Beethoven - Klaviersonate Nr. 13, op. 27/1, Es-Dur


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    Aldo Ciccolini, Klavier
    AD: 1997
    Spielzeiten: 4:42-2:02-2:27-5:32 – 14:43 min.;


    Aldo Ciccolini gehört mit der Sonate Nr. 13 zu den Schnelleren im Lande, vergleichbar temporal ungefähr mit dem mittleren Brendel und Pollini. Von der dynamischen Spannweite her beginnt er sehr moderat, in einem vorbildlichen pp und moderaten Crescendi und pianistisch m. E. ohne Fehl und Tadel. Die Sforzandi sind im Andante bestenfalls bi mf, passen aber bestens zu dem sehr leisen Grundton.
    Das eingebettete Allegro ist sehr flott (0:39 min.) und dynamisch etwas weitgreifender. Hier wird das f wohl erreicht. Die Legatobögen sind perlend musiziert.
    In der Wiederholung des Andante fährt der die obere dynamische Grenze wieder zurück, und der Schluss (Takt 79) gehört wie bei den meisten pp-Experten zu den „jenseitigen“.


    Im Allegro molto e vivace deckt er sich mit dem mittleren Brendel, ist also etwas moderater als Pollini. Das p spielt er sehr gleichmäßig und die f-Schläge mit einem deutlichen Anfangsstaccato.
    Im Galopp-Teil geht er mit mittlerer Geschwindigkeit zu Werke, erreicht aber im Crescendo nicht das ff in Takt 50. Im zweiten Galoppteil, der wieder schön leise gespielt wird einschließlich des moderaten Crescendos, hört man wieder die Staccati sehr gut betont. Auch in der Wiederholung des Hauptthemas und im sempre ligato-sempre staccato fließt es in den gegenläufigen Dreier-Vierteln (danach Viertel-Viertel-Achtel mit vorgeschalteter Achtelpaus) munter dahin.
    Das Crescendo ist schön lang gezogen und er gelangt in Takt 132 zu einem deutlichen Fortissimo.


    Das Adagio con espressione ist mir etwas zu schnell, nur Backhaus ist da noch schneller, aber keineswegs besser, vor allem nicht in den ersten beiden Sätzen. Abgesehen von Tempo spielt Ciccolini diesen Satz dynamisch hervorragend.


    Im Finale, das wieder in einem moderaten Tempo daherkommt, drückt Ciccolini m. E. am Anfang etwas zu sehr auf die Dynamikbremse. Das Crescendo in Takt 29 hin zum f in Takt 31 könnte viel deutlicher sein. Auch die f-Schläge in Takt 53 und 55 sind mir zu leise, und im pp in Takt 70 beschleunigt er plötzlich unerklärlicherweise. Gleichfalls erreicht er das Forte erst in Takt 56, dafür aber deutlich. Seine Sforzandi sind insgesamt deutlich unter f-Niveau, dafür hätte ich mir manchen f-Ton deutlicher gewünscht. Da sitzt von der dynamischen Spannweite mehr drin. Ab Takt 144 geht es dann bim ff deutlicher zur Sache. Nach wie vor hervorragend ist das Spiel in den pp/ppp-Regionen, und im weiteren Verlauf setzt sich das musikalische Geschehen munter fort mit einem nun doch deutlichen dynamischen Aufschwung (Übergang) zum Einschub des Tempo I (Adagio), das mir, abgesehen vom neuerlich zu hohen Tempo, gut gefällt.
    Die kurze Presto-Coda ist auch in Ordnung.
    Was mich davon abhält, diese Aufnahme neben die eines Eric Heidsieck, John Lill, Claudio Arrau, Alfred Brendel (1962) oder Emil Gilels zu stellen, ist die in diesem Fall doch etwas häufiger auftretende dynamische Zurückhaltung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 N3. 1 „Quasi una fantasia“
    Dieter Zechlin, Klavier
    AD: 1966-68
    Spielzeiten: 4:49-1:57-3:10-5:51 – 15:47 min.;


    Dieter Zechlin spielt den Kopfsatz etwa im gleichen Tempo wie Ciccolini, dynamisch sehr treffend. Er beginnt im pp und spielt sehr vernehmliche Crescendi, an die sich die Sforzandi sehr gut anschließen, auch seine Decrescendi sin sehr schön, ebenso setzt er di Staccati und spielt auch die Bögen schön aus.
    Das in der Wiederholung variierte Thema spielt er sehr schön aus mit wiederum kräftigen dynamischen Akzenten, wobei er wieder die ganze Spannweite von pp bis f nutzt.
    Das Allegro ab Takt 37 kommt dynamisch ebenfalls fein austariert und die Bögen spielt er wieder sehr gekonnt und ebenfalls in ihnen die Crescendi ab Takt 49 und 59. Die Sforzandi sind genügend kräftig gesetzt, ohne dass der Hörer vor Schreck zusammenfährt.
    Auch das Tempo I mit den getauschten Thema und Begleitfiguren ist berückend gespielt, mit ausgeprägten Crescendi und Decrescendi bis hin zu den herrlichen 8 Schlusstakten.


    Das Allegro molto e vivace spielt er unmerklich schneller als Ciccolini, mit kräftigen Staccati an den Forte-Stellen und einem deutlich vernehmbaren Crescendo in den gegenläufigen Viertel-Triolen ab Takt 27. Auch der galoppartige Abschnitt ab Takt 42 ist rhythmisch fein vorgetragen, vielleicht hätte das Crescendo zum ff hin noch etwas ausgeprägter sein können.
    Auch im wieder etwas variierten Wiederholungsteil des Hauptthemas, das sempre Ligato/sempre staccato eingeschlossen, sind die Staccatovorschriften wieder gut eingehalten. Die Steigerung ab Takt 115 bis zum Schluss ist wieder sehr kraftvoll und rhythmisch.


    Das Adagio con espressione hebt im pp an und ist ungeheuer ausdrucksvoll gespielt, hier zeigt sich wieder einmal, dass man sich für ein herausragendes Ergebnis die nötige Zeit lassen sollte. Auch meine Lieblingsstelle in Takt 7 hat mich wieder richtig ergriffen. Die fortlaufenden Achteloktaven in der rechten Hand ab Takt 9 sind hervorragend gespielt und vor allem der Abschnitt von Takt 12 bis 17, also das Crescendo/Decrescendo hört man nicht immer so schön, vor allem nicht, wenn es zu schnell gespielt wird, etwa wie bei Ciccolini oder gar Backhaus.


    Das Allegro vivace kommt flott daher, wieder mit deutlichen Crescendi, vom p ausgehend, mit schön gesetzten Sforzandi. Sehr schön auch in den Sechzehntel-Sexten ab Takt 62 das Decrescendo in Takt 67, das zu einem veritablen pp/ppp führt, was man nicht immer hört. Hier ist es der Fall. Im nächsten Abschnitt wandeln sich die Sexten zu Oktaven, die er sehr schön staccatiert. Wobei er auch sehr genau die Sforzandi setzt. Nach den tiefen Achteln in Takt 106 und 107 wechselt das Thema nun wieder in die linke Hand, und die staccatierten Achtel-Oktaven in der rechten Hand lässt er munter fortlaufen, die dann in ein durchführungsartiges Fugato münden, dass Zechlin dynamisch und rhythmisch fein ausbalanciert hat. Die sich daran anschließenden Achteloktaven leiten zum neuerlichen Hauptthema ab Takt 182 über. Wieder rollen die Sechzehntel-Sexten ab Takt 230 dahin, bis sie ab Takt 250 von den auf und ab steigenden Achteloktaven mit ein Sforzando auf dem Spitzenton abgelöst werden, dann weiterführend zur großen Steigerung zum ff und dem Sforzando nach Takt 281 hin, Das zum Adagio-Einschub übergeht.
    Immer öfter ertappe ich mich dabei, dass ich während des ganzen Allegros schon auf diese herrliche Stelle warte, die Zechlin neuerlich ganz berückend zelebriert hat, nicht zu vergessen das kurze aber mitreißende Schlusspresto!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Sonata quasi una fantasia“
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: 14. 12. 2008 Hannover
    Spielzeiten 2008: 4:47-2:00-3:05-5:57 – 15:49 min.;
    Spielzeiten 1994: 4:45-2:02-3:07-5:54 – 15:48 min.;


    Ich habe zu dieser letzten Beethoven-Sonate, die Brendel in seinem aktiven Pianisten-Leben aufgeführt hat, als Vergleich die Zeiten der 14 ½ Jahre vorher entstandenen Aufnahme hinzugefügt.
    Das Ergebnis ist frappierend!!
    Brendel beschränkt auch hier in seiner letzten Live-Aufnahme seinen dynamischen Spielraum im ersten Andante-Teil, indem er die Sforzandi nicht voll ausreizt. Deswegen fallen auch die Decrescendi in den Takten 8, 15 und 19 moderat aus.
    In seinen eigenen Ausführungen zu seinem Programm verleiht er den verschiedenen Zeitmaßen Charaktere. So gibt er dem Andante des Kopfsatzes den Charakter eines Wiegenliedes, dem zufolge dieser Satz nicht entwickelnd, sondern statisch sei. Dazu passt m. E. der maßvolle Umgang mit der Dynamik.
    Trotzdem vermeine ich im dritten Abschnitt (Takt 9 – 12) etwas dynamische Bewegung zu verspüren. Wollt er es vielleicht nicht zu statisch werden lassen?
    Auch im fünften Abschnitt, den er wie die ersten vier traumhaft spielt, ist doch auch maßvolle dynamische Bewegung enthalten bei einem natürlich gleich bleibenden temporalen Grundpuls.
    Auch der erste Teil des wie „wetterleuchtenden“ Allegros, ein achttaktiger Abschnitt, geht am Anfang und am Ende höchstens bis zu einem mf, ohne jedoch etwas von seinem Schwung zu verlieren. Dazu passt auch das Crescendo in Takt 41 und 42. Etwas weiter vergleicht Brendel die Aufeinanderfolge der Charaktere (Tempi) mit etwas Traumhaften. Im Allegroteil des Traumes kommt dann im zweiten Abschnitt ab Takt 45 durch die Häufung der Sforzandi etwas mehr Dynamik ins Spiel mit einem wunderbar gespielten Bogen ab Takt 57, der ab 59 crescendiert wird und tatsächlich bis zu einem strahlenden Forte führt. Umso sanfter schließt sich wieder das Andante an, das dazu noch in vier gleich lange Variationen unterteilt ist, bevor in typisch Beethovenschen Humor die 8 Schlusstakte (wieder 8!) folgen, in denen Brendel die Vierteloktaven der Begleitung geringfügig schneller spielt als die Portatoviertel der rechten Hand, was dem ganzen einen wiederum wiegenden Rhythmus gibt (Abschluss des Wiegenliedes).


    Dem dunklen 2. Satz in c-moll gibt Brendel die Charakterbezeichnung „Nachtstück, dämonisch“. Hier geht er auch mit seiner dynamischen Steigerung in den ersten beiden Abschnitten, die jeweils wiederholt werden, etwas weiter. Die Steigerung ab Takt 27 bis zu den Fortetakten ab 37 ist sehr schön herausgearbeitet, dennoch ganz selbstverständlich, ganz natürlich. Der erste Teil des Galopps ist durch die Staccati sehr gut rhythmisiert, geht aber nicht bis zum Fortissimo, ein untrügliches Zeihen seiner Alterssicht, die da lauten könnte: „Fortissimo ist nicht alles“. Der zweite Teil des Galopps trägt schon beinahe Mendelssohnsche Züge. Man sieht die Kobolde förmlich umeinander hüpfen, also doch nicht allzu dämonisch.
    In der Wiederholung des Themas wird wieder variiert im sempre ligato/sempre staccato-Teil. Auch das spielt Brendel ganz souverän, steigert die Bewegung der musikalischen Figuren noch weiter, auch des Schlusscrescendo ab Takt 115 kommt stetig, aber doch nicht ganz bis zum ff (s. o.).


    Das Adagio con espressione („Erhabener Gesang“) ist weder einmal grandios. In den beiden Recitals im Mai 2008 in Köln und im Juli 2008 in Flensburg (SHMF) hatte ich es ja live erleben dürfen, und da wurden meine Augen genauso feucht wie hier bei m Nachhören des Hannover-Recitals.


