält einschließlich des unvermittelten Schlusses.


    3. Satz: Tempo di Menuetto (6:01):


    Dieses Menuetto begnnt mit sehr moderatem Tempo, fast ein wenig zu langsam. Absicht? Immer noch greift das Fagott prägend ein, und auch Werner Thärichen an den Pauken meldet sich wieder zu Wort.
    Die wunderbaren Hörner eröffnen das Trio und geben den Staffelstab weiter an die Klarinette, von wo aus er zurückkommt. Jetzt- bei diesem beseelten Spiel, fällt es wie Schuppen von den Augen, dass dieses Tempo Sinn macht. Karajan setzt nicht auf temporale Extreme, sondern auf organische Tempostrukturen. Das Wechselspiel von Klarinetten und Hörnern wird von den tiefen Streichern schön umrahmt.
    Auch zu Beginn der Reprise wird wieder deutlich, dass bei diesem Tempo auch die Strukturen des Streicherteppichs besser hervortreten.


    4. Satz: Allegro vivace (7:11):


    Im Finale zieht Karajan dann deutlich das Tempo (und Thärichen an den Pauken seine Aktivitäten) an. Aber immer noch ist alles im Rahmen. Es nimmt nicht Überhand. nach der Exposition wird es etwas dramatischer, aber dank des gesamten temporalen Konzeptes hat es auch der Fagottist nicht so schwer wie manche seiner "Leidensgenossen" unter anderen Dirigenten. Immer, wenn das Hauptthema einsetzt, wird auch die Aktion wieder durch die Pauken gesteigert, die für viel Betrieb im Tutti sorgen.
    Die Durchführung ist zu Beginn etwas langsam, wird dann im Forte wieder etwas schneller und dramatischer. Langsam geht es dem Ende zu, wieder mit wunderbar begleitenden Figuren in den tiefen Streichern und klanglichen Eruptionen. Nochmals melden sich die Hörner zu Wort, bevor die Coda folgt, in der Karajan sehr kontrolliert sein Tempo beibehält, nicht acceleirert und somit eine nahezu unspektuläre Achte zu Ende bringt, die in ihrer Ausgewogenheit, interpretatorischen Brillianz und Klarheit, dank der überragenden Fähigkeiten des Orchesteres und der überlegten Gestaltungsarbeit des Dirigenten ihre große Klasse beweist.


    Zum Schluss die Tempovergleiche der drei Berliner "Karajanis":


    1963: 9:17-3:55-5:55-7:08 (26:15);
    1977: 8:53-3:48-5:16-6:31 (24:28);
    1984: 9:02-4:03-6:01-7:11 (26:17);


    Hier fällt doch auf, dass die mittlere Aufnahme erheblich aus dem Temporahmen fällt, warum auch immer und dass die über 20 Jahre auseinander liegende 1. Aufnahme sich von der 3. Aufnahme zeitlich kaum unterscheidet. Die Differen beträgt insgesamt gerade einmal 2 Sekunden.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich glaube, wenn ich nicht mal ab und zu etwas im Beethoven-Symphonienthread schreibe, ist hier auch nicht viel los. Heute habe ich zunächst wieder die Achte unter Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gehört und gesehen. Es ist immer wieder ein Ohren- und Augenschmaus, dieser Kombi zuzuhören und zuzusehen. Je öfter ich dies tue, um so mehr gefällt mir dieser bedingungslose Einsatz, den alle Musiker nebst Dirigent zeigen und die Spielfreude, die sie an den Tag legen. Dies gilt auch und vor allem für Paavo Järvi, der in seinem Ganzkörpereinsatz, vor allem in seiner Mimik zeigt, wie viel Humor der Beethovenschen Musik innewohnt. Insofern kann ich Alfreds Haltung, der diese Art der Kammerphilharmonie ja abfällig beurteilt hat, nicht verstehen. Viele Geiger tun es, viele Pianisten tun es, und die Orchestermusiker sollen wie die Ölgötzen mit Weltuntergangsgesicht da sitzen und ihren Part runterspielen?
    Musik, und speziell die Musik Beethovens, ist ja zu einem großen Teil auch Rhythmus, und den kann man natürlich auch steigern, in dem man seinen Körper einsetzt.


    In diesem Sinne


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • :D8-);) Ja, wenn man in so einem Zug in Beitrag 124 sitzt, ist man auch von zu vielen Faktoren von Details abgelenkt (Fahrgeräusch und die tolle Aussicht). Da kommt man schon in einen Geschwindigkeitsrausch. Hinzu kommt, dass der Zuginsasse mit Vorurteilen behaftet ist und die P.Järvi-Aufnahme der Achten gar nicht genau kennen kann, denn die Spielzeiten sind vollkommen im Rahmen und mit vielen anderen seiner Dirigentenkollegen vergleichbar.



    Es ist immer wieder ein Ohren- und Augenschmaus, dieser Kombi zuzuhören und zuzusehen.

