Der Musiker Gräber

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    9079wolfgang: Liebe Freunde!
    Natürlich gibt es auch einen Thread über Maria Ivogün mit einigen Beiträgen.
    W.S.

    Hallo Wolfgang,


    Das ist schon richtig, doch war das Echo darauf und die Zahl der Beiträge doch ziemlich überschaubar.


    Gruß
    wok

  • Zitat

    Das ist schon richtig, doch war das Echo darauf und die Zahl der Beiträge doch ziemlich überschaubar.


    Dies liegt aber mit Sicherheit auch daran, daß die Tamino-Experten, mit denen man interessant über Opern und Sänger diskutieren und schreiben konnte, doch mittlerweile stark reduziert wurden. X(

    W.S.



  • Sein Name hatte in den 1970er Jahren einen gewissen Bekanntheitsgrad durch die von Ernst Stankovski präsentierte Fernsehsendung Erkennen Sie die Melodie? erreicht.
    Die Erkennungsmelodie dieser Sendung war ein Ausschnitt aus der Ouvertüre zu »Donna Diana«, einer heiteren Oper, die Reznicek 1894 komponierte und 1933 dergestalt umarbeitete, dass die Handlung vom 17. Jahrhundert in die Neuzeit verlegt wurde.
    Der Komponist Emil Nikolaus von Reznicek wurde am 4. Mai 1860 in Wien geboren und starb am 2. August 1945 in Berlin.
    E.N., wie er sich zeitlebens nannte, hat alle möglichen Höhen und Tiefen eines Menschenlebens erfahren.


    Zunächst wurde er jedoch in einem privilegierten Elternhaus geboren. Emil Nikolaus von Reznicek entstammte einer böhmischen Familie. Die Vorfahren Rezniceks hatten ihre Wurzeln in vielen Ländern der Donaumonarchie. Der Vater war österreichischer Feldmarschall-Leutnant mit großen musischen Interessen. Papa und Mama Reznicek spielten vierhändig Klavier. Auch die Mutter entstammte Kreisen fürstlicher Tradition, starb jedoch als E.N. erst drei Jahre alt war. Er selbst sagte später, dass für ihn der Tod der Mutter das Ende seiner Kindheit gewesen sei. Zwei Jahre danach kam die neue Mutter und der Junge hatte damit seine Schwierigkeiten, aber es sei festgehalten, dass die Stiefmutter viel Verständnis für die ersten musikalischen Gehversuche des jungen Mannes hatte. Vom Internatsbesuch war E.N. nicht begeistert, die Wochenenden zu Hause waren Festtage für ihn.
    Wenn der Knabe mit seiner Klavierlehrerin spazieren ging, traf man in Wien schon einmal auf einen in Gedanken versunkenen Herrn mit Bart, das war Johannes Brahms. Einige Jahre später sang er vor Brahms Teile der Johannes-Passion vom Blatt, Brahms war beeindruckt, nicht wegen des Knaben Stimme, sondern wegen dessen Musikalität - der Sachverhalt war nämlich so, dass seine Schwester zum Vorsingen eingeladen war, sich jedoch außerstande sah vom Blatt zu singen.


    Reznicek erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst in Graz, später am Leipziger Konservatorium. Er war Theaterkapellmeister in Zürich, Graz, Stettin, Mainz, Mannheim und Weimar. Von 1909 bis 1911 wirkte er als Erster Kapellmeister an der Komischen Oper Berlin. Ab 1920 als Kompositionslehrer an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin.
    Nicht zu vergessen ein dreijähriger Abstecher nach Warschau, wobei die Familie in Berlin wohnhaft blieb, Humperdinck vermittelte das Engagement, die Saison dauerte in Warschau jeweils nur 6 Monate.


    Nach der Studienzeit sah es zunächst nicht so gut aus, sowohl künstlerisch als auch finanziell, beides ist ja oft miteinander verwoben. E.N. von Reznicek war inzwischen verheiratet, das Paar hatte zwei Kinder und zog von Schmierentheater zu Schmierentheater. Das junge Paar musste mit beiden Kindern in eine billige Pension ziehen. Das eine Kind, Sohn Ludwig, war bereits an Tuberkulose gestorben und bald darauf wurde das Töchterchen krank. Die Pensionswirtin weigerte sich, eine Familie im Haus zu behalten, die nicht gesund ist. Mit dem fiebernden Kind im Arm musste der Vater auf die Straße. Die Krankenhäuser gewährten keine Aufnahme. Als endlich ein Spital doch öffnete, konnte der Arzt nur noch den Tod feststellen - »Erlkönig« im richtigen Leben.


    Nach diesem absoluten Tiefpunkt ergab es sich, dass ein Infanterieregiment in Prag den Posten eines Militärkapellmeisters ausgeschrieben hatte. Der Großvater, Josef Reznicek war als Militärkapellmeister sehr bekannt, der Feldmarschall-Leutnant immer noch ein Begriff - und da war dann schließlich auch noch das hervorragende Zeugnis des renommierten Leipziger Konservatoriums. Auch dass Reznicek zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jugendopern geschrieben hatte, sprach zu seinen Gunsten. Mit der Besoldung eines Hauptmanns und erklecklichen Einnahmen aus Sonderkonzerten, standen die Rezniceks bald wieder glänzend da.
    Aber das Glück dauerte nicht all zu lange. Aufgrund einer Eifersuchtsszene, wechselte der Herr Kapellmeister blitzschnell den Dirigentenstab mit dem Säbel und sprang vom Dirigentenpult. Nach diesem Skandal musste die schmucke Uniform abgegeben werden, E.N. war wieder Zivilist. Man schlüpfte jedoch damals nicht rasch in eine Jeans, sondern bestellte einen Schneider... und so ein Anzug dauert...
    »Donna Diana«, hieß das kleine Büchlein, das Reznicek zur Hand nahm, um sich die Zeit zu vertreiben. Es entstand ein Textbuch und schließlich eine Oper, aber eine Oper ohne Ouvertüre, er hatte bisher seine Opern einfach nach einem kleinen Vorspiel beginnen lassen. Aber die Theaterleitung machte ihn darauf aufmerksam, dass er diesmal eine komische Oper geschrieben habe, da müsse das Publikum in Stimmung gebracht werden, ehe der Vorhang aufgeht; und schwungvoll müsse es sein, so lautete der Auftrag.
    Nach der Theaterprobe ging der Komponist nach Hause, setzte sich ans Klavier, ließ das Abendessen ausfallen und komponierte. Morgens um fünf sagte er zu seiner Frau:
    »Soeben habe ich ein Stück komponiert, das mich weltberühmt machen wird.« Diese Einschätzung war zutreffend, mit einem Schlag stand er in der Reihe der bekannten lebenden Komponisten. Zunächst bat man ihn nach Weimar, wo er für eine dirigierte Aufführung eine Tagesgage von 7 Mark erhalten sollte. Er dirigierte dort relativ wenig, traf aber eine Menge interessanter Leute wie zum Beispiel Eugen d´Albert oder Felix Mottl. Letzterer war ein Vertrauter von Intendant Bassermann vom Nationaltheater Mannheim.
    Dieses Theater hatte einen ausgezeichneten Ruf, ab 1896 öffnete sich hier für Reznicek die große musikalische Welt. Er war mehr als angetan von der Begeisterung, die alle Schichten der Bevölkerung erfasste, wenn es um das Theater ging.
    Die Kollegen Smetana, Humperdinck und Kienzl hatten gerade ihre besten Werke geschrieben, Hugo Wolfs »Corregidor« wurde am Nationaltheater uraufgeführt. E.N. dirigierte diese Uraufführung zwar nicht, fühlte sich jedoch durch eine heitere Melancholie mit Wolf verbunden und sagte einmal: »Seit meiner Jugend wäre er der erste Mensch gewesen, dem ich du gesagt hätte.«
    Neben dem beruflichen Glück gab es auch Schmerz, Rezniceks erste Frau, Milka, erlag einem unheilbaren Leiden. Er wollte eigentlich nicht mehr heiraten, wollte keiner Frau mehr ein solches Martyrium zumuten.
    Als er jedoch Bertha, einer unglücklich verheirateten bildhübschen Frau begegnete, brach er seinen Schwur. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar nach Bayreuth.
    Aber eine geschiedene Frau - das war in diesen Zeiten keine einfache Sache. Die örtliche Presse nahm sich der Sache an; zwei konkurrierende Blätter kämpften gegeneinander. Das Treiben wurde so heftig, dass dem »Hofkapellemeeschter«, wie die Mannheimer sagten, nur die freiwillige Demission blieb. Bei seiner Abschiedsvorstellung bereitete ihm das Publikum Ovationen, die, so berichteten Zeitzeugen, zum Orkan anschwollen. Der Herr Hofkapellmeister trat an die Rampe und sagte:
    »So gehe ich, weil es mir nicht gelungen ist, die Zufriedenheit der Badischen Landeszeitung zu erwerben. Ich gehe schweren Herzens aus dem schönen Mannheim fort. Das Schönste aus dieser Stadt aber nehme ich mit. Meine Frau.«
    Nach diesem stürmischen Abschied aus Mannheim folgten zwei ruhige Jahre in Wiesbaden. In dieser Zeit wurde Gustav Mahler in Wien auf »Donna Diana« und den Schöpfer dieses Werks aufmerksam. Für E.N. war Gustav Mahler der König unter den Dirigenten.
    Nach dem Aufenthalt in Wiesbaden drängte es Reznicek wieder in eine kulturelle Metropole, und das war zu jener Zeit Berlin. Man schreibt das Jahr 1902 als sich Familie Reznicek, janz weit draußen, in Charlottenburg, damals 189 000 Einwohner, niederlässt. Knesebeckstraße 32. Richard Strauss, mit dem sich E. N. zeitlebens gut verstand, wählte die gleiche Straße und wohnte in Nr. 28.
    1904 kam die Tochter Felicitas zur Welt, Felix Mottl war ihr Taufpate. Dieser Tochter verdanken wir die Aufzeichnungen über ihren Vater, sie war 25 Jahre lang seine Sekretärin.
    Man kann hier nicht alles aufzählen, was komponiert und dirigiert wurde, aber die Uraufführung von »Ritter Blaubart«, die im Jahre 1920 in Darmstadt über die Bühne ging, sollte erwähnt werden, denn es ist die Oper, an er am meisten gearbeitet hat und die erst nach vielen Widerständen aufgeführt werden konnte; Richard Strauss hatte sich vergeblich vehement für eine Uraufführung in Berlin eingesetzt.
    In diese Zeit fällt der Beginn einer intensiven Freundschaft mit Bruno Walter, das heißt, beide Familien waren miteinander befreundet, man traf sich beispielsweise im Winter und auch im Sommer in Oberstdorf.
    An dieser Stelle sollte auch erwähnt sein, dass E.N. ein begeisterter Bergsteiger und Schmetterlingsfänger war und als Sammler von fast 10.000 Exemplaren einen gewissen Ruf als Entomologe genoss; eine von ihm entdeckte Bläulingsvariante ist nach ihm benannt »variato rezniceki«.


    Bedeutend war das Jahr 1923, das für den Komponisten einerseits größte Erfolge brachte, andererseits jedoch war durch die Inflation der ganze finanzielle Erfolg in die Brüche gegangen, diesbezüglich stand er wieder einmal vor dem Nichts.
    Damals hörte Familie Reznicek erstmals Radio, der Sohn hatte einen Detektor-Apparat organisiert; das Familienoberhaupt meinte dazu unter anderem, nachdem er für die Atmosphäre in der Oper plädiert hatte: »Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass uns Schaffenden durch den Rundfunk erst eine richtige Grundlage für unsere künstlerische und materielle Existenz geboten wird.«
    Die Zeit ab 1933 muss hier nicht besonders beschrieben werden, für E.N. war das Jahr1934 von großer Bedeutung, denn im Juni wurde im Rahmen der musikalischen Biennale in Venedig der »Ständige Rat für die internationale Zusammenarbeit der Komponisten« gegründet. Als deutscher Delegierter war E. N. auf einmal Herr und Gebieter über die Programmgestaltung bei internationalen Musikfesten und Austauschkonzerten. Seine Tochter beschreibt das so: »E. N. von Reznicek stieg empor wie eine Weltraumrakete.« Dass es daneben auch Querelen mit dem für Kulturzuständigen Minister gab, versteht sich am Rande.
    Sechs Wochen vor seinem 80. Geburtstag stand Reznicek einmal wieder am Grab eines seiner Kinder, sein Sohn war innerhalb von 36 Stunden gestorben.
    Für den alten Komponisten verliefen im privaten Bereich die Kriegsjahre so lange ruhig, bis 1943 bei einem Luftangriff eine kleine Stabbrantbombe in den Dachstuhl des Hauses Knesebeckstraße 32 fiel. Er nahm eine Schaufel und warf die brennende Phosphorbombe über den Balkon auf die Straße.
    Lange 41 Jahre hatten Rezniceks hier gewohnt, er hatte seine Hauptschaffensphase hier verbracht, nun stand die Evakuierung an. Die Partituren wurden ausgelagert, aber der größte Teil seiner nichtveröffentlichten Werke war nach dem Krieg nicht mehr auffindbar.


    Mitte September fuhr E.N. mit dem Zug in Begleitung seiner langjährigen Hausangestellten, die auch schon 74 war, nach Wien, in einem Hotel in Baden hatte man zwei Zimmer bekommen.
    Dort erkrankte er schwer und der Arzt meinte, dass er zwar die akute Erkrankung überstehen könnte, aber der Verfall würde fortschreiten. In den Wirren der letzten Kriegstage gelangte Reznicek wieder auf abenteuerlicher Weise in das total zerstörte Berlin und äußerte in einem kurzen lichten Moment: »Ich möchte nicht mehr leben« - Am 2. August 1945 starb er nach mehr als 48-stündigem Todeskampf an Hungertyphus.


    Er hat ein ganz beachtliches Œuvre hinterlassen. Mehr als ein Dutzend Opern, zwei Operetten und mehrere Schauspielmusiken, um die dreißig Orchesterwerke, etwa ein halbes Dutzend Streichquartette und eine Handvoll Klavierstücke.


    Eine seiner Opern trägt den ungewöhnlichen Titel »Benzin« und wurde erst 81 Jahre nach ihrer Entstehung - das war1929 - in Chemnitz uraufgeführt. Es geht hier um einen Weltrekordflug mit einem Zeppelin, der wegen Treibstoffmangel notlanden muss.


    Als Emil Nikolaus Joseph Freiherr von Reznicek starb gab es in Berlin keine Särge und kein Benzin. Vier Tage lag er zunächst im oberen Stockwerk eines Mietshauses in Charlottenburg, in einer Waschküche auf einer primitiven Holzpritsche, bevor ein Sarg aufgetrieben werden konnte. Ein amerikanischer Besatzungsoffizier stiftete 20 Liter Benzin für den Transport zum Wilmersdorfer Waldfriedhof bei Stahnsdorf.
    Am Tag der Beerdigung fiel die Atombombe auf Hiroshima...


    Praktischer Hinweis:
    Mitunter wird die Grablage mit »Stahnsdorfer Waldfriedhof« angegeben. Das ist jedoch nicht ganz exakt, denn der Komponist hat seine letzte Ruhestätte auf dem »Wilmersdorfer Waldfriedhof« gefunden, der an den eigentlichen Stahnsdorfer Waldfriedhof angrenzt.
    Auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof sind die Angaben vor Ort sehr exakt nachvollziehbar, was man von den meisten Großfriedhöfen nicht unbedingt sagen kann.
    Das Grab Reznicek ist zwar recht weit vom Eingang entfernt, aber im Bereich des Verwaltungsgebäudes hängt ein Friedhofsplan aus, der zeigt, wo es langgeht.
    Das Grab Reznicek findet man in Feld G IV. Man kommt zunächst an ein Holzhaus, dann geht man noch 30 Meter nach links.



