Willkommen beim "Rausch der Stille" - Das Ensemble "Stimmwerck"und sein Ansingen wider den Zeitgeist

  • Ihre dritte CD legt das Münchner Ensemble "Stimmerwerck" jetzt vor und damit ist es an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
    Die Einspielung der Werke von Heinrich Finck hat Salisburgenis bereits an anderer Stelle lobend besprochen.


    Bereits die Programmgestaltung der ersten 2 Einspielungen ließ mich aufmerken, bevor ich auch nur einen einzigen Takt gehört hatte:


    Die CDs mit Werken des Heinrich Finck, der als einer der "Erzväter" der deutschen Musik gilt und die Scheibe mit den Werken des Adam von Fulda warfen schlagartig ein Licht auf eine Musik, die, von lauter "berühmteren Namen" überlagert, wohl für immer "unerhört" geblieben wäre.


    Die Formation verfügt über eine ausgezeichnete Ensemble-Kultur, die einzelnen "Vokalfarben"der Sänger sind genau aufeinander abgestimmt und das klingende Ergebnis wie ich es seit den "guten" Tagen des Hilliard-Ensembles nicht mehr hörte, traf mich gänzlich unvermutet, wurde nach ungläubigem Staunen, zum puren, ungebrochenen Glücksgefühl.
    Der Countertenor Franz Vizthum verfügt über keine jener "Untugenden", die dieser Stimme oft vorgeworfen werden.


    Anders erwa als bei "Amarcord" wird hier überwiegend an unbekanntem Repertoire gearbeitet. Die neuste CD, soeben erschienen, bringt Kompositionen aus dem Mensuralcodex St. Emmeram (um 1440) zu Gehör, eine der bedeutendsten Quellen für Vokalmusik aus jener Zeit überhaupt und um sich vorab schon einmal darauf einzustimmen, gibt es auf der Homepage von "Stimmerwerck" ein wundervolles "Quam pulchra es" des John Dunstaple (1390-1453) zu hören:


    Homepage von "Stimmwerck"


    Neben den ganz sicher lohnenswerten und seit einigen Jahren regelmässig veranstalteten "Stimmwercktagen" im Sommer ist als nächstes Aufnahmeprojekt eine Musik geplant, auf die ich schon sehr lange warte:


    Zitat

    Demnächst wird Stimmwerck die „Historia der Passion des Leidens unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi” (Nürnberg 1594) von Leonhard Lechner (um 1553 – 1606) aufnehmen. Diese ausdrucksstarke Johannes-Passion gilt als Höhepunkt der Gattung „Figuralpassion”. Außerdem stehen wunderbare vierstimmge, lateinische Motetten aus den „Motectae Sacrae” (1575) auf dem Aufnahmeplan. Man darf also gespannt sein! „Historia der Passion des Leidens unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi” Benedicamus patrem Thomas, qui dicitur Didymus Haec est dies Impetum inimicorum Quis dabit capiti meo Cantate Domino Illumina oculos meos Wohl dem, der den Herren fürchtet


    Das Lechner-Jahr 2006 wurde ja ansonsten von der Tonträgerinsdustrie nicht zur Kenntnis genommen, umso mehr bin ich auf diese Einspielung gespannt.


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber BBB,


    ich muss gestehen, dass ich das Ensemble Stimmwerck vor Deiner emphatischen Rezension nicht kannte. Deine Empfehlung hat mich so begeistert, dass ich mir die neuestes Produktion von Stimmwerck gleich bestellen musste. Ich bin schon sehr gespannt!


    In jedem Fall schon mal ein herzliches Dankeschön für diesen Tipp! :jubel: :jubel:


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Christian, ich hoffe aber, Du hast vorher wenigstens einmal entweder in die Schnippsel bei CPO oder in das Video auf der "Stimmwerck-Homepage" hineingehört und nicht nur einfach so "die Katze im Sack" gekauft. :hello:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber BBB,


    eigentlich bin ich kein Katzenfreund, aber es gibt Leute, deren Empfehlungen kaufe ich auch blind :D


    Der Ensembleklang ist sehr "rund": Keine Stimme sticht zu sehr hervor- und der Countertenor ist große Klasse: Sehr sauber geführt, perfekte Intonnation.


    Offtopic zwar, aber eine Frage noch: Du schriebst etwas über die "Untugenden" dieser Stimme. Was meinst Du hier genau?


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    "Untugenden" dieser Stimme. Was meinst Du hier genau?


    Lieber Christian,


    eigentlich alles das, was über falsettierende Männerstimmen immer wieder (auch hier im Forum) schon geschrieben wurde, wobei den Kritisierenden zum Großteil recht zu geben ist. Ich selber kann für mich die Countertenöre, die mir nicht unangenehm klingen, an den Fingern einer Hand aufzählen, allerdings gibt es auch unter den Altistinnen kaum eine (Lebende), die meinen Ansprüchen an diese Stimmfarbe gerecht würde, oder welche könnte schon einer Kathleen Ferrier das Wasser reichen....

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich kann mich den Empfehlungen nur anschließen.
    Der Bassist Marcus Schmidl, den ich aus Regensburg kenne, ist übrigens auch Mitglied im ebenso hörenswerten, wenn auch nicht gänzlich patriarchalischen Ensemble SingerPur. Die Seite ist bei Stimmwerck verlinkt.




    Gruß,



    audiamus



    .

  • Servus,


    BBBs Lobeshymnen über die Klangkultur des Ensembles kann ich nur vollumfänglich zustimmen. Ich persönlich finde jedoch die Heinrich Finck-Scheibe stärker als die Adam von Fulda - CD.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Kirchenmusikerin

  • Hallo Gudrun, leider ist die (bereits eingespielte) CD noch immer nicht erschienen, weil Stimmwerck das Label gewechselt hat und die Schwerpunkte dort wohl anders gewichtet werden. Ich bin aber trotzdem voller Zuversicht, daß dieses überaus wichtige und leider derzeit in keinerlei Reverenzeispielungen vorliegende Oevre doch noch erscheinen kann....

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Hallo,
    ich verweise dazu auf meinen Beitrag im Thread "Renaissancemusik - nur für eine Minderheit".
    Wie finden: Unter Erweiterte Suche "Stimmwerck" eingeben und unter Autor "zweiterbass"


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    im Germanischen National Museum Nürnberg findet vom 4.12.14 - 12.04.15 eine Ausstellung zur Taschenuhr von Peter Henlein statt.


    Als musikalische Ergänzung gab's am 4..3.15 im Aufseßsaal des GNM ein Konzert des Ensembles Stimmwerck, Regensburg.
    Da die Erfindung Henleins bis in unsere Zeit reicht, konnte nicht nur Chormusik aus der Zeit von Henlein gehört werden, sondern auch Chormusik noch lebender Komponisten.


    Bei der Musik aus der Zeit von Henlein handelte es sich meist um Chorbearbeitungen instrumentaler Stücke - Conrad Rupsch, Johannes Vaillant, Caspar Othmayr, Ludwig Senfl, John Dowland - sodass ich auf YouTube nur eine Einspielung fand von


    Jacobus Gallus, En ego camapna - nicht mit Stimmwerck, aber in einer noch passenden Besetzung
    https://www.youtube.com/watch?v=1uO1ehRQGhY



    Bei den lebenden Komponisten - Veljo Tormis. Sylvanno Bussotti, Max Beckschäfer, Piers Hellawell - habe ich auf YouTube auch nichts gefunden, aber für


    Arvo Pärt, Most Holy Mother of God - auch nicht mit Stimmwerck, aber passend besetzt
    https://www.youtube.com/watch?v=PkIuRJd5v5o


    John Cage, Story (aus living room music) - leider auch nicht mit Stimmwerck, aber gut besetzt. Das gab einen großen Spaß (habe ich Cage nicht zugetraut) und war rhythmisch spannend.
    https://www.youtube.com/watch?v=KQUu8VTnI7k



    Ein gelungener Abend im nicht ganz voll besetzten Aufseßsaal.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler