Bachianias salzburger musikalische Taxi-Geschichten

  • Welch grossartige beeindruckende, ja schmerzerfüllte Analyse von Schuberts himmlisch-betroffen machenden Werken, lieber Helmut. Dieser Kosmos, den Schubert durchschreiten musste, wurde in dieser Intensität wohl von niemandem je erreicht*.


    * Gusta Mahler war wohl recht nahe dran. (Man sieht, nicht zu Unrecht: Wien, die Hauptstadt der morbidezza.)

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Dem flotten Geist eines Internetforums bin ich einfach nicht gewachsen, - bin zu langsam im Denken und Formulieren, zu bedenkenträgerisch ... oder einfach nur zu alt.


    "Wie sich die Bilder gleichen"! Liieber Helmut, auch ich tue mich mit dem modernen Medium Internetforum aus ähnlichen Gründen wie Du schwer. Es hindert mich jedoch nicht, hier im Forum zu schreiben. Vielleicht etwas langsamer, etwas zu breit - aber immer engagiert. Man kann also durchaus die Frage stellen, ob so tiefschürfende Analysen, wie Du sie wieder zu Schubert und seinem Schaffen machst, typisch für diese moderne Kommunikationsform sind? Ich und wie sich aus den Diskussionen ergibt viele andere Taminos und Leser schätzen Deine kompetenten Beiträge sehr. Du bereicherst das Forum und erweiterst es wahrscheinlich über die sonst üblichen Begrenzungen dieses Mediums hinaus. Bitte weiter so. Ich werde gleich einen Beitrag für die Quellen der Freude schreiben. Selbstverständlich ein Themengebiet mit anderer Zielsetzung und Anspruch. Hoffentlich erfreulich und verbindend für unsere Gemeinschaft.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich und wie sich aus den Diskussionen ergibt viele andere Taminos und Leser schätzen Deine kompetenten Beiträge sehr. Du bereicherst das Forum und erweiterst es wahrscheinlich über die sonst üblichen Begrenzungen dieses Mediums hinaus. Bitte weiter so.

    Dieser Bitte von "Operus" kann ich mich nur voll und ganz anschließen! :) :jubel: :yes:


    Ich kann verstehen, lieber Helmut, dass du dir angesichts deiner Mühe mehr tiefschürfende Resonanz auf deine tiefschürfenden Beiträge wünschen würdest, und ich bedauere, nicht die Zeit zu haben, die ich mir dafür nehmen müsste, aber ich freue mich trotzdem über jeden deiner Analysebeiträge, weil ich das Gefühl habe: das ist ein Wert, den dem ich hoffentlich irgendwann nochmal profitieren kann - es ist ein Wert, der (hoffentich noch lange, nämlich viele Jahre) bestehen bleibt. Wenn ich mir in ein paar Jahren (z.B. wenn ich irgendwann mal nicht mehr im Arbeitsleben stehe) mal in Ruhe ältere Beiträge dieses Forums zu Gemüte führen werde, dann werden es primär deine sein, lieber Helmut!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wir wissen nicht, wie alt der Stimmenliebhaber ist. Ich aber bin dem Sechzigsten weit näher als dem Fünzigsten (Jahrgang 1956).


    Das heißt, dass irgendwann der Moment für viel mehr Zeit hoffentlich kommt. Und dann werde ich auch mein Interesse an Liedern vertiefen und gewiss auf Deine Beiträge ebenso gerne genauer zurückkommen, Helmut!


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Lieber Helmut,


    ich danke dir sehr für deine ausfürliche und persönliche Antwort. Deine Ausführungen sind sehr erhellend, wenngleich bei mir weitere Fragen aufwerfend.


    Ich meinte mit "Verpackung" nicht eigentlich eine vordergündige Hübschigkeit. Sondern sehe das viel tiefer in die menschliche Psyche gehend.


    Bachiania: Oder ist es tatsächlich die Tendenz des Menschen, im Grunde seines Herzens das Leiden zu zelebrieren ?“


    Helmut Hofmann: Ich denke:
    Der letzte Aspekt ist wohl irrelevant, was das intensive Sich-Einlassen auf Schuberts Musik anbelangt, - wenn es denn ein solches wirklich ist, und nicht einfach ein emotionales Konsumieren derselben. An eine solche grundsätzliche „Tendenz des Menschen“ vermag ich im übrigen auch gar nicht zu glauben.

    Ich meine nach vielem Nachdenken über dieses Thema, dass die (angeborene) Tendenz des Menschen eindeutig dahin geht, im Zweifelsfalle sein Leiden statt des Nicht-Leidens zu wählen. Sieh dich einfach um ! Wie viele Menschen jammern sich selbst krank und lehnen jede Hilfe ab. Als ob sie darauf bestünden, ja stur beharrten, zu leiden. Worunter ist dabei eher nebensächlich. Wenn Menschen Liebeskummer haben, hören sie depressive und sentimental romantische Musik. Das ist ja als ob man sich ständig selbst auf das verletzte Knie schlagen würde! Und doch gilt es als "normal". Ich meine, dass dies ein allgemein menschlich-psychisches "Programm" ist, das uns mehr oder weniger alle (zumindest in der Anlage) betrifft.
    Daher hinterfragte ich für mich selbst kritisch, warum ich gerade Schuberts Musik seit jeher und nun immer noch so sehr liebe.


    Es geht um die Bewältigung existenzieller Leid- und Todeserfahrung im Akt ihrer Sublimation auf der Ebene musikalischer Kunst. Schubert hat das, was zentraler Inhalt seiner ganz persönlichen Lebenserfahrung war, auf eine für alle Menschen zugängliche Ebene zu heben vermocht und ihn damit bewältigt, indem er ihm Form gab, - die für alle Menschen rezipierbare und verständliche Form musikalischer Kunst, die darin auch „schön“ ist. In einem tieferen Sinn freilich, und nicht in dem vordergründiger, sinnlich anheimelnder Verpackung.

    Das hast du einfach wunderbar formuliert, Helmut! Diese Erkenntnis ist mit Sicherheit ein Schlüssel zur gegenständlichen Frage. Vielleicht ist es die Art Schuberts, dem (leidenden) Menschen eine Ausdrucksform zu geben, eine Möglichkeit, vielleicht noch klarer als mit Worten zu sagen, was ihn bewegt und erschüttert. Vielleicht kann er sich dadurch sogar selbst klarer werden, was in ihm vorgeht?


    Dennoch stellt sich die (pragmatische) Frage: Welche Musik würdest du einem depressiven Menschen zu hören empfehlen? Schubert oder Haydn?


    Ich für mich weiß die Antwort.


    Allerbeste Grüße,


    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

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  • Um mich, liebe Bachiania, zunächst einmal auf die Frage einzulassen, die, weil Du Alternativen vorgelegt hast, für mich klar zu beantworten ist, die Frage nämlich: "Welche Musik würdest du einem depressiven Menschen zu hören empfehlen ? Schubert oder Haydn ?" ...


    Nach dem, was ich zu Schuberts Musik oben ausgeführt habe, kann die Antwort nur "Schubert" lauten. Nur dort kann sich ein depressiver Mensch wiederfinden, - in dem Sinne freilich, dass ihm auch der Ausweg aus seiner Depression geboten wird. "Ausweg" - als die Erfahrung der Bewältigung von menschlichem Leid in seinem Aussprechen, wie es im musikalischen Kunstwerk sich ereignet und darin auf eine gleichsam "objektive", für jedermann zugängliche Ebene gehoben ist.
    Ich kenne Haydn nicht gut genug, um mir wirklich ein Urteil über seine Musik erlauben zu dürfen. Aber ich denke: In ihr wird sich ein depressiver Mensch in dem gerade beschriebenen Sinne nicht wiederfinden können. Sie wird ihm als im Grunde fremde klangliche Schönheit gegenüberstehen.


