• Es ist ganz erkenntnisreich, die auf youtube vorhandenen Interpretationen dieser Fuga durch (meist) bekannte Künstler miteinander zu vergleichen:


    Cembalo: https://www.youtube.com/watch?v=QQrXrGR4z6s, ab 9:03, Rinaldo Alessandrini
    büschen langsam, allerdings gut artikuliert, gutes Cembalo, der Klang ist nicht so scharf wie bei so manch anderem Instrument: 7 - 8


    Cembalo: https://www.youtube.com/watch?v=hBR5IjbTFds, ab 8:06, Edward Smith
    zu scharfer Klang des Cembalos, nicht so perlig wie im Beispiel zuvor, insgesamt weniger ausgewogene, etwas unruhigere Spielweise: knappe 6


    Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=AGMgsynRXic, ab 7:35
    Richter spielt großartig, sehr feine Artikulation, Interpretation macht den Eindruck einer 9, aufgrund unterirdischen Klanges jedoch keine Gesamtwertung


    Klanglich ist diese Version Richters besser: https://www.youtube.com/watch?v=uFHnJqBF-FQ, ab 8:10,
    interpretatorisch hat mir allerdings die obige besser gefallen: 7


    Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=yXVxVlOu49o, ab 7:51
    Kempff artikuliert m.E. nicht so glasklar wie Richter oder gar Demidenko: 7


    Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=K91kAwc8QvU, ab 8:56
    Schiff zieht es schon zieeemlich in die Länge und nimmt der Fuge dabei viel Wucht und Eleganz (paßt scheinbar nicht zusammen, oder?). Jedenfalls hört es sich manchmal beinahe gestottert an: 6


    Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=NnYNjhkBNiw, ab 7:58
    Fleisher ist zwar auch nicht besonders schnell, bewahrt aber ein elegantes, spielerisches Gesamtbild: 8


    Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=IqUcv_pfq2o, ab 6:50
    Gulda macht es richtig gut, feine Nuancen werden farbig herausgearbeitet: 9
    Klang ist ein bißchen dürftig, geht aber gerade noch

  • Dieser Beitrag ist eine absolut notwendige, aber auch gute Ergänzung (danke für die viele Abhörarbeit) zu Betrag Nr. 180 - den dortigen Link kann man ja nicht hören, dieses elektronische Gehopse (dafür ist die Struktur graphisch dargestellt).


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ja, diese graphischen Darstellungen finde ich immer wieder ganz ausgezeichnet, sagen mir vieeel mehr als Noten (die mir eigentlich gar nichts sagen).

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • schneidet das Cembalo in diesem Fall sogar besser ab - höhere Durchsichtigkeit, schönerer Klangteppich.


    Hallo m-mueller,
    und ohne Klangbrei (nicht nur in diesem Fall?); sage ich doch schon lange (bilde mir aber nicht ein, "steter Tropfen höhlt den Stein").


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo zweiterbass,


    ein paar wenige Gegenbeispiele werden meine Präferierung des Klaviers zur Zeit nicht umstoßen, was klar am scharfen, spitzen, nervigen Klang der meisten Cembali liegt.


    Aber das obige Beispiel ist eben nicht scharf oder spitz, da kann man zuhören ohne vom Klang abgestoßen zu werden, und dann entfaltet sich auch der differenzierte, feine Klangteppich eines solchen Spitzencembalos.


    Leider ist das nicht einmal ansatzweise die Regel!


    Hörst Du diese Unterschiede nicht? Oder stören Sie Dich nicht? Ist erkennbar, welche Marke(n) solche "Gut-Cembali" führen?

  • Hallo m-mueller,


    nein, nervig höre ich den Cembaloklang nicht.


    Die Silbermann-Orgeln u. ä. waren zu J. S. Bachs Zeiten sehr geschätzt – und sind es heute noch. Nicht zu vergleichen mit den Tasteninstrumenten, deren Tonerzeugung durch Saiten erfolgt. Hammer-, Tafel-, Tangentenklavier/-flügel dürften für die Aufführungen von Bachs Werken für Tasteninstrumente zur Entstehungszeit noch kaum zur Verfügung gestanden haben, im Gegensatz zu Cembalo, Spinett, Virginal (in sehr vielen Ausführungsarten) und Clavichord. Folglich haben Bachs Werke für Tasteninstrumente auf modernen Flügeln gespielt ein völlig anderes Klangbild. Und wer weiß, wie schwierig es ist, ein Clavichord gut zum Klingen zu bringen – anders als z. B. ein Cembalo/Spinett/Virginal – wird erkennen können, dass diese Instrumente, neben der Orgel (in auch sehr vielen Bauformen) , wohl hauptsächlich die Instrumente waren, auf denen zu Bachs Zeiten seine Werke gespielt wurden.


