Das Klassische Kalenderblatt

  • Hallo!


    Die Idee kennt wohl jeder. Auch im SWR 2 gibt es morgens das sog. Zeitwort. Eine Begebenheit der Vergangenheit, die auf dasselbe Tagesdatum fällt und meist historisch oder kulturell oder beides ist, wird kurz vorgestellt.
    Das ist der Gedanke, der auch hinter diesem Thread „Das Klassische Kalenderblatt“ steht. Episoden aus der klassischen Musik (Ereignisse im Leben der Komponisten, Musiker, Dirigenten…) die auf das aktuelle Tagesdatum fallen, werden kurz vorgestellt. Dabei ist mir wichtig, dass hier keine Geburts- und Todestage, die durch die Tägliche Gedenkminute bereits sehr gut bedient sind, eingestellt werden. Vielmehr kann es eine Uraufführung sein, ein Briefwechsel, ein Schicksalsschlag oder ein historisches Ereignis mit Bezug zur Klassischen Musik. Für mich ist die Vorbereitung auf einen entsprechenden Beitrag immer eine Gelegenheit, mich selbst in die vorzustellende Thematik zu vertiefen.
    Es wäre schön, wenn sich einige tamino-Freunde beteiligen würden.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • 25. Juni 1840 – Mendelssohn dirigiert die Uraufführung seiner Lobgesang-Sinfonie


    Anlässlich des anstehenden 400ten Jahrestages der Erfindung des Buchdruckes erhielt Felix Mendelssohn-Bartholdy 1839 einen Kompositionsauftrag der Stadt Leipzig. Die von ihm daraufhin komponierte sog. „Lobgesang“-Sinfonie wurde am 25.Juni 1840 in der Leipziger Thomaskirche uraufgeführt. Eine weitere Aufführung erfolgte in Birmingham – beide Male unter Leitung des Komponisten. Die zweite Fassung des Werkes wurde am 3.12. in Leipzig erstmals aufgeführt.
    Hinsichtlich der Chronologie ist dieses Werk gemeinsam mit der sog. Schottischen Sinfonie die späteste der fünf Sinfonien, die Mendelssohn schrieb (gilt allerdings dennoch als 2te). Der Begriff der Sinfonie-Kantate kommt dem Werk wohl am nächsten, verbindet sie doch Instrumentalsätze mit Chorsätzen unter dem Gesamttitel einer Sinfonie. Die Erstausgabe ist König Friedrich August II. von Sachsen gewidmet.


    Robert Schumann schrieb:
    "Enthusiastisch wirkte das Ganze und gewiß ist das Werk, namentlich in den Chorsätzen, seinen frischesten, reizendsten beizuzählen."


    Das ist die Aufnahme, die in meinem CD-Regal steht:


    Kurt Masur dirigierte 1988 das Gewandhausorchester Leipzig. Gesang: Barbara Bonney, Edith Wiens, Peter Schreier sowie der Rundfunkchor Leipzig.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • 6.Juli 1812 - Beethoven verfasst die ersten beiden Teile seines „Briefes an die unsterbliche Geliebte“


    Es ist nicht sicher, ob der Brief tatsächlich abgeschickt wurde. Es ist auch nicht sicher, an wen er gerichtet war. Was mittlerweile als sicher gilt ist, dass Ludwig van Beethoven seinen „Brief an die unsterbliche Geliebte“ am 6.und 7.Juli 1812 in Teplitz schrieb. Und dieser 6. Juli 1812 war ein Montag – genauso wie der heutige 6. Juli 2015. Der Sekretär Beethovens, Anton Schindler fand den Brief im Nachlass des Komponisten. Beethoven wollte den Brief nach „K“ schicken – Karlsbad? Dort war Beethoven 1812 zur Kur.
    War der Brief an Josephine Brunsvik gerichtet, an Antoine Brentano oder Giuletta Guicciardi? Es gibt zahlreiche Theorien. Viele denken, sie seien sich sicher, die eine oder die andere sei es gewesen. Sicher ist nur, dass es nicht sicher ist.