  • Luise Adolpha Le Beau *25. April 1850 - † 17. Juli 1927
    Luise Adolpha Le Beau war Komponistin, Pianistin, Musikkritikerin, Musikschriftstellerin. Klavier- und Musiktheorielehrerin.
    Le Beau nahm zu ihrer Zeit durch ihren für Frauen ungewöhnlichen Beruf eine Ausnahmestellung ein. Sie war eine professionell in der Öffentlichkeit stehende Pianistin und Komponistin, deren Œuvre immerhin 65 Werke mit Opusnummern umfasst. Auch als Rezensentin für Musikzeitschriften hat sie einiges geleistet. Hinzu kommt noch, dass ihr auch die Ausbildung junger Musikerinnen stets sehr am Herzen lag.
    Verheiratet war sie nicht, salopp formuliert lässt sich sagen, dass sie praktisch immer an den Rockzipfeln der Eltern hing. In ihren Lebenserinnerungen, die sie mit einiger Verbitterung 1910 schrieb, wird deutlich, dass die Familie sehr reisefreudig war. Le Beau war in ganz Deutschland unterwegs, von Berchtesgaden bis Helgoland.
    Eine ausgedehnte Konzertreise führte sie durch fünf Städte Hollands. Sie traf Johannes Brahms in Wien, besuchte dort die Gräber von Beethoven und Schubert, die damals noch ihre Ruhestätte auf dem alten Währinger Friedhof hatten. In Weimar hatte sie Kontakt mit Franz Liszt, ließ sich von Hans von Bülow beraten und war Schülerin bei der mehr als dreißig Jahre älteren Clara Schumann. Aber das waren keine pädagogischen Sternstunden, sondern eine unglückliche Konstellation, die Damen konnten nicht miteinander... ein ganzer Sommer war angedacht - es blieb bei einem Dutzend Stunden angestrengten Musizierens. Eine kleine Textprobe, die deutlich macht, wie sich beide trennten - Text von Le Beau:


    »Ich musizierte außerdem auch häufig mit dem ersten Cellisten des Mannheimer Hof- und Nationaltheaters, der mit mir im selben Hause wohnte und seine Ferien hier zubrachte. Dies waren Lichtpunkte in meiner "Leidenszeit", wie * Levi sie nannte. An Aufmunterung fehlte es mir sonst nicht, und wenn ich alles damals schon gewußt hätte, was ich später über Frau Schumanns Benehmen erfuhr, so würde ich mich wohl nicht so gegrämt und mit Zweifeln gequält haben. Aber das Resultat meiner kurzen Lehrzeit bei ihr konnte mich nicht befriedigen. - Als nun das Schumannfest in Bonn heranrückte und Frau Schumann dahin reiste, fragte sie, ob ich den ganzen Sommer hier bleibe? Ich wich aus, sprach von einer Erholung in höherer Luft und benützte diese Veranlassung, um meine Stunden zu beschließen. Obgleich wir noch bis Oktober in Baden blieben, wollte ich doch keinen Unterricht mehr bei Frau Schumann nehmen.«
    *dieser hatte die Stunden vermittelt


    Ja, die beiden haben sich da ganz schön beharkt - diese Textprobe ist nur ein kleiner Teil des gesamten Textes über die Klavierstunden bei Clara Schumann. Die Darstellung der Klavierschülerin schwankt stets zwischen hassähnlichen Gefühlen und Bewunderung, vor allem wird beanstandet, dass sich Frau Schumann oft widersprach.


    Aber es zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Biografie, dass sich Le Beau immer wieder verfolgt, benachteiligt und nicht ernstgenommen fühlt. Und da ist sicher was dran.
    So erhielt sie zum Beispiel in München Privatunterricht von dem damals berühmten Rheinberger, wurde jedoch auf Grund der Statuten der Königlichen Musikschule getrennt von den männlichen Studenten unterrichtet.
    Als Le Beau von einem Mitglied des Senats der Berliner Königlichen Musikschule für eine Professorenstelle vorgeschlagen wurde, scheiterte sie nicht an ihrer Qualifikation, sondern an den Statuten, die besagten, dass der Titel grundsätzlich nicht an Frauen vergeben wird.
    Auch wenn der berühmte Geiger Joseph Joachim die Partitur ihres Streichquartetts op.34 ein Jahr lang herumliegen ließ, ohne es zu beachten, war das für die ehrgeizige Komponistin kränkend.


    Frauenzimmer durften in dieser Zeit Klavierspielen und Singen, aber Komponieren, und dann keine kleinen Liedchen, sondern große Sachen - das war eigentlich angestammte Männersache.
    Von ihren Zeitgenossen wurde Luise Adolpha Le Beau häufig als »rühmliche Ausnahme unter den Damen« wahrgenommen, schrieb sie doch große Instrumentalformen, deren Beherrschung Frauen nicht zugetraut wurde.
    So heißt es nach der Uraufführung ihrer Sinfonie op. 41 in einer Rezension des ihr durchaus gewogenen Richard Pohl im »Badener Badeblatt«:


    »Eine Symphonie von einer Dame haben wir noch nicht gehört; sie dürfte auch ein Unikum sein. Der Grund liegt in dieser Kunstform selbst.«


    Luise Adolpha Le Beau wurde 1850 in Rastatt als einziges Kind von Karoline Le Beau, geborene Barack (1828-1900), und Wilhelm Le Beau (1820-1896) geboren. Bei der Taufe gab es Champagner, auch der Säugling bekam vom Vater ein Teelöffelchen des edlen Getränkes gereicht.
    Der Vater war Generalmajor in Diensten des badischen Kriegsministeriums und zog mit seiner Familie 1857 nach Mannheim, 1859 nach Rastatt und Ende desselben Jahres nach Karlsruhe. Von ihm erhielt Luise Adolpha Le Beau ersten Unterricht im Klavierspiel; aber nicht nur das, die Eltern "beschulten" ihr Töchterleien ab Neujahr 1856 abwechselnd selbst.
    Als im Herbst 1863 in Karlsruhe ein neues Institut für Mädchen gegründet wurde, an dem hervorragende Lehrkräfte wirken sollten, hielten es die Eltern für geboten, sie der Sprachen und Literatur wegen als Hospitantin anzumelden. Bezüglich der Ausbildung ist noch zu erwähnen, dass Luise Adolpha neben dem Klavier auch das Violinspiel übte, das ihr später, wie sie sagte, beim Komponieren zugute kam. Zu diesen Übungen äußert sie sich so:


    »Es galt damals für etwas Unerhörtes in Karlsruhe, daß ein Mädchen Violine spielte. Trotz alledem wurde das Violinspiel weiter gepflegt bis zum Jahre 1866, wo die künstlerische Ausbildung im Klavier all meine Kraft beanspruchte«


    1874 kam sie nach München, ab 1876 erhielt sie dort Privatunterricht bei dem Komponisten Josef Gabriel Rheinberger, der als ausgezeichneter Pädagoge bekannt war. Natürlich - wie könnte es auch anders sein - sammelte sie auch dort bittere Erfahrungen, sie überwarf sich zum Beispiel 1880 mit Rheinberger, zieht aber letztendlich eine insgesamt positive Bilanz, die sie so darstellt:
    »Die zwölf Jahre in München zählen zu den ereignis- und erfolgreichsten Jahren meines Lebens und wenn sie mir auch manche bittere Erfahrung brachten, so bewahre ich der bayerischen Residenz doch ein freundliches und dankbares Andenken.«
    Wegen der zunehmenden Gebrechlichkeit ihrer Eltern und den sich häufenden Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der örtlichen Musikszene, zog die Familie im September 1885 in das klimatisch gemäßigtere Wiesbaden. Dort fand Luise Adolpha Le Beau nach eigenen Angaben schnell Zugang zum musikalischen Leben der Stadt. Sie unterrichtete »Mädchen besserer Kreise«, eine Tätigkeit, die sie auch vordem schon ausübte.
    Anfang 1890 zieht die Familie nach Berlin weiter. Wie bereits oben erwähnt, verwehren ihr hier Institutionsregeln eine Professur, und dann waren da auch noch andere enttäuschende Begebenheiten.
    Bis zu ihrem Wegzug im Herbst 1893 betrieb sie intensive musikhistorische Studien in der Königlichen Bibliothek Berlin.
    Von 1893 bis zu ihrem Tod 1927 lebt Le Beau wieder in ihrer Heimat. Man hatte Baden-Baden als Wohnsitz erkoren, nicht allzu weit von ihrem Geburtsort Rastatt entfernt. Dort baute sie eine erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit mit den örtlichen Musikern auf und fand die Unterstützung der Großherzogin Luise von Baden für Aufführungen ihrer Werke. So konnten ihre großbesetzten Kompositionen durch das Städtische Orchester in Baden-Baden uraufgeführt werden.
    Le Beaus Vater starb bereits 1896, die Mutter, fast erblindet, vier Jahre später. Den Verlust der Eltern, die ihre Tochter jahrzehntelang in jeder Beziehung und vor allem finanziell unterstützt hatten, verwand Luise Adolpha Le Beau schwer. Sie schrieb Musikkritiken für das »Badener Badeblatt«, konzertierte hin und wieder in Baden-Baden und komponierte weiterhin.


    Anlässlich ihres 75. Geburtstages im April 1925 konzertierte sie mit eigenen Klavierwerken im Kurhaus Baden-Baden.
    Le Beau war zeitlebens mit Musik befasst und hatte Ausbildungen in Klavier, Gesang (eine tiefe Altstimme), Violine und Komposition mit großem Ernst betrieben. Als verheiratete Frau wäre ihr das nicht möglich gewesen. Die damalige Gesellschaft akzeptierte die musikalische Betätigung einer Frau eigentlich nur als »schmückendes Beiwerk«
    Ohne Frage haben wir hier eine Musikschaffende ersten Ranges; das kann man wohl nach reichhaltig vorhandener Lektüre ihres Lebenswerkes sagen, auch wenn dem Schreiber der Sachverstand fehlt, um ihr musikalisches Schaffen fachlich beurteilen zu können.



    Am 17. Juli 1927 ist Luise Adolpha Le Beau in Baden-Baden im Alter von 77 Jahren gestorben. Sie wurde neben ihren Eltern auf dem Stadtfriedhof begraben.
    Praktischer Hinweis zum Friedhofsbesuch:
    Im Eingangsbereich am Friedhofsparkplatz befindet sich ein Friedhofsplan. Im Grabfeld 13 orientiert man sich an der Mauer, wo das Andenken an die Familie Le Beau mit drei Reliefs - Vater, Mutter und Tochter noch - wie im Bild gezeigt - erhalten ist.


    Wer über Le Beau berichtet, ist in der Regel auf ihre eigenen Aussagen in dem Buch »Lebenserinnerungen einer Komponistin«, ein 289 Seiten starkes Buch, angewiesen, das 1910 heraus kam. Sie schrieb ihre Biografie als 59-jährige Frau.
    Le Beau sammelte rund 300 Rezensionen über Aufführungen und Publikationen ihrer Werke.


    Im Internet sei eine Publikation von Arnika Forkert empfohlen, die eine sehr detaillierte Darstellung des Lebens und Wirkens von Luise Adolpha Le Beau bietet.



  • Mit der Trude Eipperle-Rieger-Stiftung wurde eine Institution ins Leben gerufen, die sich für die Förderung von Kunst und Kultur einsetzt. Die Stiftung bewahrt nicht nur das künstlerische Erbe der Sängerin, sie engagiert sich auch vorbildlich für die Förderung junger gesanglicher Talente.
    Der Name Trude Eipperle lebt jedes Jahr wieder neu auf, wenn die Stiftung ihre Preisträger ermittelt. Der alljährlich von der Internationalen Musikschulakademie Schloss Kapfenburg ausgelobte Förderpreis für musikalische Nachwuchstalente fördert junge Sängerinnen und Sänger, die im Bereich klassischen und zeitgenössischen Liedgutes gesanglich Außerordentliches leisten oder aber im Blick auf gezielte Nachwuchsförderung herausragende Begabung erkennen lassen. Im Gedenken an das Lebenswerk Trude Eipperles wurde der Konzertsaal auf Schloss Kapfenburg anlässlich ihres 100. Geburtstages 2009 »Trude-Eipperle-Rieger-Konzertsaal« genannt.
    Die Preisträger in 2014 waren die Mezzosopranistin Nathalie Mittewlbach und der Bariton Ronan Collett.


    Die Sopranistin Trude Eipperle stand in der ersten Reihe des Ensembles der Stuttgarter Staatsoper und war in den 1930ern und den folgenden Jahrzehnten gern gesehener und gefeierter Gast an großen deutschen und europäischen Opernhäusern.
    Bodenständig hatte sie an der Musikhochschule in Stuttgart studiert und absolvierte anschließend ein Volontariat am Opernhaus Stuttgart. Aber ihre Bühnenlaufbahn begann sie 1929 am Staatstheater Wiesbaden. In den folgenden zehn Jahren hörte man sie an den Opernhäusern von Nürnberg, Braunschweig, Stuttgart, München und Köln.
    Unter der Ära Schäfer-Leitner war sie dann festes Ensemblemitglied in Stuttgart. Sie blieb diesem Haus treu, gab jedoch Gastspiele in Salzburg und Bayreuth, sowie anderen europäischen Häusern. Im Bereich des lyrischen Soprans füllte sie ein breites Rollenspektrum aus. So sind uns zahlreiche Tondokumente ihrer Stimme in guter Aufnahmequalität erhalten.
    Zu ihren großen Partien zählten die Elsa im »Lohengrin«, die Elisabeth im »Tannhäuser«, die Marschallin im »Rosenkavalier«, die Arabella in der gleichnamigen Richard Strauss-Oper, die Pamina in der »Zauberflöte«, die Gräfin in »Figaros Hochzeit«, die Agathe im »Freischütz«, die Euryanthe in der gleichnamigen Oper von Weber, die Elisabetta in Verdis »Don Carlos«, die Mimi in »La Bohème«, die Kaiserin in der »Frau ohne Schatten« von Richard Strauss, die Desdemona im »Othello« von Verdi und die Butterfly. Auch als Konzert- und Oratoriensängerin war sie erfolgreich.
    Sie blieb dem Stuttgarter Haus viele Jahre treu und wurde auch zur Württembergischen Kammersängerin ernannt. Als sie sich 1965 von der Bühne verabschiedete, ernannte man sie zum Ehrenmitglied des Hauses.
    Sie lebte dann in Aalen, einer Großen Kreisstadt im Ostalbkreis, etwa 80 Kilometer von Stuttgart entfernt, wo sie auch ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Das Grab befindet sich im Stadtbezirk Unterkochen. Wenn man den Parkplatz Rochusweg benutzt, geht man ein Stück geradeaus und biegt dann zur Friedhofsmauer am Kollmannsweg ab, wo das Grab anhand seiner Einzelstellung leicht zu erkennen ist.