    Im Allegro Vivace („Kraftvoll-gezügelte Freude“) erreicht Brendel einen wunderbar-natürlichen Fluss, dynamisch sehr abwechslungsreich und ausgewogen und erreicht nach den schier endlosen Sechzehntelfiguren, denen die Achtel gegenüberstehen und die auch mal die Hände wechseln, doch noch im Schlussanstieg kurz vor dem Adagio-Einschub doch noch das Fortissimo.
    Noch einmal dieses zum Niederknien schöne Adagio und dann das Schlusspresto („Kehraus“).
    Nicht nur das Hannoversche Publikum war begeistert. Ich weiß allerdings nicht, ob das, was auf den CD’s ist, alles ist, was er in Hannover gespielt hat. In Köln und Flensburg hat er alles gespielt, was auf den beiden CD’s von Wien und Hannover verzeichnet ist, also Haydn, Mozart, Beethoven Schubert und die Zugaben!
    An dieser Stelle gilt erst mal mein Bewertung: ganz große Klasse!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Lieber Willi,


    da hast Du uns Brendels Aufnahme so schön nahe gebracht, so daß ich mich frage: Warum hast Du diese Aufnahmen nicht in Deiner Sammlung? :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Lieber Holger, ich lese deine Frag erst jetzt und kann dir nur antworten:


    ich habe sie ja jetzt in mener Sammlung, sonst hätte ich sie nicht besprechen können.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

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  • Beethoven: Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27, Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Gerhard Oppitz, Klavier
    AD: 10. 11. 2004
    Spielzeiten: 5:35-1:59-2:48-5:12 -- 15:34 min.;


    Gerard Oppitz offenbart im Andante einen wunderbar warmen Klang und lässt sich Zeit, diese Eröffnung langsam auszuschreiten. Er beginnt mit einem veritablen pp und dementsprechend sind auch die Sforzandi moderat. Auch den dritten Abschnitt von Takt 9 bis 17 spielt er wunderbar weich, entspannt und verträumt, wobei er die dynamische Spannweite beibehält.
    Auch die zweite Hälfte des Andante (Takt 21 bis 36) mit dem dreimal variierten Thema bleibt unter diesem herrlichen nocturnen Stimmungsbogen.
    Der erste Teil des Allegros (Takt 37 bis 44) huscht schnell vorbei, womit er einen starken temporalen Kontrast setzt. Im zweiten Teil (Takt 45 bis 63 bleibt es bei diesem temporalen Kontrast, und obwohl dieser Teil dynamisch höher steht, übertreibt er wiederum in den zahlreichen Sforzandi nicht, obwohl sie markant und präzise kommen.
    Der Schlussabschnitt schließt nahtlos an das anfängliche Andante an- Lyrik pur, die in einem verhauchenden Piano pianissimo endet.- Herrlich!!


    Der erste Teil des Allegro molto fließt in einem nicht allzu schnellen Tempo munter dahin mit wiederum moderater Dynamik, der erste Galoppartige Abschnitt desgleichen, im zweiten offeriert er in dem schön ziselierten Fortgang mustergültig, wie ein Crescendo deutlich als Solches wahrgenommrn werden kann, wenn es aus dem tiefen pp kommt und höchstens bis zum mp reicht.
    In der Wiederholung des Hauptthemas, das nun ab Takt 89 im sempre ligato/sempre staccato steht, tritt auch dieses in seinem exzellenten Spiel mustergültig hervor, und hier führt die lange Steigerung über 26 Takte tatsächlich bis zum ff.


    Das Adagio ist schlichtweg grandios!


    Das Allegro vivace nimmt er rasch und dynamisch natürlich auch höher stehend als die voran gegangenen Sätze. Bestechend immer wieder seine Läufe, hier die durchgehenden Sechzehntel. Auch aus dem pp heraus (hier ab Takt 165, p notiert), erhebt sich ab Takt 189 federleicht ein Crescendo, ab Takt 240 desgleichen, glanzvoll perlend auch der Abschnitt ab Takt 250 mit dem großen Crescendo ab Takt 276, das zum Adagio-Einschub führt. Dieser ist wieder so meisterhaft musiziert wie im Originalsatz.
    Dann folgt die kurze Presto-Coda, und, was Wunder, auch hier fliegen nicht die (dynamischen) Fetzen, sondern alles endet in einem äußerst klug disponierten dynamischen Konzept.
    Dies ist eine Aufnahme so recht nach meinem Geschmack, in dem Oppitz sein großen lyrischen Ausdrucksmöglichkeiten, gepaart mit einem hervorragenden Anschlag, großer struktureller Klarheit und großem pianistischen Können offenbart.
    Ich konnte im Ausdruck und in der Dynamik manche Ähnlichkeit mit Brendels letzter Aufnahme vom 14. 12. 2008 aus Hannover feststellen. Auch in der Gesamtdauer steht er dieser Aufnahme nahe, ist aber sonst, was den Kopfsatz und das Finale betrifft, näher bei Gilels.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Vladimir Ashkenazy, Klavier
    AD: 1978
    Spielzeiten: 5:33-1:59-3:05-5:13 -- 15:48 min.;


    Vladimir Ashkenazy offenbart hier vom ersten Ton des Andante an seine hervorragenden lyrischen Fähigkeiten und entwickelt alles aus einem wirklichen Pianissimo heraus. Alles ist sehr zart, in einem warmen, dunklen Klang, besonders im dritten Abschnitt (Takt 9 bis 12). Auch die Crescendi und Sforzandi passt er dieser dynamischen Kuppel an, und auch von einem gemäßigten Sforzando aus (Takt 19) ist ein berückendes Decrescendo möglich.
    Und blitzartig vergrößert sich die dynamische Kuppel im Allegro ab Takt 37- ein herrlicher Kontrast zum voraufgegangenen zarten Andante stellt dieses kraftvolle Allegro dar.
    Auch die Wiederholung Tempo I , die den Bogen zurück schlägt zum ätherischen Anfang, ist wieder sehr bewegend musiziert, und die letzten acht Takte (ab 79) ganz überragend. So eine soghafte Wirkung kann man nur entfesseln, wenn man diese Stell im richtigen (langsamen!!) Tempo spielt.


    Im Allegro molto e vivace, das er langsamer nimmt als Gilels, etwa gleich wie Brendel (II, III,IV), schraubt er das dynamische Niveau wieder etwas zurück. Zu seiner Lesart passt auch Brendels Bezeichnung "Nachtstück, dämonisch". Diese Aufnahme ist nur kurz nach Brendels zweiter Aufnahme entstanden. Auch in den beiden Galoppteilen bleibt er dynamisch moderat, spielt es aber sehr akzentuiert, man denkt dabei aber weniger an Dämonen als vielmehr an Kobolde.
    Auch das sempre ligato-sempre staccato ist sehr fein musiziert, und erst im Crescendo ab Takt 114 bewegt sich der dynamische Zeiger in Richtung Fortissimo.


    Das Adagio möchte ich ebenfalls (wie das von Oppitz) als grandios bezeichnen, wobei für mich an Positivem noch das etwas langsamere Tempo hinzukommt, wirklich, wie Brendel titelte "Erhabener Gesang".


    Im Allegro vivace ist er erheblich schneller als Brendel und Gilels, die das gleiche Tempo haben und er ist auch noch etwas schneller als Kempff. Aber mir gefällt dieses Tempo. Die durchlaufenden Sechzehntel ab Takt 62, die mit den Achteln mal in der rechten, mal in der linken Hand auftauchen, sind furios musiziert. Da fällt schon mal das eine oder andere Sforzando magerer aus (Tackt 83 und 85). Das ist ein furioser, virtuoser Lauf, der erst in der letzten Steigerung ab Takt 276 zur Ruhe kommt, um dem himmlischen Adagio nochmal das Wort zu geben, bevor ein abermals virtuoses Presto den Schlussakkord setzt!


    Eine großartige Interpretation, in der dieser russische Pianist (seit 1972 isländischer Staatsbürger)
    die "Pranke" nicht herausholt, sondern alles dem besonderen dynamischen Kuppelbau dieser herrlichen Sonate unterordnet und so ein äußerst geschlossenes Ergebnis erreicht.
    Bis auf das Adagio haben seine Sätze gleiche Ausmaße wie die von Gerhard Oppitz.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 19. 09. 2010
    Spielzeiten: 5:02-1:47-2:25-5:07 -- 14:21 min.;


    Buchbinder beginnt das Andante um Einiges schneller als Gilels und Korstick, aber etwas langsamer als Brendel. Sein Anschlag ist sanft und sein Pianissimo ist durchgehende, die Steigerungen moderat, der Klang rund und dunkel. Auch die Decrescendi, z. B. im dritten Abschnitt des Andante in Takt 15/16 und 19/20 ist sehr beeindruckend.
    Auch im nächsten Abschnitt, der aus der Wiederholung des Themas und drei Variationen besteht, behält er die intime Atmosphäre des Satzes schön bei und gestaltet die Steigungen nicht extrem, aber doch sehr klar und auch die Decrescendi sehr deutlich.
    Im Allegro dehnt er naturgemäß den dynamischen Raum aus, behält aber seinen runden, sonoren Klang bei, in der Höhe licht perlend. Er schlägt hier ein rasches Tempo an und führt die Legatobögen sehr schwungvoll aus.
    Auch die neuerliche Wiederholung des Themas mit drei wiederum anderen Variationen (deshalb nicht als Reprise zu bezeichnen) führt er unter dem gleichen dynamischen Dach aus, ohne allerdings in den "berühmten" letzten 8 Takten an die soghafte Wirkung Ashkenazys (der diese Stelle im richtigen! Tempo spielt), auch nur heranzureichen.


    Das Allegro molto e vivace spielt er durchaus nach der Satzvorschrift, in gutem Piano, mit stärkeren Crescendi als im Kopfsatz, aber auch nicht übertrieben, gibt jedoch dem musikalischen Geschehen einen gehörigen Schub.
    Der galoppartige Abschnitt ist sehr luftig und leicht gespielt, mit einer gewissen Grazie, der Abschnitt sempre ligato-sempre staccato sehr gut, wie überhaupt seine Staccati meisterlich sind. Zum Schluss folgt ein kräftiger Aufschwung.


    Das Adagio spielt er auch sehr feinfühlig ohne zu große dynamische Ausschläge in den Rinforzandi und Sforzandi, aber es erzeugt in mir wegen des relativ hohen Tempos nicht die emotionale Wirkung, die Oppitz oder Ashkenazy hervorrufen.


    Im Finale ist Buchbinder temporal ganz nahe bei den zuvor Genannten, sie sind alle nur ein oder zwei Sekunden auseinander, und es fließt auch hier bei ihm munter voran, nach wie vor unter der allen Sätzen gemeinsamen dynamischen Kuppel. Wieder einmal erinnern mich die hüpfenden Sechzehntel-Sexten ab Takt 62 an die Kobolde in Mendelssohns Musik, schön hier auch wieder sein Staccato-Spiel. Auch nach einem durchführungsartigen Teil fließt das Zusammenspiel der Sechzehntel, jetzt in Oktaven und der tongleichen Achtel munter vorwärts strebend dahin und mündet in die große Steigerung vor dem neuerlichen Adagio, bei dem ich wieder das langsamere Tempo vermisse, das Schlusspresto ist dagegen wieder in Ordnung.


    Eine Einspielung, die m. E. ihre Meriten hat in den schnelleren Sätzen, einschließlich des Andante ohne dessen Schluss (s. o.), das mir aber mit einem langsameren und dadurch mehr in die Tiefe gehenden Adagios noch besser gefallen hätte!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Tatjana Nikolajewa, Klavier
    AD: Moskau 1983
    Spielzeiten: 5:17-2:00-2:43-7:52 -- 17:42 min.;


    Tatjana Petrowna Nikolajewa spielt das Andante ganz entspannt in wahrem Pianissimo. Sie setzt die Crescendi moderat, lässt die Musik gleichmäßig ruhig fließen. Hier spielt jemand, der mit sich selbst und er Welt im Reinen ist.
    In ihrer Vita las ich, dass sie mit 69 Jahren gestorben ist. Mein Gott, was hätte sie auf dem von Frauen äußert dünn besetzten Feld der Beethoven-Sonaten noch erreichen können wenn sie länger gelebt und dementsprechend bekannter geworden wäre.
    Sie spielt mit einem Ebenmaß, wie man es selten hört, überhaupt ist es die erste Aufnahme einer Pianistin, die ich von der Nr. 13 höre. Auch die Variationen Takt 21 bis 36 gehen ihr federleicht von der Hand, wie einer Bach- oder Mozart-Pianistin. Bach hat sie, soviel ich weiß, mehr gespielt als Mozart.
    Auch im Allegro begrenzt sie die dynamische Spannweite auf maximal mf in der Höhe, während im tiefen Bereich pp ihr keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Aber rhythmisch ist ihr Spiel sehr ausgefeilt, und auch die Legatobögen gehen ihr leicht von der Hand.
    Auch das Tempo I ab Takt 63 spielt sie derart leicht und zart, dass ich mir mehr von ihr wünschen würde. Aber an CD's von ihr ist derzeit kaum ranzukommen. Ihr Tempo I mit den drei Variationen des Hauptthemas und dem jenseitigen Schluss ist ein einziger Steigerunglauf des Espressivo- wunderbar!!


    Das Allegro molto e vivace spielt sie in dem selben dynamischen Rahmen, den sie für das Andante gewählt hat, klar erkennbare dynamische Steigerungen und Senkungen, aber nicht überbordend. Es ist alles in einem wunderbaren Fluss.
    Der galoppartige Teil ab Takt 42 ist ganz entzückend. Die Staccati in der rechten Hand klingen fast wie verkappte Sforzandi- eine schöne Idee! Auch der zweite Teil der Galoppsequenz ist so zart gesponnen, dass es eine Freude ist. Die sempre ligato-sempre staccato-Sequenz ist äußerst souverän gestaltet und öffnet die dynamische Schere etwas weiter.


    Das Adagio ist äußert expressiv gespielt, zwar nicht so langsam, aber luzide und von großer Zartheit. Sie spielt die Musik, als wenn sie zerbrechlich sei, aber das mit äußerster Ausdruckskraft.


    Auch das Allegro vivace hüllt sie in dieses äußerst lyrische Gewand. Der Abschnitt Ab Takt 62, wo sie von einem pp aus nochmal decrescendiert, ist unglaublich. Im nächsten Abschnitt hebt sie die Dynamik wieder an, und das ist ausgehend vom pp schon genug. Diese Staccato-Sequenz ist meisterhaft gespielt. In der Wiederholung bleibt sie in dem gleichen dynamischen Bereich, und das ist, ausgehend vom pp, schon genug. Sie ist wohl felsenfest von dieser lyrischen Herangehensweise an die Partitur überzeugt. Da ist nicht ein einziges Mal die "russische Pranke" im Spiel, bei dieser Sonate sowieso nicht. ich bin mal gespannt, wie es bei den anderen Sonaten sein wird. Ihre pp-Kultur ist auch im Schlusssatz atemberaubend, wie z. B. in den Takten 234 bis 239 wieder deutlich wird. Selbst der Aufschwung in Takt 276 bis 281 hat schon ganz anders gescheppert. Dann wieder das Tempo I - großartig! und zum Schluss das Presto sehr keck!


    Eine Aufnahme so recht nach meinem Geschmack!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    eine wunderschöne Rezension, die Lust macht zum Nachhören! :) Nur als Anmerkung für Leser, denen T. Nikolajewa kein oder kaum ein Begriff ist: Die wohl bekannteste und allgemein sehr geschätzte Aufnahme von Tatjana Nikolajewa ist ihre Einspielung der Präludien und Fugen von Schostakowitsch. Zu ihren bekanntesten Schülern zählt Nikolai Lugansky. :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

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  • Heute habe ich mit Beethoven mal eine Pause gemacht und ganz etwas anderes gehört: Luigi Nono Il canto sospeso. :)


    Es gibt von Arrau noch einige Mitschnitte, die ich doch nicht unerwähnt lassen wollte:



    Dieser BBC-Mitschnitt ist auch deshalb so besonders, weil er Arraus einziges Dokument von Schönberg enthält.


    Dann gibt es noch diesen bemerkenswerten Mitschnitt aus Lugano von 1971 (auch als MP3-Download zu haben):



    Schöne Grüße
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Bruno Leonardo Gelber, Klavier
    AD: 26.-27. Oktober 1987
    Spielzeiten: 4:27-2:08-2:45-5:13 -- 14:26 min.;


    Bruno Leonardo Gelber beginnt, wie ich ihn vom Podium kenne, mit einem zarten pp- Anschlag, der ihm Spielraum nach oben lässt. Er spielt das Andante relativ zügig, aber ohne jede Hast. Er beachtet die dynamischen Vorgaben genau, lässt sich aber im ersten Crescendo noch Platz nach oben.
    Auch in der Achtel-Sequenz von Takt 9 bis 12 ist sein Spiel klar, sanft und abgeklärt.
    Schön und strahlend kommt auch der nächste Abschnitt in der höheren Lage von Takt 12 bis 20.
    im Variationsabschnitt ab Takt 21 spielt er ab Takt 25 die Achtel in der rechten Hand etwas pointierter, als ich es schon verschiedentlich gehört habe. Auch hier geht er in den Crescendi etwa bis zum Mezzoforte.
    Der Grund wird im nachfolgenden Allegro deutlich. Um einen temporalen Kontrast zum zügigen Andante herzustellen, spielt er das Allegro sehr rasch und virtuos, und als dynamischen Kontrast wählt er nun zum Auftakt und in den Sforzandi ein veritables Forte. Auch die Legatobögen sind mit sehr viel Schwung gespielt.
    Im nun wieder anders variierten Tempo I vermeine ich nochmals eine Steigerung im Ausdruck festzustellen, das ist alles atemberaubend und in den hohen Lagen sehr kristallin gespielt mit grandiosen 8 Schlusstakten.


    Im Allegro molto e vivace schlägt er ein etwas gemäßigteres Tempo an, sehr entspannt und mit einem sehr leisen Piano, so dass auch die jeweils 3 Fortetakte nicht zu laut sind. Auch der erste galoppartige Abschnitt ist fein gezeichnet und mit einem Crescendo, dass eher nur bis zum Forte reicht. Die dynamische Spannweite ist auf Grund des maßvollen Beginns groß genug. Auch der zweite Abschnitt Takt 55 bis 72 ist großartig. man stellt sich vor, in der Dämmerung die Mendelssohnschen Kobolde durchs Geschehen hüpfen zu sehen. Auch die Wiederholung des Hauptthemas im sempre ligato- sempre staccato ist großartig gespielt und mündet in eine nun kräftige Schlusssteigerung.


    Das Adagio con espressione ist grandios gespielt, wenn auch etwas schneller als mancher andere, aber dafür mit unendlichem Ausdruck, vor allem im Pianissimo und vor allem in meinen geliebten Takten 5 bis 8. Auch der Crescendo-Lauf der hohen Oktaven ist zum Niederknien.


    Temporal ist nun im Allegro vivace endgültig der Gipfel erreicht, und so lässt es Gelber nun nach Herzenslust schnurren, wirft die Sforzandi präzise in die trommelnden Staccati hinein, auch hier das nun sehr abwechslungsreiche dynamische Geschehen genau beachtend. Der ganze Abschnitt ab Takt 76 ist ein einziger dynamischer Steigerungslauf mit einzeln eingeworfenen Synkopen- großartig.
    Auch in der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 108, die wiederum durch präzise Sforzandi besticht, sind vereinzelt die Synkopen zu vernehmen, was die ohnehin erhöhte Rhythmisierung dieses Satzes noch verstärkt. Weiterhin sehr eindrucksvoll, wie er die Subito-Piano-Stellen strikt beachtet. Vor allem fließt sein ausdrucksvoller lebensbejahenden Vortrag unbeirrt drängend vorwärts, um so erstaunlicher diese Auffassung, wenn man sie auf dem Hintergrund seines gesundheitlichen Schicksals betrachtet. Und so läuft dann alles auf die große Steigerung vor dem Adagio-Einschub zu, der mich noch mal stark anrührt, ebenso wie das Schlusspresto. Gelber kann langsam und schnell, leise und laut- eine tolle Interpetation!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:


    P.S. Leider lässt sich das Cover momentan nicht posten.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 12 Es-dur op. 27 Nr. 1, "Sonata quasi una fantasia"
    András Schiff, Klavier
    AD: 24. April 2005
    Spielzeiten: 5:20-2:03-2:36-5:46 -- 15:49 min.;


    András Schiff beginnt die Sonate, wie ich finde, sehr zart, schön im pp gehalten, sehr klar im Klang, mit moderaten Crescendi, in der Begleitung auch die Sforzandi in der Begleitung nicht unterschlagend. Auch in den weiteren variierten Abschnitten (Takt 9 bis 12 und 13 bis 16 sowie 17 bis 20, bleibt er bei diesem dynamischen Spielraum. Er spielt die Crescendi und Sforzandi, aber moderat. Ähnlich wie Brendel in seine letzten Aufnahme 2008 zu den einzelnen Sätzen "Überschriften" formuliert, hält es Schiff (der das übrigens nicht von Brendel abgeschaut hat, denn seine Aufnahme entstand3 1/2 Jahre vorher). Er ordnet den einzelnen Sätzen Temperamente zu , in diesem Fall dem Andante die "entspannte Sanglichkeit". Genauso ist auch Schiffs Vortragsstil in diesem Satz, entspannt und sanglich (allerdings nicht nur bei ihm).
    Auch die vier folgenden Variationen in Takt 21 bis 36, jeweils 4 Takte, wie vorher auch (ich sprach übrigens in dem Zusammenhang an anderer Stelle mal von den mathematischen Strukturen in Beethovens Sonaten) setzt sich dieser überaus lyrische Vortrag fort, wobei die Crescendi vielleicht um ein Ideechen stärker ausfallen.
    Im eingeschobenen Allegro erhebt er natürlich die Stimme etwas stärker, schon bis zum moderaten Forte, aber im Tempo bleibt er immer noch entspannt. Die Sforzandi reißt er ganz kurz und scharf an. Das hört man auch nicht immer so. Die Legatobögen spielt er vorbildlich aus.
    Auch die nächsten vier Variationen in Tempo I ab Takt 63 sind ganz großartig gespielt, ebenso die acht Schlusstakte- hohe Pianokunst!


    Im Gegensatz zum Andante, in dem er etwas schneller ist, spielt Schiff das Allegro molto e vivace wesentlich langsamer als Emil Gilels. Es stimmt alles, was er über den Klang sagt "düster- ja, dämonisch", aber mir fehlt am Ende einer Phrase dann doch das veritable Forte in den drei Abschlusstakten (Takt 13 bis 15, 37 bis 39). An der zweiten Stelle ist es noch auffälliger, dass nämlich das Forte am Ende eines 10-taktigen Crescendos überhaupt nicht "auffällt".
    Die galoppartige Stelle (Schiff bezeichnet sie als "Reitermusik") ist wieder sehr schön musiziert, die synkopischen Viertel-Staccati crescendierend sehr treffsicher gesetzt, allerdings geht es nicht bis zum ff. Das finde ich aber auch gar nicht schlimm. So fällt die Stelle nicht aus dem dynamischen Zusammenhang heraus. Auch der zweite Teil, quasi als Echo noch eine Dynamikstufe leiser, gefällt mir sehr gut. Auch hier geht er mit der Steigerung wieder sehr moderat um.
    In der Wiederholung des Allegros stellt Schiff die Forte-Stellen etwas höher und erreicht auch in der Schlusssteigerung in etwa das Fortissimo.


    Das Adagio spricht mich, vor allem temporal, überhaupt nicht an. So gerät auch das temporale Binnengefüge der Sätze etwas in Schieflage. Wenn das Adagio nur eine halbe Minute länger dauert als das Allegro molto e vivace, dann ist das in meinen Augen nicht in Ordnung. Selbst Buchbinder, der noch etwas schneller ist als Schiff, schlägt aber im Allegro ein ganz anderes Tempo an als Schiff (1:47:2:03), und sein Adagio ist m. E. auch ausdrucksstärker als das Schiffsche.
    Bei Gilels ist der Unterschied noch krasser. Er spielt das Allegro in 1:40 und das Adagio in 3:11. Das passt wie das weltberühmte Gesäß auf das ebenso berühmte Gefäß.
    Schiff äußert sich selbst auch über das Adagio in für mich nicht zufriedenstellender Weise:
    Zitat: "Sosehr dieses "Adagio con espressione" viel Tiefe und Würde aufweist, so darf es doch nicht verweilen und sich in die Breite ziehen".
    Ich finde, um diesem Satz die optimale "Tiefe und Würde" angedeihen zu lassen, ist die zeitliche Komponente eine mitentscheidende. Haben denn die folgenden Herrschaften in Schiffs Augen alles verkehrt gemacht:
    Barenboim 66/69: 3:05, Brendel 94: 3:07, Gilels 3:11, Korstick 3:15, Arrau 84: 3:23, Arrau 62: 3:28, Gould: 3:47 min? Ja ich habe hier auch Gould erwähnt, weil dieser Satz in meinen Augen einer der besten ist, den er von Beethoven je gespielt hat.


    Im Finale hingegen, "Allegro vivace", ist Schiff zum Teil erheblich langsamer als etliche seiner Kollegen. Das hätte er durchaus etwas flotter spielen können. In Takt 51 vermeine ich sogar ein kurzes Ritartando zu hören. Schiff selber nennt das korrespondierende Temperament nach dem "nächtlichen Zauber" im Adagio nun die "Lebensfreude, den Aufschwung". Pianistisch nennt er es ein Bravourstück. Es scheint mir beinahe, wenn ich das Tempo betrachte, dass Schiff sich an seine eigenen Worte hält und die "technischen Herausforderungen richtig" dosiert. Aber nun genug der Kritik.
    Dynamisch und strukturell ist das sehr schön gespielt. Die Staccati und die Sforzandi kommen, und in der Wiederholung ab Takt 108 kommt er aus dem tiefsten pp-Keller. Die dynamische Bewegung steigt nun an und erhöht sich in der Durchführung noch. Dennoch fällt mir auf, dass das in einem Allegro vivace zu brav ist. Auch in der Reprise geht es in diesem eher gemütlichen Tempo weiter, zu der auch in Takt 280/81 die unheimlich lange Fermate passt.
    Wenn man dann das Tempo I hört, ist der temporale Kontrast beileibe nicht so groß wie bei etlichen anderen Pianisten (s. o.).
    Auch das Presto ist kein Presto.


    Schade, aber nach dem ausgezeichneten Andante mit dem sehr schönen eingeschobenen Allegro hatte ich wesentlich mehr erwartet, als ich hinterher zu hören bekam.


    Liebe Grüße


    Willi :):(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat: "Sosehr dieses "Adagio con espressione" viel Tiefe und Würde aufweist, so darf es doch nicht verweilen und sich in die Breite ziehen".
    Ich finde, um diesem Satz die optimale "Tiefe und Würde" angedeihen zu lassen, ist die zeitliche Komponente eine mitentscheidende.


    Lieber Willi,


    Anspruch und Wirklichkeit müssen eben doch zur Deckung kommen! Ich werde mir dieses Schiff-Abenteuer auch noch zu Gemüte führen. Mal sehen, wie das bei mir ankommt! :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1, "Quasi una fantasia"
    Paul Lewis, Klavier
    AD. 2007
    Spielzeiten: 4:55-2:10-2:42-5:46 -- 15:23 min.;


    Paul Lewis ist im Tempo etwas langsamer als sein Lehrer Alfred Brendel, und zwar in allen Sätzen außer dem Adagio, wo er geringfügig schneller ist. Er produziert einen sanft singenden Ton und spielt in dem ersten Crescendo ab Takt 6 eine gleichmäßige Steigerung bis zum f. In Takt 10 spielt er ebenfalls eine kleine Steigerung auf den Portatonoten. Ansonsten ist seine Dynamikbehandlung bis dahin in Ordnung. Er spielt mit feinem Ausdruck und zeigt, dass er von seinem Lehrer viel über lyrischen Ausdruck gelernt hat.
    Auch in der Wiederholung des Themas und den drei Variationen hin zum Allegro spielt er weder mit erlesenem Ton und wunderbarer Dynamikentfaltung.
    Das Allegro spielt er rasch und mit gesteigerter Dynamik, mit deutlichen Sforzandi, rhythmisch prägnant und schönen Legatobögen.
    Im Tempo I spielt er wie er sehr ausdrucksstark und singbar mit vielleicht noch schöneren Legatobögen als zuvor und einem großartigen Abschluss in den letzten 8 Takten.


    Das Allegro spielt er in entspanntem Tempo, aber mit großer dynamischen Spannweite, die Einiges an Dramatik erzeugt in den jeweils abschließenden drei Fortetakten.
    Im ersten Teil des Galopps entfaltet er eine kräftige Steigerung in den Staccato-Vierteln bis hin zum Fortissimo. Auch im zweiten Teil im pp mit dem moderaten Crescendo ab Takt 66 führt er das Staccato schön fort- ein sehr schöner Mittelteil! Auch die Wiederholung mit dem sempre ligato-sempre staccato ist exquisit musiziert mit einer großartigen Schlusssteigerung von Takt 115 bis Takt 140.


    Sein Adagio con espressione ist con molto espressione, grandios, schön zum Niederknien, und das ist nicht Brendel einfach nachgemacht, weil manchmal behauptet wird, sondern das ist sein ganz eigenes Spiel, das kommt aus seinem Inneren, sonst würde es nicht beim Hörer (bei mir) diese Wirkung hervorrufen.


    Im Finale spielt er das gleiche Tempo wie Brendel in seinen Versionen II, III und IV. Er arbeitet sehr schön den durch die vielen Staccatonoten im ersten Teil hüpfenden Rhythmus heraus. Sehr gut ist ihm auch die zweite Sequenz gelungen mit den wechselnden Intervallen in den Sechzehnteln der rechten Hand und der dann folgenden Jubelgesang in den Oktaven-Staccati der rechten Hand, sehr klar begleitet von den Sechzehntelfiguren in der linken Hand. Auch im Finale weitet Lewis die Dynamikgrenze wieder nach oben aus, was auch sehr schön am durchführungsartigen Teil ab Takt 132 deutlich wird. Nach der abermaligen abwechslungsreichen Oktavensequenz ab Takt 147 (in beiden Händen) und dann ab 155 (links) und dann ab 161 mit Auftakt wieder rechts bis Takt 192 setzt dann der Reprisenteil in der tiefen Oktave ein, und das musikalische Geschehen setzt sich mit den wechselnden Tonintervallen munter fort, bis in Takt 254 die Oktaven wieder das Kommando übernehmen. Lewis hält das Ganze wunderbar in Fluss und strukturell transparent, und die letzten 20 Takt sind eine grandiose Steigerung bis zum Übergang in Takt 281.
    Dann folgt noch einmal das ergreifende Adagio, das mich wirklich ergreift, und die schwungvollen 20 Schlusstakte im Presto.


    Eine tolle Leistung1


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Maria Joao Pires, Klavier
    AD: Juni 2000
    Spielzeiten: 4:50-1:48-3:02-5:55 -- 15:35 min.;


    Maria Joao Pires verbreitet in dieser Aufnahme zur Jahrtausendwende von Anfang an eine pastorale Stimmung, die noch aus dem alten Jahrtasuend stammen muss. Aus dem tiefsten Pianissimo entfaltet sie eine doch beträchtliche dynamische Spannweite bis zum f in Takt 7. Ihr Ton ist klar und gleichzeitig intim. Auch sie spielt, wie Paul Lewis, ein ganz leichtes Crescendo auf den vier Portatonoten in Takt 10. In den folgenden beiden Variationen entfaltet sie ihre ganze Legatofähigkeit, und sie kann natürlich ihre Herkunft als eine der maßgeblichen Mozart-Pianistinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht verleugnen. Ihre stupende Technik ermöglicht es ihr, sich ganz dem Ausdruck zu widmen. Auch die Wiederholung des Themas mit seinen drei Variationen spielt sie ganz hervorragend.
    Auch das eingeschobenen Allegro ist äußerst souverän und virtuos gespielt. Sie spielt die Sforzandi in den Takten 45 bis 56 runder als andere, trotzdem markant und die Legatobögen grandios. Das Tempo I ist ebenso überzeugend wie alles Vorherige und die letzten acht Takte wie von einem anderen Stern. Wenn das so weiter geht, werden die fünf Damen, die ich hier am Start habe: Leonskaja, Nikolajewa, Pires, Uchida und Ugorskaja den Herren schon zeigen, dass Beethoven nicht nur für Männer ist.


    Im Allegro molto e vivace richtet sie sich ganz nach der Satzbezeichnung und legt mächtig los, etwa im Tempo von Gilels. Auch dynamisch bewegt sie sich an der oberen Grenze des Piano, so dass die jeweiligen drei Fortetakte nicht so herausragen wie z. B. bei Paul Lewis. Die Dramatik ergibt sich aus dem ganzen Satzablauf.
    Anders als bei Paul Lewis' "versammelten Galopp" handelt es sich bei Maria Joao Pires in der Galopp-Passage um einen "starken (schnellen) Galopp", der aber äußerst schwungvoll und präzise ausgeführt ist. Auch im zweiten Teil der Galopp-Passage ist das einsame Crescendo nur marginal, um diesen herrliche geisterhaften Spannungsbogen nicht zu zerstören. In der Wiederholung des Allegros mit dem sempre ligato-sempre staccato kann Pires wiederum überzeugen, auch mit der schönen Schlusssteigerung.


    Das Adagio con espressione ist äußerst ergreifend und voll tiefen Zaubers gespielt. Damit braucht sie sich vor keinem zu verstecken, den ich bisher besprochen habe. Ich glaube, das kann man nicht besser spielen.


    Auch das Allegro bleibt auf hohem Niveau. Es beginnt im normalen p, und die Crescendi fügen sich spielerisch schwungvoll ein, die Sforzandi passen zu diesem dynamischen Konzept, das ist fernab jeder Wucht, das ist fast mozartinisch leicht, vor allem in der Kombination Sechzehntel(Achtel ab Takt 62, durch die hie und dann ein ganz leichter dynamischer Wind weht. Auch die nächste Sequenz , in der Melodie und Begleitung wechseln, ist beeindrucken, alles Dynamische und Rhythmische geschieht aus sich selbst heraus, wobei das Tempo als Konstante wie in einem Perpetuum mobile unbeirrbar vorwärts geht. Auch der Durchführungsteil schließt sich organisch an, wobei sich im zweiten Teil die Dynamik leicht erhöht, aber die Erreichung des Fortissimo nicht das vorrangige Ziel ist, sondern die innere dynamische Geschlossenheit des Satzes. Im letzten Crescendo der frappierenden Oktavläufe geht es auf die Reprise in Takt 193 zu, in der die melodischen und begleitenden Figuren wieder variiert werden. und wieder heben die ein wenig geisterhaften an- und abschwellenden Intervalle in der Begleitung der zuerst höhengleichen Achtel und dann Oktavachtel an- wunderbar. Ein letztes Mal vor der Reminiszenz an das Adagio wechseln die Figuren ihre Form. Nun werden die staccatierenden Achtel wieder von variierenden Sechzehntel-Intervallen begleitet. Dabei schließt auch Maria Joao an die Sforzando-Kette ein herrliches Crescendo in Takt 276 bis 28, zur Überleitung zum Adagio an:
    Dies ist wiederum ganz anrührend gespielt. Auch das sich anschließende Presto passt sich temporal in eine, wie ich finde, sehr ausgewogene klassische Interpretation voller intimer Passagen, aber auch durchaus zupackender Momente, niemals aber ausufernder aktionistischer Auswüchse. Maria Joao Pires hat auch mit dieser Aufnahme bewiesen, dass sie Beethoven durchaus kann, und wie.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Stephen Kovacevic, Klavier
    AD: 1999
    Spielzeiten:4:47-1:44-2:36-5:11 -- 14:18 min.;


    Stephen Kovacevic beginnt die Sonate großartig. Die ersten beiden Abschnitt (+ Wh.), Takt 1-4 und Takt 5-8, sind derart feinfühlig, präzise in der dynamischen Gestaltung und transparent im Klang, dass ich voller Vorfreude auch die nächsten Abschnitte bin.
    Auch der dritte Abschnitt ist sehr beeindruckend und gut strukturiert., aber die eigentliche Überraschung kommt in den Takten 12 bis 20, wo der Viererblock nicht exakt wiederholt, sondern in der Wiederholung in der Aufwärtsbewegung der rechten Hand Triller hinzugefügt werden. Dass ist aber keine Überraschung, sondern er retardiert die Viertelakkorde in Takt 13 und 17, was für mich, soweit ich mich entsinnen kann, neu ist und eine Wahnsinnswirkung hat. Dieser ganze erste Abschnitt ist m. E. ganz hervorragend gespielt.
    Auch die Wiederholung des Andante mit den drei Variationen ist vom Feinsten, moderate Crescendi wunderbares Pianissimo, hohe lyrische Ausdruckskunst!
    Das Allegro ist natürlich dynamisch von anderem zuschnitt, aber sehr klug dosiert und unter eine gemeinsame dynamische Kuppel gefasst. Die Sforzandi sind kurz und knackig, aber nicht überbordend, und die Legatobögen perlen wunderbar dahin.
    Auch das neuerliche Tempo I ab Takt 63 ist genauso zart gewebt wie die Abschnitte vor dem Allegro-Einschub und die acht Schlusstakte sind einfach grandios!