    Gruß WoKa


    Beethoven an eine unbekannte Adressatin [Teplitz, 6./7. Juli 1812]


    am 6ten Juli Morgends. –


    Mein Engel, mein alles, mein Ich. – nur einige Worte heute, und zwar mit Bleystift (mit deinem) – erst bis morgen ist meine Wohnung sicher bestimmt, welcher Nichtswürdiger Zeitverderb in d.g. – warum dieser tiefe Gram, wo die Nothwendigkeit spricht – Kann unsre Liebe anders bestehn als durch Aufoperungen, durch nicht alles verlangen, kannst du es ändern, daß du nicht ganz mein, ich nicht ganz dein bin – Ach Gott blick in die schöne Natur und beruhige dein Gemüth über das müßende – die Liebe fordert alles und ganz mit Recht, so ist es mir mit dir, dir mit mir – nur vergißt du so leicht, daß ich für mich und für dich leben muß, wären wir ganz vereinigt, du würdest dieses schmerzliche eben so wenig als ich empfinden – meine Reise war schrecklich ich kam erst Morgens 4 uhr gestern hier an, da es an Pferde mangelte, wählte die Post eine andre Reiseroute, aber welch schrecklicher Weg, auf der vorlezten Station warnte man mich bey nacht zu fahren, machte mich einen Wald fürchten, aber das Reizte mich nur – und ich hatte Unrecht, der Wagen muste bey dem schrecklichen Wege brechen, grundloß, bloßer Landweg, [durchgestrichen: und di] ohne 2 solche Postillione, wie ich hatte, wäre ich liegen geblieben Unterwegs. – Esterhazi hatte auf dem andern gewöhnlichen Wege hierhin dasselbe schicksaal, mit 8 Pferden, was ich mit vier. – Jedoch hatte ich zum Theil wieder vergnügen, wie immer, wenn ich was glücklich überstehe. – nun geschwind zum innern vom aüßern, wir werden unß wohl bald sehn, auch heute kann ich dir meine Bemerkungen nicht mittheilen, welche ich während dieser einigen Tage über mein Leben machte – wären unsre Herzen immer dichtan einander, ich machte wohl keine d.g. die Brust ist voll dir viel zu sagen – Ach – Es gibt Momente, wo ich finde daß die sprache noch gar nichts ist – erheitre dich – bleibe mein Treuer einziger schaz, mein alles, wie ich dir das übrige müßen die Götter schicken, was für unß seyn muß und seyn soll. –
    dein treuer ludwig. –


    Abends Montags am 6ten Juli –


    Du leidest du mein theuerstes Wesen – eben jezt nehme ich wahr daß di eBriefe in aller Frühe aufgegeben werden müßen. Montags – Donnerstags – die einzigen Täge wo die Post von hier nach K. geht – du leidest – Ach, wo ich bin, bist du mit mir, mit mir und dir rede ich mache daß ich mit dir leben kann, welches Leben!!!! so!!!! ohne dich – Verfolgt von der Güte der Menschen hier und da, die meyne – eben so wenig verdienen zu wollen, als sie zu verdienen – Demuth des Menschen gegen den Menschen – sie schmerzt mich – und wenn ich mich im Zusammenhang des Universums betrachte, was bin ich und was ist der – den man den Größten nennt – und doch – ist wieder hierin das Göttliche des Menschen – ich weine wenn ich denke daß du erst wahrscheinlich Sonnabends die erste Nachricht von mir erhältst – wie du mich auch liebst – stärker liebe ich dich doch – doch nie verberge dich vor mir -g ute Nacht – als Badender muß ich schlafen gehen – [durchgestrichen: o geh mit, geh mit -] Ach gott – so nah! so weit! ist es nicht ein wahres HimmelsGebaüde unsre Liebe – aber auch so fest, wie die Veste des Himmels. –