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  • Klarwein, Franz, Tenor, * 8.3.1914 Garmisch (Oberbayern), † 16.2.1991 Grünwald bei München; er erhielt seine Ausbildung durch Fritz Kerzmann sowie an den Musikhochschulen von Frankfurt a.M. und Berlin. Er debütierte 1937 als lyrischer Tenor an der Berliner Volksoper, der er bis 1942 angehörte. Seitdem Mitglied der Bayerischen Staatsoper München. Hier sang er am 28.10.1942 in der Uraufführung der Oper »Capriccio« von Richard Strauss die Partie des italienischen Sängers. 1949 wirkte er in München in der deutschen Erstaufführung von H. Sutermeisters »Raskolnikoff« in der Titelrolle mit. Er sang 1942-43 bei den Salzburger Festspielen den Elemer in »Arabella« und übernahm dort das Tenorsolo in Beethovens 9. Sinfonie. Er wirkte 1944 in Salzburg in der Generalprobe der Richard Strauss-Oper »Die Liebe der Danaë« mit (deren Uraufführung nicht mehr zustande kam und dann erst 1952 im Rahmen der Salzburger Festspiele nachgeholt wurde). 1953 gastierte er an der Covent Garden Oper London. Im Laufe seiner Karriere wandelte sich seine Stimme zum Heldentenor. So sang er 1947 beim Maggio musicale Florenz den Ägisth in »Elektra« von R. Strauss. Am 11.8.1957 sang er an der Münchner Oper in der Uraufführung der Oper »Die Harmonie der Welt« von P. Hindemith, am 1.8.1969 in der von »Das Spiel von Liebe und Tod« von Ján Cikker. 1977 nahm er von der Bühne Abschied.
    Verheiratet mit der bekannten Sopranistin Sari Barabas (* 1918).
    Schallplatten: Während des Zweiten Weltkrieges Aufnahmen auf Imperial, später auf Nixa, Cetra (Ägisth in vollständiger »Elektra«), Vox (»Fliegender Holländer«, italienischer Sänger im »Rosenkavalier«), Columbus (»Waffenschmied« von Lortzing), Tempo (u.a. Duette mit Rosl Seegers), Ariola-Eurodisc (»Meistersinger«), Myto (»Arabella«, Salzburg 1942).
    [Nachtrag] Klarwein, Franz; er sang 1950 beim Maggio musicale Florenz, 1952 an der Oper von Rom den Ägisth in »Elektra« von R. Strauss. Er übernahm auf der Bühne Partien wie den Cassio in Verdis »Othello«, den Pinkerton in »Madame Butterfly«, den Loris in »Fedora« von Giordano, den Rinuccio in Puccinis »Gianni Schicchi« und den des Grieux in dessen »Manon Lescaut«, den Hoffmann in »Hoffmanns Erzählungen« (seine Glanzrolle), den Faust von Gounod, den Stewa in »Jenufa« und den Boris in »Katja Kabanowa« von Janácek, den Loge im »Rheingold«, den Herodes in »Salome« und den Henry in der »Schweigsamen Frau« von R. Strauss, den Kardinal Albrecht in »Mathis der Maler« von Hindemith und den Pirzel in »Die Soldaten« von B.A.
    [Lexikon: Klarwein, Franz. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 12614 (vgl. Sängerlex. Bd. 3, S. 1831; Sängerlex. Bd. 6, S. 421) (c) Verlag K.G. Saur]


    Zusatzinformationen und praktische Hinweise:


    Als Franz Klarwein 1914 in Garmisch zur Welt kam, war Richard Strauss schon seit sechs Jahren dort wohnhaft. Klarweins Eltern bewirtschafteten die Bahnhofswirtschaft in Garmisch und Richard Strauss schätzte die Qualität der dort verkauften Würstchen.
    Strauss´ Gattin Pauline, selbst Sängerin von Rang, hörte den jungen Franz im Kirchenchor und arrangierte ein Vorsingen beim Komponisten-Gatten. Dieser riet zu einem Gesangsstudium.
    Komponist und Sänger verloren sich nie aus den Augen. In der Uraufführung der Oper »Capricco« sang Franz Klarwein am 28. Oktober 1942 an der Bayerischen Staatsoper die Rolle des Sängers. Natürlich blieb es nicht nur bei musikalischen Kontakten, es wird auch von zünftigen Skatrunden in der Besetzung: Strauss, Hotter und Klarwein berichtet.
    1977 verabschiedete sich Franz Klarwein in der Rolle des Haushofmeisters im »Rosenkavalier« vom Münchner Opernpublikum. In seiner Geburtsstadt erinnert die »Klarweinstraße« an den Sänger.
    Seit 1956 war der Sänger mit Sári Barabás verheiratet, die noch hochbetagt auf der Bühne stand. Das Paar lebte in Grünwald bei München.


    Seine letzte Ruhestätte fand Franz Klarwein auf dem Grünwalder Waldfriedhof an der Tölzer Straße. Dort wendet man sich - von der Tölzer Straße aus gesehen - in östlicher Richtung halbrechts zur Urnenstätte-Süd zum Gräberfeld 12.


  • Es war eine Riesensache, als Michael Goldstein im Jahre 1948 in Archiven des Theaters in Odessa das Manuskript der 21. Sinfonie in g-Moll des Komponisten Nikolaj Ovsianiko-Kulikowski entdeckte; die Kulturbehörde war glücklich und Musikwissenschaftler befassten sich mit dem sensationellen Werk, das in die Nähe von Joseph Haydn gerückt und 1949 uraufgeführt wurde.


    Michael Emmanuilowitsch Goldstein (Pseudonym: Michajlo Michajlovsky) (* 8. November 1917 in Odessa; † 7. September 1989 in Hamburg) war ein israelischer Violinist, Dirigent, Komponist und Musikpädagoge russisch-sowjetischer Herkunft.
    Michael Goldstein erhielt ab seinem vierten Lebensjahr Violinunterricht und debütierte bereits im Alter von fünf Jahren als Wunderkind. In seiner Jugend war er ein Schüler von Pjotr Stoljarski, dessen pädagogischer Ansatz die professionelle Musikausbildung schon im frühen Kindesalter war. Stoljarski unterrichtete auch David Oistrach und Nathan Milstein.
    Als Komponist verfasste Goldstein unter anderem mehrere Werke, die unter den Namen anderer Komponisten veröffentlicht wurden, so zum Beispiel 1948 die angebliche 21. Sinfonie von Nikolai Ovsianiko-Kulikowski (1768–1846), die als musikalischer Scherz Berühmtheit erlangte; diese Sinfonie war also eine Fälschung.


    Er gab außerdem häufig Konzerte als Violinist. Daneben nahm er diverse Schallplatten auf, insbesondere die Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach.
    Nachdem er wegen einer Handverletzung seine Karriere als Violinist aufgeben musste, konzentrierte er sich auf seine kompositorische und musikpädagogische Tätigkeit. 1963 musste er aus der Sowjetunion emigrieren und kam nach Umwegen über Ost-Berlin, Wien, Jerusalem und London 1969 in die Bundesrepublik Deutschland. Seit 1969 war er als Professor für Violine an der Musikhochschule Hamburg tätig und bildete dort viele Musiker aus, die später Preisträger bei Jugend musiziert wurden. 1984 erhielt er für seine musikpädagogische Arbeit und sein soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz.
    Auf dem großen Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg stehen mehr als 235.000 Grabmale, da kann man schon mal einen Grabstein übersehen, zumal wenn die Schrift nicht mehr klar zu erkennen ist. Aber hier hat sich der Bildhauer etwas einfallen lassen, indem er diesen Grabstein symbolträchtig in Form einer überdimensionalen Geigenschnecke gestaltete.


    Die Grabstelle befindet sich in der Nähe des Bestattungsforums; wer sich am Friedhofsplan orientiert: X7-62


  • Sein Vater war Harfenist und Komponist - offensichtlich von einiger Bedeutung, denn Beethoven schrieb diesem Franz Stockhausen immerhin mal einen Brief von knapp drei Seiten. Die Mutter von Julius Stockhausen und er selbst werden im Sängerlexikon so dargestellt:


    Stockhausen-Schmuck, Margarete, Sopran, * 29.3.1803 Gebweiler im Elsass, † 6.10.1877 Colmar; sie erhielt ihre Ausbildung in Paris bei Cartruffo. Sie heiratete den Harfenvirtuosen und Komponisten Franz Stockhausen (1792-1868), der aus Köln stammte, dann an der Opéra-Comique Paris beschäftigt war und später mit ihr zusammen große Konzerttourneen unternahm. Die Sängerin war besonders beliebt in England, wo sie in den Jahren zwischen 1828 und 1840 fast alljährlich im Konzertsaal zu hören war. Nach ihrem letzten Auftreten in London 1840 nahm das Künstlerehepaar in Colmar im Elsass seinen Wohnsitz. Hier widmete sich Margarete Stockhausen hauptsächlich der Erziehung ihrer sechs Kinder, von denen mehrere eine erstaunliche musikalische Begabung aufzuweisen hatten: an erster Stelle der später berühmte Konzertsänger und Pädagoge Julius Stockhausen (1826-1906), dann der früh verstorbene Eduard Stockhausen, schließlich auch der Pianist, Dirigent und Pädagoge Franz Stockhausen (1839-1926). Bis 1849 trat die Künstlerin noch gelegentlich in der näheren Umgebung von Colmar in Konzerten auf, manchmal mit ihrem Sohn Julius zusammen.


    Stockhausen, Julius, Bariton, * 22.7.1826 Paris, † 22.9.1906 Frankfurt a.M.; er war der Sohn des Harfenisten und Komponisten Franz Stockhausen (1792-1868) und der Schweizer Sängerin Margarete Stockhausen-Schmuck (1803-77). Seine Begabung für den Gesang muss sich bereits im Kindesalter gezeigt haben; während einer Konzerttournee der Eltern in England sang Julius Stockhausen zusammen mit seinem früh verstorbenen Bruder Eduard Stockhausen bereits 1832 ein Duett. Nachdem er 1845-46 in Paris bei Charles Hallé und Stamaty Klavierspiel und bei Manuel Garcia jr. Gesang studiert hatte, begann er ausgedehnte Konzertreisen. Sein erstes größeres Konzert fand 1848 in Basel statt. Man bewunderte vor allem seinen Vortrag von Liedern. Seine Interpretation der Werke von Schubert (»Schöne Müllerin«), Mendelssohn, Schumann und Johannes Brahms galt als ganz unvergleichlich. Im Mai 1856 sang er als erster Sänger in Wien an einem Abend den gesamten Liederzyklus »Die schöne Müllerin« von F. Schubert. Johannes Brahms widmete ihm seine »Romanzen« aus Tiecks »Magelonen-Zyklus«, die er 1862 in der Uraufführung sang. Bei seinen Liederabenden wurde er später zumeist durch den berühmten Dirigenten und Pianisten Julius Röntgen (1855-1932) begleitet. 1849 kam er erstmals nach England, wo er nochmals bei Manuel Garcia studierte und mehrere Konzerte gab. 1851 sang er in London das Bass-Solo in Beethovens IX. Sinfonie. 1852-53 trat er dann am Hoftheater von Mannheim auch als Bühnensänger auf, 1857-59 gehörte er der Pariser Opéra-Comique an. Während des Aufenthalts in Paris bewegte er sich in einem Künstlerkreis, der sich um den Maler Ary Scheffer gesammelt hatte, und dem Persönlichkeiten wie Hector Berlioz, Pauline Viardot-Garcia, Camille Saint-Saëns und Gilbert Duprez angehörten. 1859-62 trat er in ausgedehnten Konzertreisen auf und brillierte in Köln und Leipzig in Schumanns Musik zu Goethes »Faust«. Als 1862 die Stelle eines Dirigenten der Hamburger Philharmonischen Konzerte ausgeschrieben wurde, bewarben sich Johannes Brahms und Julius Stockhausen darum. Als man Stockhausen den Vorzug gab, wurde Brahms darüber verbittert, was letztlich zu seiner Übersiedlung nach Wien führte. Bis 1867 leitete Stockhausen das Philharmonische Orchester und die Singakademie in Hamburg. Am Karfreitag, dem 10.4.1868, sang er im Dom von Bremen das Solo im Deutschen Requiem von Johannes Brahms. 1869 wurde er vom König von Württemberg zum Kammersänger ernannt und verlegte seinen Wohnsitz nach Cannstatt bei Stuttgart. Er gab ständig Konzert- und Liederabende, zum Teil mit Clara Schumann, dem Geiger Joseph Wilhelm und auch noch immer mit Johannes Brahms. In den Jahren 1870-72 sang er zusammen mit seiner Schülerin Sophie Löwe eine Reihe von Konzerten in England. 1874 verzog der große Sänger von Stuttgart nach Berlin. Hier dirigierte er den Stern'schen Gesangverein. 1878 folgte er einem Ruf an das Hoch'sche Konservatorium in Frankfurt a.M., das unter der Leitung von Joseph Joachim Raff damals weit und breit bekannt war. Er wurde, teils in Verbindung mit diesem Konservatorium, mehr aber noch als privater Gesanglehrer, einer der berühmtesten Pädagogen seiner Epoche, nur zu vergleichen mit Manuel Garcia Vater und Sohn, Mathilde Marchesi oder Pauline Viardot-Garcia. Sein berühmtester Schüler war der holländische Bariton Johannes Messchaert. Aus dem Kreis seiner Schüler sind weiter zu nennen: Mathilde Weckerlin, Hermine Spies, Therese Schnabel-Behr, Raimund von zur Mühlen, Clarence Whitehill, Carl Perron, Anton van Rooy, Anton Sistermans, Karl Scheidemantel, Modest Menzinsky, Wally Schauseil, Hans Vaterhaus, Cilla Tolli, Margarethe Knothe-Wolf, Baptist Hoffmann, Aline Friede, Marie Altona, Lisa Burgmeier, Emil Pinks, Hans Spies, Amy Sherwin und Gerardus Zalsman. 1886-87 publizierte er sein Lehrwerk »Gesangsmethode«, das für die Pädagogik seiner Zeit bestimmend wurde. Nach zeitgenössischen Zeugnissen besaß der große Sänger eine Stimme von unvergleichlichem Wohllaut. Dazu rühmte man den Geschmack seines Vortrages, die unnachahmliche Kunst seiner Phrasierung und die Subtilität der Textbehandlung, vor allem im Liedvortrag. Sein Sohn Emanuel Stockhausen (1865-1950) wurde als Schauspieler bekannt. Ein Bruder des Sängers, Franz Stockhausen (1839-1926), hatte als Pianist, Dirigent und Pädagoge eine Karriere von Bedeutung.
    Lit.: J. Wirth-Stockhausen: »Julius Stockhausen. Unverlierbare Kindheit« (1949).
    [Lexikon: Stockhausen, Julius. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 23379 (vgl. Sängerlex. Bd. 5, S. 3353) (c) Verlag K.G. Saur]


    Für Freunde des Kunstliedes ist die intensive Zusammenarbeit von Julius Stockhausen mit Clara Schumann interessant, die sowohl Stockhausens Stimme als auch dessen Musikalität bewunderte, und diese Bewunderung beruhte auf Gegenseitigkeit. Julius Stockhausen schrieb an seinen Vater: »Madame Schumann ist einer jener seltenen Menschen, für die ich ans Ende der Welt gehen würde... Was für eine Künstlerin.« In späteren Jahren waren beide in pädagogischer Mission unterwegs. Kaum war Clara Schumann am Dr. Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt/M. tätig, folgte Stockhausen, der sich allerding mit dem Direktor Joachim Raff (siehe Beitrag Nr. 164) nicht vertrug.
    Nach ihrem ersten gemeinsamen Konzert am 28. August 1854 in Ostende, in dem der Bariton einige Lieder aus Schumanns Eichendorff-Liederkreis sang, standen Clara Schumann und Julius Stockhausen fast 50 Mal zusammen auf dem Konzertpodium. Darunter waren häufige Konzerte in London und Hamburg, aber auch Dresden und Leipzig, Berlin und Frankfurt. Dort traten die beiden Musiker am 18. November anlässlich einer Mozart-Feier in der Loge Carl ein letztes Mal gemeinsam auf.


    Die markante Grabanlage der Familie Stockhausen auf dem Ohlsdorfer Parkfriedhof ist zwar groß und hat eine Höhe von fünf Metern, das ist relativ hoch, aber dieser riesige Friedhof breitet sich immerhin auf einer Fläche von 391 Hektar aus, und das ist relativ viel.


    Als grobe Orientierungshilfe kann die Kapelle 7 dienen (es gibt Kapellen von 1 bis 13), die sich in unmittelbarer Nähe einer Bus-Haltestelle befindet. Im Friedhofsplan ist das Grab unter AD 20 zu suchen. Das eingestellte Foto entstand an einem nebligen Tag, der schon im Begriff war zu enden, deshalb eine ergänzende Erklärung dazu:
    An dem Giebel des Grabmals befindet sich zwischen den erhaben ausgehauenen Schriftzeilen »JULIUS« und »STOCKHAUSEN« als Halbrelief der Kopf des Sängers, der in Richtung Wiese schaut. Zu beiden Seiten sitzen Frauen, und zwischen ihnen befindet sich ein Becken. Die Frau mit dem Kopftuch symbolisiert das »geistliche Lied«, die Frau mit dem Kranz auf dem Kopf das »weltliche Lied«. Wer Interesse an ausgezeichneten Fotos dieses Grabmals hat, dem sei die Internetseite Hermann Obrist I Gottesacker empfohlen.



  • Heute ist der Todestag von Hans Hotter, am Nikolaustag des Jahres 2003 ist er in München gestorben. Auf Wunsch des Verstorbenen fand die Beisetzung im engsten Familienkreis statt. Die meisten Weggefährten seiner ungewöhnlich langen künstlerischen Laufbahn hatte er überlebt.

    »Der Mann mit den unerhörten Resonanzressourcen war in der Lage, vom zartesten Pianissimo bis zu überwältigender Klangfülle alles auszusagen, was ihm die historische Klassik und Romantik bis zu entferntesten, unbekannten Schätzen in den Mund legten.«


    Dieser Satz stammt aus dem Vorwort, das Dietrich Fischer-Dieskau zu Hotters Lebenserinnerungen »Der Mai war mir gewogen ...«, 1996 schrieb.