    Selbstverständlich können gerade viele Werke Bachs auf sehr unterschiedlichen Instrumenten gespielt werden, anders als Kompositionen ab Klassik, jedenfalls ab Romantik, deren Komponisten meist ein genaues Hörbild im Kopf hatten, wie ihre Werke zu klingen hatten.


    Auf der anderen Seite: Nicht umsonst wird Musik aus z. B. der Renaissance u. ä. mit Originalinstrumenten oder deren guten Nachbauten aufgeführt, weil nur so ein Höreindruck entstehen kann, wie die Musik vom Komponisten gehört werden konnte und weshalb er sie so komponiert hat.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Womit erneut bewiesen ist, dass Musik ein höchst individuelles Spiel- und Hörfeld ist/hat.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • hallo zweiterbass,


    andererseits gibt es ja auch immer das Argument, daß, wenn Bach es gekannt hätte, den Flügel vorgezogen hätte - Angela Hewitt vertritt das z.B. so, und Glenn Gould hat es auch vertreten.


    Was mich aber wirklich interessieren würde - wer stellt solche seidenweichen Cembali her??

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo m-mueller,


    Hewitt etc. - das ist m. E. kein Argument, sondern eine unbeweisbare Vermutung.


    Hersteller seidenweich klingender Cembali: ???


    In der Musikabteilung des "GNM" sind rd. 30 Cembali ausgestellt, dazu gibt es 1 Hörbeispiel auf oft nicht funktionierenden, veralteten und mies programmierten Audio-Guides; Museumsleute sind optisch ausgerichtet, nicht hörend. Es fehlt die Einsicht, dass die Optik eines Musikinstrumentes nur max. 10% dessen ausmacht, was ein Musikinstrument zu einem Musikinstrument macht - nämlich der Klang. Da lobe ich mir doch die Musikinstrumentensammlung des "Grassi" in Leipzig (böse Bemerkung: Mit wessen Geld wohl diese moderne Präsentation - viel Klang! - erfolgte?).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo zweiterbass,


    die Vermutung, Bach hätte ein Cembalo vorgezogen, ist genauso eine unbeweisbare Vermutung - warum erinnert mich unsere Argumentationsstruktur bloß an den RT-Thread??


    Nun hat ja gerade Bach eine Reihe von Stücken geschrieben, ohne daß eine Widmung für ein bestimmtes Instrument erkennbar wäre.


    Wie auch immer: man kann ja die Versionen für Klavier und Cembalo jeweils vergleichen und sich das rauspicken, was einem besser gefällt.


    Das könnte man zwar notfalls "theoriefreien Instrumenthedonismus" schimpfen, der sich einer ernsthaften und respektvollen Herangehensweise an die Original-Kompositionen entzieht, aber ggf. ertrage ich lieber diese Art von Vorwurf als das Gezirpe eines Bad-Cembalos.

  • um mal ein weiteres Beispiel für ein Bad-Cembalo darzustellen:


    http://www.youtube.com/watch?v=8KQseNwSs3g, Fuge ab 3:30


    scharf, viel zu obertonreich, nervig, nicht perlend, der einzelne Ton wird angerissen, jeder vernünftigen Klavierversion meilenweit unterlegen.


    Die CD habe ich sogar selbst, im Original ist es auch nicht besser.


    Wenn man das unmittelbar mit dem Cembalo aus Beitrag 185 vergleicht, wird vielleicht klar, was ich meine.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Schnellantwort: existiert nicht die Aussage Bachs, in der er das Silbermannsche Hammerklavier ablehnt?
    Erst später, in Berlin, dessen Vorzüge zu schätzen wusste.
    Aber wer hier zieht nun wiederum ein Hammerklavier einem Steinway vor?


    Komponiert ist immer für das Instrumentarium, das vorhanden war- darum sind Diskussionen müßig wie: hätte Bach einen Flügel gehabt, hätt er....-er hat nicht.


