• Noch zu Lebzeiten des bekanntesten Thomaskantors wurden 1749 "Probe-Musiken" für die Wahl des Nachfolgers eingereicht. Auf Papas Anraten tat dies auch Carl Philipp Emanuel Bach - das resultierende Magnificat führte zwar nicht zum gewünschten Erfolg, spätestens das finale "Sicut erat" dürfte J.S. aber überzeugt haben, dass der Sohn ein würdiger, traditionsbewusster Nachfolger gewesen wäre. Auch wenn die ausgedehnte und gut gearbeitete Doppelfuge konservativ wirkt, scheint es fast, als gäbe es ein Band zwischen dem frühesten erhaltenen Sakralwerk Emanuel Bachs und dem spätesten von Mozart...


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  • Wolfgang Amadeus Mozart lernte 1782 in Wien Baron Gottfried van Swieten kennen. In seinem Hause hörte er vornehmlich Bach und Händel, wie er in einem Brief erzählt. Das Erlebnis dieser Musik mit ihrer strengen Satzkunst prägte Mozart nachhaltig. In der Musik der folgenden Jahre spielt der strenge Satz eine große Rolle. Man denke nur an die eigentümliche Klaviersonate KV 533. Man sagt sogar, dieser Kontakt mit den barocken Meistern habe Mozart in eine Art Schaffenskrise geführt, da aus der Folgezeit besonders viele unvollendete Werke vorliegen.



    Das Präludium und Fuge C-Dur KV 394 schrieb Mozart unter dem unmittelbar ersten Eindruck der Besuche bei Baron van Swieten. Die Fuge (in dieser Aufnahme ab 5:06) ist sehr stringent gearbeitet, mit einem klassische Fugenthema, wie es auch von Bach stammen könnte. Mozart stellt ihm ein festes Kontrasubjekt zur Seite. Im Verlauf der Fuge werden einige klassische Verarbeitungstechniken angewendet. Einmal tritt das Thema in Verkleinerung in allen Stimmen auf. Das Kontrasubjekt bekommt einen Auftritt, in welchem es – wieder durch alle Stimmen – alleine als Thema auftreten darf. Und zuletzt (ab 8:27) wird das Thema durch alle Stimmen enggeführt.


    So sehr dieses Werk klingt, als könnte es auch Bach komponiert haben (in der Tonsprache sowie der Kompositionstechnik), so sehr modern wird es mit dem Schluss. Dieser klingt in seiner Dramatik gar so, als hätte hier Liszt eine Mischung aus barock angehauchtem Beethoven reminisziert ;)


    Viel Vergnügen bei einer sehr hörenswerten Fuge!


    Bachiania :hello:

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Liebe Bachiania,


    tatsächlich eine sehr markante Fuge.


    Ich finde auch die folgende Ausführung auf einem großen Steinway gelungen:


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  • In der Tat, Michael, eine sehr intensive Interpretation. Doch entweder bin ich grundsätzlich zu puristisch veranlagt oder ich lege hier zu sehr polyphone Maßstäbe an: dieses klingt mir zu sehr nach Beethoven oder gar Hochromantik. Der konzertsaal-taugliche Volumens-Klang des Steinway wird hierbei noch von der durchaus romantisch angehauchten Interpretation unterstützt. Es ist jedoch sehr interessant, dass das Stück dies hergibt ! Anscheinend ist Mozart so gut, dass man ihn interpretatorisch in alle möglichen Richtungen biegen kann, (fast) ohne ihm Gewalt anzutun. Ein sauber gestimmtes Hammerklavier aus den 1780er Jahren allerdings, gespielt mit Bach-Fingern, finde ich (ganz persönlich!) einfach passender.

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Liebe Bachiania,


    ich werde Dir da nicht widersprechen - ich persönlich kann eben mit einem Hammerklavier weniger anfangen. Und Du hast natürlich insbesondere recht, wenn Du darauf hinweist, daß das Stück diese Spannweite unterschiedlicher Interpretationen hergibt.