    Sein Wotan, so äußerte sich ein britischer Plattenproduzent, sei ein »Dialog mit der Ewigkeit« gewesen. Und mit keiner Rolle wurde der Bassbariton Hans Hotter Zeit seines langen Lebens so identifiziert wie mit der des germanischen Göttervaters. Schon mit 22 Jahren, bald nach seinem Debüt, interpretierte Hans Hotter den Wanderer im »Siegfried«. Als Wotan war er in Bayreuth die prägende Sängerfigur der Fünfziger und Sechzigerjahre. Schon damals waren es vor allem das Charisma und die geistige Durchdringung seiner Rollen, die viele Kritiker an Hotter rühmten und mit denen er das Publikum noch nach seinem Bühnenabschied 1974 bei Gastauftritten bis in die Neunziger begeisterte.


    Auf der Opernbühne war er von Stimme und Erscheinung her mit 1,95 Metern ein Gigant im wahrsten Sinne des Wortes, als Konzert- und Liedersänger beeindruckte er hingegen vor allem durch seine Natürlichkeit und überraschte immer wieder auch mit leisen Tönen. Ohne Zweifel gehörte Hans Hotter zu den absoluten Phänomenen der Gesangskunst und galt gleich für mehrere Generationen als quasi zeitlose Erscheinung des europäischen Kulturlebens. Sein letzter Bühnenauftritt war wohl anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Prinzregententheaters in München, wo Hans Hotter am 20. Februar 2001 noch einmal als Gast die Bühne betrat.


    Bereits 1937 wurde er an die Münchner Staatsoper verpflichtet, deren reguläres Mitglied er länger als 35 Jahre war, und an der er praktisch während 50 Jahren aufgetreten ist. Hier wirkte er in den Uraufführungen von zwei Richard-Strauss-Opern mit: am 24.7.1938 als Kommandant im »Friedenstag«, am 28.10.1942 als Olivier im »Capriccio«. Hotter war auch rein privat dem Hause Strauss verbunden, war in der Villa in Kriegszeiten zum Essen eingeladen und spielte mit dem Komponisten Skat. Seit 1991 betreut Hotters Tochter, Gabriele Strauss-Hotter, das Strauss-Familienarchiv.
    Von der Rolle des Wotan verabschiedete sich Hans Hotter in Paris am 29. Juni 1972, wo er aber nur im 3. Akt sang; so einen endgültigen Bühnenabschied mochte er nicht ...
    Auf der Bühne der Bayrischen Staatsoper war Hans Hotter nochmals 1988 als Sprecher in der »Zauberflöte« tätig; desgleichen dann an der Wiener Staatsoper am 1. Mai 1989, wo Nikolaus Harnoncourt dirigierte und Otto Schenk inszenierte, Deon van der Walt sang den Tamino ...


    Im Dezember 2003 - vor einer Vorstellung von »Der fliegende Holländer« - sprach Staatsoperndirektor Ioan Holender Worte des Gedenkens für das Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper.
    Es ist an dieser Stelle kaum möglich, alle Ehrungen, die dem Sänger zu Teil wurden, aufzuzählen; das Gleiche gilt für die wichtigen Auftritte an allen bedeutenden Bühnen dieser Welt.

    Mit ihm ist eine kulturell reiche Zeit hinunter gegangen ... Er mochte nie nur zum Wagner-Spezialisten abgestempelt werden, als »Wagner-Monolith« oder als »Heldenbariton des Jahrhunderts«; seine großen Vorbilder waren Paul Bender und Karl Erb, die seine Liebe zum Lied entfachten. Und Hans Hotter sang, wie viele seiner Kollegen damals auch, die »Winterreise« noch mit einer Pause in der Mitte, weil er meinte, dass dies für Interpreten wie Zuhörer gleichermaßen bekömmlich und zuträglich sei.


    Zeitlebens verehrte er seinen Gesangslehrer Matthäus Römer. So versuchte er auch das Grab seines Lehrers zu erwerben und als Gedenkstätte zu erhalten, aber der Pfarrer von Kreuth meinte, dass der Platz dringend für neue Gräber gebraucht werde.


    Vielleicht ist seiner Grabstätte auf dem Waldfriedhof München-Solln (Solln liegt am südlichen Stadtrand von München) eine längere Bestandsdauer beschieden.
    Das Grab befindet sich im Grabfeld 28 (28 - W 20 a/b). Am günstigsten ist der Eingang Wilhelm-Leibl-Straße; 150 Schritte dem Weg folgend und dann etwas rechts - da ist das Grab von Hans Hotter.


  • "Now I'll have eine kleine Pause." (K.F., Okt. 1953)
    Friedhof Golders Green, London Borough of Barnet, Greater London, England


    Die Grabstelle der großen Altistin könnte schlichter nicht sein:



    und so sah die Frau mit der unvergleichlichen Stimme einmal aus:


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  • Das Schildchen sieht in der Tat recht dürftig, ja verlottert aus und wird dieser großen Sängerin in keiner Weise gerecht. Mich würde schon interessieren, zu welchem Zeitpunkt das von Dir hier eingestellte Foto gemacht wurde und wer es fotografiert hat. Kannst Du darüber Auskunft geben ob das der aktuelle Zustand der Ruhestätte der Sängerin ist?


    Vergessen ist sie ja keineswegs, sondern sehr gut in CD-Einspielungen vertreten. Aus Anlass ihres 100. Geburtstages (*22. April 1912) erschien bei Decca eine 14-CD-Box.
    Kathleen Ferrier soll sich mit den Worten » Now I'll have eine kleine Pause« von der Musikwelt verabschiedet haben; von ihrer Krankenschwester Bernie Hammondist ist überliefert,
    dass die todkranke Sängerin sagte: »Wäre es nicht schön, wenn ich einschlafen dürfte und nicht mehr aufwachte.«

  • Wieso "schlecht"?
    Als ich dieses "Grabmal" heute erstmals sah, fand ich es ganz spontan dieser großartigen Frau und Sängerin vollkommen angemessen. Sie war kein Star, - blieb im Grunde bei all dem Ruhm, den sie in ihrer kurzen Zeit als Künstlerin erwarb, im Geist die Telefonistin, die sie zuvor war. Ihr Gesang war von einer gerade überwältigen Natürlichkeit und Ungezwungenheit, - ohne aufgesetztes Espressivo und Pathos. Dieses Grab drückt ihr Wesen aus.
    Zudem: Sie erhielt ja doch zu Lebzeiten eine der größten Auszeichnungen und Ehrbezeugungen überhaupt. Im April 1953 verlieh ihr die Königliche Philharmonische Gesellschaft die Goldmedaille. Bis dahin hatten sie nur Toscanini, Sibelius, Brahms und Kreisler bekommen.

  • Das verstehe ich jetzt nicht. Das Foto einer Grabstätte, deren Inschrift nicht zu lesen ist. Dazu ein Zitat Zitat von Helmut Hofmann. Was willst Du uns damit sagen, lieber hart?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zit: "Was willst Du uns damit sagen, lieber hart?"
    An dieser Frage rätsele ich auch nun schon seit einer Stunde herum.
    Nur eines ahne, ja weiß ich sogar: Es kann nichts Gutes sein!

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  • Schön, dann muss ich das Geheimnisumwitterte auflösen:
    Ich hatte beim Herbeischaffen von Text und Bildern versehentlich auf »Absenden« geklickt und schon war das verstümmelte Ding draußen. Das eine Bild ist ja nun schon da, also füge ich das zweite noch bei, und den Text, der für die beiden Fotos gedacht war.


    Natürlich kann man zu diesem Schildchen eine größere philosophische Abhandlung schreiben und auf die Vergänglichkeit alles Irdischen Bezug nehmen ...


    In gestalterischen Dingen gebe ich in aller Regel eher dem Schlichten den Vorzug. Das Grabmal des Komponisten Friedrich Freiherr von Flotow in Darmstadt (siehe Beitrag Nr. 84), stellt zu dem Schildchen, das die Ruhestätte von Kathleen Ferrier bezeichnet, bestimmt einen Kontrast dar, ist jedoch aus seiner Entstehungszeit auch wieder verständlich, genau wie das der Schumanns in Bonn.


    Aber sicher stehe ich nicht ganz alleine, wenn ich ein vergammeltes Schildchen als unangemessen betrachte; außer mir gibt es in Deutschland mindestens noch einen.
    Es war ein Kirchenmusiker, den ich zufällig im Sommer auf einem der Friedhöfe am Halleschen Tor in Berlin traf. Wir standen vor dem Grab von Carl Friedrich Christian Fasch (1736-1800). Die in Stein gehauene Inschrift - teilweise in Versal-Fraktur gehalten - ist von »normalen« Menschen praktisch nicht lesbar. Aus diesem Grund hat man dem Grabstein ein Schildchen mit den entsprechenden Daten des Verstorbenen beigesteckt. Der ortskundige Musiker erzählte mir, dass hier ein Kreis Gleichgesinnter sei, die darauf achten, dass auch die Schildchen immer in Ordnung sind. Es gibt eben, wie in anderen Bereichen auch, unterschiedliche Ansichten ...
    Es ist sogar vorgesehen den Grabstein zu reinigen, aber ich weiß nicht ob das was mit Respekt vor den Verstorbenen zu tun hat, oder vielleicht als »spießig« betrachtet wird.

  • Zit: „Natürlich kann man zu diesem Schildchen eine größere philosophische Abhandlung schreiben und auf die Vergänglichkeit alles Irdischen Bezug nehmen ... „


    Eben in diese Richtung gingen meine Gedanken beim Betrachten dieses nun wirklich schlichten und überdies von der Zeit angegriffenen und der Vergänglichkeit anheimgegebenen Schilds über der Grabstätte dieser großen Sängerin Kathleen Ferrier.


    Caspar David Friedrich war mit einem Mal gegenwärtig. Ich sah in diesem Grab den bildhaften Ausdruck der tiefen Menschlichkeit des Gesangs, zu dem diese Frau in wahrhaft einmaliger Weise fähig war, - etwa in der „Alt-Rhapsodie“ op.53 von Johannes Brahms. Ich habe die letzte Strophe, dieses „Ist auf deinem Psalter, Vater der Liebe...“, niemals mehr in solch anrührender Weise gehört.


    Und noch etwas sah ich darin: Das zutiefst menschliche Leiden, das diese Frau ertragen musste, eines das einem Leben ein – wie man es empfindet: gewaltsames - Ende setzte.
    Wie meinte Dietrich Fischer-Dieskau? (dessen Grabmal auch recht schlicht gehalten ist): Es wird nichts von mir bleiben.
    Hat er recht darin? Signalisiert dieses verfallene Schild über dem Leichnam Kathleen Ferriers in der Erde darunter eben dieses?
    Ich will es nicht glauben!

  • Wie meinte Dietrich Fischer-Dieskau? (dessen Grabmal auch recht schlicht gehalten ist): Es wird nichts von mir bleiben.
    Hat er recht darin?


    Julius Stockhausen (Beitrag 218) war in seiner Art, ich meine von der Bedeutung her, Dietrich Fischer-Dieskau ähnlich oder vergleichbar. Sein Riesengrabmal ist so was von versteckt, dass man es kaum findet, selbst wenn man drum weiß. Wer kennt die Bedeutung dieses Namens heute noch?
    Aber wir wissen eben nur, dass er gut gesungen und dirigiert hat, es gibt keine Tonträger, die hier etwas Hörenswertes überliefert haben.


    Das ist bei Kathleen Ferrier ganz anders und die Tondokumente, die Fischer-Dieskau hinterließ, sind in ihrer Qualität und Fülle vermutlich einmalig. Fischer-Dieskaus Sorge galt wohl eher dem kulturellen Verfall; da hat er ganz klar gesehen, dass eine Zeit hinuntergeht, die nie wieder kommt; zumindest ist das mein Eindruck. Und was nutzt dann diese große Hinterlassenschaft, wenn am Ende das Publikum fehlt?



  • Auf dem Ohlsdorfer Friedhof gibt es seit 2001 einen Garten der Frauen, eine Gedenkstätte, auf der alte Grabsteine bedeutender Frauen, die Hamburgs Geschichte mitgeprägt haben, aufgestellt werden. Dieser Ort ist auf dem ungewöhnlich großen Friedhof recht leicht zu finden. Vom Haupteingang - Fuhlsbüttler Straße 756 - fährt oder geht man die Cordes-Allee bis zum alten Wasserturm entlang. Dort orientiert man sich links und kommt dann gleich in den Garten der Frauen, wo unter anderem auch auf Ständern sogenannte Ringbücher stehen, deren Einzelseiten aus Aluminiumtafeln bestehen, wo die Kurzbiografien der hier Ruhenden nachzulesen sind. Auf Gemeinschaftsgrabflächen, die an den Steinwellen erkennbar sind, findet man auch den Namen der 2011 verstorbenen Sängerin Helga Pilarczyk.
    Auf dem Friedhofplan ist der Garten der Frauen mit den Koordinaten P 27 bezeichnet. Diese Stelle ist auch mit der Buslinie 170 erreichbar.


    Als Helga Pilarczyk ihren 75. Geburtstag feierte, sagte sie:
    »Ich kam mit 29 Jahren nach Hamburg an die Staatsoper, kriegte Schönbergs Klavierauszug von "Erwartung" in die Hand gedrückt und war wie elektrisiert. Ich hatte noch nie moderne Musik gesungen und dachte, was für unwahrscheinlich interessante Musik das sei.«
    In Hamburg stand sie in 405 Vorstellungen und in 29 Rollen auf der Bühne. Als Gast nochmal in den Spielzeiten 1983/84 und 1984/85.


    Am 17. September 2011 teilte »DIE WELT« ihren Lesern unter der Überschrift Tod einer Legende der Oper folgendes mit:
    »Helga Pilarczyk, Hamburger Kammersängerin und eine bedeutende Interpretin moderner Opernpartien im Nachkriegsdeutschland, ist Donnerstag früh nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 86 Jahren im Hospiz Hamburg Leuchtfeuer gestorben. Selbst wenn jüngere Operngänger mit ihrem Namen wenig anfangen können, war sie es, die von 1954 bis 1967 im Ensemble der Hamburgischen Staatsoper mit ihrem dramatischen Sopran und ihrer enormen Bühnenpräsenz in Rollen Maßstäbe setzte, die bis heute noch Gültigkeit haben: in Alban Bergs "Lulu" und in "Salome" von Richard Strauss.«


    Harald Kral berichtete hier im Forum am 18. September 2011:
    »Hier im Rheinland werden sich viele noch an die WDR-Verfilmung von Puccinis Einakter "Der Mantel" erinnern. Hier sang sie die Georgette neben Ernst Kozub und Marcel Cordes unter dem Dirigat von Alberto Erede. Gedreht wurde am Rheinufer, die Rheinkähne wurden kurzerhand in Seine-Schiffe umgewandelt.«


    Helga Pilarcyk wurde am 12. März 1925 in Schöningen, etwa 60 Kilometer von Braunschweig entfernt, geboren. Ursprünglich wollte sie Pianistin werden und nahm am Konservatorium in Braunschweig Klavierunterricht und erweiterte ihre Klavierstudien an der Hamburger Hochschule für Musik. Gleichzeitig studierte sie in Braunschweig und Hamburg Gesang (ihre Stimme wurde zunächst als "Alt" entdeckt); ferner ließ sie sich auch in rhythmischem Tanz von Jaques Dalcroze ausbilden, der die untrennbare Einheit von Musik und Körperbewegung forderte. Solcherart gewappnet gab sie als Opernsängerin 1951 ihr Debüt als Irmentraud (als Mezzosopran) in Lortzings »Der Waffenschmied« am Staatstheater Braunschweig und war dort bis 1954 festes Ensemblemitglied. 1954/1955 wechselte sie als Dramatischer Sopran zur Hamburgischen Staatsoper, wo sie bis zur Spielzeit 1966/1967 fest engagiert war. International war sie »die Lulu« und «die Marie« in den Opern von Alban Berg. Schon 1962 durfte sie sich mit dem Titel »Kammersängerin« schmücken. 1963 sang sie erfolgreich an der Mailänder Scala und hatte in diesen Jahren auch verschiedene Auftritte in Amerika: So zum Beispiel in Washington, wo sie u.a. in der amerikanischen Erstaufführung von Schönbergs Melodram »Erwartung« sang. Aber auch an der Chicago Opera und der Metropolitan Oper New York, wo sie 1965 allerdings nur als Marie im »Wozzeck« auftrat.
    Sie scheint akribisch gearbeitet zu haben, denn um die ungarische Aussprache in Bela Bartoks »Herzog Blaubarts Burg« zu beherrschen, arbeitete sie mit Dr. István N. Vértes, dem Leiter der Auslandsabteilung der Staatlichen Konzertdirektion in Budapest zusammen, den sie dann schließlich heiratete.
    Um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, zog sie sich ab 1967 weitgehend von der Opernbühne zurück, war aber 1969 noch an der Kölner Oper zu hören, 1982 in Paris und schließlich auch danach sowohl in Hamburg als auch in London in Arnold Schönbergs Oratorium »Die Jakobsleiter«.
    Der Rezensent Otto Paul Burkhardt schreibt zu einer restaurierten CD, einer Aufnahme von 1960:
    »Helga Pilarczyk zeichnet mit schlankem, fein timbriertem Sopran und mit geradezu seismografischer Genauigkeit die fein verästelten psychischen Schwankungen dieser Frau nach – zwi¬schen Verzweiflung und Verzückung, Depression und Euphorie. Zum Projektionsraum des Unter- und Unbewussten wird der Wald, in dessen Gespenstern sich die Seelendramen der Frau spiegeln. Pilarczyk, in den 1960er Jahren von der Scala bis an die Met als "Zwölfton-Primadonna" gefeiert, protokolliert diese Erregungskurven feinnervig und fiebrig, ohne schweres, lastendes Menschheits-Pathos. Zitternd, wild, zärtlich nachdenkend, mit furchtbarem Schrei, flüsternd, fast jauchzend, in rasender Angst: Die Partitur ist übersät mit derlei Stimmungsausschlägen, und Helga Pilarczyk gelingt es, die aufgepeitschten, zentrifugalen Gefühlswer¬te zu einem beseelten, beklemmenden Psychogramm zusammenzufügen.»


    Die Sängerin selbst sagte bezüglich ihres Gesangsstils:
    »Ich war immer bemüht, auch technisch extreme Partien so schön wie möglich zu singen. Ich habe krasse hohe Töne nie hingefetzt und gebrüllt, sondern sie durch Rundungen zum Klingen gebracht.«Die ekstatisch glühenden Texte von »Erwartung« hatten die im Privatleben eher nüchtern agierende Sängerin nie gestört - »Pathetik auf der Bühne finde ich großartig«, sagte sie.


    Eigentlich war die Eboli in Verdis »Don Carlos« ihre Lieblingsrolle und sie war auch eine hinreißende Carmen, aber das wird oft durch ihre solitäre Stellung im Bereich der modernen Musik nicht so recht wahrgenommen.

  • Ich besitze einen interessanten Querschnitt aus der Oper "Carmen" mit Helga Pilarczyk in der Titelrolle und Herbert Ernst Groh als Don José. Helga Pilarczyk war eine ausgezeichnete Carmen.

    W.S.

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  • Da ich gerade auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof (und dem direkt benachbarten französischen Friedrichstadt-Friedhof) war und u.a. an den Gräbern der Komponisten Hanns Eisler und Paul Dessau, der Schriftsteller Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Heinrich Mann, Anna Sehgers, Heiner Müller, Christa Wolf und Peter Ensikat, der Regisseure Thomas und Wolfgang Langhoff, Ruth Berghaus und Adolf Dresen, der Schauspieler Käthe Reichel, Eberhard Esche, Dieter Franke, Klaus Piontek, Rolf Herricht, Otto Sander, Wolf Kayser, Ekkehard Schall und Sven Lehmann (nur das Grab von Rolf Ludwig habe ich leider wieder nicht gefunden) und des Politikers Johannes Rau stand (wo auch gerade Klaus von Dohnany vorbeischaute), sei hier an einen deutschen Dirigenten und Komponisten erinnert, der dort auch liegt: Leo Spies



    Er wirkte u.a. an der 1947 von Walter Felsenstein gegründeten Komischen Oper Berlin.


    Mehr Infos, auch zum Komponisten, finden sich u.a. hier:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Spies

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber,
    Vielleicht sollte man dazu noch kurz ergänzen, dass dieser Leo Spies einen älteren Bruder - Walter - hatte, der fern von Deutschland auch als Musiker wirkte. nämlich als Komponist, Pianist und Kapellmeister am Hofe des Sultans in Java. Walter Spies war ein Universalkünstler, er erfand nicht nur eine Notenschrift für Gamelanmusik, sondern malte und schnitzte stilbildend.
    Von seinem Grab gibt es kein Foto, er starb auf tragische Weise beim Schiffsuntergang der »Van Imhoff« westlich des Hafens von Sibolga im Januar 1942. Auf Java und Bali ist er heute weit bekannter als hier in Deutschland.


  • Heute ist eines Sängers zu gedenken, der sich über eine ungewöhnlich lange Lebensspanne dem Gesang verbunden fühlte; zunächst viele Jahre auf der Bühne stand, sich dann aber auch eine lange Zeit als Pädagoge dem Sängernachwuchs widmete.


    In der Mitte der 1950er Jahre verfügte ich über eine Sammlung von fünf Schelllackplatten und auf jeder Scheibe waren zwei Musikstücke drauf. Eine dieser Platten trug auf dem Etikett den Schriftzug: "Eine Schallplatte der Deutsche Grammophon Gesellschaft"
    Der eine Titel war »Reich mir die Hand mein Leben« aus »Don Giovanni« - dargeboten von Elfriede Trötschel und Horst Günter mit dem Württembergischen Staatsorchester unter Ferdinand Leitner.


    Horst Günter wurde am 23. Mai 1913 in Leipzig geboren und starb am 7. Januar 2013 in Hamburg, wo er viele erfolgreiche Berufsjahre verbracht hatte. Von 1950 bis 1968 war er dort an der Staatsoper engagiert und wirkte in mehr als tausend Vorstellungen mit.
    Auch bei der Wiedereröffnung der Hamburger Staatsoper am 15. Oktober 1955 stand Horst Günter in einer Rennert-Inszenierung der »Zauberflöte« zusammen mit Rudolf Schock, Anneliese Rothenberger und Anne Bollinger auf der Bühne.
    Aber vordem lag eine gründliche Ausbildung. Zunächst wurde der Knabe, neuneinhalb Jahre alt, im Leipziger Thomanerchor an den Gesang herangeführt, als 25-Jähriger sang er dann in der Thomaskirche Leipzig die Christus-Partie in der Matthäuspassion.
    Er ließ seine Stimme am Konservatorium von Leipzig ausbilden. Zu seinen Lehrern gehörten u.a. Karl Straube, Fritz Polster und in Berlin dann Emmi Leisner. Weitere Studienorte waren, Innsbruck und Bologna, wo er seine Frau, die Medizin studierte, kennenlernte. Damit könnte ach zusammenhängen, dass er über profunde Kenntnisse des Stimmapparates verfügte. Er befasste sich auch intensiv, das heißt in einem Zeitraum von vier Jahren, mit der Musikwissenschaft und Jens Malte Fischer meint, dass Horst Günter die größte private Spezialsammlung von Literatur zur Gesangsgeschichte besaß. Auch seine Sprachkenntnisse sind zu erwähnen, denn er sprach fließend französisch, englisch, italienisch und, durch vier Jahre Kriegsgefangenschaft bedingt, auch russisch. Natürlich sang er vor russischen Offizieren und war dadurch zumindest etwas privilegiert.
    1941 debütierte Horst Günter als Graf in »Figaros Hochzeit« am Staatstheater von Schwerin und blieb dort bis 1944, weil er als Ausnahmetalent vom Kriegsdienst befreit war. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es zunächst in Göttingen wieder weiter, danach von 1949-50 am Staatstheater von Wiesbaden. Es folgte das Engagement in Hamburg, aber man hörte ihn auch in München, Stuttgart, Berlin, Frankfurt, Wien, Edinburgh ...
    1954 wirkte er bei der Erstaufführung von Schönbergs »Moses und Aron« im Hamburger Rundfunk mit, und trat neben seinen Opernengagements auch als Oratoriensänger in Erscheinung.
    1959 bis 1965 wirkte er als Gesangsprofessor am Konservatorium in Detmold, dann folgte er einem Ruf an die Musikhochschule Freiburg. Nach seiner Pensionierung 1978 widmete er sich verstärkt Gesangskursen in Japan und Amerika. In den Jahren 1978-80 nahm Horst Günter eine Professur an der University of Southern California in Los Angeles wahr; und gastweise Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen in den USA.
    Sein berühmtester Schüler ist zweifelsohne Thomas Hampson. Horst Günter hatte zum Abschluss seiner zweiten Karriere als Gesangspädagoge auch eine Gesangsklasse in Zürich, die er noch als 92-Jähriger betreute. In Zürich hatte Günter übrigens schon 1923 gesungen, bei zwei Konzerten im Zürcher Fraumünster als Sopran.
    Der Papageno in Mozarts »Zauberflöte« war seine Lieblingsrolle, die er fast 350 Mal gesungen hat. Und er wäre auch fast hundert Jahre alt geworden, aber er starb am 7. Januar; den seltenen Geburtstag hätte er erst am 23. Mai feiern können.
    Über der Todesanzeige stand: »Wir nehmen Abschied von einem besonderen Menschen« Die Trauerfeier fand am 21. Januar 2013 in der Kapelle auf dem Südfriedhof Leipzig statt.
    Anstelle von Blumen und Kränzen, wurde um eine Spende an den Förderkreis Thomanerchor Leipzig gebeten. Unter der Leitung von Thomaskantor Georg Christoph Biller wurden Teile aus Bachs Motetten vorgetragen.


    Praktischer Hinweis:
    Man benutzt am besten das West-Tor und geht etwa 40 Meter geradeaus, dann sieht man links das gewaltige Völkerschlacht-Denkmal, biegt jedoch rechts ab, findet die Beschilderung Abteilung I, hält sich weiter rechts und kommt in die Abteilung III, wo sich das Grab des Sängers findet.


  • Man sollte diesen Tag nicht verstreichen lassen ohne an den Todestag eines bedeutenden Sängers zu erinnern. Heute ist diese Stimme noch in vielen Aufnahmen erhalten; allein in der Raucheisen-Edition findet man Karl Schmitt-Walter mit mehr als 60 Liedaufnahmen.


    Heute vor dreißig Jahren starb Karl Schmitt-Walter in München. Er war in Germersheim am Rhein, in der Nähe der Kaiserstadt Speyer, geboren. Er selbst schreibt in seinen Erinnerungen, dass es für ihn keinerlei Bedeutung hat, dass er hier geboren ist. Sein Vater war Oberfeuerwerker beim Heer und wurde bald darauf nach Ingolstadt versetzt. Seine erste öffentliche Gesangsdarbietung fand im Kreis der Kameraden seines Vaters statt; als Dreijähriger stand er auf dem Tisch des Kasinos und sang, vom Vater mit der Laute begleitet:


    »Mir ist mei Alte g´stoben,
    Drum ist mir´s Hertz so schwer,
    Die find´ i gar net mehr,
    Es wor als so a gute Seel!
    Muß allweil woana!
    Wie mi das kränkt,
    Wenn i an mei Alte denk! Hajo.«


    Natürlich durfte der junge Sänger im Anschluss seiner Darbietung auch schon das erste Honorar in Form von Zehnerl kassieren. Die nächste Lebensstation war Würzburg, wo er auf der Festung Marienburg wesentliche Teile seiner Jugend verbrachte. Dort sang er für Naturalien, die Frau eines Oberleutnants spendierte Schokolade, wenn er das Lied »Ich bin vom Berg der Hirtenknab« intonierte.
    Als der Vater nach Nürnberg versetzt wurde, sang der Sohn dort im Schulchor des Realgymnasiums und in ihm reifte der Gedanke Sänger werden zu wollen.
    Der Eltern Meinung war gespalten - während der Vater meinte: »Sänger saufen!«, ging die Mutter mit ihm zum Konservatorium.
    Dort wurde Gustav Landauer, ein sehr populärer Sänger in der Stadt, für zwei Jahre sein Lehrer, der am Nürnberger Theater als Bass-Buffo wirkte.
    Danach brachte ihn sein Lehrer unverzüglich zum Theater, wo er als brabantischer Aushilfsritter in »Don Carlos« gebraucht wurde. Die Leistung war anerkannt worden und es gab einen Vertrag:
    »Herr Schmitt wird engagiert als Sänger und Schauspieler für Oper und Operette«; der Vertrag musste vom Vater unterschrieben werden, der Sänger selbst war zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig. Als der berühmte Bass-Bariton Hans Reinmar (richtiger Name Hans Wochinz) ans Theater nach Nürnberg kam, konnte er von diesem Unterricht erhalten und durfte zum Zeitpunkt seiner Volljährigkeit sogar in einer Nachmittagsvorstellung in Fürth den Wolfram im »Tannhäuser« singen.
    Dennoch lief der Vertrag in Nürnberg aus und es folgte ein weiteres Studium bei Professor Richard Trunk in München und nebenbei wurde auch noch geheiratet.


    1924 sang Schmitt-Walter in Oberhausen, wo das junge Paar in bescheidenen Verhältnissen lebte und es damals ein kultureller Höhepunkt war, als Richard Trunk den jungen Sänger mit Gattin ins nahe Dortmund zu einem Konzert einlud, weil Trunk dort Lauritz Melchior begleitete; an der Kasse lagen zwei Karten - erste Reihe - bereit, das war schon was in diesen Zeiten.
    Die nächsten Stationen waren Saarbrücken, dann - 1926-28 - Dortmund, wo die Tochter geboren und eine zweite Schlusnus-Platte gekauft wurde; seine erste Schallplattenaufnahme von Heinrich Schlusnus kaufte der aufstrebende Sänger für eine Million Mark, es war die Zeit der Inflation.
    Von Dortmund aus ging es nach Wiesbaden; ab 1935 sieht man Schmitt-Walter dann an der Deutschen Oper Berlin.
    Dort hatte er auch eine Begegnung mit einem »namenlosen« Tenor, den dort niemand kannte, auf den Proben zu La Bohéme markierte dieser Unbekannte nur und der Oberregisseur eilte ins Büro, um klarzustellen, dass er unter diesen Umständen jede Verantwortung ablehne.


    Der Vorstellungsabend kam, Schmitt-Walter gab das Stichwort »Was machst du?« und fiel aus allen Wolken, als ihm Jussi Björling antwortete ...hinter den Kulissen gab es dann ein lauschendes Gedränge als Rudolf seine große Arie sang.
    Ab 1950 ist Schmitt-Walter Mitglied der Staatsoper München und man hört ihn als Gast in Wien, Hamburg, Paris, London ...
    Als den Höhepunkt seines Lebens bezeichnete er seine Arbeit mit Wieland Wagner; in Bayreuth sang er 1956-61 den Beckmesser. In dieser Rolle verabschiedete sich der Künstler 1963 in Wiesbaden von der Bühne.
    Seine Erfahrungen gab er als Professor an der Bayrischen Musikakademie an die nachwachsende Sängergeneration weiter. Laut Sängerlexikon wirkte er auch in Kopenhagen als Pädagoge.


    Anlässlich seines 100. Geburtstages entboten einige Kollegen Grußworte im Internet. Ich füge den Beitrag von Dietrich Fischer-Dieskau hier bei:


    »Was ich zu Karl Schmitt-Walter sagen kann, beruht auf ganz wenigen persönlichen Treffen, zumeist aber auf Eindrücken im Konzertsaal oder auf der Opernbühne. Sicherlich war er in Deutschland der kultivierteste, wohl auch der vielseitigste unter den Bariton-Sängern seiner Zeit.
    Schon als ich noch ein Kind war, lauschte ich seinen Liedaufnahmen bei Telefunken mit gespitztem Ohr, denn aus ihnen war ein Empfinden für die Besonderheiten des Liedes zu spüren, dem es nachzueifern galt. Bald danach hörte ich ihn in einer höchst beeindruckenden "Winterreise" im Berliner Beethoven-Saal, bei der Ferdinand Leitner am Flügel saß. Ich glaube, aus dieser Wiedergabe lernte ich mehr als aus sehr vielen anderen Interpretationen, worauf es in diesem Liederzyklus ankommt: Genauigkeit, Tonschönheit und inneres Mitschwingen.
    Viel davon brachte er auch in seine der gehobenen Unterhaltungsmusik gewidmeten und dem Publikumsinteresse Rechnung tragenden Wiedergaben. Ganz überwältigend dann seine geschmeidige Eleganz in der Titelrolle des "Barbier von Sevilla" und seine Wiedergabe des Wolfram, beide am Deutschen Opernhaus Berlin, das sich seiner zu Besetzungsglanzpunkten versicherte. Seine ungezwungene, natürliche Tongebung war dazu geeignet, den Ausdruck nicht zu verstellen und sich von allen Unreinheiten der Intonation freizuhalten, die seinem berühmten Zeitgenossen Heinrich Schlusnus zeitlebens hinderlich waren.
    Nach dem Krieg, als Schmitt-Walter vor allem in München tätig war, traf ich ihn 1951 vor dem Bühneneingang des Prinzregententheaters, als ich fiebernd vor Aufregung zu meinem ersten Wolfram dort eintraf. Sein herzhaftes "Toi-Toi-Toi!" klingt mir heute noch in den Ohren. Und schließlich hatte ich das Privileg, 1956 mit Schmitt-Walter bei seiner großartigen und revolutionären Gestaltung des Beckmesser in den Bayreuther "Meistersingern von Nürnberg" unter der Regie Wieland Wagners mitzutun, wenn auch nur in der kleinen Rolle des Kothner.
    Ich werde dem liebenswerten und überzeugenden Künstler Karl Schmitt-Walter stetes Andenken bewahren.«


    Prof. Dr.h.c.mult. Dietrich Fischer-Dieskau
    Berg, 21.9.2000



    Praktische Hinweise:
    Anfahrt: U1 oder Tram 20/21, Bus 164/165 bis Westfriedhof
    Adresse: Baldurstraße 28 / 80637 München


    Steht man vor dem mächtigen Friedhofsgebäude (Haupteingang) orientiert man sich links und geht bis fast an die linke Friedhofsgrenze. Links vom Hauptgebäude gibt es einige günstige Nebeneingänge, die man benutzen kann. Wenn man sich am Friedhofsplan orientiert: Sektion 186 / Anlagegrab Nr. 46


  • Hermann Zilchers Vater, Paul Zilcher, war ein weit bekannter Klavierpädagoge, der seinen Sohn Hermann bereits im Alter von fünf Jahren am Klavier unterrichtete und schon erste Kompositionsversuche des dreijährigen Knaben aufzeichnete. Der kleine Zilcher war von Musik umgeben; Engelbert Humperdinck wohnte über den Zilchers.
    Der Sohn trat praktisch in die Fußstapfen seines Vaters, erreichte aber zu seiner Zeit einen wohl größeren Bekanntheitsgrad. Er studierte bereits als 16-Jähriger am berühmten Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt am Main und beim Studienabschluss zeichnete ihn seine Heimatstadt mit dem Mozartpreis für Komposition aus, vielleicht wurde damals schon der Grundstein für die Mozartfeste in Würzburg gelegt ...
    Der höher dotierte Beethovenpreis bleibt ihm übrigens nur seiner Jugend wegen verwehrt, Hermann Zilcher war gerade mal 19 Jahre alt.
    Ab 1991 war Zilcher häufig in Berlin als Liedbegleiter zu hören und Konzertreisen führten ihn bis Amerika. Im Jahre 1905 kehrte er als Klavierlehrer an das Hoch´sche Konservatorium zurück. Danach folgte zunächst eine Professur für Klavier an der Akademie der Tonkunst in München, später auch für Komposition. Sein prominentester Klavierschüler war wohl Carl Orff, das war 1915.
    In diesen Münchner Jahren entsteht eine große Anzahl von Kompositionen: Orchesterwerke, Lieder und Bühnenmusiken. Bereits 1919 hatte er in München seine eigene »Zilcher-Woche«.
    1920 ging Zilcher als Direktor an das Staatskonservatorium Würzburg; er kam mit seiner zweiten Frau, das war damals schon was, im bischöflich-katholischen Würzburg ... Dazu kamen noch auswärtige Gäste, Freunde aus Münchner Zeiten, Frau Gulbransson in Hosen und Monokel, das war für damalige Würzburger Verhältnisse schon etwas spektakulär.


    In den 25 Jahren seines Würzburger Wirkens feierte er seine größten Erfolge und führte das Institut auf eine neue qualitative Höhe. 1922 begründete Zilcher das Würzburger Mozartfest, das noch heute mit seinem Namen verbunden ist und internationalen Ruf genießt. Mit einer »Würzburger Musik- und Theaterwoche« legte der Leiter des Würzburger Konservatoriums 1921 die Basis für eines der ältesten und renommiertesten Musikfestivals Deutschlands.
    Die Idee ein Mozartfest zu etablieren, war in den 1920er Jahren nicht en vogue, Wagner war eher angersagt, aber Zilcher verknüpfte geschickt das barocke Ambiente der Stadt mit Mozarts Musik; so gab es eine »Mozartwoche in der Residenz«.
    In den Jahren 1943 und 1944 wurde das Festival zu politischen Propagandazwecken missbraucht, Zilcher musste die Leitung abgeben, war jedoch noch in beratender Funktion tätig.
    Am 16. März 1945 wurde in der Stadt ein fulminanter Schlusspunkt gesetzt; innerhalb von 17 Minuten war der barocke Rahmen des Festivals zerstört; den Neustart seines Festes (1951) erlebte Hermann Zilcher nicht mehr.
    Aber Zilcher war auch sonst sehr aktiv; gründete das »Würzburger Kammerorchester« und trat vielfach als Gastdirigent auf und komponierte. Im Rahmen all dieser Tätigkeiten in Sachen Musik wurde Zilcher mit Ehrungen überhäuft und das hatte natürlich auch Folgen. 1933 hatten sich die politischen Verhältnisse grundlegend geändert und es konnte nicht ausbleiben, dass führende Leute, gleich welchen Genres, sich nur ihrer Profession widmen konnten, Hermann Zilcher machte hier keine Ausnahme.


    Was das künstlerische Schaffen Hermann Zilchers betrifft, charakterisiert der Musikwissenschaftler Alfred Einstein Zilcher als einen »der hervorragendsten deutschen Komponisten halb Brahms'scher Nachfolge, halb neuromantischer und klang-impressionistischer Richtung«. Heute ist die Musik Zilchers meist auch dem Klassik-Publikum kaum noch bekannt.
    Im Vokalbereich gibt es schon seit einigen Jahren Zilchers »Eichendorff-Zyklus« und die »Hey-Speckterschen Fabeln«, und gerade in neuerer Zeit sind wieder Zilchers Bearbeitungen einiger Volkslieder von Johannes Brahms neu aufgenommen worden, die Zilcher als Duette arrangierte.


    Zilcher war ein guter Zeichner, starker Raucher, zauberte für sein Leben gern und war ein recht geselliger Mensch. In der Nachkriegszeit wird Zilcher zu Holzfällarbeiten in den Spessart geschickt. Auf einer Neujahrskarte von 1946, die er an einen Meisterschüler schickt, schreibt er:
    »Herzliche Wünsche zu einem guten, besseren neuen Jahr für Sie und die Ihren. Man hat mir zwei Flügel, sämtliche Klaviernoten, Möbel und Teppiche weggenommen. Bei einer "Holzaktion" war das Resultat für mich: zwei Brüche, Herzschwäche und zwei kaputte Hände! Und wir sollen aus der Wohnung heraus.«
    Das also war die Szenerie als der Komponist im Rentenalter war. Es gibt ein Porträtfoto Zilchers aus dieser Zeit, das ihn abgemagert und mit gefurchter Stirn zeigt; in die fünffache Liniatur seiner Stirnfalten schreibt er mit Violinschlüssel und Taktbezeichnung die ersten Noten seines Opus 114.
    Die Silvesternacht 1947/48 verbrachte er im Freundeskreis, man hatte in diesen schlimmen Zeiten ein paar Flaschen Wein besorgt und ihn dazu eingeladen. Natürlich wurde auch musiziert. Bei beginnendem Schneefall stapfte er seinem Haus entgegen ins neue Jahr - unter der Haustür bricht er zusammen und ist tot - die Ziehharmonika im Rucksack.


    Praktischer Hinweis:
    Das Zilcher-Grab befindet sich auf dem Hauptfriedhof in Würzburg.
    Martin-Luther-Straße 18, 97072 Würzburg
    Man benutzt am besten den Eingang im Bereich der Aussegnungshalle und geht geradeaus zur Abteilung 2; ein Friedhofsplan bietet Orientierungshilfe. Die genaue Lagebezeichnung ist: Abteilung 2, Nr.: 81

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  • Heute ist der 50. Todestag der bekannten Bach- und Händel-Interpretin. Das Sterbedatum auf ihrem Grabstein stimmt so nicht! Offensichtlich hat ein Handwerker hier aus der ursprünglichen »9« eine »6« gemacht. Es ist schon etwas wunderlich, dass die Lebensdaten in dem in allernächster Nähe stehenden Ringbuch (siehe Foto) vermutlich richtig sind, denn so stehen sie auch im »Sängerlexikon«, aber diese Diskrepanz hat offensichtlich bisher niemand korrigiert. Ihren Geburtstag konnte sie nicht mehr feiern, sie starb nur wenige Tage zuvor.
    Diese Grabplatte findet man im Bereich »Garten der Frauen« auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg - nähere Angaben zu diesem Ort findet man im Beitrag Nr. 229 dieses Threads.


    Ich musste lächeln, als ich vor der Grabplatte stand und sah, dass hier das »W« der Metallschrift fehlte und nur noch schemenhaft zu erkennen ist, eine Zahl ganz fehlte und eine andere einen Überschlag machte ...


    Als Henny Wolff mit ihren Eltern - die Mutter war Konzertsängerin und Gesangspädagogin (Henriette Wolff-Dwillat), der Vater Musikkritiker - auf der Nordseeinsel Baltrum Urlaub machte, hatte die kleine Henny gerade einmal ein halbes Volksschuljahr hinter sich gebracht und trug sich stolz in das Gästebuch des Hotels ein: »Henny Wolff - Sägerin«. - auch hier fehlte ein Buchstabe ...
    Sie hatte von Kindesbeinen an den unbändigen Willen Sängerin zu werden.
    Nach eigenem Bekunden sang sie schon als Zehnjährige die Arie der Königin der Nacht. Die damals bedeutende Altistin Charlotte Huhn war von dieser kindlichen Leistung verblüfft und sagte:
    »Nein, wenn man dieses Kind sieht, mit seinen zehn Jahren! Wie es mit dem Brustton der Überzeugung dem tiefgebeugten Mutterherzen Ausdruck gibt! Das ist zu schön!«
    Henny Wolff zeigte reges Interesse an Mutters Gesangsunterricht und übernahm die Klavierbegleitung, wenn Mama unterrichtete. Am Konservatorium Köln studierte sie von 1906-12, zuletzt auch bei dem bekannten Konzertsänger und Gesangspädagogen Raatz-Brockmann in Berlin. 1912 trat Henny Wolff dann in Köln erstmals öffentlich auf.
    Das Mutter-Kind Verhältnis trübte sich jedoch ein, weil die Mutter auch noch gerne gesungen hätte und in ihrer Tochter eine Konkurrentin sah.
    Henny verließ das Elternhaus und schlug sich mit Unterrichten durch, denn in den in den Anfangstagen des ersten Weltkriegs wurden alle Konzerte abgesagt.
    Sie traf dann mal einen Theaterleiter zufällig auf der Straße und äußerte den Wunsch einmal auf der Bühne zu stehen. »Das können wir machen«, war die positive und spontane Auskunft, und schon stand sie als Pamina auf der Bühne - keine Bühnenprobe, keine Probe mit Orchester, nichts! Aber mit dem Pseudonym Helga Wulfius. Als sie dennoch von einem Bühnenarbeiter erkannt wurde, sagte sie: »Mensch, dass sie nichts sagen, mein Vater schlägt mich tot!«
    Wenn man die Karriere von Henny Wolff überblickt, stellt man fest, dass sie auf der Opernbühne eher selten zu erleben war, ihre Domäne war eigentlich das Konzertfach. Auch dem zeitgenössischen Liedgesang brachte sie großes Interesse entgegen und war oft mit Hermann Reutter auf Konzertreisen.
    Sie soll das absolute Gehör und ein Riesengedächtnis gehabt haben. Der Komponist Ernst Toch brachte ihr mal ein Wort mit sage und schreibe 162 Buchstaben bei. Es lagen viele Jahre dazwischen, als er sie anrief und sagte »Hier ist Toch, Ernst Toch, erinnern sie sich noch an mich?« Zum Beweis, dass sie sich noch gut erinnern konnte, nannte sie ohne zu zögern das erlernte Wort. Sie selbst sagte dazu: »Ich habe zwei Stärken: ein Gedächtnis das alles registriert - auch allen Unsinn -, und das absolute Gehör.«
    Als eine »Senta« ausfiel, studierte sie die Rolle in drei Tagen obwohl sie den »Fliegenden Holländer« nicht drauf hatte, und in Berlin sang sie gleich mal für zwei. Das war bei den olympischen Spielen in Berlin, wo zur Eröffnung die »Neunte« zur Aufführung kam; Henny Wolff berichtet das mit ihren Worten so:


    »Kurz vor dem letzten Satz erschien der Orchesterdiener und sagte zu dem Dirigenten Fritz Stein: "Die Leisner ist nicht da!" Sagte Stein: "Macht nichts, singt die Henny!" Ich sang (Alt) "Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein -" und (Sopran): "Wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein ...«


    Unter den Musikern der damaligen Zeit vergötterte Henny Wolff den Pianisten Edwin Fischer, den Geiger Fritz Kreisler und den Sänger Paul Bender.


    Henny Wolff wurde im November 1943 in Berlin total ausgebombt, der »Heilige Benno«, eine Gipsfigur, hatte nur sich selbst und ihre persönlichen Erinnerungen beschützt, sonst besaß sie nichts mehr; sie hatte in der Berliner Marienkirche in einer Messias-Aufführung mitgewirkt, nun stand sie auf der Straße.


    Nach dem großen Krieg lebte sie dann fünf Jahre in Göttingen und träumte dort von Hamburg.
    Mitten in diese Träume platzte ein Brief von Philipp Jarnach, dem Direktor der neugegründeten Musikhochschule in Hamburg, mit der Anfrage, ob sie nicht eine Professur an der Hochschule annehmen wolle - und ob sie wollte! Einige Zeit fuhr sie hin und her, dann nahm sie ihren Wohnsitz in der Hansestadt.
    Henny Wolff war eine begnadete Briefschreiberin und korrespondierte mit Gott und der Welt; unter anderem auch mit Albert Schweitzer, dem sie eine Bachplatte von sich geschickt hatte. Einige Jahre später besuchte der Urwalddoktor Hamburg und traf sich dort mit Henny Wolff; sie unterhielten sich auch über den Liedgesang und Albert Schweitzer sagte damals schon:
    »Ach, liebe Frau Wolff, kann denn gar nichts geschehen, dass der Liedgesang wieder mehr gepflegt wird?«





  • Die meisten Leute, die an diesem efeuumrankten Grab vorbeigehen, haben wohl kaum eine Ahnung, welche dramatischen Situationen diese hier Ruhenden zu ihren Lebzeiten bewältigen mussten. In diesem engen Rahmen lässt sich das nur kurz anreißen, und auf Tondokumente kann nicht verwiesen werden. Es wurden zwar von beiden Künstlern Aufnahmen gemacht, aber die von Joseph Joachim sind wohl nur etwas für ausgesprochene Fachleute, und die von Amalie sind verschollen.


    Beide stammen aus Österreich-Ungarn und waren von Kindesbeinen an ausübende Musiker. Joseph Joachim wurde in Wien ausgebildet; danach führte ihn sein Weg über Leipzig, Weimar, Hannover und Berlin, wo er beauftragt wurde eine Musikschule zu gründen. Dort war er der musikalische Repräsentant des Kaiserreiches.


    Amalie Schneeweiss, die spätere Frau Joachim, wuchs in Marburg an der Drau (heute Maribor, Slowenien) in der Steiermark auf und hatte als 14-Jährige ihr erstes Engagement in dem mährischen Städtchen Troppau (heute Opava, Tschechien), das war in der Wintersaison 1854; ihre nächste Station ist dann Hermannstadt (heute Sibiu, Rumänien).
    Ihr Gesang sollte den Rest der Familie ernähren; der Vater starb als Amalie zwölf Jahre alt war, was einen sozialen Absturz in die Armut bedeutete.
    Am Theater waren dann nicht nur Rollen zu erarbeiten, die gesungen werden mussten, sondern Näharbeiten für die Theatergarderobe mussten in Nachtstunden geleistet werden, wenn man nicht zu den Spitzenkräften eines großen Hauses gehörte und dafür Näherinnen beschäftigen konnte. Amalie verbarg ihre zerstochenen Finger in Handschuhen, damit man nicht sah, dass sie sich ihre Kleider selbst nähen musste.
    Diese ersten Engagements hatten bei vielen schlechten Rahmenbedingungen den Vorteil, dass sie in diesen sehr jungen Jahren praktisch alles singen musste, respektive singen durfte.


    Nach der Anfängerzeit folgt eine Festanstellung am K. K. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore in Wien, wo die junge Sängerin auf den Programmen als Amalie Weiss in Erscheinung tritt.
    Unter diesem Namen sang sie von Ende 1854 bis zum Frühjahr 1862. Das waren sieben Jahre lang Nebenrollen. Als sie Wien verließ, waren Mutter und Schwester gestorben - auch Theodor Mannheimer, der ihr in schwerer finanzieller Not in Wien beistand, denn sie hatte sich aus einer Notsituation heraus offensichtlich bei Wucherern Geld geliehen und kam mit dem Gericht in Konflikt, was allerdings bei Künstlern in jener Zeit keine Seltenheit war, denn bei Krankheit gab es in aller Regel weniger Gage. Zunächst sah es für Amalie Weiss so aus, dass sie in Wien noch weitere Jahre singen würde, aber am 31. Dezember 1861 wies die Operndirektion in einemSchreiben an die Künstlerin darauf hin, dass nach Auslaufen des aktuellen Vertrags kein neuer Vertrag zu erwarten sei. Dieser Anschlussvertrag war zwar von der Direktion bereits vorbereitet, wurde jedoch nicht in Kraft gesetzt. Querelen im nichtkünstlerischen Bereich waren dem vorausgegangen. Am 24. März 1862 sang Amalie Weiss ihre letzte Vorstellung in Wien, es war die Gräfin von Cebrano in »Rigoletto«.


    Bernhard Scholz, Hofkapellmeister in Hannover, reiste nach Wien, um - auf Empfehlung eines Kollegen - Amalie Weiss in Wien zu hören. Der Gesamteindruck des Emissärs war positiv, aber ein genauer Vertrag musste noch mit Graf von Platen, dem Intendanten in Hannover, ausgehandelt werden. Es ist erstaunlich zu lesen, dass Frau Weis (die Schreibweise ist unterschiedlich) den Vertrag so nicht akzeptieren wollte und ihn mit ihren Verbesserungsvorschlägen zurückschickt, obwohl sie in Wien praktisch auf dem Trockenen saß. Es gab also zunächst einiges Hin und Her, aber schließlich kam sie doch nach Hannover, legte aber in Linz einen Zwischenstopp ein, um dort in drei unterschiedlichen Rollen zu singen; der Direktor des Linzer Landestheaters war ihr aus der Zeit in Hermannstadt wohlbekannt.


    Als Amalie Weis nach Hannover kommt, zählt die königliche Hofoper zu den führenden Häusern im relativ dichten Netz von mehr als 150 Theatern. Joseph Joachim war Konzertdirektor.
    Der künstlerische Einstand an der Oper von Hannover war durchaus gelungen, aber es gab hier Gezeter bezüglich der Rollenbesetzung.


    Am 13. Dezember 1862 traten Amalie und Joseph Joachim erstmals gemeinsam in einem Konzert auf. Sie sang die Arie der Leonore aus Beethovens Oper »Fidelio«, er spielte Beethovens Violinkonzert. Zwei Monate später war das Paar verlobt. Die Freunde der beiden waren begeistert, allen voran Johannes Brahms.
    Dagegen hielt sich die Begeisterung bei Joachims Verwandtschaft in Grenzen und es wurde von dieser Seite versucht diese Verbindung zu verhindern, was zum mehrmaligen Verschieben des Hochzeitstermins führte. Aber am 10. Juni 1863 wurde dann endlich geheiratet und es wird berichtet, dass die Feierlichkeiten einem Staatsakt geglichen haben sollen; die Königin von Hannover, nebst Prinzessinnen waren in der Schlosskirche zugegen.


    Bei all dem hat die Geschichte aber auch eine tragische Seite, weil Amalie Schneeweiss gerade dann die Opernbühne verlassen musste, als ihre Karriere im Opernfach hätte so richtig beginnen können, man bedenke - sie war gerade mal 25 Jahre alt. Im 19. Jahrhundert war eine bürgerliche Ehe mit einer Bühnenkarriere nicht vereinbar. Zwischen 1864 und 1881 wurden dem Paar sechs Kinder geboren, drei Jungs und drei Mädchen. Die Kinder hatten prominente Paten; wie zum Beispiel Johannes Brahms und Clara Schumann.


    Amalie Joachim trat nun als Konzertsängerin auf und nahm ihr erstes Kind einfach mit. Auch als sie im November 1866 bei Julius Stockhausen in Hamburg Unterricht nahm, wobei man von einem kollegialen Unterricht ausgehen kann, war der kleine Johannes mit von der Party. Stockhausen trat auch öffentlich mit Amalie Joachim auf. Sie sang sogar Duette mit Jenny Lind.


    Die Tatsache, dass beide Ehepartner künstlerisch tätig waren, tat dieser Verbindung nicht gut. Joseph Joachim reichte die Scheidung ein und bezichtigte seine Frau des Ehebruchs mit dem Verleger und Brahms-Freund Fritz Simrock. Der Prozess zog sich über vier Jahre hin, vom Dezember 1880 bis Dezember 1884. Joseph Joachim verlor den Prozess und damit war die Ehre von Amalie Joachim wieder hergestellt. Die Kinder wurden per Gerichtsbeschluss verteilt: Die Söhne zum Vater, die Töchter zur Mutter. Es ging dabei recht hässlich zu.
    Der Gegenvirtuose verfügte in der Musikszene über eine gewisse »Macht« und tat kund:
    »Wer meiner Frau einen Saal überläßt, dort spiele ich nicht mehr, wer meine Frau engagiert, bei dem wirke ich nicht mehr mit!« Von diesem Verdikt war ein beträchtlicher Kreis gemeinsamer Freunde betroffen, das war blanker Hass.


    Joseph Joachim stammte aus einem ganz anderen Milljöh als seine Frau. Die Familie war nicht wohlhabend, aber immerhin mit den reichen Wittgensteins in Wien verwandt, die ihm eine »Guaneri "del Gesu" ausliehen (das gute Stück ging nach Joachims Tod 1907 wieder an die Familie Wittgenstein zurück) Josephs Talent wurde früh entdeckt und gefördert. Bereits mit sieben Jahren trat er als Geigensolist auf und erfuhr auch eine Förderung durch Felix Mendelssohn Bartholdy, der ihm den Weg wies nicht Virtuose, sondern Interpret zu sein, und regte zudem zum Komponieren an. Die nächste Station war Weimar, wo er eine stattliche Zahl bedeutender Musiker traf: Liszt, Hans von Bülow, Cornelius, Raff und Wagner, um einige prominente Namen zu nennen. Es hatte schon was, sich zwischen den musikalischen Polen von Leipzig und Weimar zu bewegen.


    Zwischen seinem 22. und 34. Lebensjahr wirkte Joseph Joachim in der Residenzstadt Hannover, wo sich mit der Zeit immer engere Kontakte zur Königsfamilie ergaben. Durch den besonderen »Draht« zu einer Hofdame, die den König stark beeinflusste, konnte Joachim seine künstlerischen Interessen steuern. Im Mai 1855 stand das Königspaar sogar bei Joachims später Taufe Pate; er wurde lutherisch getauft.
    1853 traf Joachim erstmals mit Johannes Brahms zusammen, als dieser auf einer Konzertreise in Hannover Station machte; daraus entwickelte sich eine viele Jahre währende Freundschaft, natürlich gehörten dann auch die Schumanns und andere dazu.
    Joachim wurde ja schon von Mendelssohn in England eingeführt und konzertierte dort oft, so dass es in den 1860er Jahren darum ging sich für England oder Berlin zu entscheiden. Schließlich fiel die Entscheidung für Berlin, weil sich hier Gelegenheit bot eine Musikhochschule aufzubauen. Einen ersten erfolgreichen Auftritt in Berlin hatte Joachim bereits Ende 1852; einen ersten gemeinsamen Auftritt des Ehepaares in Berlin gab es im Rahmen einer Benefizveranstaltung 1869, Amalie Joachim war damals schon vierfache Mutter. Ab 1. Oktober 1869 war Joachim neugebackener Professor, so seine Formulierung, an der Hochschule und diese Tätigkeit sollte er bis 1884 ausüben. Die Hochschule startete mit bescheidenen 19 Schülern - an Schülerinnen war zunächst nicht gedacht - aber bald war eine Schülerzahl um die 400 erreicht und auch Damen zugelassen. Man sagte Joachim nach, dass er an der Hochschule keine ebenbürtigen Künstler neben sich haben wollte. Ein Glanzpunkt im musikalischen Berlin, und das über Jahrzehnte hinweg, war das Joachim Quartett; Zeitgenossen loben diese Veranstaltungen in den höchsten Tönen.


    Amalie Joachim wollte sich nach ihrer Scheidung nochmal auf der Opernbühne versuchen, tat es auch vereinzelt, aber die gesellschaftlichen Vorurteile waren zu stark. Ende Juni 1881 brachte Amalie ihr sechstes Kind zur Welt. In Berlin waren die Konzertveranstalter offenbar vom Verdikt des Geigers beeindruckt und boten der Sängerin keine Auftrittsmöglichkeit, aber im Januar 1882 trat sie demonstrativ in Holland gemeinsam mit Johannes Brahms auf. 1884 findet man in der Berliner Presse Konzertanzeigen von Frau und Herrn Joachim untereinander abgedruckt, die Konzerte finden in unterschiedlichen Gebäuden statt.
    Als Oratorien- und Konzertsängerin war Amalie in ihrer Zeit prägend. In Rezensionen wird immer wieder die Stilreinheit ihres Gesangs hervorgehoben; sie ging vom Sinngehalt der Sprache aus. Auch Richard Strauss war begeistert, er schreibt 1886 seiner Mutter: »... die Joachim ist eine ganz herrliche Sängerin, bei der man trotz ihrer siebenundvierzig Jahre von einem passé nichts merkt, die Stimme ist immer noch sehr groß und schön, Schule vorzüglich, Vortrag exzellent.«


    Das Liedrepertoire war in dieser Zeit viel breiter gefächert als heute und Amalie Joachim setzte sich mit allen musikalischen Neuerscheinungen auseinander; nahezu die Hälfte ihrer Konzerte bestand aus zeitgenössischen Kompositionen. Sie scheute sich auch nicht Anton Dvorák Änderungsvorschläge zu machen oder die »Winterreise« zu singen; das war zum Beispiel am 28. Februar 1890 in Berlin. Zudem konzipierte sie Liederabende, in denen sie die in ihren Programmen die Entwicklung des Liedes aufzeigte. Da waren ja schon pädagogische Ansätze erkennbar; ab 1890 betätigte sie sich intensiver als Gesangslehrerin und bot ihre Dienste in Salzburg, Elberfeld, München und Berlin an, wo sie noch 1897 eine eigene Schule gründete, ihre beste Schülerin war ihre Tochter Marie, die auch noch von Louise Héritte-Viardot in Gesang unterrichtet wurde.


    Am Ende ihrer Karriere wagte Amalie Joachim sogar noch den Sprung nach Amerika, das war 1892, aber das Genre »Deutsches Lied« war da nicht gerade ein Zugpferd und mit 53 Jahren galt eine Sängerin nach damaligen Maßstäben als alt, so dass Kritiker bedauerten, dass die Sängerin nicht schon früher nach Amerika gekommen ist.
    Amalie Joachim verstarb am 3. Februar 1899 an den Folgen einer Gallenoperation.


    Am 9. Februar 1899 schrieb der Reichsbote in Berlin:
    »Amalie Joachim, die unvergeßliche Meisterin des Gesanges, ist gestern Nachmittag auf dem neuen Luisenkirchhof am Fürstenbrunner Weg in Charlottenburg zu Grabe getragen worden. Die entlegene Lage des stillen Friedhofes hatte nicht gehindert, daß viele Hunderte hinausgeeilt waren, um der Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Die Fülle der Palmen und Kränze war so gewaltig, daß der Altarraum der Kapelle kaum Platz genug bot, um sie in hohen Bergen aufzustapeln.«


    Es folgt nun eine lange Liste offizieller Institutionen, die ihre Trauer bekundeten und es wird erwähnt, dass der trauernde Gatte mit der ganzen Familie erschien. Nach dem Choral »Wenn ich einmal soll scheiden« wurde der Sarg zur Gruft getragen. Dort spielten die Bläser der Hochschule das von Joachim für einen verstorbenen Freund komponierte Adagio für Posaunen und nach dem Segen das »Zum Schluß« von Schumann.


    Am 6. April trat Joachim letztmals mit seinem Quartett auf; es wurde Haydn, Beethoven und Schubert gespielt.
    Joseph Joachim starb am 15. August 1907 in Berlin und wurde in der Hochschule aufgebahrt. Vom Gebäude der Hochschule wehten mächtige Trauerfahnen und in den Straßen durch die sich der Trauerzug bewegte, war ein dichtes Spalier teilnahmsvoller Zuschauer.
    Die Beisetzung fand am 19. August auf dem Friedhof der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche statt, wo er an der Seite seiner Gattin beigesetzt wurde.


    Praktischer Hinweis:
    Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirchhof, Berlin-Westend, Fürstenbrunner Weg
    Wenn man vom Eingang des Friedhofs kommt, geht man am Kapellenportal vorbei und die nächste Möglichkeit links - leicht ansteigend - etwa 100 Meter nach oben. Dort angekommen, findet man das Grab Joachim gleich rechter Hand bei einer Ruhebank.


  • Eingang zum Kirchhof am Mehringdamm


    Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben



    Nur 29 Lebensjahre waren ihm vergönnt, auf einer Reise nach Leipzig starb er am Typhusfieber. Auf Veranlassung des Pianofabrikanten Carl Bechstein, der zum engeren Freundeskreis Tausigs zählte, wurde der Leichnam des Pianisten aus Leipzig nach Berlin überführt und auf dem dritten Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor beigesetzt. Bechstein übernahm außerdem die Herstellungskosten für ein Grabdenkmal. Das gestiftete Grabdenkmal wurde zwei Jahre nach dem Tod des Musikers auf seiner Grabstätte errichtet und am 25. Juni 1873 feierlich enthüllt. Zur Ausführung gelangte eine Stele in Form eines naturnah behauenen Felsbrockens aus Syenit.
    Ursprünglich schmückte im oberen Teil ein marmornes Porträtmedaillon des Pianisten den Stein. Das Medaillon ging jedoch im Zweiten Weltkrieg verloren und wurde1986 durch eine Photoätzung auf Kupfer ersetzt.


    Reif sein zum Sterben,
    Des Lebens zögernd spriessende Frucht,
    Früh reif sie erwerben
    In Lenzes jäh erblühender Flucht,
    War es dein Loos, war es dein Wagen,
    Wir müssen dein Loos wie dein Wagen beklagen.
    (Richard Wagner.)


    Richard Wagner selbst hat diesen Grabspruch, der in Frakturschrift etwas schwierig zu lesen ist, verfasst. Irgendwie war ihm der Junge ans Herz gewachsen; Wagner hatte zu ihm ein Verhältnis als wäre es sein Sohn. Ebenso verehrte Carl Tausig den Bayreuther Meister über die Maßen und erstellte für Wagner den Klavierauszug der »Meistersinger von Nürnberg« und komponierte Klavier-Fantasien über »Tristan und Isolde« und »Die Walküre«
    Tausig hat auch im Auftrag des Meisters ein Finanzierungsmodell für das Bayreuther Opernprojekt entwickelt und spielte bei der Ausgabe dieser Patronatsscheine eine wesentliche Rolle; schließlich war er auch mathematisch gebildet, aber auch allgemein naturwissenschaftlich und philosophisch interessiert.


    1858 hatte Tausig in Berlin sein Debüt unter der Dirigentschaft Hans von Bülows; er war außerordentlich erfolgreich. Franz Liszt hatte diesen Wunderknaben Tausig 1858 zu Wagner nach Zürich geschickt, wo er für die Dauer eines Jahres eng mit Wagner und dessen Umfeld vertraut war und auch Hans von Bülow kennen lernte, der zwar bezüglich der artistischen Perfektion Tausig nicht ganz erreichte, aber mit mehr Empfindung spielte, wie es von Zeitgenossen überliefert wird.


    Carl Tausig wurde zunächst von seinem Vater unterrichtet, bevor er im Alter von 14 Jahren zum Liszt-Schüler in Weimar avancierte und 1855 bis 1859 mit einigen Unterbrechungen auf der Altenburg, wie andere Schüler auch, kostenlos wohnen konnte. Neben Carls pianistischen Leistungen, wurden aber auch Lausbubereien ernsteren Ausmaßes bekannt. So verkaufte er einmal für fünf Taler ein noch ungedrucktes Manuskript seines Lehrers - es war die »Faust-Symphonie« des Meisters - der es tagelang verzweifelt suchte.
    Dessen ungeachtet sah Liszt im jungen Tausig den einzigen Erben seines Klavierspiels und postulierte, dass ihm niemals ein solches Talent unter die Hände gekommen sei.
    Sein Konzertdebüt gab Carl Tausig 1858 in Berlin und 1859 folgten ausgedehnte Konzertreisen, in deren Verlauf die Rezensenten voll des Lobes waren. Vor allem wurde seine makellose Technik, mit der er scheinbar mühelos auch größte Schwierigkeiten überwand, bewundert, wobei er seine Konzerte ohne körperliche Anstrengungen absolvierte.
    Nach seinem Aufenthalt in Zürich ließ er sich zunächst in Dresden nieder und unternahm von dort aus Konzertreisen in Deutschland. 1862 residiert er in Wien, konnte dort jedoch zunächst keine uneingeschränkte Begeisterung entfachen, wie bei Eduard Hanslick nachzulesen ist:


    »Ein anderer Schüler und Anhänger Liszt´s, Carl Tausig, machte im folgenden Jahre (1861) nicht nur als Clavierspieler Propaganda für seinen Meister, er gab auch einige Orchesterkonzerte, um darin Liszt´s "Sinfonische Dichtungen" zur Aufführung zu bringen. Das Publikum wußte dem talentvollen jungen Mann von keines von beiden besonderen Dank.
    Erst einige Jahre später, im Jahre 1864, hatte sich Tausig´s erstaunliche Technik so weit abgeklärt und sein ungestümes Spiel so weit beruhigt, daß seine Vorträge den Namen Kunstleistungen verdienen und vom Publicum - wenn auch nicht ohne Vorbehalt - mit Bewunderung gehört werden. Was Bülow, Tausig und Rubinstein leisten, bezeichnet jedenfalls den Höhepunkt der gegenwärtigen Claviertechnik«


    In Wien trat er mit eigenen symphonischen Dichtungen und als Dirigent auf und veranstaltete zahlreiche Orchesterkonzerte mit Werken Liszts. Hier verkehrte er außerdem häufig mit Brahms.
    Im Mai 1864 unternahm Carl Tausig mit den Komponisten Johannes Brahms und Peter Cornelius eine Reise nach Preßburg, die für die Pianistin Serafina Vrabély insofern wichtig wurde, als sie in Tausig ihrem späteren Ehemann begegnete. Sie heirateten am 8. Nov. desselben Jahres, Johannes Brahms war Trauzeuge. Mit ihrem Mann zog Serafina Vrabély zunächst nach Wien. Später trennten sich Carl Tausig und Serafina Vrabély – die Ehe wurde allerdings nicht geschieden, und auch nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1871 führte die Witwe seinen Namen bzw. den Doppelnamen Vrabély-Tausig weiter.


    Danach nahm Tausig 1865 seinen Wohnsitz in Berlin, wo er zum Hofpianisten ernannt wurde. Im Jahr darauf gründete er eine »Akademie des höheren Klavierspiels«, die er aber schon nach wenigen Jahren wieder aufgab. Unter den Lehrern befand sich auch der bekannte Pianist, Komponist und Musikpublizist Louis Ehlert.
    Im »Musikalischen Wochenblatt« vom 1. Juli 1870 heißt es u. a.:


    »Der Konzertgeber erschien und setzte sich an das Klavier. Wie eine Windsbraut rasten die Hände über die Tasten, es klang wie Brandung und Donner, wie Hagelschlag und Erdbeben ... Der Zauber dieses Klavierspiels wirkte bestrickend, enthusiasmierend auf mich, auf alle. Die unbeschreibliche Zartheit, mit welcher Tausig spielt, die Leichtigkeit, mit welcher er jede Schwierigkeit überwindet, die feine Empfindung, welche seine Auffassung stets auszeichnet, die poetische Grazie des Ausdrucks - man weiß nicht, was man zuerst, nicht, was man mehr bewundern soll ...«


    Ein Jahr später war Carl Tausig tot; auf der Höhe seiner künstlerischen Entwicklung war sein Weg zu Ende. Er war nicht nur ein außergewöhnlicher Virtuose, sondern auch als Dirigent und Komponist erfolgreich. Sein Klavierspiel konnte nicht konserviert werden, hier müssen wir uns an den Beurteilungen der kompetenten Zeitgenossen orientieren, aber vor allem Tausigs Transkriptionen und Paraphrasen haben sich erhalten.


    Praktischer Hinweis:
    Die Friedhöfe am Halleschen Tor liegen im Berliner Ortsteil Kreuzberg zwischen Mehringdamm und Zossener Straße. Auf diesen Friedhöfen findet man mehrere prominente Musiker, unter anderen auch Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Schwester Fanny.
    Dieser Kirchhof befindet sich in der Nähe des U-Bahnhofs Mehringdamm

  • Während ich diese beiden wirklich schönen, ausführlichen Würdigungen zweier so unterschiedlicher Künstlerbiographien des 19. Jahrhunderts lese, in Gedanken schon am Brandenburger Tor stehe (zuletzt 1993) und mir Renaud Capucon auf RBB Kulturradio mit den Wiener Philh. wieder in Erinnerung ruft, wie wichtig der eine der beiden Toten für Brahms und für das Gelingen seines Violinkonzerts war, das ja allgemein zusammen mit dem Beethoven'schen und dem Tschaikowskijs zum klassischen Dreigestirn des Genres gerechnet wird (manche mögen noch das von Mendelssohn oder Bruch hinzunehmen, ich bevorzuge weitaus dasjenige Schumanns), wird mir zum einen paukenschlagartig bewusst (Hob.I:94), dass dieser Berliner Friedhof bislang noch gar nicht auf meinem "Schlachtplan" war, weil mein Blick immer nur den Mendelssohns und dem Dreifaltigkeitsfriedhof galt - und das will bei einem Gedenkfetischisten schon etwas heißen, der um keine Komponisten- oder Künstlerstätte bzw. -plaquette einen Bogen machen kann, sobald seine feine "Musiknase" sie erschnüffelt hat, und zum weiteren fällt mir wie Schuppen von den Augen, dass hier in friedlicher Nachbarschaft die sterblichen Überreste [sic!] der jeweiligen Nummer 2 unter den Virtuosen, sofern wir uns mit den beiden populärsten Soloinstrumenten begnügen wollen, beherbergt werden: Vom wahrscheinlich größten Geiger nach Paganini (wir sollten ihn fairerweise nicht an den wenigen späten Schallplatten-Aufnahmen messen) sowie vom vermutlich technisch-manuell überragendsten Pianisten nach Liszt - dies sowohl nach Rang wie nach Geburtsjahr.
    Danke vielmals an hart für dieses Aha-Erlebnis!


    Zu Carl Tausig sollte aus Pianoforte-Sicht noch ergänzt werden, dass seine Hauptbedeutung für die Pianistenausbildung / den Klavierunterricht in der auf 29 (aus 100) Etüden berechneten Auswahl von Muzio Clementis - nicht ohne Grund so berühmtem - Gradus ad parnassum liegt. Adolf RuthardsWegweiser durch die Klavier-Literatur von 1918, die Vorlage für Klaus Wolters' Handbuch, warnt zwar vor "teilweise großen Schwierigkeiten" des Tausig'schen Fingersatzes, nennt aber zugleich die editorische Leistung des Warschauers "vortrefflich".
    Erhellend ist übrigens auch, wie Carl Tausig, vom Hochmeister seiner Zunft, Franz Liszt, nachweislich als sein jemals bester Schüler tituliert - äquivalent dem Ritterschlag, da Liszt praktisch alle Talente von Rang persönlich kannte - seine eigene phänomenale technische Anlage in Beziehung zum pianistischen Können Liszts setzte und auf bescheidenste Art relativierte, indem er einem Vertrauten gestand, dass "nur ER, nur Liszt" am Klavier "über" allen technischen Schwierigkeiten stünde, während er, Tausig, sich immer noch "in" denselben befände. Diese Äußerung bürgt wohl - neben dem ehrlichen bewundernden Lob aus dem Munde Chopins - am gewichtigsten und mit der meisten Kompetenz aller vergleichbaren Aussagen dafür, dass Franz Liszt tatsächlich die legendenumrankte unerreichte Ausnahmestellung als Pianist besaß, für die sein Name in der Rezeptionsgeschichte seit spätestens den 1840er Jahren synonym ist (seinen allergrößten Triumphzug feierte er just in Berlin!).


    Zu Joseph Joachim schweifen meine Gedanken "back to the roots": Nach Kittsee nahe Bratislava, früher Preßburg, dessen Festung man von der Autobahn nach Kittsee erkennt, nachdem mir im vergangenen Sommer an einem für mich sehr speziellen Tag vergönnt war, das Geburtshaus des großen Geigenvirtuosen zu sehen. "Zu besuchen" wäre übertrieben, weil es leider nicht öffentlich zugänglich ist. Fast wäre dieses Erlebnis trotz vorheriger Abstimmung ausgefallen, weil mein "Chauffeur", ein in Wien wohnhafter Vetter meiner Mutter und renommierter Ägyptologe, vom Geburtshaus Joseph und Michael Haydns in Rohrau aus zunächst nach Süden (Richtung Neusiedler See) statt Osten tuckerte. Als wir dann schließlich vor Joachims "Wiege" parkten, auf die nirgends hingewiesen wird (!), blieb ein in seinem - hier unberechtigten - Stolz gekränkter Prof. im Auto sitzen, ohne dass ein Passant ihm irgendein Unbehagen hätte anmerken können, und das, obwohl er, nicht ich, einst das Geigenspiel erlernt hatte. "Ach, es ist nicht auszuhalten ... mit den Menschen ..." denkt der Brahmsianer in solchen Momenten.
    Nun wieder den Lebensfilm nach hinten gespult: Der fast 76 Jahre alte Joachim, von Edvard Grieg nur drei Wochen überlebt, nahm, was recht unbekannt sein dürfte, noch Ende Mai 1907, lediglich ein knappes Vierteljahr vor seinem irdischen Ende, an der feierlichen Eröffnung des Eisenacher Bachhauses teil (es wurde bis 1928 irrtümlich für das Geburtshaus gehalten). Von der Szenerie existiert auch ein Photo, auf dem J. J. vor dem Eingang stehen soll, was meine Augen nicht bestätigen können.
    Die gewählte Überschrift deutet für denjenigen Leser, der meine überzeugte Haltung zum damit verknüpften Thema inzwischen kennt (vgl. Rosemary Brown), schon an, dass die Gräber, so faszinierend gerade bei einem berühmten Musiker wie Joseph Joachim die Geschichten, die sie uns auf indirekte Weise erzählen, auch sein mögen, eine so unerbittliche "Botschaft" oberflächlich von ihnen auch ausgehen mag, dennoch gerade von Christen um keinen Preis als Endstation, ja nicht einmal als "Zwischenlager", wahrgenommen werden sollten. Aber weil ich ungeachtet sehr klarer Indizien bzw. Belege niemandem, der Scheu oder gar Widerwilllen bei diesem Thema verspürt - was vor einer Vertiefung vollkommen verständlich ist - zu nahetreten möchte, soll es bei ein paar kurzen Hinweisen sein Bewenden haben.
    Joseph Joachim taucht zwar nicht namentlich im Erstlingsbuch der Mrs. Brown auf (anders als sein Freund Brahms), wohl aber war er offenbar bei der Auffindung des Jahrzehnte lang verschollen geglaubten d-moll-Violinkonzerts von Robert Schumann Anfang der 1930er Jahre unmittelbar involviert. [Wie groß der Einfluss der Kath. Kirche, Urheberin der ganzen Tabuisierung, ist, beweist, dass der aktuelle Reclams Konzertführer zwar die Rezeptionsgeschichte dieses verkannten Werkes bis 1907 und ab der UA 1937 erwähnt, aber die zum Dogma konträren Abläufe in der Zeit dazwischen verschweigt]. Wenn ich oben "offenbar" geschrieben habe, so heißt das konkret, dass als Gewährsmann für das Ganze nicht irgendein Scharlatan, sondern immerhin ein leibhaftiger königlich-schwedischer Botschafter in London, zumal von Adelsstand, verantwortlich zeichnet: Baron Erik von Palmstierna (1877-1959). In seinem auf Englisch verfassten, 1937 in London erschienenen Buch "Horizons of immortality" beschreibt er im Anhangkapitel "Retrospect" in aller Ausführlichkeit, wie neben dem Komponisten R. S. selbst auch der gemeinsam mit Witwe Clara Hauptschuldige an der Unterdrückung eines großen Konzertes mittels medialer Botschaften an seine eigene Großnichte, die hochtalentierte, aber vom Schicksal gebeutelte Geigerin Jelly d'Aranyi, beim Auffinden des Manuskriptes mithilft, allem Anschein nach, weil ihn das schlechte Gewissen plagte. Das Manuskript wurde schließlich, mit vordergründig einer Menge Glück, in der Preußischen Staatsbibliothek Unter den Linden aufgefunden, die UA übernahm am 26.11.1937 Georg Kulenkampff unter Karl Böhm. Wer es lieber auf Deutsch lesen wil (und dabei auf manches Detail verzichtet), schaue in das bereits von mir vorgestellte Büchlein "Die veruntreute Handschrift" von Hellmuth von Ulmann.

  • Witwe Clara Hauptschuldige an der Unterdrückung eines großen Konzertes


    Lieber PianoForte,
    Vor einigen Jahren hatte ich das Schumannhaus in Bonn besucht und mir dort eine Broschüre von 40 Seiten mitgenommen, die sich unter anderem auch mit dem von Dir angesprochenen Violinkonzert befasst; der Titel des Büchleins (Erscheinungstermin 2003, Autor: Ulrich Mahlert):
    »Robert Schumann im Scheinwerferlicht nationalsozialistischer Ideologie« Auf Seite 34 finde ich dazu folgendes:


    »Daß Robert Schumanns Violinkonzert unpubliziert bleiben sollte, war eine Entscheidung, die Clara Schumann und Joseph Joachim nach Schumanns Tod trafen. Sie sahen in diesem Spätwerk erhebliche kompositorische Schwächen, die sie mit Schumanns geistigem Zusammenbruch im Jahr nach der Niederschrift in Verbindung brachten. Beiden war daran gelegen, Schumanns großen Namen nicht durch die posthume Herausgabe von Werken zu belasten, die einen Vergleich mit der sonstigen Höhe seines Schaffens angeblich nicht aufnehmen konnten. Hier soll nicht darüber spekuliert werden, weshalb Clara Schumann und Joseph Joachim die Spezifika des Werkes nur als Verfallserscheinungen zu betrachten und nicht als konzeptionelle Neuerungen eines Solokonzerts wahrzunehmen vermochten. Joachim formulierte 1898 in einem Brief an Andreas Moser über das Konzert: "Es muß eben leider gesagt werden, dass eine gewisse Ermattung, welcher geistige Energie noch etwas abzuringen sich bemüht, nicht erkennen läßt." Nach gelungenen Partien komme es zu "kränkelnder Grübelei." So merke man am Schlußsatz, "daß Gewohnheit, mehr als freudiger Aufschwung zur Entwicklung antreibt: Wiederholungen setzen ermüdend ein, und die glänzend gemeinten Figurationen zwingen der Solo-Violine ungewohnte, wirkungslose Arbeit ab." Das im Besitz Joseph Joachims befindliche Autograph des Violinkonzerts wurde nach seinem Tod (15. Juli 1907) von seinem Sohn Johannes Joachim an die Preussische Staatsbibliothek Berlin verkauft, und zwart unter der Bedingung, daß das Werk frühestens 100 Jahre nach Schumanns Tod, also nicht vor 1956, gedruckt werden dürfe.«


    Der Autor führt in seiner Schrift weiterhin an, dass »Vielerlei Bemühungen« - was immer sich auch hinter dieser Formulierung verbergen mag - dazu führten, dass diese Bedingung von Johannes Joachim 1936 aufgelöst wurde.

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