    Das Allegro molto e vivace ist vor allem temporal ein großer Kontrast, dynamisch bleibt es mäßig. Die jeweils drei Forte-Takte am Ende einer Phrase werden nicht ganz erreicht, bestenfalls mezzoforte.
    Auch der erste Galoppteil ist temporal ein "starker Galopp", aber dynamisch auch etwas zu dezent, Das ist kein ff im Takt 50. Der zweite Galoppteil gefällt mir da wesentlich besser, weil im Crescendo auch keine dynamische Spitze vorgeschrieben ist und er da alles richtig macht. Rhythmisch sind natürlich beide Teile überzeugend.
    In der Wiederholung des Allegrothemas und dem sempre ligato-sempre staccato kommt Kovacevic dann doch aus seiner Dynamikdeckung heraus und spielt das Crescendo ab Takt 115 wirklich überzeugend.


    Das Adagio con espressione spielt Kovacevic sehr schön lyrisch und dynamisch überzeugend, aber es ist mir, obwohl etwas langsamer als Buchbinder, immer noch etwas zu schnell, will sagen, es geht mir, was die "espressione" betrifft, immer noch nicht genug in die Tiefe. Der Schauer über den Rücken oder gar die totale emotionale Ergriffenheit und Erschütterung bleibt aus.


    Das Allegro vivace kommt in einem gefälligen Tempo daher, etwas langsamer als Buchbinder, aber etwas schneller als Kempff, dynamisch immer noch gut in die anfangs konzipierte Gesamtkuppel eingefügt. Die Sechzehntelläufe mit den variablen Intervallen und von den Achteln zunächst unisono, dann in Oktaven begleitet, schnurren nur so dahin, und die häufig leicht variierenden oder die Lage wechselnden musikalischen Figuren und die daraus erwachsenden Ausdehnung des Satzes machen diesen ebenso wie den in der Schwester-Sonate Nr. 14 zum eigentlichen Ziel der Sonate, so wie es in dieser Konsequenz m. E. erst wieder in der Schlusstrias der Fall ist, wenn man von op. 90 einmal absieht, und op. 57 würde ich eigentlich auch ähnlich sehen wie op. 53.
    Durch sein überlegene Technik ist Kovacevic gut in der Lage, die Vielfalt dieses Satzes herauszuarbeiten und dem Hörer es sehr zu erleichtern sich zu orientieren, eine Eigenschaft, die Peter Cossé im Beiheft der 1980er Aufnahme Gilels von "Les Adieux" aus Ludwigsburg, dem russischen Pianisten explizit zusprach, man wüsste als Hörer jederzeit, wo man sich gerade im Satz befinde, was als Nächstes käme. Dieses Gefühl habe ich hier auch, allerdings ist dies auch meine dreißigste Besprechung der Sonate Nr. 13, da habe ich es etwas einfacher. Wenn ich aber diese Sonate das nächste Mal im Konzert höre, habe ich die Partitur aber auch vor meinem geistigen Auge.
    Nein diese Einheit und Melodie und Begleitung, diese Transparenz des Klanges ist schon erwähnenswert. Auch, dass er sich im Laufe des Satzes aus der selbst auferlegten dynamischen Zurückhaltung löst und in der formidablen Schlussrallye etwa ab Takt 240 dann doch ständig steigert und in Takt 280/281 bei einem satten Fortissimo angelangt ist. Aber das ist dann ja auch ein großartiger Kontrast zu dem Adagio-Einschub, der wieder sehr schön vorgetragen wird und seinerseits von dem Presto kontrastiert wird.
    Eine prima Einspielung, die mit einem etwas langsameren Adagio mit dem entsprechend mehr Tiefe zu einer ganz großen Einspielung geworden wäre.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Eine prima Einspielung, die mit einem etwas langsameren Adagio mit dem entsprechend mehr Tiefe zu einer ganz großen Einspielung geworden wäre.


    Lieber Willi,


    ich werde mir heute Kovacevich mit der Pathetique und Mondscheinsonate vornehmen und bin selbst gespannt. Denn mit seinem Beethoven habe ich mich bislang gar nicht beschäftigt und ich freue mich, diesen "Mangel" endlich beheben zu können (op. 27, 1 von ihm habe ich leider nicht!).


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 1970 Beethovenfest Bonn
    Spielzeiten: 5:27-2:12-3:24


    Claudio Arrau eröffnet in diesem Konzert die Nr. 13 mit warmem, weichen, dennoch klaren pp und zaubert im zweiten Abschnitt Takt 5 bis 8 ein veritables Crescendo etwa pp bis mf/f. Dagegen kontrastiert er in dem Abschnitt Takt 9 bis 12 wieder durch abgrundtiefes pp-Spiel, um im nächsten Abschnitt die dynamische Bewegung gegenüber der ersten Steigerung (s.o.) nochmals bis zum ordentlichen Forte in Takt14/15 nochmals zu intensivieren.
    In der Wiederholung des Allegrothemas spielt er das Thema und die erste Variation wieder wunderbar pianissimo, und in den nächsten beiden Variationen spielt er in den beiden jeweils mittleren Takten wieder ein sehr deutliches Crescendo, das er aber ganz natürlich entwickelt.
    Im Allegro-Einschub steigert er nochmals in Dynamik und hier auch sehr deutlich im Tempo, spielt kraftvolle Sforzandi und schließt mit einer enormen Steigerung, ich würde sagen, p bis ff. ab. Das ist äußerst virtuos gespielt.
    Wenn es überhaupt möglich ist, aber was ist bei Arrau nicht möglich, dann spielt er die zweite Wiederholung des Andante-Themas mit den drei wiederum anders gestalteten Variationen noch zarter und intimer im Anfang und kontrastiert daher noch kräftiger in den Steigerung und präsentiert uns auch einen wahrhaft grandiosen Schluss. In seinem Vortrag passt jede noch so kleine dynamische Regung, passt jede Note. Das ist einfach faszinierend.


    Arrau unterscheidet sich grundlegend von Kovacevic, über den ich zuletzt berichtete, dadurch das er dynamisch kompromisslos ist. So wirkt sein Allegro molto e vivace sehr männlich, auch durch die jeweils drei Forte-Takte am Ende einer Phrase. Das ist wirklich ein sehr kräftiges Forte und ab Takt 27 eine rustikale Steigerung, aber die dynamische Spannweite ist nicht maßlos, auch, weil seine Grunddynamik in diesem Abschnitt bei einem durchaus gesunden Piano liegt.
    Auch der Galopp-Abschnitt passt in seinem gesunden Crescendo wunderbar dazu und wird jeweils von einem kräftigen Triller abgeschlossen. Aber auch hier zaubert er wieder einen schönen Kontrast allein zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Galopps dadurch, dass er den zweiten Teil am Anfang in echtem pp hält und ihn organisch mit einem kräftigen Crescendo verbindet, und in der Wiederholung des Hauptthemas sind wieder genauso wie vorher die dynamischen Gegensätze zu spüren, was im sempre ligato-sempre staccato noch verstärkt wird durch die stärkere Rhythmik und in eine wahrhaft kolossale Fortissimo-Steigerung mündet. Arrau zeigt meisterhaft, was an Dynamik alles in dieser Sonate und speziell in diesem Satz steckt, wenn man es als Pianist ans Tageslicht holt.
    Das heißt aber nicht, dass eine andere Lesart nicht zulässig ist, sondern dass es auch in dieser Sonate verschiedenen Herangehensweisen gibt.


    Arrau macht eben doch den Unterschied. Wer wie er, über die entsprechenden äußeren und inneren Fähigkeiten verfügt, das Werk zu "lesen" und dann noch das "richtige" Tempo wählt, verleiht diesem Satz eine ungeahnte Tiefe, die einen nur äußerst ergriffen, ja erschüttert zurück lässt.


    Im finalen Allegro vivace entfaltet Arrau, damals mit 67 Jahren auf der Höhe seines Könnens, ein virtuoses Feuerwerk. Dieser Satz steigert nochmals die Dynamik aus dem zweiten Satz und tut auch temporal einen großen Kontrast auf, indem er das für seine Herangehensweise wirklich sehr schnell spielt. Die vielfältig veränderten musikalischen Figuren fließen in den durchlaufenden Sechzehnteln und den Achteloktaven in einer großen dynamischen Spannweite kraftvoll dahin. Die Passage ab Takt 165 mag ein Beleg dafür sein, wie spannend das aber auch auf niedrige dynamischer Stufe klingen kann, bevor es dann in Takt 195 wieder in höhere dynamische Regionen geht, in Takt 189 von einem furiosen Crescendo angekündigt. Auch der letzte Abschnitt, der mit dem Crescendo in Takt 244 anhebt und auf f-Niveau sich fortsetzt, bis er in den letzten 6 Takten ab Takt 276 sich noch höher aufschwingt zum Fortissimo ist grandios und lässt dann nochmals


    das himmlische Adagio zu Wort kommen, in dem hier in verkürzter Form die ihm doch innewohnenden dynamischen Gegensätze nochmal besonders deutlich werden, bevor er in der kurzen Presto-Coda nochmals kräftig crescendiert und acceleriert - grandios!!


    Ich wüsste nicht, wie man so einen Vortrag noch steigern sollte.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Solomon, Klavier
    AD: 9. Januar 1956
    Spielzeiten: 5:37-1:48-3:06-5:51 -- 16:22 min.;


    Solomon entfaltet auch in der Nr. 13 einen natürlichen, klaren Klang, wobei das pp von Takt 1 an durchaus Körper hat. In Takt 5 bis 8 beginnt er das Crescendo in der Oberstimme zunächst moderat und steigert es danach in den aufsteigenden Sechzehnteln der Begleitung. Ich meine nicht, dass ich das schon mal so gehört hätte. Sein Klavierklang gewinnt in den Takten 9 bis 12 in den Bässen noch an Wärme. In der höheren Lage in Takt 13 bis 16 und 17 bis 20 erweitert er die dynamische Spannweite ganz organisch im Crescendo von pp bis f und im Decrescendo innerhalb von zwei Takten von Forte bis pianissimo.
    In der Wiederholung des Hauptthemas und seinen drei Variationen von Takt 21 bis 36 ist das Ganze nochmals schön nach zu verfolgen in der zweiten und dritten Variation.
    Im Allegro-Einschub ist der dynamische Kontrast ebenfalls sehr schön herausgearbeitet und kommen die Staccati sehr präzise. Auch der zweite Abschnitt begeistert mich mit den sonoren Sforzandi und den schönen Legatobögen, die in einer wunderbaren Steigerung (Takt 59 bis 62) gipfeln.
    Das nochmalige Thema mit nochmals "variierten" Variationen macht nochmal sehr deutlich, wie großartig solche schlichten Melodien klingen und empfunden werden, wenn sie mit so großer Ernsthaftigkeit gespielt werden wie hier von Solomon. So gipfelt denn dieser Abschnitt in grandiosen acht Schlusstakten, die ich auch schon von anderen Pianisten (z. B. Gilels, Lewis, Ashkenazy, Arrau, Brendel) so gehört habe.


    Das Allegro molto e vivace spielt er, der Vorschrift entsprechend, nicht unter dem dynamischen Niveau, temporal etwa im gleichen Bereich wie Gilels. Auch die jeweils drei Fortetakte am Ende einer Phrase spielt er mit dem nötigen Druck. Im Übrigen ergibt sich sein Spiel wieder ganz natürlich aus der Partitur. Imposant auch sein großes fließendes Crescendo ab Takt 27.
    Der erste Teil des Galopp-Abschnitts ist in den Staccati präzise und im Crescendo kraftvoll bis zum Fortissimo. Das habe ich auch schon anders gehört. Der zweite Teil ist genauso präzise, beginnend im Pianissimo in den ersten 10 Takten, dann das Crescendo beginnend.
    Auch die Wiederholung des Allegro vivace ist von der gleichen Präzision und unaufhaltsamen Motorik wie der erste Teil und endet in einem veritablen bis zum ff reichenden mitreißenden Crescendo.


    Das Adagio con espressione ist einfach grandios.


    Das Finale spielt er in einem nicht zu raschen Tempo, wiederum ganz geradeaus musiziert. Für eine Monoaufnahme (die Sonate Nr. 7 wurde 8 Monate später schon in Stereo aufgenommen) ist das eine fabelhafte Transparenz, und man spürt klar wie nicht bei allen die Gleichberechtigung der beiden Stimmen, vernimmt in der Oberstimme die Veränderung der Intervalle, in der Unterstimme die in Halbtonschritten vollzogene Veränderung der Tonlage. Da muss natürlich der Interpret präzise arbeiten, wie Solomon das hier jederzeit tut. Ich bin allerdings nicht der Meinung des Verfassers des Wikipedia-Artikels zu Nr. 13, der seine Aussagen wohl auf das Handbuch der Klaviermusik von Otto Schumann stützt und speziell zum Finale sagt, dass es "mit Humor in der Ober- und Grimm in der Unterstimme" begänne. Ich kann da keinen Grimm erkennen, sondern nur Humor, typisch beethovensch allerdings. Die virtuosen Anforderungen dieses Schlusssatzes bewältigt Solomon, wie ich meine, aus sich heraus ganz natürlich, indem er einfach spielt, den Satz fließen lässt, die dynamischen Bewegungen auf das Feinste zeichnet und in einer fulminanten Steigerung in Takt 281 endet, um nochmal das Adagio zu Wort kommen zu lassen, das er so souverän und ausdrucksvoll spielt wie zuvor und mit einem Presto endet, das, wie ich irgendwo gelesen habe bei Beethoven auch "quasi presto" bedeuten kann.