    Nur nebenbei: ein Cembalo zirpt nicht, sondern hat einen feinen Klang, der auf Obertönen aufbaut, der sich oberhalb von 10 kHz bewegt, wohingegegen das moderne Klavier dort längst schweigt.
    Das Cembalo kann ein äußerst reich klingendes Instrument sein- wenn es entsprechend traktiert wird.
    Klangideale- und Wünsche des Hörers spielen hier eine weitaus größere Rolle als die objektive Beurteilung von Armut oder Reichtum eines Instruments.
    Das Cembalo existiert seit Jahrhunderten und hat sehr vielen Komponisten genügt, bis hin zu Brahms.


    Wie wär's also mal mit Leben und Leben lassen und Musik AUCH dem Mittel, für das sie enstand?

  • Lieber Melante,


    gern lasse ich alle möglichen Cembali leben, mögen sie klingen wie sie wollen - ich kleide hier gerade nichts anderes als meine eigenen höchst subjektiven Höreindrücke in Worte, die können von anderen geteilt werden oder nicht.


    Vielleicht noch eine weitere Anmerkung: ich hatte bisher mehr oder weniger alle Cembali im Generalverdacht, zu scharf und damit schlecht zu klingen: ich habe eigentlich erst im Rahmen der Hörbeispiele für diesen Thread entdeckt, daß es auch gut klingende Cembali gibt. Und suche gerade mehr davon.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • ...und das ist ein sehr gut klingendes Cembalo!
    Allergings reduziert um die Obertöne, die die Datenreduktion des .flv mitsichbringt.
    Und natürlich, weil es nicht so gestimmt ist wie ein modernes Klavier, sondern eher rein- mit den dazugehörigen Reibungen. Das ist ja gerade der Reiz!


    Was wir heute als "sauber" hören, war zu Bachs Zeiten "unsauber", der Stimmung wegen. Bach nutzt solche Reibungen ganz bewusst.


    Wie gesagt, die Hörerwartungen prägen mehr als man wahrhaben möchte.


    Das feine "Schweben" hier innerhalb von Akkorden, der Stimmung geschuldet, ist genau das, was Bach komponiert hat- und eben nicht gleichschwebend wie wir heute hören, sondern wohltempereirt.


    Achte mal drauf, wie sich Stauunugen innerhalb des Satzes verdichten, weil die fernen Töne näher rücken.
    Ein klanglicher Reichtum, wenn auch ein etwas "beißender", den kein Klavier erlaubt.

  • ...und das ist ein sehr gut klingendes Cembalo!
    Allergings reduziert um die Obertöne, die die Datenreduktion des .flv mitsichbringt.


    Worauf hast Du das jetzt bezogen?


    Das Instrument in Beitrag 815 klingt aber nicht deshalb so gut, weil von der eigentlich vorhandenen Schärfe durch Datenreduktion nichts mehr übrig geblieben ist - so stark greift die Datenreduktion gar nicht ein; nein, das ist ein besserklingendes Instrument.


    Kannst Du ggf. erkennen, wer so etwas gebaut haben könnte?


    btw: anscheinend ist das auch kein Einzelfall: das erste Beispiel in Beitrag 181 klingt ja auch nicht so schlecht.

  • P.S.: Musik ist nicht dazu da, allein schön zu klingen.


    ggg, Melante,


    für mich schon, ich brauche keine Erziehung durch Musik.


    Manchmal mag ich aber auch Stücke, die nicht "schön" klingen, allerdings: scharfe Cembali gehören bisher in keinem Fall dazu.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • welchen Beitrag meinst Du? 815 kann nicht stimmen.
    Meinst Du 185, die Leonhardt-Aufnahme?


    Das aber wäre ein Fall von: kommt drauf an, wer das Ding traktiert!
    Leonhardt ist der vielleicht genialste Cembalist des 20. Jahrhunderts.


    Leohnhardt besaß eine eigene, sehr große Instrumentensammlung, im Booklet der Aufnahmen je vermerkt, welches er spielt.
    Bach hat er oft, aber nicht immer, auf einem Nachbau des "Blauen Mietke" gespielt, ein Instrument, das sich im Besitz des "Alten Fritz" befand.
    Ein wirklich sehr rund und homogen klingendes Instrument.


    Manchmal spielt er auch französische Instrumente, deren Klangideal aber völlig anders ist- die Musik, die auf ihnen erklang, war eine andere!
    Ziselierter, kleingliedriger.
    Verzierungen waren in der französischen Musik wichtiger als in der deutschen, darum der detailiiertere Klang der Instrumente.