    Ja wirklich, lieber Willi. Ich kenne wenige Aufnahmen die derart viele Details aus Beethoven´s Achter offenbaren, wie gerade diese phänomenale Paavo Järvi-Interpretation vom Beethovenfest Bonn es verdeutlicht. Und dann auch noch so spannend und zugleich perfekt dargeboten - :angel:


    Dabei bleibt P.Järvi bei sehr angemessen zügigem Tempo voll im vergleichbaren Rahmen mit Leibowitz (Chesky), der uns eine ähnlich fantastische Sinfonie Nr.8 geboten hat:
    Die tatsächlichen P. Järvi - Spielzeiten (ohne Applause und Pausen am Anfang, denn die vom DVD-Player abgelesenen Zeiten wären zu ungenau): 08:39 - 03:50 - 04: 35 - 06:35


    :thumbup:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Und der feurige Italiener Riccardo Chailly, der mir allerdings auch gefällt, legt noch "eine Schüppe" drauf:


    8:12-3:42-4:16-6:15;


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    teleton:


    Ich kenne wenige Aufnahmen die derart viele Details aus Beethoven´s Achter offenbaren...

    Ich glaube du solltest mal wieder die Leibowitz-Aufnahme der 8. hören. Im Prinzip hört man den Unterschied schon nach wenigen Sekunden. Wo bei Leibowitz ohne zu hetzen ausmusiziert wird, opfert Järvi, um nur ein Beispiel zu nennen, gleich in der Bläsermelodie des Eingangsmotivs Details, in dem drüber weg musiziert wird (beziehe mich hier allerdings auf die CD).


    Aber ich verstehe dich schon: schöne Pauken, schön rasant und knallig - was scheren dich da schon Details...


    :hello: LT

  • Sowohl Wolfgang (teleton) als auch ich, lieber Liebestraum, (im Posting Nr. 108), haben uns äußerst positiv über Leibowitz ausgelassen:

    Zitat

    teleton: Dabei bleibt P. Järvi bei sehr angemessen zügigem Tempo im vergleichbaren Rahmen mit Leibowitz (Chesky), der uns eine ähnlich fantastische Sinfonie Nr. 8 geboten hat..

    Mein ausführliches Posting datiert vom 12. 05. 2012.
    Ich habe mir eben extra noch mal den Anfang der Achten mit Järvi, allerdings auf DVD, angehört und gesehen, und ich muss sagen, sowohl die erste, wohl von dir gemeinte Bläserstelle "nach wenigen Sekunden", sprich nach dem eröffnenden fünzehn-tönigen Tutti mit einleitender Klarinette und dann übernehmendem Horn, als auch die zweite Bläserstelle, nach einer weiteren, mehrere Sekunden längeren Tuttistelle, die erste Solofagottstelle, ist glasklar und Ton für Ton vernehmbar, das es sich ja um Solostellen handelt, die mit dem Tutti abwechseln. Da wird nichts überspielt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • beziehe mich hier allerdings auf die CD


    Hallo Liebestraum,


    es ist ein Riesenunterschied, ob wir hier von :!: P.Järvis Studioaufnahmen bei (RCA, 2007) oder den von Willi und mir gemeinten Live-Aufnahmen vom Beethovenfest Bonn (SONY, 2010) sprechen.
    Ich habe mich zuerst auch sehr schwer getan an den Studio-Aufnahmen (RCA, 2007) auf CD so richtig gefallen zu finden. Es gibt in der Anfangszeit sogar Beiträge dazu von mir, die eher negativ sind, wegen dem dünnen orchestralen Klangeindruck dort. Ich hatte die CD´s dann von einem Klassikfreund bekommen, der mich zu den RCA-Aufnahmen bekehren wollte. Wie die Achte ist in der Aufnahme (RCA, 2007) klingt, habe ich im Moment gar nicht so positiv in Erinnerung. Ich hatte mich intensiv mit der Live-Aufnahme (SONY, 2010) beschäftigt, die in jeder Hinsicht vorzuziehen ist. Nur diese ist hier auch Bestandteil unserer derzeitigen Diskussion !
    ;):yes: Ich hatte also in Beitrag 125 Recht, das der "Zuginsasse" die Aufnahme gar nicht kennen kann ! Denn von dieser detailreichen TOP-Aufnahme in jeder Hinsicht, kann man nur begeistert sein.
    :thumbup: Und ja, bei den Live-Aufnahmen (in der ganzen GA) sind die Pauken noch besser, es ist noch feuriger, da geht noch mehr die Post ab und ganz wichtig für mich: es hört sich nicht so dünn und HIP-mässig nach Kammerorchester an, sondern echt sinfonisch packend.