    guten Morgen am 7ten Juli –


    schon im Bette drängen sich die Ideen zu dir meine Unsterbliche Geliebte, hier und da freudig,
    dann wieder traurig, vom Schicksaale abwartend, ob es unß erhört – leben kann ich entweder nur ganz mit dir oder gar nicht, ja ich habe beschlossen in der Ferne so lange herum zu irren, bis ich in deine Arme fliegen kann, und mich ganz heymathlich bey dir nennen kann, meine Seele von dir umgeben in’s Reich der Geister schicken kann – ja leider muß es seyn – du wirst dich fassen um so mehr, da du meine Treue gegen dich kennst, nie eine andre kann mein Herz besizen, nie – nie – O Gott warum sich entfernen müßen, was man so liebt, und doch ist mein Leben in V.[ien] so wie jezt ein kümmerliches Leben – Deine Liebe macht mich zum glücklichsten und zum unglücklichsten zugleich – in meinen Jahren jezt bedürfte ich einiger Einförmigkeit Gleichheit des Lebens – kann diese bey unserm Verhältniße bestehn? – Engel, eben erfahre ich, daß die Post alle Tage abgeht – und ich muß daher schließen, damit du den B. gleich erhältst – sey ruhig, nur durch Ruhiges beschauen unsres Daseyns können wir unsern Zweck zusammen zu leben erreichen – sey ruhig – liebe mich – heute – gestern – Welche Sehnsucht mit Thränen nach dir – dir – dir – mein Leben – mein alles – leb wohl – o liebe mich fort – verken[ne] nie das treuste Herz deines Geliebten
    L.
    ewig dein
    ewig mein
    ewig unß

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • 17.Juli 1717 - Händel, König Georg I. und die Wassermusik


    Es war am 17.Juli 1717, als König Georg I. und eine Versammlung des englischen Adels in Whitehall offene Boote bestiegen und die Themse hinaus bis Chelsea fuhren, um ein glanzvolles Fest zu feiern. Erst um drei Uhr morgens war das Fest zu Ende. Dabei war eines der Boote der Musik vorbehalten. Darauf spielten 50 Instrumente „die schönsten Sinfonien, die von Mr. Händel eigens für diese Gelegenheit komponiert worden waren; Seiner Majestät gefiel diese Musik so sehr, dass sie bei der Hin- und Rückfahrt dreimal gespielt werden musste.“. Die Musik, um die es sich hier handelte, war eine Suite, die später – als zweite von drei Suiten - als „Wassermusik“ berühmt werden sollte.


    Gruß WoKa



    Händel (in der Mitte) mit Georg I. während der Bootsfahrt auf der Themse. Links im Hintergrund die Musikanten auf einem weiteren Boot (Quelle wikipedia)

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    Victor Hugo

  • 10. September 1894 – Richard Strauss heiratet Pauline de Ahna


    1887 lernte Richard Strauss Pauline de Ahna, geboren 1863 in Ingolstadt, kennen. Die junge Sängerin war seine Schülerin und offenbar nicht nur begabt, sondern auch ein Temperamentsbündel.


    Zitat von Alma Mahler-Werfel:
    »… man mußte sehr auf der Hut sein, um nicht irgendeine große Taktlosigkeit an den Kopf geworfen zu bekommen. Sie sagte alles heraus, was und wie sie es dachte. Er hatte das gern. Ich selber habe sie bewundert - für ihre Wahrheitsliebe und ihre große Musikalität.«


    Als ihr der Kapellmeister Strauss in den Probenarbeiten zu „Guntram“ einen Heiratsantrag macht, schreibt sie ihm am 24. März 1894.


    „Mein lieber Herr Strauss!
    Das kommt ja alles wie ein Sturzbad; ich bitte Sie um Gotteswillen, sich nicht so übermäßig zu freuen, Sie wissen selbst am besten, wie viele Fehler ich habe und ich sage Ihnen aufrichtig, es ist mir trotz allem Glücksgefühl, was mich überkommt, manchmal entsetzlich bang. Werde ich Ihnen das sein können, was Sie verlangen und was Sie verdienen? Darf ich nicht zuerst in Hamburg gastieren um wenigstens voll Stolz meinem verehrten Lehrer auch einen schönen Erfolg aufweisen zu können?... Überschätzen Sie mich denn nicht und Ihre Eltern und Hanna kennen ja auch meine Launen; ach Gott, und nun soll ich so plötzlich ein wahres Muster von Hausfrau werden, damit Sie sich nicht enttäuscht fühlen. Lieber Freund, ich fürchte, es wird scheitern und je mehr sich alles freut, desto gedrückter wird meine Stimmung. ...“


    Trotz Paulines Bedenken fand am 10. Mai 1894 – zwei Tage vor der Uraufführung von Guntram – die Verlobung statt. Am 10. September 1894 wurde schließlich geheiratet. Die Hochzeitsreise ging nach Venedig.


    Als Brautgeschenk legt er ihr vier neue Lieder zu Füßen, die als op. 27 die „Heimliche Aufforderung“ und den „Morgen“ enthalten. Diese Liedgruppe ist zu Recht als eines der schönsten Hochzeitsgeschenke aller Zeiten bezeichnet worden. Richard Strauss widmet sie "Meiner geliebten Pauline zum 10. September 1894 als Morgengabe".


    Strauss meinte 1947 im Alter von 83 Jahren: »Schade, daß sie sich zu früh dem schönen Beruf einer … ausgezeichneten Hausfrau und Mutter zugewandt hat!«


    Gruß WoKa


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    Victor Hugo

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  • Hierhin passt dann die Mitteilung, dass heute vor 200 Jahren Beethovens Kantate für Chor und Orchester "Meeresstille und glückliche Fahrt" in Wien uraufgeführt wurde - ebenso die C-Dur Ouvertüre op.115, "Zur Namensfeier".


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • 29. März 1942 - Dmitri Schostakowitsch in der Prawda...


    „Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt ...“


    Diese Aussage des Komponisten Dmitri Schostakowitsch druckte die russische Tageszeitung Prawda am 29. März 1942, also heute vor 74 Jahren.



    Entstanden ist dieses „Requiem für die Trauer des Volkes“, wie die Sinfonie oft genannt wird, im Jahr 1941, während der deutschen Luftangriffe auf seine Geburtsstadt Leningrad (zu Zeiten seiner Geburt noch Petrograd – Sankt Petersburg). Der Impuls geht nach eigenen Aussagen Schostakowitschs auf die Psalmen Davids (Psalm 79) zurück. Im Verlauf der Komposition wurde Schostakowitsch gemeinsam mit anderen Solisten, Schriftstellern etc. aus Leningrad evakuiert. Offenbar gemeinsam im Zug mit David Oistrach, Emil Gilels, Sergej Eisenstein u.a.


    Für die Uraufführung am 5. März 1942 wurden eigens Soldaten (Musiker) von der Front abgezogen, um die außergewöhnliche Besetzung gewährleisten zu können. Für de Aufführung des Werkes in Leningrad am 9. August 1942 gibt die (belegte?) Aussage, dass die sowjetische Verteidigung ihr Artilleriefeuer einstellte, um die Aufführung nicht zu stören.


    Mit der annähernd 80-minütigen Programmsinfonie erreichte Schostakowitsch eine weltweite Bekanntheit, die ihm langfristig nicht gut bekommen sollte. Wurde ihm doch nach dem Krieg in der Sowjetunion vorgeworfen, der Gewalt der Faschisten nicht die Kraft der Roten Armee musikalisch entgegen gesetzt zu haben. Dabei rächte sich wohl auch, dass er durch die erreichte Popularität ähnlich Ikarus nahe an die Sonne herankam, die in der Wahrnehmung der Sowjetunion einzig Stalin sein wollte.


    Inhaltlich hat in Tamino Thomas Norderstedt die Sinfonie allumfassend dargestellt (Beitrag 23):
    http://tamino-klassikforum.at/…?page=Thread&threadID=722


    Gleichgültig, ob Schostakowitsch im 1. Satz, auf den viele die Sinfonie reduzieren,
    - den faschistischen Truppen musikalisch die Rote Armee entgegensetzte oder aber
    - die hässliche Fratze des Faschismus oder wie später vermutet
    - die unberechenbare Herrschaft Stalins im Musik umsetzte
    es gab wohl im 20ten Jahrhundert kein Werk, das zeitweilig eine derart umfassende Bekanntheit erlangte wie diese Sinfonie.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • 30. März 1941: Heute vor 75 Jahren wird Benjamin Brittens "Sinfonia da Requiem" op. 20 uraufgeführt:


    Am 30. März 1941 wurde in New York unter der Leitung von Sir John Barbirolli die "Sinfonia da Requiem" von Benjamin Britten uraufgeführt, die dieser im Alter von 26 Jahren komponiert hatte.


    Er widmete dieses Werk dem Andenken an seine Eltern. Es war eines von mehreren Werken verschiedener Komponisten, die von der japanischen Regierung beauftragt worden waren, anlässlich des 2.600sten Jahrestages der Gründung des japanischen Reiches ein Werk zu komponieren.


    Die japanische Regierung wies das Werk wegen seiner lateinischen Satzbezeichnungen als katholisches Requiem in seinen drei Sätzen und seines durchweg düsteren Charakters zurück:
    1. Lacrimosa. Andante ben misurato
    2. Dies irae. Allegro con fuoco
    3. Requiem aeternam. Andante molto tranquillo;
    docvh es wurde bei der Welturaufführung 1941 in New York unter Sir John Barbirolli durchweg positiv aufgenommen. Eine Aufführung in Boston unter Serge Koussevitzky führte zum Auftrag durch die Koussevitzsky Music Foundations, die Oper "Peter Grimes" zu komponieren.


    Die Sinfonie ist Brittens größtes rein orchestrales Werk. Es war sein erstes bedeutendes Orchesterwerk, das ganz ohne Solisten auskam und, nach Ausführungen des Musikologen Peter Evans, markiert es einen ersten Gipfel in seinem orchestralen Frühwerk.


    Hier ist eine spätere Aufnahme unter Sir John Barbirolli in Stereo:



    Liebe Grüße


    Willi :)


    https://en.wikipedia.org/wiki/Sinfonia_da_Requiem
    (Übersetzung: William B.A.)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber WoKa, ich sehe dieses Thema heute zum ersten Mal, bestimmt aber nicht zum letzten. Beitragen kann ich noch nichts, aber das wird sich bestimmt ändern. Auch die Art, wie das Thema hier gestaltet wird (z.B. Schostakowitsch in Uniform), gefällt mir sehr. Als erst mal ein großes Lob und vielen Dank!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hallo!


    Das Klassische Kalenderblatt ist ja eher eine einseitige Sache: Einer stellt es ein, die anderen lesen es (hoffentlich). Wenngleich Dialog sehr willkommen ist!
    Deshalb dr.pingel: Vielen Dank für die Anerkennung - hat mich sehr gefreut. :hello:


    Auch Dir William vielen Dank für eine schöne Mittagspause. Ich habe nämlich mich entschlossen, trotz Regen (mit Hut und Mantel) rauszugehen und mittels Spotify und Ohrhörern bei einem Spaziergang die Sinfonia da Requiem von Benjamin Britten (erstmals) zu hören.


    So mag ich Tamino: Inspiration und Horizonterweiterung!


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

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  • Ich habe, um WoKa auch mal zu unterstützen, eine Erinnerung anzubieten: Heute vor 175 Jahren, folglich am 31. März 1841, wurde Robert Schumanns "Erste" im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Und es war kein Geringerer als Felix Mendelssohn-Bartholdy, der das Werk aus der Taufe hob. Es soll, so konnte ich lesen, "sehr gut" aufgenommen worden sein - vielleicht ein Ergebnis des Schaffensdranges, der die Komposition im Januar 1841 in nur vier Tagen zum Abschluss brachte.


    Schumann selbst schrieb dazu:
    „Ich schrieb die Sinfonie, wenn ich sagen darf, in jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinreißt und in jedem Jahr von neuem überfällt. Schildern, malen wollte ich nicht; dass aber eben die Zeit, in der die Sinfonie entstand, auf ihre Gestaltung, und dass sie grade so geworden, wie sie ist, eingewirkt hat, glaube ich wohl."


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • 22. Juni 1905: Die Uraufführung von Richard Strauss´ Oper Salome an der Wiener Hofoper scheitert an der Zensur


    Ursprünglich war die Uraufführung der Vertonung von Oscar Wildes Einakter Salome durch Richard Strauss für den 22. September 1905 an der Wiener Hofoper geplant. Tatsächlich fand sie hingegen erst im Dezember 1905 in Dresden statt. Gustav Mahlers Plan, sie an der Wiener Hofoper an dem Datum aufzuführen, das sich heute jährt, scheiterte mit der Absage des Intendanten.


    "Die Darstellung von Vorgängen aus dem Neuen Testament erregt grundsätzliche Bedenken. So wirkt die Vorführung einer perversen Sinnlichkeit, wie sie in der Figur der Salome verkörpert ist, sittlich verletzend. Ich möchte mich deshalb aus religiösen und sittlichen Gründen gegen die Zulassung des vorliegenden Operntextes aussprechen. … abgesehen von mehr textuellen Bedenken kann ich über das Abstoßende des ganzen Sujets nicht hinaus – und kann nur wiederholen: Die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne." (Dr. Emil Jettel von Ettenach, der Hofzensor seiner Majestät Kaiser Franz-Joseph I)


    Bei der Aufführung in Dresden war das Publikum entweder restlos begeistert oder vollkommen entsetzt. Cosima Wagner, die Witwe Richard Wagners, kommentierte: "Nichtiger Unfug, vermählt mit Unzucht!"


    Am 5. Dezember 1906 gelingt Strauss schließlich auch die Aufführung an der Berliner Hofoper. Wilhelm II. gestattete die Aufführung erst, als Exzellenz Hülsen den Einfall hatte, am Schluss durch Erscheinen des Morgensterns das Kommen der Heiligen Drei König anzudeuten. Der Kommentar des Kaisers zur Oper: Es tut mir leid, dass Strauss diese Salome komponiert hat, ich habe ihn sonst sehr gern, aber er wird sich damit furchtbar schaden!" Späterer Kommentar von Strauss: "Von diesem Schaden hab ich mir mein Haus in Garmisch gebaut."


    In Wien gelangt die Oper erst weitere 12 Jahre später, 1918, zur Aufführung.



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Recht amüsant ist die Tatsache, dass Graz von der wiener Zurückhaltung profitierte. Nur wenige Wochen nach der Dresdener Uraufführung kam Salome hier als österreichische Erstaufführung auf die Bühne. Richard Strauss dirigierte selbst die Premiere, im Publikum befanden sich u.a. Alban Berg, Gustav Mahler, Giacomo Puccini, Arnold Schönberg und Alexander von Zemlinsky...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Sergej Rachmaninovs zweites Klavierkonzerten wurde in Moskau mit großem Erfolg uraufgeführt. Dabei war erste KK vier Jahre zuvor mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Diese Niederlage nahm sich der Künstler so zu Herzen, dass es zu seinen Lebzeiten nie wieder aufgeführt wurde. Die daraus folgende Schaffenskrise überwand Rachmaninov erst mit Hilfe seines Therapeuten Nikolai Dahl, dem das zweite KK auch gewidmet ist.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • 31. Dezember 1833: Friedrich Rückerts Tochter Luise stirbt an Scharlach