    Zu Deinen Ausführungen über das menschliche Leid und Leiden, die in die Feststellung münden: " Ich meine, dass dies ein allgemein menschlich-psychisches "Programm" ist, das uns mehr oder weniger alle (zumindest in der Anlage) betrifft." ...
    Ich vermag an ein solches "Programm" nicht zu glauben. Vor allem aber: Bringst Du in dem, was Du da ausführst, nicht zwei höchst verschiedene Dinge in einen Topf: Wehleidigkeit und echtes, seelisch tief reichendes menschliches Leid?
    Es mag ja sein, dass Wehleidigkeit eine Haltung ist, die der Mensch gerne einnimmt, weil sich auf diese Weise das - verständlicherweise - so sehr begehrte Mitgefühl reklamieren lässt, - der Mensch auf diese Weise also in die für ihn existenziell wichtige Kommunikation mit dem Anderen eingebunden wird.


    Aber dass der Mensch in seinem Leid, so es denn ein wirkliches ist, seine Identität finden wolle, wie Du meinst, wenn Du davon sprichst, dass die "Tendenz des Menschen eindeutig dahin" gehe, "im Zweifelsfalle sein Leiden statt des Nicht-Leidens zu wählen", - diesem Gedanken vermag ich nicht zu folgen. Die Geschichte der Philosophie ist voll von Gedanken und Ratschlägen, wie der Mensch Erlösung von seinem Leid finden könne. Und auch die Religionen haben das ja zum Thema.


    Liege ich diesbezüglich daneben? Was meinst Du, was meinen andere in diesem Forum dazu?
    Das wären doch schöne Taxi-Gespräche, wie sie - wie ich denke - nur in diesem wundervollen Thread möglich sind.

  • Zitat

    Welche Musik würdest du einem depressiven Menschen zu hören empfehlen ? Schubert oder Haydn ?" ...


    Beide im Wechsel! :yes:


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!


  • Beide im Wechsel! :yes:


    :hello: Wolfgang


    Es ist nachgewiesen, dass in der Medizin z. B. bei Eingriffen und Operationen in örtlicher Betäubung Musik mit mediativem Charakter bis hin zur Hypnose den Ablauf und vor allem den Blutfluss günstig beeiflusst. Hier könnte sicherlich unser Taminokollege Joachim Schneider als Mediziner mehr und Fundierteres beitragen. In der Psychologie ist Musiktherapie längst ein anerkanntes Verfahren. Häufig in Verbindung mit Autogenem Training oder Yoga.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Sollte es mich mal lebensgefährlich erwischen und Musik möglich sein, wähle ich die Klosterszene aus der "Macht des Schicksals".

    W.S.

  • Dennoch stellt sich die (pragmatische) Frage: Welche Musik würdest du einem depressiven Menschen zu hören empfehlen ? Schubert oder Haydn ?


    Das dürfte individuell sehr unterschiedlich sein und hängt davon ab, in welcher Situation sich der Mensch befindet, wo ich ihn also abholen muss - das richtig zu erkennen auch äußerst schwierig sein kann.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Zit: "Das dürfte individuell sehr unterschiedlich sein ..."


    Darin hat zweiterbass wohl recht. Ich war wohl etwas vorschnell mit meinen diesbezüglichen Äußerungen und habe nicht gründlich genug nachgedacht.
    Es ist dabei auch zu bedenken: Der ursprüngliche Ansatz zu diesem Gesprächsthema drehte sich ja auch um Musik, diejenige Schuberts nämlich. Und nicht um den Aspekt: Musik als Mittel der Therapie seelischer Leiden!

  • "Es ist nachgewiesen, dass in der Medizin z. B. bei Eingriffen und Operationen in örtlicher Betäubung Musik mit mediativem Charakter bis hin zur Hypnose den Ablauf und vor allem den Blutfluss günstig beeinflusst. Hier könnte sicherlich unser Taminokollege Joachim Schneider als Mediziner mehr und Fundierteres beitragen. In der Psychologie ist Musiktherapie längst ein anerkanntes Verfahren. Häufig in Verbindung mit Autogenem Training oder Yoga.


    Herzlichst
    Operus"


    Bei Arthroskopien z.B. wird dem Patienten - sofern der Eingriff in PDA durchgeführt wird - Musik seiner Wahl über einen Kopfhörer vorgespielt. Dies bewirkt zusätzlich als Nebeneffekt, daß der Patient vor den für ihn nicht verständlichen, hinter der Narkoseabdeckung nicht in ihrer Quelle erkennbaren und beunruhigenden OP-Gräuschen (Sauger, Bohrer etc.) abgeschirmt wird.
    Ob hierdurch tatsächlich günstige medizinische Effekte, z.B. eine bessere Wundheilung oder eine geringere postop. Blutungsneigung mitverursacht werden, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, subjektiv profitiert der Patient sicherlich.



    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Zit: "Das dürfte individuell sehr unterschiedlich sein ..."

    Darin hat zweiterbass wohl recht. Ich war wohl etwas vorschnell mit meinen diesbezüglichen Äußerungen und habe nicht gründlich genug nachgedacht.
    Es ist dabei auch zu bedenken: Der ursprüngliche Ansatz zu diesem Gesprächsthema drehte sich ja auch um Musik, diejenige Schuberts nämlich. Und nicht um den Aspekt: Musik als Mittel der Therapie seelischer Leiden!


    Ich denke, man muß einmal klar feststellen, daß Musik jedweder Stilrichtung als autonome Kunstform keine primäre Therapie seelischer Leiden darstellen sondern allenfalls als adjuvante Maßnahme andere Therapieformen unterstützen und ergänzen kann.
    Man muß auch zwischen Persönlichkeitsstörungen mit depressiver Grundierung und der klinischen Depression als bipolare Störung deutlich unterscheiden; letztere muß vor allem medikamentös behandelt werden. Auch wenn im täglichen Sprachgebrauch der Begriff "Depression" in einem vielfältigen Zusammenhang und in Unkenntnis der medizinischen Gegebenheiten benutzt wird, ist Musik als "Therapie" der "echten" endogenen Depression (Psychose) ungeeignet, ganz abgsehen davon, daß ich es schmerzlich empfinde, wenn die Musik für einen außerkünstlerischen Zweck- mag er noch so "edel" sein- instrumentalisiert wird.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Zit Joachim Schneider:.: "ganz abgesehen davon, daß ich es schmerzlich empfinde, wenn die Musik für einen außerkünstlerischen Zweck- mag er noch so "edel" sein- instrumentalisiert wird."


    Das empfinde ich ebenso. Und in diese Richtung ging auch mein dezenter Hinweis, dass das Sich-Einlassen auf diesen Fragenkomplex eigentlich aus einem Diskurs über Schuberts Musik hervorging, also ein Abkommen vom eigentlichen Thema darstellt. Ich selbst möchte mich aus vielerlei Gründen - u.a. auch Unkenntnis - davon fernhalten.

  • ganz abgsehen davon, daß ich es schmerzlich empfinde, wenn die Musik für einen außerkünstlerischen Zweck- mag er noch so "edel" sein- instrumentalisiert wird.


    Das verstehe ich allerdings nicht.
    Unter der Voraussetzung, dass ein Musikstück in gewissen Fällen eine nachweisbare Verbesserung bringt, sehe ich keinen Grund, auf dieses therapeutische Mittel zu verzichten.
    Man instumentalisiert ja so Manches in der Welt und macht mir die Modewelt Vorwürfe, wenn ich mit einem teuren Eton-Hemd die Blutung eines Verletzten zu stillen suche, kann ich trotzdem ruhig schlafen.

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  • Ich finde es bedauerlich, wenn die Musik aus ihrem künstlerisch-autonomen Bereich herausgelöst wird, um einem bestenfalls adjuvanten medizinischen Zweck zu dienen, der im übrigen mit anderen Mitteln genauso gut erreicht werden kann. Eine spezifisch therapeutische Wirkung von Musik - im engeren Sinne- konnte nie nach den Regeln der evidenz-basierten Medizin nachgewiesen werden!
    Für das Abbinden einer Extremität zur Blutstillung genügt jeder Textilstreifen, der stark genug ist, egal ob er von einer Hermes-Bluse stammt oder im Straßengraben herumgeflattert ist, während ja von den Anhängern der Musiktherapie gerade die abgebliche spezifische Wirkung "echter" Musik als Therapeutikum hervorgehoben wird, nicht irgendein beliebiges Klangereignis oder Gräusch; insofern ist Dein Beispiel etwas schief.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Und ich hatte gedacht, man könne diesen Thread von der Welt der Psychotherapie und der Medizin fernhalten und auf seinen elementaren Kern, der ein eminent musikalischer ist, zurückführen.
    Scheint aber nicht ganz so einfach zu sein.

  • Ich finde es bedauerlich, wenn die Musik aus ihrem künstlerisch-autonomen Bereich herausgelöst wird, um einem bestenfalls adjuvanten medizinischen Zweck zu dienen, der im übrigen mit anderen Mitteln genauso gut erreicht werden kann


    Darum geht es aber nicht, sondern um die ästhetischen Bedenken gegenüber einer hypothetisch wirksamen Musik-Therapie.


    "Unter der Voraussetzung ..." ist deutlich auf einen angenommenen Fall gemünzt und dass jeder Textilstreifen zum Abbinden taugt, ist mir auch klar.
    Dagegen taugt er nicht als Beispiel zur Instrumentierung eines Modeartikels.


    Was ich also meine: Im Falle wenn ... und da hätte jedenfalls ich keine Bedenken.

  • Hallo Joachim Schneider,


    es wird von einem med. Laien (wie mich und dazu rechne ich auch "Bachiania" - ohne ihr nahetreten zu wollen) nicht erwartet werden können, differenzierte Unterscheidungen psych. Störungen, wie z. B. eine Depression, vorzunehmen - was für Dich beruflich ein Klacks ist.


    Ich nehme also an, wenn "Bachiania" von einem depressiven Menschen spricht und dabei fragt, welche Musik ihm gut tun könnte, meint sie "schlicht und ergreifend" einen Menschen, der z. Zt. "nicht gut drauf ist". Und um diese Frage ging es (Helmut Hofmann - Deine Einwände sind völlig neben der Sache) und welche Musik ihm aus dem "Seelentief" heraus helfen könnte.


    Ob dieser Mensch so sehr "nicht gut drauf ist" (dies zu erkennen kann äußerst schwierig sein), dass er in ärztl. Behandlung muss/gehen sollte, ist eine ganz andere Frage.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • es wird von einem med. Laien (wie mich und dazu rechne ich auch "Bachiania" - ohne ihr nahetreten zu wollen) nicht erwartet werden können, differenzierte Unterscheidungen psych. Störungen, wie z. B. eine Depression, vorzunehmen - was für Dich beruflich ein Klacks ist.


    Lieber Zweiterbass,


    ein Klacks dürfte es für keinen Arzt sein, das beweist ja die große Anzahl der Selbstmorde, die unter dem Einfluss von Antidepressiva begangen werden.
    Mein bester Freund hat sich vor ca. 15 Jahren das Leben genommen und ich war damals Zeuge, dass die Tabletten seinen Gemütszustand eher negativ beeinflusst hatten.
    Meine eigenen Erfahrungen gehen übrigens in dieselbe Richtung.
    Das Problem sind aber meist die Ärzte und nicht die Medizin. Erschreckend, aber wahr: kaum ein schwedischer Arzt, von der Justiz ganz zu schweigen, weiß etwas über Panikattacken. So sterben bei uns immer wieder Menschen, weil sich in Ausführung "legaler" Wächtergewalt ein 110-Kilo Ungeheuer auf sie setzt und sie zu völliger Regungslosigkeit zwingt.
    Das ist bei uns allerdings kein Mord, sondern ein "unerklärliches" Herzversagen, weil das arme Opfer ja nicht misshandelt wurde oder körperliche Schäden aufweist.
    Dummheit kennt eben keine Grenzen und brillante Diagnostiker wie mein Freund Dr. Maier in Harlaching wachsen nicht auf Bäumen.


    Doch zurück zum Thema. Unser gemeinsamer Freund Franz Schubert hat in seinem Lied "An die Musik" auf deren therapeutische Wirkung hingewiesen.
    Dass dieser Wirkung Grenzen gesetzt sind, braucht wohl nicht diskutiert zu werden.


    Alles, was ich sagen wollte, ist dies: Sollte in speziellen Fällen der Einsatz von Musik in therapeutischer Absicht einem armen Teufel helfen können,
    besteht für mich kein Anlass, diese Verfahrensweise hinsichtlich ihrer Ethik oder Ästhetik zu hinterfragen.

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  • Hallo, Hami,


    nur noch eine kleine Anmerkung zu der von Dir angesprochenen Suizidalität von Depressiven:
    In den meisten Fällen sind die Phasen der endogenen Depression von weitgehender Antriebslosigkeit gekennzeichnet. Die spezifischen Medikamente wirken u.a. stimmungsaufhellend und antriebssteigernd. Wenn die Antriebssteigerung schneller einsetzt als die Stimmungsaufhellung, werden die noch vorhandenen suizidalen Tendenzen von den Patienten manchmal in die Tat umgesetzt, sofern nicht eine professionelle -klinische-Überwachung erfolgt, die dieses zu verhindern sucht---leider auch hier nicht immer mit Erfolg.


    Aber ich denke auch, daß wir wieder zu spezifisch musikalischen Diskussionen zurückkehren sollten!


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Zit:"Unser gemeinsamer Freund Franz Schubert hat in seinem Lied "An die Musik" auf deren therapeutische Wirkung hingewiesen."


    Mit Verlaub, lieber hami: In diesem Lied geht es nicht um die "therapeutische Wirkung" von Musik. Schober/Schubert entwerfen hier in dichterisch-musikalischer Gestalt eine romantisch-utopische Botschaft: Kunst- in Gestalt der Musik - vermag den Menschen in eine "beßre Welt" zu führen. Mit Psychotherapie hat das nichts zu tun, es geht um eine Art musikphilosophische Ästhetik.


    (Das aber nur nebenbei - und nichts für ungut!)


    Ach ja, und dies an zweiterbass: Ich liege mit meinen "Einwänden" keineswegs "daneben". Die "Quelle" von all dem, worum es hier im Diskurs der letzten Zeit geht, ist tatsächlich Schuberts Musik. Daraus ist Bachiania auf den Gedanken gekommen, einmal nach ihrem gleichsam seelisch-therapeutischen Potential zu fragen, - in Alternative zu Haydn. Denn es ging um die "Schmerzgeborenheit" von Schuberts Musik!
    Und ich meine tatsächlich, man sollte zu dieser "Quelle" wieder zurückkehren. Zur Musik eben, - und nicht zu dem, was man, sie instrumentierend, mit ihr so alles anfangen kann.

  • Das ist Deine Meinung - die manch Anderer ist sie berechtigter Weise nicht - und Bachianias Frage ist, entgegen Deiner Meinung, sicher nicht interpretationsbedürftig!
    (Nebenbei: Hast Du ein gestörtes Verhältnis zur Psychotherapie? Bei der Winterreise hattest Du schon mal ein ähnliches Problem?)

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Mit Psychotherapie hat das nichts zu tun, es geht um eine Art musikphilosophische Ästhetik.


    Nun, Exegesen wandeln sich oft im Laufe der Zeit.
    Während Nietzsches Zarathustra vor 1945 vielerorts als Glaubensbekenntnis einer neuen Religion gewertet wurde und die darin enthaltenen Thesen als Ausgangspunkt für eine verpflichtende, moralische Norm, sind sie nunmehr in unserer Gesellschaft als politisch inkorrekt in die Mülltonne der Geschichte verpasst.
    Heutzutage gibt das Werk allenfalls Anlass zu philosophischen Diskussionen und versetzt Deutschlehrer in Extase.


    Es ist also keineswegs unwahrscheinlich, dass Schuberts "An die Musik" eine Umdeutung in die entgegengesetzte Richtung erfahren hat
    und dass "graue Stunden" durchaus einen konkreten Gemütszustand beschreiben.
    Man sollte auch das Wort "Therapie" nicht auf eine klinisch isolierte, medizinische Bedeutung reduzieren.

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  • Meine Lieben,


    in der Tat ist das Taxifahen – rein kulturell gesehen – derzeit eher ruhig in Salzburg. Doch mir fiel schon länger eine Geschichte wieder ein, die ich seinerzeit zu Beginn meines Tamino-Daseins einmal bei Dr. Pingel gepostet habe und ihrer Komik halber hier gerne wiederholen wollte. Dies ist der passende Moment:


    Eines (späten) Abends stiegen drei Herren ein, um die 65 und recht gut alkoholisiert.


    Sie quasselten drauf los und (offenbar in Interesse an meiner Person) fragten mich, ob ich IMMER "diese Musik" höre. (ich glaube es war Mozart). Nach einiger Zeit lehnte sich der neben mir Sitzende bedenklich auf meine Seite, wonach ich in leicht strengem Ton und in etwas erhöhter Stimmlage sagte:


    "Schön brav sein, sonst steigt ihr aus!"


    Der Angesporchene entgegnete zu seinem Freund (offenbar in dem Willen, auf meinen Musikgeschmack Bezug zu nehmen):


    "Pepi, i glaub' mir ham do a Sopransozialistin! "


    Ich brach so sehr in Lachen aus, dass ich kaum weiter fahren konnte. :hahahaha: Zur großen Verwunderung meine Gäste, die einen (mittelmäßigen) Scherz hatten machen wollen, aber ohne jegliches Bewusstsein dafür, dass ihnen eine Wortneuschöpfung gelungen war... Dass es "Solistin" heißt, darüber habe ich sie nicht aufgeklärt!


    Viele Grüße!


    :hello: Bachiania :hello:


    P.S. Verzeiht mir, wenn ich aus der Diskussion der letzten Tage wortlos ausgestiegen bin. Ich meine, ich hätte hier nichts sachdienliches beitragen können.

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Meine Lieben,


    Diese Geschichte hat nur am Rande mit dem Taxifahren zu tun. Gestern nach Mitternacht setzte ich einige Gäste an der Nachttankstelle ab, um Bier und Zigaretten aufzutanken. Als sie wieder ins Auto stiegen, fragte mich einer, warum ich plötzlich gar so ein strahlendes Lächeln aufgesetzt hatte. Ihm erklärte ich es nicht, aber den Grund dieses meines Strahlens will ich euch jetzt verraten: ich hatte während ihres Einkaufes Zeit gefunden, ein Email zu öffnen, das ein Foto enthielt, welches mir sagte, dass



    :jubel: unser geschätzter Tamino Gombert (als sein erstes) einen gesunden Sohn bekommen hat !!! :jubel:



    Ich gratuliere ihm hierzu von Herzen !


    Zweifellos werden wir also, da das Baby ja ganz bestimmt in den letzten Monaten bereits mit rundum schöner Musik geimpft wurde, sehr bald ein neues Tamino-Mitglied zu erwarten haben ;). Gombert, du musst ihm sehr schnell Deutsch samt Zehn-Finger-Tippen beibringen!


    Ich wünsche dem neuen Erdenbürger das Allerbeste !!!


    Lassen wir ihn einstweilen noch ein wenig selig schlummern mit einem Musikgeschenk. (Oder sollen wir dieses Lied eher den [jetzt noch ;)] glücklichen Eltern singen lassen, die zweifelsohne in Kürze an deutlichem Schlafmangel leiden werden? Warum sollte es ihnen besser gehen als uns ;) Jedenfalls wird Gombert sich in den nächsten Monaten an ein immer wiederkehrendes – vom Knabensopran gesungenes – Thema gewöhnen müssen ...)


    /watch?v=QSII_tDIBa4


    Viele Grüße sendet die sehr (erleichtert-) erfreute


    :hello: Bachiania :hello:

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    (Sir Isaiah Berlin)

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