Antonín Dvorák: Slawische Tänze op.46 und op.72

  • Ich habe mir heute morgen erstmals alle acht slawischen Tänze op. 46 zusammen angehört. Ich empfinde sie als Einzelwerke, die ich auch ohne weiteres einzeln hören würde. Jedes Stück hat seine Eigenart; ein Lieblingsstück habe ich noch nicht.


    Ich scheine da eine sehr "exotische" (und nicht hochwertige?) Ausgabe zu haben, nämlic mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur, schon älter, von 1985. Mir hat die Wiedergabe gefallen.
    Ich habe da viel von der Lebensfreude der Tänze gemerkt, das Rhythmische, betont Tänzerische, Lebhafte. Die langsamen, auch melodischen Phasen in den Tänzen gefallen mir auch gut; ohne dass sie aber in dieser Aufnahme wehmütig oder (im guten Sinn) sentimental wirken. Und es spricht mich gerade auch dieser Kontrast von lebhaft und langsam an; besonders im 8. Tanz.


    Drei der Tänze habe ich auch noch in einer Aufnahme mit dem Israelischen Philharmonischem Orchester unter Leonard Bernstein, auch schon älter, von 1989. Es sind die Tänze 1, 3 und 8.
    Dort wird das Ganze in meinen Ohren weniger lebhaft, lyrischer in den langsamen Teilen gespielt. Wobei ich hier das Langsame manchmal als etwas wehmütig empfinde. Und mir hier der Kontrast zum wieder Schnellen zu stark ist, so wie beim 8. Tanz.
    Die Spielzeit beim 3. Tanz ist erheblich länger als in der anderen Fassung: 4,41 bei Masur, 5,54 bei Bernstein. Ob da bei Masur etwas gekürzt wurde, habe ich noch nicht heraus bekommen.


    Kennt vielleicht jemand diese Aufnahmen und mag etwas dazu schreiben?


    Als Zusatzinformationen aus dem Booklet zu Bernsteins Version (für Kenner sicherlich nichts neues):
    Für den Furiant ist charakteristisch der Wechsel zwischen Dreihalbe- und Dreiviertel-Metrum - selbst heraus hören kann ich das noch nicht. Beide Furiant-Tänze stehen in der dreiteiligen Liedform und haben einen harmonisch kontrastierenden Mittel-Teil - das hatte ich auch bemerkt beim Zuhören.
    Der dritte Tanz, die Polka, ist ein Rondo, mit schalkhaften, der Volksmusik nahestehenden Figuren des Horns - ich selbst emfpinde die Horn-Passagen als munter, verspielt, das geht ja in die Richtung von schalkhaft.


    Noch eine Frage: Diese Werke sind nur zum Zuhören geschrieben worden? Oder auch zum richtigen Tanzen?

    Anna-Beate

  • IcIh möchte meinen Beitrag von gestern ergänzen:


    Inzwischen gefallen mir die Tänze 6 und 7 - 6 etwas mehr - aus op.46 am besten. Bei den übrigen Tänzen gibt es keine Priorität.


    Beide haben ein mich ansprechendes, sehr rythmisches Motiv.
    Dies kehrt, was mich anspricht, immer wieder, mal leise und nur von wenigen Instrumten gespielt. Dann wieder vom ganzen Orchester in fortissimo aufgenommen. Und auch variiert.

    Leider fällt es mir noch schwer, die einzelnen Instrumente zu erkennen. Und auch genauer zu bescreiben, wie sich das Motiv durch die Tänze hindurch zieht. Eine Beschreibung im einzelnen habee ich dazu auch nicht gefunde. Gibt es so etwas; mag jemand von euch eine solche verfassen?

    Anna-Beate

  • Hallo Anna-Beate,


    ich habe noch nichts dergleichen gehört, ob die Tänze zum Tanzen sind. Aber ich kann es eh nicht, du könntest es ja mal testen...


    Deine beiden Aufnahmen kenne ich nicht. Weder Masur, noch Bernstein. Empfehlen kann ich dir aber Harnoncourt, der auch die Extrema von laut und leise sowie langsam zurückhaltend und schnell ausrastend auslotet.


    Gerade auch im 8.Tanz von op.46 kommt das sehr gut rüber. Kenne zwar Masur zum Vergleich nicht, aber Harnoncourt erwischt hier ein (bitte betonen, denn man kann es sicher auch anders richtig machen...oder eben nach dem subjektivem Empfinden beurteilt) richtiges Maß und durch die langsamen verzögerten Phasen baut er Spannungen auf.


    Hast du denn schon die zweite Serie kennen gelernt??? Lohnt sich auch :yes:



    So, seit heute habe ich einen alleinigen Lieblings-Tanz. Jedenfalls vorerst: op.72 Nr.7 Srebske Kolo. :jubel:
    Man kann sich herrlich austoben, strahlt vor Freude und kann in den ruhigen Passagen einsinken - oder versinken.


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik,


    habe heute, äh gestern, zufälligerweise auch op 46 gehört. War früher Nr 8 aus op 46 mein absoluter Liebling beider Zyklen und op 46 viel mehr gehört, so hat sich das Verhältnis heute irgendwie umgekehrt.
    Einen Lieblingstanz kann ich nicht benennen, sie sind alle einfach nur wundervoll!


    LG
    Wulf.

  • Ich kenne nur die erste Serie der slawischen Tänze.


    Ich überlege mir, mir beide Serien in der Aufnahme von Kubelik zusammen mit den symphonischen Dichtungen und Ouvertüren zu kaufen.


    Hinsichtlich der symphonischen Dichtungen habe ich schon viel Gutes zu Kubelik gehört. Wie sieht das bei den Tänzen aus? Wie lässt sich die Aufnahme charakterisieren?

    Anna-Beate

  • Hallo Anna-Beate,


    ThomasW hat die Kubelik-Aufnahme der slawischen Tänze in seinem Beitrag vom 13.02.2006 ausführlich und goldrichtig charakterisiert.
    Die 3CD-DG-Kubelik-Box kann ich Dir daher, wie schon für die Sinfonischen Dichtungen und Ouvertüren von mir geschehen, nochmals unbedingt empfehlen.


    Bernstein, ein Dirigent, den ich überaus schätze ist hier bei den Slawischen Tänzen tatsächlich ein wenig zu langsam, wodurch der Pepp verloren geht. Es gibt Werke, die ihm offenbar nicht so liegen (vielleicht liegt es auch an der Tagesform, denn sonst hat er solches Repertoire im Griff) und bei ihm ungewohnt klingen ( 2 Beispiele: Bruckner: Sinf.Nr.9/ Liszt: Sinf.Dichtungen).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Anna-Beate,


    volle Zustimmung meinerseits. Kubelik interpretiert die Tänze mit dem nötigen Tempo - voller Vitalität, Schwung und Lebensfreude. Auch die bei Dvorak stets vorhandene Melancholie vermag Kubelik auf eindrucksvolle Weise aufzuzeigen.



    Angeblich gilt ja die Szell-Aufnahme als Referenz. Ich kenne ncht viele Aufnahmen Szells, aber was ich bisher gehört habe gefällt mir weniger.
    Szells Interpretationen empfinde ich als zu streng, manchmal recht militärisch im Ausdruck und zeitweise unterkühlt.


    Seine Interpretation der Tänze kenne ich bisher noch nicht und kann mir auch kein Urteil erlauben, mir reicht Kubelik aber vollkommen aus.


    LG
    Wulf.

  • Hallo wulf,


    die Szell-Aufnahme der Slawischen Tänze ist alles andere als "unterkühlt und militärisch im Ausdruck". Mit ihrer federden Leichtigkeit würde Dir auch die Szell-Aufnahme mit Sicherheit gefallen.
    Ich finde es schade Szells straffe Interpretationen in den Topf "militärisch und unterkühlt" zu werfen und dies auch auf eine nicht bekannte Aufnahme anzuwenden. Es trifft nicht zu, sie hat wirklich Referenzqualitäten.


    Noch mehr Temprament mit prägnatem Schlagwerk bietet die von mir seit langem hier im Thread favorisierte Dorati-Aufnahme auf Decca.
    Aber Kubelik, da sind wir einer Meinung ist ebenfalls voller Vitalität.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo ihr Drei!


