Marek Janowski verlässt Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin


  • Marek Janowski (76), Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, gibt seinen Posten zum Sommer 2016 ab. Trotz der Möglichkeit, die Arbeit in Berlin fortzusetzen, werde er "nach intensiven Überlegungen" einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag nicht unterschreiben, erklärte Janowski am Donnerstag in Berlin. Nach 14 Jahren sei es klug, einen Wechsel einzuleiten. Orchestervorstand David Drop erklärte, das Ensemble bedauere den Entschluss. Janowski stand seit 2002 an der Spitze des Orchesters.


    Quelle: tagesspiegel.de

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Janowskis Abgang bedauere ich auch. Andererseits setzt er aber auch Zeichen für Berlin, wo gern an Posten geklebt wird. Im Moment kommt in der Kulturszene einiges in Bewegung. Und das ist auch gut so, um den abgedankten Regierenden Bürgermeister Wowereit zu zitieren. Janowski hat das Musikleben Berlin bereichert und geprägt. Aus meiner Sicht hatte er immer die interessantesten Programme, und er machte auch Oper im Konzert. Bei den Besetzungen hatte er nicht immer die glücklichste Hand. Deshalb sind auch die meisten Wagner-Opern, die er rund um das Wagner-Jahr 2013 aufführte und mitschneiden ließ, nach meinem Eindruck in Teilen ziemlich vermurkst. Ich habe nicht eine behalten. Sein Berlioz ist mir unvergessen. Demnächst dirigiert er "Daphne". In Opernhäusern trat er nicht mehr auf, weil ihm gewisse Entwicklungen nicht zusagten. Das hat mich sehr beeindruckt. Obwohl er ein sehr zurückhaltender, feinsinniger Mann ist, hat er gern die Nähe zu seinem Publikum, auch im kleinen Kreis, gesucht und war der Presse gegenüber sehr auskunftsfreudig und immer fair. Ich schätze ihn sehr. Hoffentlich bleibt er Berlin als Gast erhalten.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Janowski kündigte an, dass er zumindest alle seine Verpflichtungen im Jahre 2016 auch nach dem Ende seiner Amtszeit weiterhin als Gastdirigent ausüben will, darunter auch das Silvesterkonzert.


    So bedauerlich sein Rückzug sein mag, man muss das wohl auch alterstechnisch verstehen. Hätte er nochmal fünf Jahre verlängert, würde er bis zum 82. Lebensjahr Chefdirigent bleiben. Viele Dirigentenkollegen verzichteten ja im höheren Alter allmählich auf feste Posten und beschränkten sich auf Gastdirigate, so etwa auch Herbert Blomstedt und Stanislaw Skrowaczewski. Von daher ist auch Janowskis Entscheidung eher die Regel denn die Ausnahme. Der normale Arbeitnehmer geht heute mit Mitte 60 in Rente. Da müssen wir es wohl auch den Dirigenten zugestehen, nicht bis zum letzten Atemzug im Amt zu bleiben. ;)


    Mit seinem Abgang stellt sich beim nunmehr dritten Berliner Spitzenorchester die Nachfolgefrage. Die Berliner Philharmoniker werden diese Frage in gut zwei Wochen klären. Und auch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin sucht einen neuen Chef. Da könnte jetzt insgesamt eine neue Dirigentengeneration zum Zuge kommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • So sehr ich Janowskis Entscheidung verstehen kann und respektiere, so sehr bedaure ich seinen Abgang. Es ist sicher keine leichte Position, das in der öffentlichen Wahrnehmung dritte (oder je nach dem, wie man zu dem Konzerthaus Orchester steht, vierte) Symphonieorchester in Berlin zu leiten und mit diesem ein eigenes Profil zu entwickeln. Nach allem was ich beurteilen kann, ist Janowski das anz ausgezeichnet gelungen. Auf seinen Nachfolger wartet eine gleichermaßen spannende wie anspruchsvolle Aufgabe.


    Seine Musizierhaltung sagt mir persönlich zu. Er wird ja gemeinhin als Kapellmeister und Orchestererzieher alter Schule bezeichnet und ich denke das trifft den Kern der Sache ganz gut. Alles was ich in seinen Konzerten gehört habe klingt überlegt, gut strukturiert, präzise. Die Musik hat Fluß, ich spüre einen überlegten Zugang zu den Werken. Er hat unübersehbar einen Draht zu seinen Musikern. Zwanzigstes Jahrhundert hört man oft bei ihm und ja, allein sein Repertoire ist oft Anlaß genug, sich eine Konzertkarte zu kaufen.


    Eine Anekdote zum Schluß: Kürzlich hatte er zwei Haydn Symphonien auf dem Programm (die 39 und 99) - das muß man sich erst Mal trauen. Als Zugabe gab es dann - nein, nicht das tolle Finale der 99 sondern Menuett und Trio - mit einer Delikatesse musiziert, dass im Publikum allenthalben geschmunzelt wurde. Bravo, Marek Janowski!


    Ich bin gespannt, in welche Richtung sein Nachfolger das Orchester steuern wird.


    Viele Grüße aus Berlin
    Stefan

    “Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”
    Sergei Rachmaninov