    :| Also bitte keine Vorurteile wegen Kenntnis der anderen alten P-Järvi-Aufnahme. Wir wissen doch, wie unterschiedlich bei manchen Dirigenten die Interpretationen innnerhalb weniger Jahre ausfallen können (ich denke da nur ganz exreem an Klemperer). Und dann kommt hier bei P.Järvi noch die fabelhafte LIVE-Athmosphäre dazu - da sind Welten zwischen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Natürlich kenne ich die DVD-Ausgabe! - Habe sie aber nicht persönlich. Ich werde sie mir aber noch mal anhören... -- Aber ich glaube nicht, dass sie mich dann mehr beeindrucken werden.



    :hello: LT

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  • Dass die Musik auf der Live-DVD wesentlich überzeugender wirken soll, kann ich mir sehr gut vorstellen. Eine Symphonie ist eben doch mehr, als die Summe tausender perfekter Einzelteile, die aus den Takes einer Aufnahmesessions an der DAW (Protools, Cubase, Logic,...) zusammengeschnippelt werden.


    Wie der Produzent der Bremer Aufnahme, Philip Traugott zusammen mit Järvi bei der CD-Aufnahme vorging, ist hier nachzulesen (´runterscrollen bis zum Abschnitt "Big Brother")


    http://musikalischeinterpretat…d-zuviel-geschnitten.html




    Natürlich muss für eine CD-Aufnahme auch geschnitten werden und ich mag auch das Perfekte. Es gibt da aber eine nicht sehr leicht zu definierende Grenze, ab der es dann kontraproduktiv wird. Hier scheint sie mir sehr weit überschritten worden zu sein.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)


  • Sir Simon Rattle, Beethoven 8
    Wiener Philharmoniker, 2002


    Satzzeiten: 9:29 - 3:59 - 4:45 - 7:27 – 25:40 min.;


    Rattle hält sich im Kopfsatz nicht nur an die Satzbezeichnung "Allegro vivace e con brio", sondern er versucht das Äußerste herauszuholen. Derart explosiv hört man den Kopfsatz nicht sehr oft, wobei das nicht durch überhöhtes Tempo, sondern durch Ausschöpfen der dynamischen Spannweite, Betonung des Dreiertaktes und Steigerung des Ganzen durch fabelhafte Pauken, was vor allem in der großen Steigerung am Ende der Durchführung nahe an die Fabelsteigerung Furtwänglers heranreicht. Ein großartig musizierter Satz.


    Auch im Allegretto scherzando hält er die flotte Gangart bei und gibt durch seine gute Rhythmisierung dem Satz diese herrlich Leichtigkeit, wobei an den entsprechenden Stellen die mittleren und tiefen Streicher ruppig in das musikalische Geschehen hineinfahren, dass es eine Freude ist. Auch großartig musiziert.


    Das Menuett nimmt Rattle flotter als man es schon häufiger gehört hat. Der hier schon mehrmals zum Vergleich herangezogene Herbert von Karajan nimmt es in seiner Einspielung von 1984 wesentlich langsamer, wie gleich unten aus der Gegenüberstellung der Satzzeiten hervorgehen wird. Auch wieder ein Beleg dafür, dass hier auch die vorgeschriebenen Tempi weit ausgelegt werden können, wenn sie nur im Binnenverhältnis stimmen.
    I
    m Finale tun sich beide nichts. Da geht es mit „Pauken und Trompeten“ und mit ganz viel „Vivace“, irgendwo habe ich mal den Begriff „Vivacissimo“ gelesen, dem Ende zu. In diesem Finale wird die Klangkuppel noch mal erweitert, dokumentieren die großen Steigerungen in der Durchführung und im Anschluss, dass die Achte wahrlich auch eine große Symphonie ist und kein charmanter Pausenfüller zwischen der Siebten und der Neunten.
    Ein Sonderlob wiederum dem Solopauker (Bruno Hartl oder Anton Mittermayr?)


    Rattle: 9:29 - 3:59 - 4:45 - 7:27 -- 25:40 mi.;
    Karaj.: 9:02 - 4:03 - 6:01 - 7:11 -- 26:17 min.;


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Beethoven: Symphonie Nr. 8
    La Scala Philharmonic Orchestra
    Carlo Maria Giulini
    Aufnahme: Teatro Abanella, Mailand, 20.—22. September 1992
    Satzzeiten: I. 10:12 — II. 4:12 — III. 5:31 — IV. 7:39 — Ges. 27:35


    Der Threadtitel lautet "Im Schatten der anderen". Die Achte ist in der Tat ein wenig das Stiefkind der Beethoven-Symphonien. Bei den ersten beiden drückt man aufgrund der frühen Entstehungszeit meist das Auge zu, die Achte aber wurde geschrieben, als Beethoven bereits auf dem Höhepunkt seines Ansehens stand. Die monumentale Siebente wurde damals als seine größte Symphonie gefeiert, und was kommt da nach: Ein kleines, beinahe winziges Werk, eine Art Zeitreise in die 1790er. Vom ersten Eindruck her an die letzten Haydn-Symphonien erinnernd, an Umfang selbst der eigenen Ersten unterlegen (auch in dieser Einspielung). Vielleicht als typische Beethoven'sche Trotzreaktion ist sein Ausspruch, die Achte sei doch "viel besser" als die Siebte, zu verstehen. Vermutlich versteht man das Werk wirklich viel zu vordergründig. 1814 uraufgeführt, in einer Zeit, als in Wien gerade der große Kongress begann, führte es vielleicht der Gesellschaft zynisch vor Augen, dass jetzt die bereits abgeschnittenen Zöpfe der Perücken wieder kämen. Man drehte die Zeit auf dem Wiener Kongress um 25 Jahre zurück. So scheinbar auch bei op. 93 des Ludwig van Beethoven. Vielleicht also eine versteckte Kritik Beethovens? Wer weiß ...


    Jedenfalls beginnt das Werk erstaunlich heiter und unmittelbar (das geplante Klavierkonzert lässt grüßen), so auch in dieser Aufnahme. Gar nicht langsam empfindet man das Allegro vivace e con brio. Das statt eines langsamen Satzes folgende Allegretto scherzando erinnert beinahe ans Rokoko. Sehr fein und zierlich in der Einspielung von Giulini. Die Lebensfreude hält an. Vollends karrikiert Beethoven im sich anschließenden dritten Satz die "gute alte Zeit": Ein manierliches Menuett wie aus der Zeit von Perücke und Puder nebelt einen fast schon ein. Der wuchtigste Satz der Symphonie wird durch schön hervorstechende Pauken und Hörner zur Wohltat. Die kurze Symphonie wird mit einem rasanten Finalsatz in Allegro vivace beschlossen, der zum Höhepunkt des Werkes mutiert. In bester Haydn-Manier ein spritziger Kehraus. Der alte Joseph hätte wohl seine Freude daran gehabt, wenn er's noch erlebt hätte.


    Die ewig verkannte Achte: Klein, aber oho! In dieser schönen Einspielung ganz deutlich aufgewertet und tritt aus dem postulierten Schatten hervor.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Carlo Maria Giulini, Beethoven 8
    La Scala Philharmonic Orchestra,
    Mailand 9/1992


    Satzzeiten: 10:13 - 4:12 - 5:31 - 7:33 – 27:27 min.;


    Die Achte ist nicht nur sonst die schnellste Beethoven-Symphonie, auch bei Giulini, und das Finale ist gar am schnellsten gespielt von der ganzen “Beinahe-GA” mit dem Mailänder Orchester. Es geht immer vorwärts, ist immer in eminentem Schwung, in einem, wie man vor allem vom Allegretto scherzando sagt, in einer Art Pertuum mobile-Schwung.
    Und nicht umsonst sagt man der Achten nach, dass sie in besonderer Weise den Humor Beethovens zum Ausdruck bringt. Denken wir nur daran, dass statt des langsamen Satzes hier der in manchen Einspielungen schnellste Satz der ganzen Symphonie stattfindet. Denken wir aber auch an die Coda des Kopfsatzes, wo alles auf einen gewaltigen Schlussakkord hindeutet, es aber dann doch ganz anders kommt.
    Auch die Pauken dürfen sich vor allem in den Sätzen 3 und 4 mal so richtig austoben und hinter ihrer Deckung hervorkommen.
    Trotz der für Giulini wirklich atemberaubenden Gangart ist auch hier wieder ein ganz transparentes Klangbild zu vernehmen, sind auch hier wieder „Aha“-Erlebnisse festzustellen, mit Stellen, die man „so“ noch nicht gehört hat.
    Ein Höhepunkt, die große Steigerung am Ende der Durchführung im Kopfsatz, wird auch von Giulini eindrucksvoll interpretiert, erzeugt aber nicht die „Gänsehaut“ wie bei Rattle! oder Furtwängler. Ansonsten ist die ganze Symphonie wie ihre Vorläufer in der Mailänder Serie (leider habe ich die Nr. 3 und 6 nicht aus Mailand, sondern aus L.A. (3) und London (6), aber dennoch kann bis hierhin gesagt werden, dass Giulini eine erstklassige (Patchwork-)GA gelungen ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Schön, dass bei den Beethoven-Symphonien ein bisschen Leben in die Bude kommt! :)



    Die ewig verkannte Achte: Klein, aber oho!

    Ja, sehr oho! Diese Symphonie ist so weit von harmlos entfernt, wie eine Symphonie das nur sein kann.


    Das "manierliche Menuett" zum Beispiel ist die reinste Persiflage, andauernd verpassen Instrumentengruppen ihre Einsätze, spielen dann einen Takt später aber trotzdem munter drauflos. Getoppt wird das Ganze noch vom Trio, wo selbst die wenigen beteiligten Stimmen einfach nicht zueinander finden, und das alles über dem merkwürdigen Cello-"Geschrammel"... Genialerweise klingt das alles zusammen dann trotzdem großartig!


    Der Finalsatz erscheint mir dann völlig bizarr; schon formell ist das ein merkwürdiger Satz, eigentlich wohl ein Sonatensatz, aber vor der Wiederholung der Exposition ist ein eigener Durchführungsabschnitt eingefügt, so danach auch genausogut schon die Reprise starten könnte; vermutlich könnte man das als eine Art Sonatenrondo auffassen.
    Das Hauptthema wird erst standesgemäß im pp vorgestellt, aber dann fährt das Orchester im ff drein, nur um das zierliche Thema in der Folge im Fortissimo-Tutti herauszubrüllen. Das geht so weiter, ein Satz extremer Kontraste, und immer scheint Gewalt vor Eleganz zu gehen; und immer wieder toppt Beethoven das bisher Gewesene durch noch mehr Brutalität, zum Beispiel zu Beginn der Reprise, wo das Thema immer wieder im pp ansetzt und schließlich durch einen dreifachen Tutti-ff-Schlag niedergebrüllt wird (eine meiner Lieblingsstellen übrigens :D ).
    Die konsequente thematische Arbeit treibt ziemlich muntere Blüten und gewinnt dem Material die seltsamsten Figuren ab, zum Beispiel die störrischen "Verneinungen" zu Beginn der "zweiten Durchführung". Völlig absurd erscheint mir dann die Coda mit ihren durch die Bläser wanderndenden Einzeltönen und einem Schluss, der all die kunstvollen Mittel sorgsam vermeidet, mit denen Beethoven sonst die Sogwirkungen am Ende erzeugt, und stattdessen nur nackte, lärmende Tuttiakkorde präsentiert.


    Ich halte hier mal ein, aber natürlich sind auch die ersten beiden Sätze sehr weit von harmlos entfernt (zu den harmonischen Besonderheiten zu Beginn des Kopfsatzes hatte sich z.B. mal Kurzstueckmeister geäußert, und auch der Kopfsatz hat etwas von der Brutalität des Finales, zum Beispiel wenn sich die Durchführung seitenlang auf Offbeats festrennt). Insgesamt eine großartige Symphonie, voll von Beethovenscher Wildheit!


  • Beethoven, Symphonie Nr. 8 F-dur op. 93
    Münchener Philharmoniker,
    Dirigent: Rudolf Kempe
    AD: Dezember 1972
    Spielzeiten: 9:47-4:02-5:11-7:49 – 26:49 min.;


    Kempe schlägt im Vergleich zu Karajan 1977 wiederum ein gemäßigtes Tempo an, wenngleich durchaus teilweise scharf akzentuiert und natürlich mit der Wiederholung des Exposition nach 2:06 min. Doch dies tut diesmal auch Karajan, allerdings schon nach 1:52 min. Ich glaube, die Achte in der Interpretation von Herbert von Karajan muss man für sich betrachten. Bei diesem Brio und ungestümen Vorwärtsdrang sehen die meisten damit verglichenen Interpretationen alt aus. Allenfalls Järvi vermag da noch mitzuhalten. Auch ihn zeichnet dieses ungestüme, überbordende Vorwärtsdrängen aus. Wenn ich mal ganz viel Zeit habe, werde ich mal Karajan mit Järvi näher vergleichen.
    Kempe hat aber hier sehr wohl seine Meriten. Trotz der großsymphonischen Orchestrierung zeichnet sich seine Aufnahme wieder durch eine fast kammermusikalische Durchhörbarkeit aus, vor allem in den tiefen Streichern, was sehr viel zum Erfassen der Strukturen dieser rassigen Symphonie beiträgt. Da ist der Karajansche Klang etwas kompakter, etwas gemischter.
    Worauf ich im Kopfsatz immer achte, ist die große Steigerung am Ende der Durchführung. Hier wandelt er doch schon auf den Spuren des legendären Wilhelm Furtwängler, dem diese Steigerung derart extatisch geriet, wie ich sie nie wieder gehört habe.
    Auch das Allegretto scherzando lässt Kempe mustergültig musizieren, seine Münchener sind wieder in Hochform. Hier kommen die Holzbläser wieder mal voll auf ihre Kosten. In der Achten kommt auch ein Instrument auf seine Kosten, das sonst, vor allem bei anderen Komponisten, manchmal stiefmütterlich behandelt wird, das Fagott. Beethoven aber hat ein Herz für solche Instrumente und lässt sie vor allem auch in der Achten und hier besonders im Finale, zum Zuge kommen.
    Im Menuett, das hier auf den ersten Blick wie ein Rückfall in alte Haydnsche Zeiten anmutet und dreigeteilt ist, geht es regelrecht gemütlich zu mit einem himmlischen von Horn und Klarinette getragenen Trio in der Mitte. Kempe gibt diesem Satz die nötige Zeit zum Atmen, ohne dass es langsam klingt.
    Das Finale, das das Feld freigibt für ein anderes prägnantes Instrument, das auch Kempe sehr mag (auf jeden Fall mehr als Karajan!), die Pauke!, braucht sich in seinem Brio und seinem ungestüm vor dem der „Schwestersymphonie“, der Siebten, nicht zu verstecken. Lässt schon Kempe die Zügel fahren, so gerät der Satz bei Karajan vollends zur Raserei. Ich glaube, das wäre nichts für unseren lieben liebestraum. Der Arme würde wahrscheinlich wieder sein Foto vom ICE (oder war es ein TGV?, Posting Nr. 124)als Mahnung dagegenstellen. Wie dem auch sei. Beinahe bei jedem Dirigenten zielt alles auf dieses Finale hin, und dass es allerorten so gut gelingt, ist auch sicher ein Verdienst der Musiker, die hier einen besonderen Ansporn sehen, sich auszeichnen wollen und können. Auch das ist ein Finale mit „eingebautem“ Schlussapplaus.