    Magst Du mal nach originalen Ruckers-Instrumenten suchen? Stammen aus dem 16. Jahrhundert und sind nicht von Taskin umgebaut um 1750.
    Hab ich mal parallel gehört zu einem Klavier- der Ruckers spielt Dir in Lautstärke und auch Dynamik den Steinwey "in den Sack".
    Von aller Klangfarbe mal abgesehen.
    Blandine Verlet spielt einen origalen Ruckers, auch bei Bach, zu finden auch bei YT.


    Siegbert Rampe spielt seinen Händel auf einem Cemalo mit 16'', das Ding orgelt richtig. Einen derart fundamentalen Bass erkauft man sich auf dem Klavier nur mit Soßenklang.


    Rein technisch zur Datenreduktion: ist besonders heikel, da bei ca. 10 kHz angehoben wird der Brillianz wegen. Um alles darüber zu begrenzen.
    Darum klingen mp3s/flv eines Cembalo oft so lästig, weil genau dort angehoben wird, wo die Instrumente eh ihre Präsenz haben.
    Dazu kommt, dass es extrem schwer zu sein scheint, den Cembaloklang adäquat auf Tonträger zu bannen, insbesondere im entsprechenden Raum.
    Die Mikros sind meist zu dicht am Instrument- oder zu weit weg.

  • Lieber m-mueller,


    ich beziehe mich auf Deinen an mich gerichteten Beitrag Nr. 193.


    Ich stimme Dir in Allem zu und Du wirst in meinen Beiträgen nichts finden, was du nicht selber gepostet hast - bis auf den 1. Satz:


    Ich habe nicht behauptet, Bach hätte bestimmte Tasteninstrumente bevorzugt, genau das Gegenteil habe ich gepostet. Ich habe nur darauf hingewiesen, welche Tasteninstrumente für Bach normalerweise zur Verfügung standen - das ist doch ein Unterschied, oder?


    Selbstverständlich kann Jede/r Bach auf dem Instrument hören, was ihr/ihm zusagt - von der Individualität des Hörers und seinen darauf fußenden Entscheidungen habe ich schon oft gepostet.


    Wer aber Bach so hören will, wie er es gehört hat und dabei die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente ihn seine Komposition mit einbezogen hat, für die/den ist ein moderner Konzertflügel das ungeeignete Instrument.


    Freundliche Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Melante,


    Du hast natürlich Recht, es ist Beitrag 185. Aber es ist wohl keine Leonhardt-Aufnahme, ich habe die youtube-Aufnahme nur durch eine generische Quelle begleiten wollen (daher auch der Verweis als "z.B. hier") - bei der youtube-Aufnahme läßt sich nicht erkennen, auf welchem Instrument gespielt wird.


    Anscheinend hat das Stück ein Cembalist namens Robert Hill eingespielt.


    Da werde ich mal recherchieren müssen, was er so alles eingespielt hat.

  • Alles klar, 185 ist gar kein Cembalo.


    Über den Interpreten ging es bei Amazon zur CD



    und dort zur Rezension eines Dr. Matthias Hutzel aus dem Jahre 2003.


    Zitat:


    In vielen Fällen ist es schwierig, bekannten Werken noch neue, aufzeichnungswürdige Aspekte abzugewinnen. Hier liegt der Reiz des Neuen in der Verwendung eines Instrumentes, das Bach kannte und besaß: dem Lautenklavier. Es handelt sich dabei um ein kleiner als das Cembalo mensuriertes Instrument, das mit Darmsaiten (statt Metall) bespannt ist und ohne Dämpfer auskommt. Dies und andere kleinere Besonderheiten sind aus der Fachliteratur - sogar aus dem Umkreis Bachs - bestens bekannt; ein originales Instrument ist nicht mehr erhalten. Robert Hill spielt auf einem Nachbau von Keith Hill (Manchester/Michigan 1994).


    Zitat Ende


    CD bestellt, "Lautenklavier" könnte ein neues Entdeckungsgebiet sein.

  • Lieber zweiterbass,


    der hypothetische Vorwurf aus 193 war gar nicht auf Dich gemünzt, sondern auf die allgemeine Vorwurfskultur hier im Forum - hätte ich natürlich im Beitrag selbst klarer herausstellen sollen.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose