Peter I. Tschaikowsky: Sinfonie Nr 1 „Winterträume“ op 13

  • Tschaikowskys frühe Sinfonien stehen – wie bei so vielen anderen Komponisten auch – im Schatten der späteren „großen“ Sie werden seltener aufgeführt und auf Tonträger verewigt. Ein Grund mehr, dass wir uns mit ihnen befassen.
    Die Sinfonie Nr 1 „Winterträume“ ist das Werk eines 26 jährigen, der allerdings schon als Lehrer am Moskauer Konservatorium tätig war, woraus sich die Notwendigkeit ergab nachts zu komponieren, was bei Tschaikowsky zu ausgeprägten Erschöpfungszuständen führte. Tschaikowski gehörte der „westlich“ orientierten Gruppe russischer Komponisten an, und wurde deshalb von der einen Seite über alles gelobt, von den Mitgliedern des „mächtigen Häufleins“ angegriffen, ja sogar für unfähig erklärt.
    Diesem Stress hielt Tschaikowsky nur schwer stand, er befand sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, sodass ihm der Arzt das nächtliche Komponieren verbot, weil er Tschaikowsky bereite „nahe dem Wahnsinn“ sah. In den nächsten Ferien wurde die Sinfonie dann endlich fertig gestellt. Der Name stammt übrigens vom Komponisten selbst.
    Tschaikowskys einstigem Lehrer, Anton Rubinstein, der bereits eine frühere Komposition des jungen Komponisten zur Uraufführung brachte, gefiel das Werk indes nicht, vor allem die beiden Ecksätze. Dennoch leitete er die Uraufführung vom 11. Februar 1867 in St. Petersburg, allerdings nur als Torso. Es wurden nur der 2. und 3. Satz gespielt. Wie Anton Rubinstein schon geahnt hatte war die Aufführung ein Misserfolg. Tschaikowsky nahm einige Umarbeitungen vor und ein Jahr später wurde die komplette Sinfonie – diesmal in Moskau – und mit Nicolai Rubinstein, Antons Bruder, erneut uraufgeführt – und war ein großer Publikumserfolg. Der Musikkritiker und Freund Tschaikowskys (Buch: Erinnerungen an Tschaikowsky) will sich erinneren, dass Tschaikowsky bei der Premierenfeier im Freudentaumel sämtliche Anwesende abgeküsst habe. Dennoch wurde die Sinfonie laut meinen Quellen 1874 erneut umgearbeitet.
    Das Stück selbst hat – ähnlich wie bei einer sinfonischen Dichtung, einen Titel und ein Konzept, wie der Titel „Winterträume“ bereits vermuten lässt und verwendet teilweise „russische Themen“ Interessant ist, dass auch die ersten beiden Sätze mit bildhaften Bezeichnungen versehen sind, die Sätze drei und vier indes nicht…
    Der erste Satz (Allegro tranquillo) ist „Träumerei von einer winterlichen Fahrt“ benannt und soll die Reise mit einer Troika durch die verschneite russische Winterlandschaft schildern, wogegen der zweite (adagio cantabile, ma non tanto) wie schon der Untertitel „ Düsteres Land“ einen klagenden Unterton hat, eingestimmt von der Oboe, der die anderen Instrumente folgen. Der dritte Satz (Scherzando giocoso) wird gern mit jenem aus Mendelssohns „Sommernachsttraum“ verglichen,. Alles huscht und flirrtt leicht dahin, schliesslich ist aber beim Ertönen des Walzers Tschaikowskys Klangstil unverwechselbar erkennbar.
    Der vierte Satz (Andante fugubre – Allegro moderato – Allegro maestoso) verwendet das Thema des russischen Volksliedes „Blumen blühen“, welcher sich im Verlauf zu einem lauten Volksfest entwickelt.
    In letzter Zeit wird der Sinfonie – zumindest auf Tonaufnahmen – wieder jene Aufmerksamkeit zugebilligt, die sie eigentlich verdient – denn ihr war es vorbehalten den Durchbruch der Russischen Sinfonie zu schaffen – trotz einiger Vorgänger……


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    TAMRUSINFO

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schade, dass kein Echo auf Alfred Schmidts Eröffnungsbeitrag erfolgt ist. Ich mag Peter Tschaikowskys erste Sinfonie ausserordentlich. Garaguly hatte im "Was höre ich gerade jetzt"-Thread auch schon geäussert, dass er dieses Werk schätzt. Der erste Satz erinnert mich stark an Bruckner.


    Meine Lieblingsaufnahme dieser Sinfonie (ich habe sieben in meiner Sammlung stehen) hat Michael Tilson Thomas mit dem Boston Symphony Orchestra schon vor längerer Zeit eingespielt. Ich besitze noch die LP und später habe ich sie mir als CD besorgt. Eine Besonderheit dieser Aufnahme fällt mir jedes Mal besonders auf: Im vierten Satz hat der Trompeter kurz vor Schluss ein kurzes Solo, das in anderen Aufnahmen so durch die Tontechniker nicht hervorgehoben wird. Ich spiele jeweils mit der Fernbedienung des Players und höre mir diese Stelle mehrmals hintereinander an.



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Die Sinfonie Nr.1 Winterträume hatte bei mir zunächst einen schlechten Start genommen, weill ich zuerst eine total übel klingende Aufnahme hatte:
    Konstantin Ivanow (Eurodisc-LP).


    Da ich immer schon klangorientiert gehört habe, hielt sich die Begeisterung zunächst in Grenzen.
    8o Das wurde dann ganz anders als, ich die Swetlanow-LP´s (Sinfonien Nr.1-3) von 1967 (Melodiya/Eurodisc) bekam. Ganz grosse Interpretationen die alles geben ! Ab da habe ich die Winterträume hoch geschätzt, obwohl ich diese Platten heute auch aus klanglichen Gründen nicht mehr anhören würde/wollte ... ich glaube die brauche ich gut remastert auf CD ...


    Meine Begeisterung wurde dann später durch die Karajan-GA (DG, 1977, ADD) auf CD noch einmal gesteigert. Das Perfekte, das Noble, die Dramatik, die Karajan hier mit den Berliner PH in Klang umsetzt verursachte einen Hörspass, der bei der bisherigen"Kratzware" bis dato unerreicht blieb. Auch heute schätze ich die Karajan-Aufnahmen (aller 6 Sinfonien) nach wie vor.


    Mein Lieblingsaufnahme sollte dann für viele Jahre Bernstein/New Yorker PH (SONY, 1970 (1.), ADD) werden. Mit weit mehr Emotion und Gefühl als Karajan sind die Winterträume eine der schönsten und packendsten Aufnahmen dieser Sinfonie. Auch die Durchhörbarkeit der orchestralen Strukturen (und das von moderato angesprochene elementare Trompetensolo wird er hier nicht vermissen) ist frappant. Die Pauken ebenfalls perfekt und nicht im Orchesterklang integriert. Bernstein gönnt den langsamen Teilen viel Spielraum für seine Gefühlswelt. Spielzeiten: 11:54 - 12:15 - 8:26 - 12:50


    Der Preis ist heute wieder heiss. Aber ich hatte vor einigen Jahren eine günstige Phase erwischt.
    :thumbup: Mehr Emotion und Siedehitze ist kaum möglich = die Rückkehr zu Swetlanow ! Hier aber in der späten glänzenden Aufnahme LIVE aus Tokyo im Mai 1990 (WARNER). Live - von daher nicht immer ganz so perfekt, wie Bernstein mit den New Yorkern, aber Gänsehaut pur und mit wunderbaren Klangfarben ! Ich finde: Da geht einfach kein Mono oder Historisches um das zu spüren und Freude daran zu haben. Die Spielzeiten empfinde ich als sehr ausgewogen und keinesfalls zu schnell: 11:27 - 9:47 - 7:25 - 11:00
    :angel: Als GA sind das die für mich wichtigsten Tschaikowsky-Sinfonien-Aufnahmen.


    Vom Ausdrucksgehalt sind Bernstein und Swetlanow trotz der Unterschiede für meinen Geschmack deutlich an der Spitze und beides meine Winterträume-Lieblingsaufnahmen.


    Hier die Abb:

    WARNER, LIVE 1990, DDD




    SONY, 1970, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine sehr empfehlenswerte und überaus klangschöne Interpretaion liefert auch Vaclav Smetacek mit dem Prager Sinfonieorchester.


    In Kombi mit Borodins 2.:

  • Tschaikowsky's Erste gefällt mir sehr und z.B. besser als die Vierte. Die in Beitrag 2 erwähnte Aufnahme mit MTT ist meine bisherige Referenz. Gestern habe ich die Muti gehört, auch sehr schön. Von Svetlanow habe ich nur die Melodiya-Aufnahme aus den 60ern, die muß ich dringend mal wieder hören. Die von Wolfgang erwähnte spätere ist preislich derzeit nicht drin ;( . Auch Bernstein, Karajan, Roshdestvensky, Maazel und Markevitch stehen im Regal.

  • Von Svetlanow habe ich nur die Melodiya-Aufnahme aus den 60ern, die muß ich dringend mal wieder hören.


    Ich hab die 1976er-Swetanow-Aufnahmen nur auf Eurodisc-LP´s und daher auch "Jahrzehnte" nicht gehört. Die CD haben diese "Kratzware" einfach abgelöst.
    Jetzt kam bei mir vor vielen Jahren noch die Swetlanow-GA von WARNER, LIVE Tokyio 1990 dazu, als meine Referenzaufnahme (Abb Beitrag 3) dazu, sodass die Platten ganz erledigt waren/sind !


    Aber die Winterträume hatte ich mir dieses Jahr in der 67er-Studio-Aufnahme preiswert bestellt in der Melodiya-CD-Version mit Remastering 1993; gekoppelt mit Franceca da Rimini.
    Welch ein fabelhafter klanglicher Unterschied zu den Eurodisc-Platten.


    Leider ist diese CD schon nicht mehr als Abb verfügbar - warscheinlich weil ich diese abgesahnt hatte.
    :thumbup: Egal ob die Aufnahme 1967 oder 1990 mit Swetlanow - es sind meine Referenzen !
    *** Beide Aufnahmen entstanden mit den grossartigen russischen moskauer Orchestern - die Erste mit dem Akademischen SO der UDSSR (was selbst viele CD´s verschweigen = da steht dann nur USSR SO Orcehstra) - die spätere LIVE-Aufnahme in Tokyo seinem grossartigen Staatlichen SO der UDSSR ... das hat Biss, das hat Leidenschaft ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die 67er Svetlanov habe ich gestern gehört und finde sie auch ganz hervorragend, auch der Klang ist o.k. auf meiner alten Original Melodiya LP.

  • Die 67er Svetlanov habe ich gestern gehört und finde sie auch ganz hervorragend, auch der Klang ist o.k. auf meiner alten Original Melodiya LP.

    Klang OK auf der Melodiya/Eurodisc-LP ?

    In Beitrag 3 und 6 hatte ich ja schon anklingen lassen, dass ich mir von den Swetlanow-Aufnahmen von 1967 eine gut remasterte CD-GA wünsche.

    :jubel:Dieser Wunsch konnte im November 2016 erfüllt werden: Denn dann war die 2014 von Melodiya neu remasterte Tschaikowsky-Sinfonien_GA incl. der ebenfalls herausragenden Aufnahme der Manfred-Sinfonie in preislich "saubere" Regionen gerückt.


    :!:Die Klangqualität meiner alten Melodiya/Eurodisc-3LP-Box und diesem 2014er-Remastering auf CD ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.


    Ich hatte in Beitrag 3 meine Lieblingsaufnahmen der Sinfonie Nr.1 "Winterträume" angegeben:

    Swetlanow (Warner, LIVE 1990) und Bernstein (SONY, 1970) ... diese Studioaufnahme von Swetlanow (Melodiya, 1967) finde ich sogar noch besser als die LIVE-Aufnahme von 1990, weil das Orchester noch sorgfältiger agiert. Vom Stimmungsgehalt würde ich beide Aufnahmen etwa gleichsetzen.

    Besser als mit Swetlanow, mit mehr Gefühl in den ruhigen Passagen und wo angebracht die aufgewühlten Satzteile auf Sidehitze zu bringen, habe ich die Winterträume nie gehört.

    Swetlanow nimmt sich im langsamen 2.Satz Adagio cantabile und im Finale noch etwas mehr Zeit als 1990.

    Spielzeiten 1967 = 11:09 - 11:25 - 7:49 - 11:51


    Melodiya, 1967, ADD (Remastering 2014)



    Bevor ich mit die abgebildete GA kaufte, hatte ich mir die Melodiya-Einzel-CD der Sinfonie Nr.1 zugelegt.

    Das Remastering ist dort von 1993 und auch schon sehr ordentlich gelungen. Der Unterschied ist nicht so krass, dass man unbedingt das 2014er- Remastering braucht, wenn man diese CD bereits hat.

    8) Die CD bleibt aber für mich unverzichtbar, wegen der absoluten Hammeraufnahme von Francesca da Rimini :hail: 22:58 .... da kommen dann nur noch die Mrawinsky-Aufnahmen (auf ERATO und Brillant) heran, die ebenfalls diese unvorstellbare Gluthitze haben, bei der Aufnahmetechnik und die Orchestermusiker an ihre absoluten Grenzen kommen.


    Melodiya, 1967, 1970 (Francesca), ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    meine Lieblingsaufnahme der "Winterträume" ist die von Karajan (aus seiner DGG-GA mit den Berliner Philharmonikern, die ich aber in Einzel-CDs besitze). Sie ist farbig in allen Einzelheiten, orchestral tadellos, und klanglich ebenfalls große Klasse. Ähnliches ist von der Aufnahme von Michael Tilson Thomas (ebenfalls DGG) zu sagen, die moderato bereits in #2 gezeigt hat.


    Dann befindet sich noch eine sehr schöne Aufnahme in meiner Sammlung, die aber hierzulande wenig bekannt sein dürfte:

    Václav Smetácek dirigiert das Symphonie-Orchester Prag (Aufnahme: 6/1961, House of Artists, Prag).

    Eine sehr empfindsame, stimmungsvolle Aufnahme, die auch klanglich für ihr Alter gut geraten ist. Sie ist gekoppelt mit einer ebenfalls schönen Aufnahme von Borodins Sinfonie Nr. 2, mit der Tschechischen Philharmonie (aufgenommen 10/1970). Letztere ist technisch noch besser geraten.


    Mir fehlt momentan die Stimmung für dieses "lugubre" Werk, dafür brauche ich die Nebelschwaden des November. Aber ich höre die Sinfonie sehr gerne, sie wird zu Unrecht vernachlässigt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das Thema des langsamen Satzes ist eines der schönsten Melodien, die es gibt, und oft, wenn mich eine melancholische Stimmung erfasst hat, war es diese Melodie, die ich gerne dann auf dem Klavier gespielt habe und darüber fantasiert habe, mehr als jede andere Tschaikowsky Melodie...

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

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  • hoch mit diesem thread ! :-)


    ich besitze von der ersten Sinfonie diese CD (da ist auch noch die 2. Sinfonie mit drauf)


    Habe mir die CD vor kurzem für einen Euro zugelegt ;-)

    https://www.jpc.de/jpcng/class…onien-Nr-1-2/hnum/6026841


    Academy Of St. Martin In The Fields unter Neville Marriner.

    Ein Orchester und Dirigent die ich eh sehr gerne höre.


    Aufgenommen wurde die erste Sinfonie im März 1990

    Der Klang ist sehr gut (nach meinem Urteil).

    Musikalisch höre ich nichts Negatives (bin aber auch kein Tschaikowsky Spezialist).

    Die Musik ist eh klasse.


    Ein flott gespielter erster Satz der beim Zuhören viel Freude macht.

    Von russich-bombastisch bis lustige, verspielte Melodien

    Manche Teile erinnern mich fast ein klein wenig an die Bilder einer Austellung


    Ein wunderschöner, vertäumter aber auch sehr melodischer 2. Adagio Satz


    ein dritter Satz mit koketter Melodie , was dann in einen Waltzer (!) übergeht. Im weiteren Verlauf wird dann mit dem Waltzer-thema gespielt ... sehr schön !


    ruhiger, melodiöser Start in den vierten Satz, was (etwas düster) in den schönen schwungvollen zweiten Teil übergeht, danach ein vertäumter ruhiger kurzer Teil, der dich bald steigert und die Sinfonie in vollem Bombast enden lässt (was mich wieder ein bissel an die Bilder einer Austellung erinnert)


    Ich mag diese erste Sinfonie von Tschaikowsky !