    Hier die Vergleichszeiten:
    Kempe 1972: 9:47-4:02-5:11-7:49 – 26:49 min.;
    Karajan 1977: 8:53-3:48-5:16-6:31 – 24:26 min.;


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da hast du mich falsch verstanden. Ich habe nichts gegen flottes Spiel, wogegen ich aber etwas habe, ist schnelles seelenloses Herunterspulen wie es z.B. P. Järvi mit den Bremern (auch gerade bei der 8.) praktiziert!


    :hello: LT

  • Da sind wir eben nicht einer Meinung. Ich halte Järvis Dirigat keineswegs für seelenlos, sondern für sehr engagiert und glutvoll, und es besteht m. E. eine sehr enge Bindung zwischen Järvi und seinen Musikern, was wiederum zu einem sehr seelenvollen Spiel führt.
    Es gab übrigens Zeiten, in der eine breite Front vor allem von Kritikern auch Karajans Dirigat für hochglanzoptimiert, oberflächlich und seelenlos hielt.


    Liebne Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da sind wir eben nicht einer Meinung. Ich halte Järvis Dirigat keineswegs für seelenlos, sondern für sehr engagiert und glutvoll, und es besteht m. E. eine sehr enge Bindung zwischen Järvi und seinen Musikern, was wiederum zu einem sehr seelenvollen Spiel führt.


    Järvi stellt - in den Ecksätzen! - einfach eine Facette in den Vordergrund, die im Werk angelegt ist, und ja, er isoliert sie auch ein Stück weit. Das ist natürlich kein allgemeingültiger Ansatz, aber eine gültiger und interessanter ist es. Ob's einem so gefällt, muss man natürlich für sich selbst entscheiden.
    (Übrigens wird da m.E. in Anbetracht des dargebotenen Parforceritts erstaunlich detailliert gespielt; da gibt es eine ganze Menge ruhigerer Darbietungen, die deutlich mehr Details verschlucken).


    Das Menuett finde ich bei Järvi übrigens großartig ausgespielt, gerade das Trio mit seinem witzig-genialen Dialog zwischen den Bläsern und dem schrammelnden Cello im Hintergrund finde ich hier hinreißend.


  • Beethoven, Sinfonie Nr. 8 F-dur op. 93
    RSO Baden-Baden und Freiburg
    Dirigent: Michael Gielen
    AD: Januar 2000
    Spielzeiten: 8:34


    Michael Gielen setzt die Satzbezeichnung voll um und schlägt ein flottes Tempo an und schöpft die dynamischen Vorgaben der Partitur aus. Trotz der reduzierten Besetzung spielt das Orchester mit großem Volumen und permanentem Vorwärtsdrang. Der Solpaukist mcht seine Sache sehr gut und legt ein gehöriges rhythmisches Gerüst vor.


    Das Allegretto scherzando nimmt Gielen in normalem Tempo, und lässt das völlig unspektakulär spielen. Das bremst die Verve des Kopfsatzes (leider) wieder etwas ein.


    Das Tempo die Minuetto schlägt Gielen durchaus zügig an und sein Orchester setzt die dynamischen Kontraste gut um. Dabei tun sich die Bläser, vor allem im Trio, sehr gut hervor.


    Auch das Finale dirigiert Gielen auf diese herkömmliche Weie,aber keineswegs outiniert, sondern sehr aufmerksam und immer im Vorwärtsdrang. Hier darf sich auch nochmal der Solofagottist hervortun.
    Eine gute Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Wozu legt man sich an die 20GA hin, wenn man sie nicht hört ?


    :thumbup: Heute habe ich aus aktuellem Anlass, da die Szell-Aufnahmen der Beethoven-Sinfonien bei Tamino wieder im Gespräch sind, die Sinfonie Nr.8 mit grosser Freude gehört.
    Das ist vorbildliche Perfektion, mit der das Cleveland Orchestra bis heute überzeugt = sauber rhythmisch akzentuiert, ohne Vernachlässigung von emotionaler Spannung - saubere Pauken ! Auch wenn die Kritik hier und da nachsagt, dass Szell´s Beethoven etwas kühl geraten sei, so mag das tatsächlich auf einige Sinfonien zutreffen (ggf die Siebte), aber die Sinfonie Nr.8 gehört zu den ausgewogenen spritzigen Aufnahmen - die am Ende voll überzeugen: :thumbup: "Man ist das ne Interpretation !"



    SONY, 1958 (3.)/1962(8.), ADD


    Am Klang habe ich nichts zu meckern. Durchsichtig, klar, natürlich, ordentliches Stereopanorama - für 1962 besser als Karajan auf DG !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton!


    Dein Hinweis war Anlass für mich, mir die Interpretation zuzulegen (1 Cent + Porto!). Da sich die 8te zu meinem Favoriten entwickelt hat, habe ich in den vergangenen Wochen verschiedene Einspielungen gehört:




    Müsste ich mir für die einsame Insel eine mitnehmen, wäre es die Karajan-Einspielung.


    Bin gerne offen für weitere Empfehlungen!


    Gruß und Danke
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Müsste ich mir für die einsame Insel eine mitnehmen, wäre es die Karajan-Einspielung.


    Hallo WoKa,
    wie interessant und unterschiedlich doch die Beurteilungen zu bestimmten Aufnahmen sein können.


    Du hattest die DDD-Aufnahme von Karajan (DG, 80er, DDD) als Favorit gepostet. Gerade diese hatte mir im Vergleich zu den Früheren mit Karajan (DG, 1962 und 1977) am wenigsten zugesagt. (Gleiches gilt auch für die Ouvertüren, die mir in den früheren Aufnahmen ebenfalls weit besser gefallen.) Karajan wirkt bei der DDD-Achten und den Ouvertüren ziemlich schwerfällig ohne Schwung und der dickliche DDD-Klang aus den digitalen Anfangstagen überzeugt mich auch wenig. Die CD war mir immer schon ein Dorn im Auge (und Ohr). Schon irgendwie seltsam, denn das sieht bei mir bei den Sinfonien Nr.5 und 6 aus gleicher DG-DDD-Aufnahmeserie ganz anders aus - denn das sind meine Favoriten !


    :| Nein, Karajan und die digitale Achte, das wirkt mir zu altbacken.
    *** Wenn Du die Szell-Aufnahme in den nächsten Tagen bekommst, dann wirst Du sehen wie elegant er gegenüber Karajan wirkt !


    Meine Favoriten für die Achte sind (so unterschiedlich die Auswahl auch sein mag):
    Paavo Järvi / Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (SONY-DVD, 2010)
    Chailly / Gewandhausorchester Leipzig (Decca, 2009, DDD) = der absolute Hammer an Innenspannung. Whow, wie der die Post abgehen lässt.
    Solti / CSO (Decca, 1990, DDD) - mit noch mehr Emotion, als in seiner ebenfalls famosen Analogaufnahme zuvor
    Bernstein / New Yorker PH (SONY, 1963, ADD)
    Szell / Cleveland Orchestra (SONY, 1962)
    Blomstedt / Staatskapelle Dresden (Brillant, 1975, ADD) - schon wegen seinen einzigartigen Pauken

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo und Danke für die Rückmeldung!


    Ich kenne von Karajan bislang nur diese eine Einspielung. Bei ihm taste ich mich sozusagen langsam in die Vergangenheit vor.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Kennengelernt habe ich die 8. als eine der letzten Beethoven Sinfonien - gemeinsam mit der siebten auf einer Langspielplatte. Der Dirigent war damals Bruno Walter. Diese Aufnahme hat mich irgendwie geprägt. So konnte auch ich mich nicht wirklich mit der Karajan Aufnahme anfreunden. Ungeachtet dessen bin ich ein Fan der 8. (und der siebten) - vermutlich weil ich die "Flaggschiffe" zu oft gehört habe. Wie dirigiert nun Szell dieses Werk ?
    Ich habe keine Alternativaufnahmen zum unmittelbaren Vergleich herangezogen, bin also auch die Aunahme selbst und mein Gedächtnis angewiesen. Was ich bei der ersten Sinfonie zu meiner Verwunderung nicht gehört habe - hier ist es wieder da, das straffe, rhythmische, beinahe militärisch anmutende Dirigat. Dem stehen als Kontrast besonders zart gespielte Piano-Stellen entgegen, welche den "agressiven" Teil umso besser zur Wirkung kommen lassen.
    Im Beitext zu der von mir hier abgehörten Version stand, es wäre seinerzeit eine Kultaufnahme gewesen. Das kann ich nicht bestätigen, denn bis Europa dürfte der Kult sich (leider) nicht durchgesetzt haben. Karajan und Bernstein waren die hierzulande bekanntesten Dirigenten der Beethoven Sinfonien. Umso glücklicher bin ich, daß ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt, und diese Aufnahme der Sammlung hinzugefügt habe.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    unabhängig von den div. Interpretationsansätzen ist seine 8. bei mir schon lange auf Position 1 seiner Sinfonien - allein wegen der Originalität des Werks.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Beethovens Achte ist ein kurioses Werk. Die kürzeste seiner Symphonien, erinnert sie auf den ersten Blick an eine späte von Haydn. Sie scheint in einem gewissen Spannugnsfeld zu stehen: Einerseits ist sie zwar die vorletzte Symphonie eines der größten Symphonikers aller Zeiten, andererseits mutet sie wie ein Rückschritt bis zurück vor die "Eroica" an. Letzterer Eindruck bestätigt sich bei genauerer Betrachtung natürlich nicht. So befand sich op. 93 auch im Repertoire der großen Beethoven-Dirigenten der Vergangenheit. Ob Weingartner Mengelberg, Furtwängler, Knappertsbusch, Klemperer, Stokowski, Toscanini, Barbirolli oder Horenstein — alle hatten sie wie selbstverständlich im Repertoire. Deswegen ist sie auch nicht unterrepräsentiert auf Tonträgern, eigentlich seit der Frühzeit präsent.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Je nachdem, wie man "Fortschritt" beurteilt, ist das auch bei 4-7 ggü. der Eroica fraglich. Es geht Beethoven vielleicht eher um die Exploration unterschiedlicher musikalischer Möglichkeiten, da an Umfang, Kühnheit und Heroismus die Eroica erst einmal kaum zu übertreffen war. Die vierte war ein vergleichsweise zügig komponiertes eher humorvolles Werk. Die 5. bringt einen Fortschritt in extremer motivischer Konzentration im Kopfsatz, hauptsächlich aber eine noch stärkere Integration aller Sätze in ein geschlossenes Ganzes. Die 6. zeigt für diese besondere Geschlossenheit des Ganzen ein ganz anderes Modell mit programmatischen Elementen und sehr breiten, entspannten Entwicklungen ggü. der Verdichtung in der 5.


    Die 7. und die 8. sind demgegenüber deutlich "abstrakter", ohne explizite "poetische Ideen". Die 7. hat, außer der oft hervorgehobenen besonderen Rolle des Rhythmus als erste Sinfonie Beethoven (oder überhaupt?) das Scherzo in einer Kontrasttonart, anstelle des langsamen Satzes, und dazu in einer weiter entfernten Tonart als bei den vorhergehenden Sinfonien (A-Dur, a-moll, F-Dur (Trio D-Dur) A-Dur).


    Die 8. hat man mit einigem Recht als "neoklassizistisch" bezeichnet: Gar kein langsamer Satz, sehr knapp gehalten, extrem rasante Tempi in den Ecksätzen, angefüllt mit allen möglichen musikalischen "Gags", gerade in den Binnensätzen nahezu parodistisch. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Beethoven habe hier die Sinfonie komponiert, die garantiert niemand nach eingehendem Studium der ersten 7 erwartet hätte... ;)
    Abgesehen von diesem "Meta-Charakter" des Werks, das ein Jahrhundert Romantik zu überspringen (oder gar zu verspotten) scheint und der allgegenwärtigen Verdichtung und Zuspitzung, ist das Finale ein Aspekt, der sehr deutlich macht, dass es sich nicht um eine Rückkehr zum "harmlosen" Klassizismus einiger früher Werke handelt. Der Satz ist verglichen mit dem Rest des Werks sehr umfangreich, formal eigentümlich (mit einer gigantischen Coda) und die berühmten Stellen mit den Moll-Ausbrüchen machen es zum wohl komplexesten Satz des Werks, das damit eine "Finalsinfonie" wird (auch wenn eine übergreifende poetische Idee wie in 5 und 6 fehlt).
    Solch überdrehten Humor findet man in gar nicht wenigen Stücken Beethovens (zB in der Mehrzahl der Diabelli-Variationen), aber kaum ein Werk wird durchgehend so davon beherrscht wie diese Sinfonie.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo!


    Bei Beginn der 8ten habe ich die Fantasie:


    Ich öffne an einem sonnigen Frühlingsmorgen die Fenster und das erste Thema fliegt herein.


    Da kann der Tag nur gut werden!


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich habe der Versuchung widerstanden als Gegenpol zu Szell Karl Böhm zu wählen. Statt dessen nahm ich die vor etwa 2 oder 3 Jahren gekaufte - noch originalversiegelte - Aufnahme mit den Wiener Philharmonikeren unter Felix Weingartner aus der Verpackung und legt sie in den CD-Player. Eigentlich überraschend: Weingartner dirigiert das Werk IMO sehr extrovertiert, vordergründig mit Biß und Spannung vom ersten Ton an. Da ist nichts altertümliches, kein gepflegter oder gigantischer Beethoven, sondern ein energiegeladener, ungestümer, feuriger. Die Orignalaufnahme stammt vom 26. Februar 1936 (für EMI) aus dem Großen Musikvereinssaal in Wien. Besonders beeindruckend finde ich hier den Letzten Satz, den man sich kaum spannender oder dynamischer vorstellen kann. Die historische Aufnahmequalität steht dem nicht im Wege, sie ist einfach egalisiert...

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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