    Ja, die Kubelik Aufnahme steht auch auf meinem Wunschzettel.
    Natürlich mit den Dichtungen, so wie Wolfgang davon schwärmt! Dauert hoffentlich nur noch 2-3 Monate, dass ich sie mein Eigen nenne!


    Wulf, wenn wir unseren musikalischen Hörabend einmal umsetzen, werde ich dir die Tänze mit Szell präsentieren!
    Derzeit müsste ich Harnoncourt und Szell mischen, um richtig glücklich zu sein. Aber Kubelik ist sicher auch eine erneute Bereicherung.


    Und das mit dem Lieblingstanz hat sich gestern so herauskristallisiert. op.72 Nr.7 stach förmlich heraus und auch im anschließenden 'Testhören' meiner Lieblingstänze bestätigte sich dies. Deshalb will ich die anderen Tänze aber sicher nicht ihrer Schönheit berauben oder diese abstreiten ;)


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Wolfgang,


    vielleicht hast Du es nur überlesen, aber ich schrieb, daß ich mir aufgrund der fehlenden Kenntnis bezüglich der Szell-Aufnahme kein Urteil erlaube.
    Ich sprach lediglich von den paar wenigen Aufnahmen, die ich von ihm hörte.
    Mir würde nie im Leben einfallen, einfach etwas blind zu übertragen.


    Da ich bisher kein Sammler verschiedenster Interpretationen ein und desselben Werkes bin, fügte ich den Kommentar hinzu, Kubelik würde mir vollkommen ausreichen.Sollte sich das einmal ändern, werde ich mir sicher auch die Szell-Aufnahme zulegen. Schon aus purer Neugier :)


    Hallo Maik,


    da hatte ich auch nicht so verstanden. Bloß mir fällt es momentan schwer einen Liebling zu benennen. Wenn aber, so glaube ich, momentan eher einer aus op 72.



    :hello:
    LG
    Wulf.

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  • Hm, drei Seiten Loblieder auf diese herrliche Musik und kein Hinweis auf eine Einspielung der – was die Protagonisten angeht – vielleicht ‚authentischsten‘ Aufnahme: die mit Vaclav Neumann und den Tschechischen Philharmonikern von 1985. Ich wollts nicht glauben …:-)

    Ich hab die Szell- und kenne die Kubelik-Einspielung, beides hervorragende Interpretationen, vor allem Szell in seiner prägnanten Stringenz. Aber gegenüber Neumann klingt er dann doch bisserl hüftsteif. Hier hat Neumann für mich eindeutig die Nase vorn. Man wähnt sich förmlich auf einem böhmischen Dorfplatz im Reigen mit anderen. Hinzu kommt der einzigartige und meines Erachtens für diese Musik so unverzichtbare Klang der böhmischen Orchester früherer Zeiten. Und das schafft Szell halt nur seeehr ansatzweise.
    Meine(!) klare no 1!

  • Hm, drei Seiten Loblieder auf diese herrliche Musik und kein Hinweis auf eine Einspielung der – was die Protagonisten angeht – vielleicht ‚authentischsten‘ Aufnahme: die mit Vaclav Neumann und den Tschechischen Philharmonikern von 1985. Ich wollts nicht glauben …:-)


    Ich hab die Szell- und kenne die Kubelik-Einspielung, beides hervorragende Interpretationen, vor allem Szell in seiner prägnanten Stringenz. Aber gegenüber Neumann klingt er dann doch bisserl hüftsteif. Hier hat Neumann für mich eindeutig die Nase vorn. Man wähnt sich förmlich auf einem böhmischen Dorfplatz im Reigen mit anderen. Hinzu kommt der einzigartige und meines Erachtens für diese Musik so unverzichtbare Klang der böhmischen Orchester früherer Zeiten. Und das schafft Szell halt nur seeehr ansatzweise.
    Meine(!) klare no 1!

    So geht es mir auch, lieber Thomas! Zu Neumanns großem Können kommt das idiomatische Spiel der wunderbaren Tschechischen Philharmonie: diese federleichte Eleganz! Authentischer geht es nicht! Die Aufnahme wurde übrigens auch gefilmt - das habe ich irgendwann mal im Fernsehen gesehen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Thomas,


    auf die Szell-Aufnahmen lasse ich ja nichts kommen.
    Aber ich war im bereits Jahre 2005 auch total begeistert über die Dorati-Aufnahmen der S.Tänze op.46&72 (Decca) im Vergleich zu Szell (ich berichtete in Beitrag 15-20).


    Das ist meine deutliche Nr.1 für die Slawischen Tänze -
    hier habe ich jetzt auch die Abb meiner Decca-Ovations-Ausgabe, im gewohnt astreinen Decca-Sound, gefunden:
    -->
    Decca, 1984, DDD


    Ich kann ja nachvollziehen, dass Neumann den böhmischen Klang mit seiner Tschechischen PH noch ein bischen heimatnaher rüberbringen kann (aber suche ich das überhaupt ?), als Doarti mit dem RPO.
    :thumbup: Aber das RPO ist ein Präzisions-Orchester, dss sich auf alle Anforderungen einstellen kann. Jedenfalls liefert Dorati mit dem RPO ein böhmisches Feuer der Extraklasse, wie ich es nie wieder so tänzerisch beschwingt gehört habe ... und die TOP-Pauken sind eine Wucht.
    Alle die meiner Empfehlung bisher folgten waren begeistert.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang, beim Schreiben vorhin dachte ich schon, dass von Dir sicher „Widerspruch“ kommt :-)
    Bei der Szell-Aufnahme bin ich ja auch bei Dir … allerdings rangiert sie hier bei mir eindeutig ‚hinter‘ Neumann. Die Dorati-Aufnahme kenne ich nicht, kann mir aber gut vorstellen, dass diese ebenfalls vorzüglich ist. So kenn ich ihn jedenfalls von vielen anderen mir lieben Aufnahmen. Da sie recht preiswert zu haben ist, werd ich sie mir wohl auch zulegen.


    Das RPO ist sicher ein Präzisions-Orchester, das sich auf alle Anforderungen einstellen kann; keine Frage. Du schreibst „… dass Neumann den böhmischen Klang mit seiner Tschechischen PH noch ein bischen heimatnaher rüberbringen kann …“… hm, nun, das ist aber halt er große Unterscheid. Die Amsterdamer können den Sound "ein bischen rüberbringen“, die Tschechen haben ihn. Und zwar in – wie ich finde - fundamental anderer Weise (vielleicht bin ich aber auf Grund meiner deutsch-bömischen Wurzeln bisserl empfänglicher hierfür).


    Auch glaube ich nicht, dass böhmische Musik eines „Feuers der Extraklasse“ bedarf; das ist diese Musik mE nun wahrlich nicht. Holger hat es gerade trefflich mit „federleichter Eleganz“ formuliert. Böhmische (vor allem „heimatliche") Musik ist eher feinsinnig und „gediegen“ (im besten Sinne) – der Hörunterschied ist mE schon frappant. Als Vergleichs-Anspieltip empfehlen ich nur mal aus Op.46 das dritte Stück, die Polka in As (Szell vs Neumann; Dorati kenn ich wie gesagt nicht). Augen- bzw Ohrenfälliger geht’s nicht …


    "Alle die meiner Empfehlung bisher folgten waren begeistert." ... glaub ich Dir gern, da gibts ja nix dran zu meckern. Ob Du mich hier "rumkriegen" wirds, wage ich aber zu bezweifeln :-) :-)



    Holger, danke für den Tip mit der Verfilmung – werd mich mal drum bemühen.
    Die tschechischen Orchester der Vorwende-Zeit haben einen unverwechselbaren Klang, der wie geschaffen für diese Musik ist (oder die Musik ist wie geschaffen für diesen Klang); Bombast oder Feuer wird man hier (da nicht immer nötig) nicht finden. Dvoraks und Smetanas (und viele andere) Musik höre ich mit nicht-tschechischen Orchestern nur „halb so gern“. Auch wenn da durchaus höchst lohnende Aufnahmen drunter sind.


    :)

  • Holger, danke für den Tip mit der Verfilmung – werd mich mal drum bemühen.
    Die tschechischen Orchester der Vorwende-Zeit haben einen unverwechselbaren Klang, der wie geschaffen für diese Musik ist (oder die Musik ist wie geschaffen für diesen Klang); Bombast oder Feuer wird man hier (da nicht immer nötig) nicht finden. Dvoraks und Smetanas (und viele andere) Musik höre ich mit nicht-tschechischen Orchestern nur „halb so gern“. Auch wenn da durchaus höchst lohnende Aufnahmen drunter sind.


    Und der "Böhme" Gustav Mahler (wie er sich auch selbst nannte) ist auch nicht zu vergessen, lieber Thomas! Interessant ist, wenn man in dieser Hinsicht die verschiedenen Aufnahmen von Neumann vergleicht. Dieser typische böhmische Oboen-Klang z.B., ihn hört man in der Supraphon-Aufnahme Ende der 70iger Anfang der 80iger sehr deutlich. Nimmt man dagegen die späten Aufnahmen aus den 90igern, dann ist der Ton den "westlichen" Orchestern schon deutlich angepaßt - ansonsten ist der unverwechselbare Ton der Tschechischen Philharmonie zum Glück aber geblieben. Es wäre auch ein Verlust, wenn das verloren ginge. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Holger,


    auch wenn wir uns mittlerweile OT bewegen … noch ein Wort hierzu (bevor wir geschimpft kriegen): Volle Bestätigung was Du schreibst. Ich glaube, der typische Klang ist schon lange verschwunden; selbst die Aufnahmen unter Charles Macckerras haben nicht mehr diesen unverwechselbaren Charme; da war nach der Wende eine zu große Zensur. Dieser Klang ist weg, genau so wie der der alten Sowjetorchester. Sch…Globalisierung :-)
    :OTmodusclosed: :-)


    Hochsommerliche Grüße aus dem bislang unwetterfreien München
    Thomas

  • auch wenn wir uns mittlerweile OT bewegen … noch ein Wort hierzu (bevor wir geschimpft kriegen): Volle Bestätigung was Du schreibst. Ich glaube, der typische Klang ist schon lange verschwunden; selbst die Aufnahmen unter Charles Macckerras haben nicht mehr diesen unverwechselbaren Charme; da war nach der Wende eine zu große Zensur. Dieser Klang ist weg, genau so wie der der alten Sowjetorchester. Sch…Globalisierung :-)
    :OTmodusclosed: :-)


    Hochsommerliche Grüße aus dem bislang unwetterfreien München
    Thomas


    Lieber Thomas,


    das liegt zum nicht unerheblichen Teil auch daran, dass viele Musik nach 1989 (vor allem aus den hinteren Reihen) in den Westen gingen. In einem Provenzorchester in der BRD verdiente ein solcher Musiker damals einfach besser (wie es heute ist, weiß ich nicht) als wenn er die 3. Geige in Prag spielte. So mußte sich das Orchester erst einmal neu formieren. Die Soziologen sagen ja, die Globalisierung geht immer auch mit einer Regionalisierung einher. Hoffen wir mal, dass das im Fall des Orchesterklangs doch zumindest ein wenig stimmt. Bernard Haitink meinte mal, in den USA würden alle Orchester nahezu gleich klingen, in Europa hätte jedes seinen unverwechselbaren Klang. Dieser Zustand sollte (trotz Internationalisierung und Uniformierung in der Ausbildung der Musiker, woran wohl kaum etwas zu ändern sein wird, das ist einfach der Lauf der Dinge) doch im Prinzip erhalten bleiben.


    Herzliche Grüße aus Bielefeld (die Gewitter hatten wir vorgestern Nacht, aber im Vergleich mit Düsseldorf ist hier zum Glück wenig passiert)


    Holger

  • Lieber Holger,


    ja, bleibt tatsächlich zu hoffen, dass es hier eine Bewegung back-to-the-roots gibt. Ich mag da aber nicht so recht dran glauben; zuviel Gleichmacherei hat sich in den letzten 20 Jahren in fast allen Bereichen des Lebens breitgemacht. Vielfalt und Individualität ist scheints 'out'.


    Vor drei Jahren hab ich mal einen Thread mit dem Thema aufgemacht ...
    Klangideale/ Klangfarben nationaler Orchester in der Vergangenheit
    ... vielleicht ist hier der bessere Ort für derlei Diskussion ...


    Grüße
    Thomas
    :)

  • Zitat

    Hm, drei Seiten Loblieder auf diese herrliche Musik und kein Hinweis auf eine Einspielung der – was die Protagonisten angeht – vielleicht ‚authentischsten‘ Aufnahme: die mit Vaclav Neumann und den Tschechischen Philharmonikern von 1985.


    Unter den Aufnahmen des Tschechischen Philharmoniker steht aus meiner Sicht jene mit Karel Sejna an erster Stelle, trotz Neumann oder Talich. Im Abgleich mit alten ethnomusikalischen Feldaufnahmen aus Böhmen scheint Sejna das Idiom besonders zu treffen.


  • Danke für den Hinweis ... liegt bereits im Einkaufskorb :-)
    Senja ist mir wohlbekannt durch seine Einspielungen der Fibich-Sinfonien. Die Klangqualität schwankt aber recht ordentlich.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Unter den Aufnahmen des Tschechischen Philharmoniker steht aus meiner Sicht jene mit Karel Sejna an erster Stelle, trotz Neumann oder Talich.

    Von Sejna höre ich gerade diese Aufnahme, wunderbar:



    Wenn die Slawischen Tänze auch so toll sind... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • So, die CD ist mittlerweile eingetroffen und mehrfach durchgehört ... Wolfgang, ich muss Dich leider enttäsuchen, die Aufnahme ist mE(!) keine Konkurrenz zu Vaclav Neumanns klassich-böhmischer Les- und Spielart. Sicher spielt das RPO fantastisch auf und alles klingt höchst fomidabel (vor allem die in der Tat schneidigen Bläser), und wenn eben die Neumann-Aufnahme nicht wäre, könnte sie sich (bei mir) sicher besser behaupten. Letztendlich sinds herrliche 'Ungarische' Tänze (wenn auch oftmals nicht mal das) ... aber halt eben keine Slawischen (rsp. Böhmischen) ...


    Interessant ist, das nach Durchhören der Dorati- und dann der Neumann-Aufnahme der Szell doch merklich hüftsteif daherkommt - das klingt dann im Vergleich erst mal kurios.


    Also, alle drei (hier genannten) sind famose Aufnahmen, die es zu besitzen lohnt. Aber der Sache "gerecht" wird mE leidiglich Vaclav Neumann. Mächtig Rums in der Aufnahme ist halt (für mich zumindest) nicht immer das Primär-Kriterium.


    :D :)

  • Eine spieltechnisch famose, wenngleich auch wieder herrlich „an der Sache“ vorbeidirigierte Einspielung ist mE diese, die ich gestern in meinem Regal wundersamerweise gefunden hab …


    Nikolaus Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe, eine Aufnahme von 2000/2001

    Auch er verfällt in einen eher (feurig-)ungarischen Interpretations-Stil denn in einen (klang-)sinnlich-böhmischen. Das passt mE halt gar nicht (das hat er – noch ne Stufe dramatischer – mit der schon erwähnten Dorati-Aufnahme gemein).


    Klarer Favorit ist bei mir weiterhin Vaclav Neumann mit den Tschechischen Philharmonikern; Dorati und Harnoncourt werden in meiner Sammlung wohl kaum überleben ...
    :)


  • Unter den Aufnahmen des Tschechischen Philharmoniker steht aus meiner Sicht jene mit Karel Sejna an erster Stelle, trotz Neumann oder Talich. Im Abgleich mit alten ethnomusikalischen Feldaufnahmen aus Böhmen scheint Sejna das Idiom besonders zu treffen.



    Diese Aufnahme hat sich nun auch in mein Portfolio eingereiht und auch hier merkt man wiederum sehr deutlich, dass es ein Unterschied ist, ob sich heimische Dirigenten der Musik Böhmens und Mährens annehmen oder andere ... Auch diese Aufnahme (die altersbedingt vielleicht nicht ganz so frisch klingt) versprüht den "Geist"dieser Musik in unnachahmlicher Weise. Vaclav Neumann hat aber für mich (!) dennoch die Nase vorn mit seiner federnden Eleganz.


    Mittlerweile wieder aussortiert wurden die Aufnahmen mit Dorati und Harnoncourt ... die gehen mE an der Sache doch bisserl arg vorbei. Wo der eine noch (von mir aus) recht formidable "Ungarischen Tänze" hervorzaubert, rennt der andere vollends an der Sache vorbei. Szell bleibt als - wenngleich hochklassiges - Kuriosum im Sortiment.


    :)