    Auch diese Aufnahme gehört m. E. zu den besten.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Claude Frank, Klavier
    AD: 1971
    Spielzeiten: 5:18-1:51-3:12-5:39 -- 16:00 min.;


    Claude Frank spielt das Andante mit einem natürlichen Klang, der nach unten warm abgetönt ist und noch oben kristallklar. Er beachtet sehr genau die dynamischen Vorschriften und geht im Andante von einem körperhaften Pianissimo aus und nach oben nicht über ein ganz normales Forte hinaus. Sein Spiel ist sehr ausdrucksvoll und fließend.
    Im Allegro geht er temporal forsch zu Werke, lässt die Staccati anmutig hüpfen und lässt die Sechzehntel in den Bögen alert fließen. Die Sforzandi kommen präzise, aber nicht zu heftig, sondern einer moderateren dynamischen Kuppel angemessen, als das z. B. im op. 90 der Fall war, wo die dynamische Kuppel m. E. zu weit gespannt war. Hier passt es viel besser. Auch das brillante Schlusscrescendo passt.
    Im Tempo I ab Takt 63 nimmt er m. E. die Dynamik einen Tick zurück, eine Beobachtung, die ich auch schon bei dem einen oder anderen Pianisten vorher gemacht habe. Das ist äußerst gefühlvoll musiziert, und auch er spielt die letzten acht Takte so wunderbar im Pianissimo mit einer moderaten dynamischen Spitze, dass man sie als Zielpunkt des gesamten Andante ansehen könnte.


    Das Allegro molto e vivace nimmt Frank gemäß der Satzüberschrift schnell und lebhaft mit den fließend piano gespielten Vierteln in den auf- und ab zeigenden Terzschritten und den kontrastierenden Staccati in den jeweils abschließenden drei Forte-Takten.
    Im rhythmisch noch mal im Ganzen als Kontrast da stehenden Galoppteil steigert er auch nicht extrem bis zum ff, weil ihm offenbar auch hier wichtig ist, dass dieser Teil dynamisch ebenfalls ins Gesamtkonzept passt. Lediglich im rhythmisch nochmals geänderten Schlussteil sempre ligato-sempre staccato, den er ebenfalls hervorragend spielt, legt er in der 25 Takte langen Schlusssteigerung dynamisch noch einmal zu.


    Im Adagio con espressione spielt er exakt im gleichen Tempo wie Gilels, während er im Allegro geringfügig langsamer und im einleitenden Andante etwas schneller ist. Ausdrucksmäßig ist dies Interpretation an der Spitze anzusiedeln, und die vielen Crescendi und Decrescendi spielt er durchaus markant, ohne jedoch das dynamische Gebäude aus den Fugen gehen zu lassen. Auch ihm gelingt der zu Herzen gehende Takt 8 im Decrescendo herausragend.


    Sehr eindrucksvoll sind auch im Allegro vivace seine Sforzandi im ersten Teil, die schön integriert sind, und dann ab Takt 52 die raschen Dynamikwechsel p-f-p sowie ab Takt 57 die Wechsel sf-p-sf-p etc.
    Auch die Sechzehntelintervalle in der rechten Hand mit der Achtelbegleitung schnurren leichter Hand dahin. Auch die dynamisch etwas höher stehende nächste Passage mit den Staccato-Oktaven in der rechten Hand und diesmal den Sechzehntelintervallen in der linken Hand fließen in natürlichem, klaren Klang dahin.
    Auch in der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 108 bleibt es bei dem leicht erhöhten dynamischen Level und den fließenden Sechzehnteln, die jetzt wieder in der tiefen Oktave die Staccato- und Portato-Oktaven in der rechten Hand sehr schön kontrastieren und dann in den durchführungsartigen Teil, etwa ab Takt 135 übergeht, in der das musikalische Geflecht etwas verdichtet wird und sich die Figuren in rascher Folge verändern.
    Im reprisenartigen Teil ab Takt 193, wo die Sechzehntel wieder durchlaufen, aber häufig die Seiten wechseln und im Kontrast dazu jeweils die Portato-Oktaven stehen, hat sich Frank auch die letzte Steigerung als Zielpunkt vorgenommen, in dem m. E. zum ersten Mal das Fortissimo voll erreicht wird. Das ist sehr schlüssig und ein schöner Kontrast zu dem Adagio-Einschub, der nochmals voller Ausdruck, aber auch voller Ruhe ist, bevor noch das quirlige Presto den Satz abschließt, in dem dann zum zweiten Mal das ff erreicht wird.


    Eine hervorragende Interpretation!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Richard Goode, Klavier
    AD: 1991
    Spielzeiten: 5:17-1:47-2:47-5:21 -- 15:02 min.;


    Richard Goode beginnt diese Sonate mit einem sehr zarten, leisen Anschlag, der gleichwohl klar ist. Das Crescendo in Takt 6 ist dementsprechend moderat. Erst im dritten Abschnitt des Andante, im Crescendo ab Takt 14 mit Auftakt, legt er dynamisch zu und beachtet auch die Decrescendi sehr sorgfältig.
    In der Wiederholung des Hauptthemas mit den drei Variationen ab Takt 21 behält Goode diesen zarten, intimen Ton bei und passt der Grunddynamik, einem veritablen Pianissimo, auch hier die Crescendi an. Das ist bis hierhin sicherlich mit das Beste, was ich bisher von Richard Goode gehört habe.
    Im Allegro-Einschub tut er einen temporal wie dynamisch ordentlichen Kontrast auf. Die Sechzehntel schnurren nur so dahin, und die Sforzandi kommen kurz und knackig, und die Legatobögen fließen elegant.
    Auch das anschließende Tempo I ist in seinem lyrischen zarten Fluss vom Allerfeinsten.


    Im Allegro molto e vivace schlägt Goode ein flottes Tempo an, bleibt aber insgesamt in dem etwas moderateren dynamischen Rahmen. So erreicht er in der locker gespielten ersten Galopppassage auch nicht das ff in Takt50, was ich aber nicht als gravierend ansehe. Der zweite Teil der Passage ab Takt 53 ist dafür dynamisch wieder vorbildlich und rhythmisch sowieso.
    In der Wiederholung des Allegro bleibt er seinem dynamischen Konzept treu und spielt das sempre ligato sempre staccato vorbildlich. Zum Schluss steigert er noch einmal etwas bis zum f/ff.


    Das Adagio ist sehr schön gespielt, aber hier hätte ich mir vor allem temporal etwas mehr Ruhe gewünscht, auch dynamisch hätte er ruhig noch etwas mehr zulegen können.


    Auch das Allegro vivace ist temporal durchaus überzeugend und in der Dynamik kommen auch die Sforzandi sehr gut vernehmlich. Rhythmisch gelingen ihm die Achteloktaven sehr gut. Auch die raschen dynamischen Wechsel kommen sehr gut. Auch die Steigerung zum Übergang zum Adagio-Einschub kommt jetzt jedoch recht kräftig. Diesen Einschube spielt er wieder sehr schön, dennoch hätte ich mir etwas mehr Ausdruck gewünscht.


    Eine gute Aufnahme mit Luft nach oben!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    AD: Oktober 1969
    Spielzeiten: 4:50-2:08-2:42-5:36 -- 15:16 min.;


    Paul Badura-Skoda beginnt das Andante mit einem normalen Tempo und Dynamik. Sein Klang ist klar und natürlich. Die Steigerungen und Senkungen bleiben im entsprechenden Rahmen. Nach den ersten beiden Abschnitten Takt 1 - 4 und 5 - 8 gestaltet er auch den dritten Abschnitt Takt 9 - 12 mit einem im Bass schönen dunklen Klang sehr lyrisch.
    Sehr schön ist auch das in die höhere Oktave verlagerte Geschehen im vierten Abschnitt ab Takt 13, wo er die Legatobögen sehr schön aussingt.
    In der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 21 mit den drei Variationen gestaltet er auch die Crescendi sehr einfühlsam, wie mir überhaupt in meiner bisherigen Beschäftigung mit Paul Badura-Skoda (ich habe ja bisher nur die Sonaten Nr. 1, 4 und 8 von Beethoven besprochen), aufgefallen ist, dass er wie seine KollegInnen um das Geburtsjahr 1930 (an anderer Stellen schon genannt), große lyrische Qualitäten aufweisen.
    Das Allegro gestaltet er sehr klangvoll und dynamisch hochstehend mit herrlichen Legatobögen.
    Im Tempo I mit seinen neuerlichen Variationen , die eine nochmalige expressive Steigerung des ersten Satzes bedeuten, folgt er dieser musikalischen Steigerung durch seine entsprechende interpretatorische Behandlung dieses Abschnitts, besonders der großartigen Schlusssequenz Takt 79 bis 86.


    Auch im Allegro molto e vivace behält Badura-Skoda seinen wunderbar dunkelgefärbten Klang bei und gestaltet die ersten beiden Abschnitte dynamisch sehr kontrastreich, was vor allem den Gegensatz des Piano mit den jeweils drei Forte-Takten am Ende der Phrase betrifft.
    Der erste Galopp-Abschnitt im Tempo eines versammelten Galopps ist wunderbar kräftig crescendiert, und der zweite ab Takt 57 mit Auftakt hebt sich langsam aus einem atemberaubenden Piano Pianissimo empor. So habe ich das, so glaube ich, noch nicht oder selten gehört. -Großartig!!


    Das Adagio con espressione scheint mir um eine Spur zu schnell, weswegen sich auch bei mir an den entsprechenden Stellen, vor allem an der Schlüsselstelle in Takt 7 nicht diese tiefe Rührung einstellt, die ich bei anderen Pianisten verspürt habe, z. B. Brendel, Gelber, Arrau und Solomon. Wenn dieser Satz richtig gespielt wird, und das heißt auch im richtigen Tempo und mit der richtigen Auffassung, dann ist das herzzerreißend.


    Das Allegro vivace spielt Badura-Skoda dynamisch sehr hochstehend und, obwohl nicht im Spitzentempo, so doch mit Vorwärtsdrang und natürlich sehr transparent. man kann die sich ständig ändernden musikalischen Figuren in beiden Händen sehr gut verfolgen. Es ist eine Freude, Badura-Skodas dramatisches Spiel auch im durchführungsartigen Teil zu verfolgen. man merkt bei jedem Ton, mit welcher Begeisterung er zu Werke geht. Dieser ständige Vorwärtsdrang, in dem sich die großen dynamischen Steigerungen bis hin zum Crescendo ab Takt 276 kleinstschrittig und unaufhaltsam vollziehen, ist so in diesem Satz nicht immer zu hören und führt uns hier zu einem veritablen Fortissimo.
    Und der Adagio-Einschub ist an dieser Stelle m. E. auch überzeugender, vielleicht wegen des atemberaubenden Kontrastes nach der letzten Steigerung des Allegros?
    Jedenfalls rundet das Presto eine sehr gute, mit einem um eine Minute längeren Adagio vielleicht herausragende Einspielung ab.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Weil ich diese erste Interpretation Badura-Skodas nicht in meine Tabelle eingetragen hatte, habe ich sie heute irrtümlich ein zweites Mal gehört und bewertet. Ich werde, obwohl es bei diesem einmailigen Versehen bleiben soll, auch diese Besprechung hier einstellen, allein schon, weil sie die ganze Subjektivität einer solchen Rezension unterstreicht und offenbart, wie ich heute, in einer ganz anderen Stimmungslage als vor drei Wochen, vor allem im Adagio zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen bin.


    Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    AD: Oktober 1969
    Spielzeiten: 4:50-2:08-2:42-5:36- 15:16 min.;


    Paul Badura-Skoda spielt mit einem weichen, warmen Klang und betörendem Pianissimo. In Takt 6 und 7 crescendiert er deutlich, aber nicht zu viel und führt die Dynamik in den nächsten Takten behutsam zurück. In der Variation des Hauptthemas (Takt 9 bis 20) bringt er auch die Achtelpassage sehr warm klingend und mit sehr viel Ausdruck. In der zweiten Hälfte in der hohen Oktave ab Takt 14 flicht er wieder moderate Crescendi ein, die dem gesamten pastoralen Charakter des Andante entsprechen.
    In der Wiederholung des Themas mit seinen drei Variationen setzt Badura-Skoda das behutsame, singende Spiel fort. Das gefällt mir sehr gut.
    Im Allegro fällt sofort seine dynamische Steigerung auf in den beiden Forti in Takt 37 mit Auftakt und in Takt 38 am Ende. Auch den Legatobogen spielt er sehr schön. Auch die Sforzandi kommen im zwar weiterhin dunklen, warmen Ton, aber jetzt sind die Sforzandi durchaus forte und er schließt das Allegro mit einem schöne Legatobogen und einer Schlusssteigerung zum Forte hin ab.
    Auch sein Tempo I mit den nunmehr die Oktave wechselnden Variationen sind hervorragend gespielt mit einem atemberaubenden pp-Schluss in Takt 79 bis 86.


    Im Allegro molto e vivace spielt er durchaus nicht zu langsam und lässt die Viertel, die ja taktweise legato gespielt werden, bis auf die jeweils drei abschließenden Staccato-Takte im Forte, sehr schön fließen. Auch die Galopp-Passage gefällt mir sehr gut, vor allem in ihrer dynamischen Ausgestaltung, im ersten Teil durchaus kräftig, wenn auch nicht bis zum ff (was auch gar nicht zu Badura-Skodas dynamischem Gesamtkonzept passen würde)), und im zweiten Teil von einer wahnsinnig tiefen dynamischen Ausgangsstufe aus, m. E. einem veritablen ppp und dementsprechend auch nicht so sehr hoch steigernd. Trotzdem ist die Spanne ausreichend und die Stelle selbst atemberaubend.
    Die Wiederholung des Themas, hier im sempre ligato-sempre staccato, spielt er grandios mit einer hier auch bis zum Fortissimo reichenden Schlusssteigerung.


    Das Adagio con espressione spielt Badura-Skoda einfach grandios. Ich hätte nie gedacht, dass man dieses Stück in 2:42 min. so ausdrucksvoll spielen kann, zu keiner Sekunde den Eindruck von Hast aufkommen lässt und dabei eine solche musikalische Tiefe erreicht und dass mich das Ganze so erschüttert..
    Badura-Skoda kann es.


    Im finalen Allegro vivace lässt Badura-Skoda es wieder ganz entspannt fließ, wiederum die dynamischen Veränderungen genau beachtende, was besonders schön in den Takten 57 bis 61 zum Ausdruck kommt. Ab Takt 62 fließen dann Die Sechzehntel in der rechten und die Achtel in der linken Hand sehr schön, das Ganze ist wie bisher sehr transparent, wodurch besonders gut die Oktaven in der Begleitung von Takt 74 bis 81 hervortreten. Sehr schön gelingt auch das Umschalten von Legato auf Staccato ab Takt 87 bis 96. Auch dynamisch passt weiterhin alles, und in der Fortsetzung der immer wieder veränderten musikalischen Figuren kommen weiterhin die rhythmischen Veränderungen durch die Staccati in den Achteloktaven und die non stacccato bzw. auch legato gespielten Passagen ganz natürlich zum Tragen. Auch im nächsten Abschnitt gelingen die erst absteigenden (ab Takt 165), dann wieder aufsteigenden Achteloktaven (ab Takt 183) prächtig.
    So spielt Badura-Skoda diesen abwechslungsreichen Satz mit erkennbar großer Spielfreude weiter und in einer großen, mitreißenden Steigerung bis hin zum eingeschobenen Adagio, das nochmals mit großer Ruhe und sehr schön singend vorgetragen wird.
    Das Presto bildet einen schönen Schlusskontrast.


    Eine große Interpretation!
    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Walter Gieseking, Klavier
    AD: 1956
    Spielzeiten: 3:48-2:04-2:56-5:29 -- 14:17 min.;


    Walter Gieseking spielt das Andante dynamisch sehr verhalten, aus dem tiefen <pianissimo heraus, aber dennoch die dynamischen Akzente beachtend. Allerdings habe ich in den ersten Takten den Eindruck dass er die anfänglichen Viertel mehr staccato als portato spielt. In der Wiederholung ab Takt 21 ist das anders.
    Ansonsten scheint mir der Ausdruck in der Themenwiederholung mit den drei Variationen nicht am Optimum.
    Im Allegro legt er dynamisch zu und spielt etwas kontrastreicher als in der Passage zuvor. Die Sforzandi ab Takt 45 kommen nun zufriedenstellend, allerdings ist mir das Crescendo ab Takt 59 nicht ausgeprägt genug. Es langt bestenfalls bis zum Mezzoforte.
    Im Tempo I spielt er die Viertel in den Takten 63 bis 69 wieder staccato, ab Takt 71 wieder portato.
    Auch die Takte 79 bis 86 gefallen mir in der staccatonahen Spielweise Giesekings nicht so über die Maßen.


    Im Allegro molto e vivace mache ich eine ähnliche Beobachtung. Es hört sich in für mich in den Takten 1 bis 12 nicht unbedingt so an, als ob sich da ein kurzer Legatobogen an den anderen reiht, wohingegen die jeweils drei Staccato-Takte im Forte ab Takt 13 und 37 in Ordnung sind.
    Auch die Galopp-Sequenz kommt ja seiner Spielweise stark entgegen und ist, auch dynamisch, m. E. ohne Fehl und Tadel. Das gilt auch für den zweiten Teil ab Takt 57.
    Durch diese seine Spielweise kommt er dann im letzten Abschnitt "sempre ligato-sempre staccato" nämlich in Schwierigkeiten, weil man die linke und die rechte Hand nicht mehr gut auseinanderhalten kann.


    Das Adagio con Espressione gefällt mir schon besser,, vor allem vom Legatospiel her, wenngleich ich schon eine Reihe von Interpretationen gehört habe, die mir musikalisch mehr in die Tiefe gingen, wenn ich da nur an Arrau, Badura-Skoda, Brendel oder Frank denke.


    Auch das Finale gefällt mir besser. Da spielt er die Staccatopassagen wieder sehr ausgeprägt . Da lässt er es in den wechselnden Sechzehntel-Intervallen ab Takt 62 in der rechten Hand und den Achteln in der Begleitung fein schnurren, wobei ja die Sechzehntel und Achtel im Verlauf noch öfters die Seiten wechseln. Auch dynamisch ist das durchaus in Ordnung. Auch die Schlusssteigerung ab Takt 276 vor dem neuerlichen Tempo I nimmt durchaus für sich ein.
    Auch das Tempo I ist wieder in Ordnung, und im Presto drückt noch mal aufs Tempo.


    Alles in allem eine Einspielung, die m. E. nicht herausragt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Arthur Schnabel, Klavier
    AD: November 1932
    Spielzeiten: 5:20-1:35-3:05-5:06 -- 14:44 min.;


    Arthur Schnabel spielt das Andante langsamer als der hier zum Vergleich herangezogene frühe Brendel. Er beginnt aus einem sehr tiefen Pianissimo mit wunderbarem Anschlag und sehr aufmerksamer Behandlung des dynamischen Verlaufes. So betont er sehr deutlich die Sforzandi in Takt 6 und 7 in der zweiten Hälfte des Themas und hebt ihren synkopischen Charakter in der Begleitung hervor.
    Auch den dritten Abschnitt (Takt 9 bis 12), der dynamisch komplett im Pianissimo verbleibt, spielt er betörend mit ganz geringen dynamischen strukturierenden Bewegungen in der Begleitung. Im vierten Abschnitt (Takt 13 bis 20), der hier nicht aus zwei identischen Viertaktern besteht, sondern aus zwei variierten Viertaktern und deswegen nicht mit Wiederholungszeichen versehen ist, nimmt er sehr schön die gesteigerte dynamische Bewegung auf, ohne den intimen Charakter dieses wunderbaren Andante zu verletzen.
    Auch der zweite Teil des Andante (Takt 21 bis 36), in dem das Thema wiederholt und anschließend dreimal variiert wird, ist grandios musiziert, einschließlich der dynamischen Steigerungen in der zweiten und dritten Variation.
    Im Allegro (Teil 1, Takt 37 bis 44 mit Wh.) hält sich Schnabel dynamisch noch zurück, setzt dafür aber einen großen temporalen Kontrast.
    Im zweiten Teil (Takt 45 bis 62) legt er dynamisch zu und hebt besonders die zahlreichen Sforzandi sehr schön hervor.
    Im Tempo I (Thema mit drei Variationen, ähnlich wie Takt 21 bis 36) spielt er wieder seine große Musikalität und Gestaltungskraft im lyrischen Bereich aus und schafft erneut einen geheimnisvollen Zauber wie im Andante + Wh. (Takt 1 bis 36), auch durch seine Fähigkeit, den Zuber bis in die tiefen dynamischen Abgründe zu tragen.


    Im Allegro molto e vivace ist Schnabel meines Wissens von allen bisher gehörten Beispielen sicherlich einer der Schnellsten (1:35), womit er noch 8 Sekunden schneller ist als Korstick, sogar 15 Sekunden schneller als der "Berufs-Schnelle" Gulda, aber z. B. 25 Sekunden schneller als der frühe Brendel und sogar 46 Sekunden schneller als der späte Arrau. Warum Korstick so nahe bei ihm ist, liegt sicherlich an dem, was ich schon mehrfach erwähnte, dass er (Korstick) nämlich schnelle Sätze konsequent schnell und langsame Sätze konsequent langsam spielt. Vielleicht ist er ja von Schnabel inspiriert worden.
    Auch im Galoppteil hält Schnabel das Tempo bei. Wenn wir weiter bei den Tempovergleichen aus der Dressurreiterei bleiben wollen, dann ist das hier schon weniger ein starker Galopp als mehr ein rasender Galopp. In diesem Tempo wird die kinetische Energie, die diesem Satz innewohnt, besonders plastisch hörbar. Auch der letzte Teil im sempre ligato-sempre staccato ist herausragend musiziert.


    Das Adagio con espressione zeigt alles, was der Titel verspricht, herausragender Ausdruck, kraftvolle Steigerungen und nicht ehrfürchtiges Erstarren vor dem Adagio-Begriff, sondern er zeigt hier zu Recht, dass dem Adagio mehr dynamische Bewegung innewohnt als dem Andante und dass es dennoch ein großartiges lyrisches Stück ist.


    Im Allegro vivace kommen wieder Schnabels virtuose Fähigkeiten zum Tragen. Hier ist wieder gehöriger temporaler Vorwärtsdrang zu verspüren, dennoch geprägt von erstaunlicher Transparenz auch der Begleitung und dynamischem Kontrastreichtum. Auch die rhythmische Ausarbeitung des Vortrages mit den vielen Staccatopassagen ist vorzüglich. man hört förmlich, welchen Spaß ihm das Spiel bereitet bis hin zur großen ff-Steigerung , schon ab Takt 244 bis hin zu Takt281.
    Auch das wieder eingeschobene Adagio ist nochmals zum Niederknien, ein großartiger Kontrast zum voraufgegangenem Vivace und natürlich zum abschließenden furiosen Presto.


    Diese Aufnahme gehört zum Besten, was ich bisher von Schnabel gehört habe und ist sicherlich von gleichem Rang wie seine Appassionata-Aufnahme, d. h. dass sie auch zu den Spitzen-Aufnahmen der Nr. 13 gehört.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Annie Fischer, Klavier
    AD: 1977-78
    Spielzeiten: 5:23-2:01-2:49-5:25 -- 15:28 min.;


    Annie Fischer spielt das Andante etwas schneller als Solomon, aber auch deutlich langsamer als Paul Badura-Skoda.
    Wieder ist ihr klarer transparenter Ton zu loben, und mit den dynamischen Steigerungen geht sie im Thema noch moderat um. Auch im zweiten Abschnitt bleibt sie bei dem gleichmäßigen Pianissimo, was die Änderung der Begleitakkorde schön deutlich hervortreten lässt. Auch die Variation Takt 12 bis 16 und Wiederholung bringt sie zwar dynamisch bewegt, aber übertreibt nicht, um den intimen Gesamtcharakter ihrer Interpretation zu wahren.
    Auch in der Themenwiederholung mit den Variationen Takt 21 bis 36 spielt sie grandios, diesmal in Takt 30 und 31 dynamisch etwas zulegend.
    Das schwungvolle Allegro legt auch sie dynamisch kontrastreicher an als naturgemäß das pastorale Andante. Die Sforzandi kommen in veritablem Forte wie Paukenschläge , und ihr Allegro endet in einer rauschenden Steigerung.
    Sie schließt die reprisenähnliche Wiederholung des Themas mit Variationen wiederum in atemberaubender Weise an, wobei besonders der achttaktige Scgluss, die Coda der andren art, hervorzuheben ist.


    Das Allegro nimmt sie langsamer als Solomon und einige Sekunden schneller als Badura-Skoda. Aber dynamisch ist der Kontrast zum Andante natürlich auffällig.
    Die Rhythmusänderung im trioähnlichen zweiten Teil, einem Galopp, gelingt fließend und ist im ersten Teil von einer feinen Steigerung gekennzeichnet. Die steigerung im zweiten Teil hält sie moderater, da ja dort auch kein Fortissimo als Zielpunkt steht, also auch ein dynamischer Kontrast zum ersten Teil. Sie schließt das dynamisch sehr bewegte Allegro wieder an, in einer kraftvollen ff-Steigerung endend.


    Im Adagio liegt sie temporal zwischen dem schnelleren Badura-Skoda und dem langsameren Solomon, und sie spielt es genauso grandios wie ihre beiden Kollegen.


    Das mischförmige Allegro vivace (zwischen Rondo und Sonatensatz) spielt sie dynamisch entsprechend den Anweisungen und wiederum sehr klar in der Tongebung, wobei sie in den Sechzehnteln eine fließenden Rhythmus erzeugt, sei es nun in der oberen oder unteren Oktave. Auch hier wechselt sie organisch zwischen Staccato und Legato ab. Auch der durchführungsähnliche Mittelteil ab Takt 132 steigt fließend aus dem Thema hervor und ist dynamisch sehr bewegt und auch die zum reprisenförmigen Teil überleitenden erst absteigenden, dann aufsteigenden Unisono-Oktaven-Abschnitte musiziert sie ausgezeichnet. In der Reprise bestechen wiederum ihre Sechzehntel-Akkorde in der hohen Oktave, die dann ab Takt 250 wieder in die untere Oktave wechseln. und in einer groß angelegten Steigerung zum Adagio-Einschub führen, den sie wiederum bestrickend spielt und einen äußerst schwungvolle kurzen Presto Schluss folgen lässt.


    Eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 "Quasi una fantasia"
    Maria Grinberg, Sopran
    AD: 1964
    Spielzeiten:4:47-1:51-2:54-5:51 -- 15:23 min.;


    Maria Grinberg beginnt das Andante in einem ganz zarten, dennoch klaren Gesang und steigert in der zweiten Themenhälfte das Crescendo zum Sforzando hin bis zu einem Mezzoforte. Temporal ist sie etwa im gleichen Tempo wie Paul Badura-Skoda, aber wesentlich schneller als Solomon.
    In dem dritten Abschnitt ab Takt 9 klingt ihr Instrument in der tiefen Oktave sehr sonor, trotzdem vollkommen klar und transparent.
    Im Diskantabschnitt mit Wiederholung ab Takt 13 wird die Musik noch anrührender, und immer bleibt sie auch in den Steigerungen und Sforzandi im moderaten dynamischen Rahmen.
    Auch in der Themenwiederholung mit den drei Variationen bleibt es beim beseligenden Gesang- lyrischer Ausdruck par excellence!
    Im Allegroeinschub legt sie naturgemäß dynamisch und temporal mächtig zu und setzt knallende Sforzandi- welch ein Kontrast!
    Im neuerlichen Tempo I bleibt es bei diesem wunderbaren intimen Gesang mit den einfachen, aber so wirkungsvollen Variationen und dem herausragenden codaförmigen Schluss ab Takt 79. - Ein grandios gespielter Satz.


    Das Allegro molto e vivace ist ein noch größerer Kontrast als der vorhergehende Allegroeinschub im ersten Satz. Da spielt sie kraftvollen Steigerungen und knallenden Staccato-Fortetakte ab Takt 13 und 37 (mit Wh.). Auch im galoppartigen Abschnitt spielt sie weiterhin präzise Staccati und im ersten Teil eine schöne Steigerung, im zweiten einen großen dynamischen Kontrast.
    Die Themenwiederholung spielt sie ebenfalls dynamisch hochstehend und rhythmisch vorbildlich mit einer kraftvollen Schlusssteigerung.


    Das wunderbare Adagio spielt sie etwas langsamer als Badura-Skoda und etwas schneller als Solomon, aber mit aller Ausdruckstiefe und Anrührung, die das Stück hergibt- grandios! Nur ganz große Pianisten erschüttern mich in diesem Satz. Maria Grinberg ist eine davon.


    Im Allegro vivace ist sie temporal wieder bei Solomon und etwas langsamer als Badura-Skoda. Sie entfaltet einen lebhaften, spannend-entspannten Gesang mit im ersten Teil gemäßigter Dynamik. Singen kann auch ohne ständiges Legato stattfinden, im Non-Legato oder gar Staccato. Wunderbar fließen lässt sie es dann im nächsten Abschnitt mit den Sechzehnteln im Diskant und den Achteln in der Begleitung. In diesem Abschnitt behandelt sie auch die dynamischen Regungen ganz behutsam. Im nächsten abschnitt, als die Sechzehntel und die Achtel die Plätze tauschen, geht es dynamisch dann stärker zur Sache, bis zur Wiederholung des Themas, das dann ab Takt 32 den durchführungsartigen Teil enthält. Wunderbar gespielt von ihr auch wieder die Unisono-Oktaven ab Takt 165, die sich in immer neuen Verläufen ergehen, bis hin zu der großartigen Steigerung ab Takt 244 bis 280. Dann spielt sie noch einmal das zu Herzen gehende Adagio-Thema ab Takt 282 und schließt mit der prestoartigen Coda.


    Eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1, "quasi una fantasia"
    Markus Schirmer, Klavier
    AD: 2011.
    Satzzeiten: 4:36-1:51-3:01-5.38 -- 15:06 min.;
    Flügel: Fazioli F-278


    Weil er sich persönlich im Forum bedankt hat für unsere Glückwünsche zu seinem 54. Geburtstag am 10. Juni, habe ich beschlossen, seine bisher erschienenen und noch lieferbaren Sonaten-Aufnahmen nach und nach in unser Sonatenprojekt einzuflechten. Heute beginne ich mit der Sonate Nr. 13.


    Zum Vergleich habe ich meine bisherigen drei Referenzen Schnabel, Arrau (1970, Beethovenfest) und Solomon herangezogen.
    Markus Schirmer ist im Kopfsatz rascher als die drei Anderen, aber das ist m. E. durchaus noch Andante. Er beginnt mit einer leicht erhöhten Grundlautstärke, steigert dann in den Crescendi, wie ich finde, genau in der richtigen Dosierung und entfaltet einen grandiosen Klang sowie ein klares Klangbild, in dem die begleitenden Sechzehntelläufe in den ersten beiden viertaktigen Abschnitten wunderbar hervortreten. Und bei alledem lässt er die Musik schön und entspannt fließen, zeichnet die kurzen und längeren Bögen aufmerksam nach.
    Auch im dritten, musikalisch verdichteten, teilweise siebenstimmigen Viertakter behält er die leichte dynamische Bewegung bei und erzielt weiterhin ein sehr transparentes Klangbild, ebenso im nächsten Abschnitt, in dem wiederum thematisch variierten und hier auch oktavierten (Takt 13 bis 20), in dem auch Triller für Abwechslung sorgen.
    Da ich meine letzten Besprechung dieser Sonate vor knapp 2 Jahren (Maria Grinberg) angefertigt habe, wiederholt sich so Einiges, was ich schon früher gesagt habe. Unter anderem betrifft es auch den nächsten Abschnitt (Takt 21 bis 36), der aus Thema und drei verschiedenen Variationen des gleichen thematischen Materials aus Takt 1 bis 4 bzw. Takt 5 bis 8 (Var. 2 und 3) besteht.
    Auch diese pianistisch eigentlich nicht aufregende Sequenz spielt Schirmer mit dem nötigen künstlerischen Ernst, die diese Stelle zum veritablen Kunstwerk erhebt.
    Auch das in Takt 37 plötzlich einfallende Allegro ist mit dem normalen Sonatensatzschema gar nicht zu erklären. Hier hat Beethoven schon wieder mit Herzenslust nach neuen Formen gesucht und sie auch gefunden, vom 4er- zum 3er Takt gewechselt, vom Piano zum Forte, vom vorherrschenden Legato zum Non legato, ja sogar zum raschen Rhythmuswechsel, ja sogar in Takt 57 der Wechsel zu c-moll und im letzten Takt 62 zurück zum Es.
    Markus Schirmer gestaltet auch diesen Mittelabschnitt mit dem nötigen dynamischen Impetus, dem temporalen Schwung, der vonnöten ist und der klanglichen Transparenz.
    Im "Tempo I" ab Takt 63 erleben wir wieder das Thema mit Variationen, doch diesmal in anderer Weise. Beethoven vertauscht einfach die Lagen- genial und von Markus Schirmer kongenial umgesetzt.
    Grandios gespielt auch die acht abschließenden codaähnlichen Takte, in denen Beethoven noch dreimal die Form in beiden Oktaven wechselt: Takt 79-81--Takt 82/83--Takt 84/85--Takt 86.


    Den scherzoartigen zweiten Satz im Allegro molto e vivace im Dreiertakt nimmt Schirmer von Anfang an mit den nötigen rhythmischen und dynamischen Kontrasten. Er ist hier deutlich langsamer als Schnabel uns sogar geringfügig langsamer als Solomon, allerdings ebenso deutlich schneller als Claudio Arrau 1970 in Bonn.
    Denn trioartigen Mittelgalopp spielt Schirmer, wie ich finde, rhythmisch sehr akzentuiert und dynamisch sehr aufmerksam.
    Den reprisenförmigen Abschnitt ab Takt 72 mit der rhythmischen Finesse ab Takt 89, wo Beethoven mal eben auf die Idee gekommen ist, dem "sempre ligato" im Diskant mal eben ein "sempre staccato" im Bass gegenüberzustellen, spielt Markus Schirmer, wie ich finde, ganz ausgezeichnet.


    Im Adagio ist er temporal ganz nahe bei Solomon und Schnabel. Obwohl ich es jetzt fast zwei Jahre nicht mehr gehört habe, merke ich sofort wieder, dass ich um meine Fassung ringen muss, wenn es so gespielt wird wie jetzt auch von Markus Schirmer, vor allem die Takte 6 bis 8 und die hohe Oktavenbewegung (Takt 13 bis 16), aber auch der Bogen Takt 21 bis 24 auf der Eins. So wenig Takte der Satz auch haben mag (26), so groß ist doch die musikalische Tiefe, die ihm inne wohnt un in die Schirmer hier auch vordringt.


    Im Finale ist er zeitlich ganz nahe bei Solomon und Arrau, nur Artur Schnabel schlägt hier aus der Art. Er ist um eine dreiviertel Minute schneller als die anderen drei. Auch das finale Allegro vivace ist kein reiner Sonatensatz. Es hat auch viel von einem Rondo.
    Schon in Takt 51 ändert sich die Form, was Markus Schirmer in seinem Vortrag auch sehr deutlich macht, Wieder ist hier seine sorgfältige Beachtung der dynamischen Verläufe zu rühmen. Die nächste Änderung erfolgt in Takt 62 bis 73 (Sexten in der oberen, Primen in der Bassoktave), und ab Takt 74 ändern sich zuerst die Bassfiguren und ab Takt 78 auch die in der oberen Oktave. Ab Takt 86 übernehmen die Oktavgänge in der hohen Oktave das Regiment, begleitet von wechselnden Sechzehntelintervallen im Bass.
    In Takt 108 könnte man die Wiederholung des Expositionsteils ansetzen, der aber durch häufige Veränderungen der Thementeile auch etwas Durchführendes hat. Jedenfalls tut Markus Schirmer hier auch der dynamischen Steigerung dieses Abschnitts voll und ganz Genüge, spielt wunderbar die terrassenförmig angeordneten Achteloktaven (ab Takt 165), wiederum von wechselnden Intervallen begleitet.
    Den Beginn der Reprise in Takt 193 muss man jedoch vom Satzbeginn unterscheiden, weil hier das Thema zur Abwechslung mal die Seite (sprich die Oktave) wechselt, bei Beethoven alltäglich. Dann wieder die herrlichen Sechzehntelläufe, die Schirmer wunderbar fließen lässt. Die Stacccatooktaven übernehmen ab Takt 254 wieder das Regiment, diesmal von wechselnden Sechzehntelintervallen im Bass begleitet, bis in Takt 276 die Sechzehntel sich in der oberen Oktave bis zur abschließenden Fermat in Takt 280/281 ins Fortissimo steigern:
    Dann ein letztes Mal Das himmlische Adagio und das abschließende Presto.


    Eine große Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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