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  • Nicht ganz genau eine Fuge, sondern "nur" ein Kanon, aber dafür göttliche Musik, wunderbar leicht und schwebend gespielt:


    Schumanns Studie 1 in Kanonform, an sich geschrieben für 2 Klaviere, hier in einer Adaption für ein Klavier


    , bis 2:00 min

  • Lieber Michael,


    was weiß ich, wieso, aber erst heute entdeckte ich deine Schumann-Fugen hier *schäm* :untertauch: ! Dies sind sehr interessante und schöne Stücke!
    Während Bach in der Kunst der Fuge nur die vier Noten B-A-C-H als Thema verwendet, setzt Schumann hier die Technik ein, B-A-C-H als Themenkopf zu verwenden und daraus dann in Folge ein ganzes Thema zu basteln. Dies tut er mit sehr unterschiedlichem Charakter und führt die Viererkombination in verschiedene Tonarten. Die sechs Fugen, die er daraus baut, sind (Noten habe ich mir nicht angesehen) offenbar recht streng kontrapunktisch gearbeitet, und Schumann schreckt vielfach auch nicht davor zurück, in tonaler Hinsicht sehr vage zu bleiben und die kontrapunktische Fortschreitung über die harmonische Orientierung des Hörers zu stellen. So beispielsweise in der fünften Fuge einen unerwarteten plagalen Schluss. Dieses gibt es freilich auch fallweise bei Bach (dem Komponisten, nicht dem Thema ;) ), jedoch fängt er den Hörer stets nach einer gewissen Zeit auf und führt ihn in gewohnte Gefilde zurück. Dies zögert Schumann hinaus bis an eine durchaus reizvolle Grenze.


    Übrigens: Man könnte/sollte? mal einen ganzen Thread zum Thema B-A-C-H starten! Angeblich gibt es annähernd 400 Kompositionen, die dieses Thema verarbeiten!


    Viele Grüße,
    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

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  • Hallo, m.mueller,


    endlich komme ich dazu, zu Deinen Beiträgen der Schumann- Fugen op. 60 über B A C H meine Höreindrücke zu posten.


    Nr. 1 – den bedächtigen Beginn (Tempo, Registrierung, Dynamik) finde ich noch eindrucksvoller als den Schluss; so ein prächtiges Ende ist bei Orgelwerken oft zu hören: der Tempowechsel ist bei Barockorgelwerken eher seltener (?) zu hören. Der Klang der romantischen Orgel passt gut zu Schumann.


    Nr. 2 - so klingt der Anfang; einheitlich, Tempo, Dynamik, Registrierung, das genaue Gegenteil von Nr. 1 (sehr Bach); das ändert sich wenigstens bei Dynamik und Registrierung – und das Ende erinnert mich wieder (zu?) sehr an Bach.


    Nr. 3 – eine Interpretation, die mich in ihrer zurückhaltenden Art von Tempo, Dynamik, Registrierung sehr beeindruckt (wobei mich das Einheitliche nicht stört).


    Nr. 4 – „das macht richtig was her“, was mir also ab ca. 2:45 nun weniger gefällt, mich spricht bis 2:44 mehr an; die Registrierung ist für mich etwas einfallslos.


    Nr.5 – dieser Interpretation kann ich nun gar nichts abgewinnen; die Komposition weicht m. E. von Nr. 1 – 4 ziemlich stark ab, dem hätte die Interpretation zumindest in der Registrierung folgen müssen.


    Nr. 6 – die romantische Orgel passt im Klang und der Registrierung gut. Die „unaufgeregte“ Interpretation entspricht meiner Klangvorstellung und die Dynamiksteigerung erfolgt in kleinen Schritten, höre ich folgerichtig und nicht „aufgesetzt“ – für mich die klanglich beste Fuge und ein guter Abschluss von op. 60.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Liebe Bachiania,
    einen Thread zum Thema B-A-C-H fände ich verdienstvoll!



    Hallo zweiterbass,
    der Klang der Orgeln ist in der Tat sehr angemessen, typische Barockorgeln wären für die Stücke wohl zu "mächtig".

  • Noch nicht als Quelle für Fugen angesprochen wurden die Concerti grossi von Händel, ein Versäumnis, das dringend geheilt werden sollte. Ich fange mal an mit CG op. 6 Nr. 7, Satz 2 (Allegro)


    1:13 bis 3:40
    (und ab 11:45 bis zum Schluß zwar keine Fuge, aber einer der wunderbarsten Orchestermusiksätze der Musikgeschichte, auch wenn der Name des Satzes "Hornpipe" so gar keinen Bezug zur tatsächlich gespielten Musik zu haben scheint).


    Wer berichtet von mehr?

  • CG 6, Nr.2, I Musici


    , ab 4:08


    hier zu erwerben:


    mal eine Frage an die Experten: das scheint mir keine typische Fuge zu sein, sondern eine Form, in der sich Strukturen mitunter sehr kleinteilig wiederholen - andererseits hat das Stück aber auch die für Fugen charakteristischen großen Wiederholungsbögen. Sonderform?

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  • Lieber Michael,


    Diese Concerti grossi sind natürlich wunderbare, leichte, entspannte und zu fast jeder Gelegenheit und Stimmung gut hörbare Musik! Fast bin ich geneigt, ob ihrer Leichtigkeit und optimistischen Unbeschwertheit (sogar in lamgsamen Moll-Sätzen) sie durchaus als "Geniestreich" zu titulieren.


    Ich habe diese sehr schön musizierte Aufnahme gehört, die ich uneingeschränkt empfehlen kann:

    Zu den Fugen:


    Meine besondere Aufmerksamkeit zog die Fuge der dritten Suite (op. 6 Nr. 3 e-moll, II., Andante) auf sich, handelt es sich hier doch um eine echte Doppelfuge, deren zwei Themen stets verknüpft auftreten:
    Hier ab 01:14



    Auffälliges Verhalten zeigte auch die Fuge der sechsten Suite (op. 6 Nr. 6 g-moll, II. A tempo giusto), die mit einem satztechnisch kompliziert umzusetzenden chromatischen Thema (bei mir natürlich besonders) punktet:


    II Satz ab 03:34



    Herzliche Grüße,


    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Liebe Bachiania,


    (btw.: das letzte "i" habe ich immer irgendwie ausgeblendet gekriegt, bis vor Kurzem war ich felsenfest der Meinung, Dein Name sei Bachiana... und ich habe mir mal eingebildet, ich könne lesen).


    da hast Du zwei schöne Fugen ausgegraben!! Sie sind mir beim Durchhören der CG 6 auch aufgefallen, ich habe mich aber nicht getraut, sie als Fugen zu kennzeichnen, weil sie mir irgendwie non-Standard vorkamen.


    Bezüglich Leichtigkeit der CG 6 möchte ich Dir allerdings widersprechen, zwar gehören einige Sätze wie z.B. die unglaubliche Hornpipe zum Federleichtesten überhaupt, aber einige der Moll-Sätze empfinde ich als abgrundtief traurig. Den Nachfolgesatz Deiner zweiten Fuge habe ich sogar im Thread "Allertraurigste Musik" als Kandidat nominiert, allerdings nur dann, wenn er entsprechend langsam gespielt wird.

  • Das oben von Gombert erwähnte op. 2 von Albinoni weist auch noch ein paar weitere Fugen auf:



    - ab 01:24
    - ab 06:08 (schwach fugiert)
    - ab 15:30 (schwach fugiert)
    - ab 20:00
    - ab 28:42 (Superfuge, wenn sie etwas ausdifferenzierter gespielt wird)
    - ab 42:22
    - ab 46:25 (vielleicht etwas gehetzt gespielt)
    - ab 59:19
    - ab 1:06:52 (Hammerfuge !)
    - ab 1:11:48


    teilweise grandios!!


    U.a. hier erhältlich:


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  • Arnold Schönberg arrangierte das Präludium und Fuge Es-Dur, BWV 552, für Orchester.


    Die Fuge beginnt bei 8:40 (insgesamt nicht so schlimm wie befürchtet)


  • Ziemlich "schmissig":


    Sankanda (Lasset uns den nicht zerteilen, Johannes-Passion, BWV 244) aus "Lambarene: Bach to Africa", eine CD, die ich seit vielen Jahren sehr schätze


    ab 5:10 :


    bei amazon gebraucht zur Zeit sehr preiswert:

  • "Lasset uns den nicht zerteilen..." bei Bach eine Chorfuge und in der Passion einzig in raschem 3/4-Takt, was die Gier nach dem "guten Stück" verdeutlicht.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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