    Im Jahr 1833 erkrankten fünf der sechs Kinder des fränkischen Dichters Friedrich Rückert an Scharlach. Einer Krankheit, die wir heute nicht mehr wirklich ernst nehmen, die vor Entdeckung der Behandlung durch Antibiotika hingegen eine hohe Sterblichkeitsrate aufwies. Am 31. Dezember starb die einzige Tochter Luise (*1830). Starke zwei Wochen später, am 16. Januar 1834, stirbt auch sein Sohn Ernst (*1829) an dieser Krankheit.
    Friedrich Rückert hat mehr als 10.000 Gedichte verfasst. Darunter befinden sich mehr als 400, mit denen er seinen Schmerz verarbeitete, der nach dem Tod der beiden Kinder auf ihm lastete – die „Kindertodtenlieder“. Es handelt sich wohl um seine eindringlichsten Gedichte, in Reime gefasste Gedanken zu allen Stadien der Krankheit, des Schwebens zwischen Hoffen und Bangen, des Sterbens und des „Danach“.



    Luise Rückert
    25. Juni 1830 – 31. Dezember 1833



    Ernst Rückert
    4. Januar 1829 – 16. Januar 1834


    Rückert hatte Ernst und Luise liebevoll „Messerchen und Gäbelchen“ genannt.


    Gustav Mahler sollte nach dem Jahrhundertwechsel fünf dieser Lieder vertonen:


    Nun will die Sonn´so hell aufgehn
    Nun seh ich wohl, warum so dunkle Flammen
    Wenn dein Mütterlein
    Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen
    In diesem Wetter


    Ich sehe davon ab, einen der vertonten Texte hier abzudrucken. Ich habe mich statt dessen für diese Zeilen entschieden:


    Du bist ein Schatten am Tage
    Und in der Nacht ein Licht;
    Du lebst in meiner Klage
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Wo ich mein Zelt aufschlage,
    Da wohnst du bei mir dicht;
    Du bist mein Schatten am Tage
    Und in der Nacht mein Licht.


    Wo ich auch nach dir frage,
    Find´ ich von dir Bericht,
    Du lebst in meiner Klage
    Und stirbst im Herzen nicht.


    Du bist ein Schatten am Tage,
    Doch in der Nacht ein Licht
    Du lebst in meiner Klage
    Und stirbst im Herzen nicht.



    Ein ganz besonderes Gedicht aus diesem sehr persönlichen Zyklus findet sich hier:
    Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein
    Dieses Werk sollte allerdings nur lesen, wer sich dieser überaus traurigen Stimmung hingeben möchte.



    Gruß WoKa

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    Victor Hugo

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  • 27. Februar 1854: Robert Schumann springt von der Düsseldorfer Rheinbrücke



    Seit 10. Februar 1854 haben sich die psychischen Leiden Robert Schumanns sprunghaft verstärkt. Er klagt über „Gehöraffektionen“. Töne, Akkorde, ganze musikalische Stücke toben in seinem Kopf und rauben ihm den Schlaf. Schwermut schwebt über dem Komponisten. Während ich dies schreibe, höre ich die Kreisleriana, die er 16 Jahre zuvor geschrieben hat und sehe diese Aussage bestätigt. Eine Depression, die durch die Auseinandersetzung mit Claras Vater verstärkt wurde, wobei die genaue Diagnose bis heute nicht gesichert ist. Eine Syphillis ist nicht ausgeschlossen, ebenso ist von der Möglichkeit einer bipolaren Störung die Rede. Nietzsche attestierte ihm einen „Hang zur stillen Lyrik und Trunkenboldigkeit des Gefühls“


    Im Februar 1854 komponiert er seine Es-Dur Klaviervariationen. Heute vor 163 Jahren, am 27. Februar 1854 – Rosenmontag - fertigt er eine Reinschrift an. Sicherlich ein Ergebnis hoher Konzentration. Was dann geschieht ist Gegenstand fast jedes Textes über Robert Schumann. Um die Mittagszeit springt er auf und läuft in Hausschuhen und geblümtem Schlafmantel auf die regennasse Straße und zur nahen Rheinbrücke – der Oberkasseler Pontonbrücke. Da an Fasching alle Welt maskiert ist, fällt er nicht auf. Auf der Brücke wirft Schumann zunächst seinen Ehering in die Fluten - und springt dann selbst hinterher. Er wird vom Brückenmeister Joseph Jüngermann und einigen Schiffsleuten gerettet, nach Hause geleitet und von einem herbeigerufenen Arzt betreut. Clara Schumann lässt man nicht zu ihm. Sie sucht mit ihren Kindern Zuflucht bei einer Freundin. Vom Selbstmordversuch und davon, wie Schumann aufgefunden worden war, erfährt sie offenbar erst 1856. Schumann selbst spricht später von einem »Faschingsscherz«.

    Am 4. März 1854 wird Schumann auf eigenen Wunsch in die von Dr. Franz Richarz 1844 eröffnete Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren in Endenich bei Bonn eingeliefert. Schon vorher hatte er sich Uhr, Geld, Notenpapier und Schreibfedern sowie Zigarren zurechtgelegt. Nach den abwesenden Kindern und Clara Schumann erkundigt er sich bei der Abreise nicht.


    Dass diese Einlieferung auf eigenen -Wunsch geschah, belegt Berthold Litzmann. Er zitiert in seiner Clara-Schumann-Biografie aus Clara Schumanns Tagebuch, in dem die Tage und Nächte vom 21. bis zum 26. Februar 1856 erfasst sind. „[E]r sprach immer davon, er sei ein Verbrecher und solle eigentlich immer in der Bibel lesen […] In den Nächten hatte er oft Momente, wo er mich bat, von ihm zu gehen, weil er mir ein Leid antun könnte! […] Da plötzlich 9 1/2 Uhr stand er vom Sopha auf und wollte seine Kleider haben, denn er sagte, er müsse in die Irrenanstalt, da er seiner Sinne nicht mehr mächtig sei und nicht wissen könne, was er in der Nacht am Ende täte.“


    Im Aufnahmebuch der Klinik lautet die Diagnose „Melancholie mit Wahn“. Später wird von unbekannter Hand „Paralysie“ hinzugefügt.

    Der junge Kollege Brahms– seit dem Zusammenbruch Robert Schumanns ein Freund der Familie – besucht ihn regelmäßig in der Anstalt. Clara hingegen wird untersagt, ihren Mann zu besuchen, zu groß sei für ihn die Aufregung. Erst am 27. Juli 1856 sehen sie sich wieder. Er lächelt sie an, erkennt sie offenbar, trotz der geistigen Verwirrtheit. Zwei Tage später – am 29. Juli 1856 um 4 Uhr wird Robert Schumann von seinen Leiden erlöst, nachdem er zuletzt zwangsernährt wurde. Offizielle Todesursache: Verhungern. Es scheint, als habe er auf Clara gewartet.



    Pontonbrücke am Rhein bei Düsseldorf, Stich um 1850



    Richarz’sche Heilanstalt


    Wer sich dem Thema durch einen Film nähern möchte, dem sei „Geliebte Clara“ von der Urururgroßenkein von Johannes Brahms, Helma Sander-Brahms empfohlen.


    Hinter diesem Youtube-Clip verbirgt sich der Film in voller Länge:




    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Ich bin kein Spezialist für kirchliche Festtage, aber ich weiß, dass heute Allerseelen ist. Daher möchte ich eines der - für mich - ergreifendsten Lieder von Richard Strauss hier einstellen:



    Gruß
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Stalin und Prokofiew


    Beide sterben am gleichen Tag, am 5. März 1953. Prokofiew bekommt keine Blumen auf sein Grab, weil die alle für Stalin gebraucht wurden.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • ...wobei Prokofiew meines Wissens kurz vor Stalin starb und somit dessen Tod nicht mehr registrierte.


    Gruß
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo