Johann Baptist Vanhal - die Konzerte

  • Es wurde in den letzten Tagen hier die Frage nach der Bedeutung Vanhals gestellt. Dies einerseits und der Anlass des 200. Todestages (Vanhal starb am 20. August 1813 in Wien) haben mich veranlasst der Sache auf den Grund zu gehen - oder es doch zumindest zu versuchen....
    Wenn wir uns dir Frage nach der Bedeutung von Komponisten und nach ihrer Reputation stellen, dann werden wir immer vor ein Dilemma gestellt: BEDEUTEND - WANN und FÜR WEN ?

    Dass Vanhal in unserem derzeitigen Musikleben so gut wie keine Rolle spielt ist schwer zu bestreiten, zu Lebzeiten jedoch war er nicht nur sehr produktiv - sondern auch äußerst erfolgreich und angesehen. In seinem Werk: „Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst“ schrieb C.F.Schobart im Jahre 1784:“Vanhal ist unter den neuesten Tonsetzern unstreitig einer deredelsten und besten…..“
    Auch Haydn und Mozart schätzten Vanhal als hervorragenden Komponisten.


    Es sind zumindest 76 authentische Sinfonien überliefert , das gesamte Lebenswerk wird auf etwa 1300 Kompositionen geschätzt, wobei die Aufarbeitung der meisten Sparten noch gar nicht erfolgt ist.
    Die Konzerte jedoch – zumeist nur in handschriftlichen Kopien verfügbar (und somit oft in ihrer Authenzität anfechtbar ?) stammen in der Regel aus der Zeit vor 1780/82 – denn ab diesem Zeitpunkt widmete sich Vanhal vorzugsweise der Klavier – Orgel- und Kirchenmusik…
    Wie dem auch sei – hier stelle ich euch eine Ersteinspielung von 3 Cellokonzerten vor, welche erst 2010 in den Handel gebracht wurde..
    Gewisse Ähnlichkeiten mit Haydns und Boccherinis Cellokonzerten sind zwar ansatzweise vorhanden – aber ich finde das eher als Pluspunkt, denn als Mangel…


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei mir im CD Regal habe ich wenige Aufnahmen Johann Baptist Vanhals (1739-1813). In einer Ramsch-Kiste eines Warenhauses hatte ich eine CDs mit Sinfonien gefunden. Was ich damals hörte hat mir gefallen. Über die Jahre verteilt ist einiges an Werken Vanhals zusammen gekommen.


    Das Label Naxos hat drei Violinkonzerte Vanhals herausgebracht: Weinmann lib G3, lib G1 und lib Bb1


    Es spielt Takako Nishizaki. Das Kölner Kammerorchester begleitet sie, Helmut Müller-Brühl gibt die Einsätze.
    Nota bene: Takako Nishizaki ist mit Klaus Heymann, dem Gründer des Labels Naxos verheiratet. Vielleicht legt sie ein Wort für Vanhal ein und es kommen weitere Werke dieses Komponisten in den Naxos-Katalog... Einige Werke Vanhals findet man bereits bei diesem Label.

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




    2 Mal editiert, zuletzt von moderato ()

  • Ich setze dort fort, wo "Moderato" geendet hat, nämlich bei den Violinkonzerten.
    Ähnlich wie Mozarts Violinkonzerte (an die sie mich auch entfernt erinnern) sind sie nicht auf Effekt und Virtuosität angelegt, sondern auf Schönheit des Klanges und melodiöse Themen, Dies macht sie meines Erachtens für den Mozart-Liebhaber unverzichtbar und es ist ein Wunder, daß es hiervon nicht mehrere Aufnahmen gibt. Indes finde ich die vorliegende in jeder Hinsicht gelungen. Takako Nishizaki spielt mit betörend süssem und doch niemals aufdringlichem Ton, begleitet vom Kölner Kammerorchester unter Helmut Müller Brühl, der sich schon einst mit der Schwann/musica mundiSerie "Meisterhaft gespielt" in die Herzen der Liebhaber von wenig bekannten Komponisten des 18. Jahrhunderts spielte.
    Das vermutlich beliebteste Konzert zu Lebzeiten des Komponisten war Das Konzert in B-dur (Weinmann IIb:bb1), Mozart kannte es nicht nur - nein er spielte es selbst 1777 in Augsburg - "mit großem Applause" - wie er an seinen Vater in seinem Brief vom 23-25 (sicc !) Oktober schreibt...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe - da ich auch wöchentlich über die Neuheiten bei Naxos per Mail informiert werde - zwar schon öfter den Namen Vanhal gelesen. Ich habe mich auch darüber informiert, dass er Zeitgenosse Mozarts war und über 100 Sinfonien sowie eine Reihe Konzerte für verschiedene Instrumente, sowie auch etwa 100 Streichquartette geschrieben hat. Ich hatte mich bisher aber mit ihm noch nicht beschäftigt, weil es inzwischen eine solche Vielzahl von Werken weniger bekannter Komponisten gibt. Auf viele bin ich nur durch Zufall gestoßen, wenn ich ein Werk von ihnen hörte. Leider ist auch meine Zeit und mein Geldbeutel beschränkt, so dass ich nicht alles anschaffen kann. Dieses Thema aber hat mich jetzt auf den Komponisten aufmerksam gemacht und ich habe bei jpc einige Hörproben angehört. Was bisher über die Musik gesagt wurde, kann ich nur unterstreichen und werde diesen Komponisten in meine Kaufwünsche einbeziehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • sie [sind] nicht auf Effekt und Virtuosität angelegt, sondern auf Schönheit des Klanges und melodiöse Themen

    Das kann ich nur unterstreichen. Wenn man sie mit dieser "Prämisse" im Hinterkopf anhört, merkt man sogleich, wie "rund" und "geschmeidig" seine Musik ist.
    Überhaupt kommt mir Vanhals Musik sehr viel melodienausgerichteter vor als die vieler anderer Komponisten. In manchen zweiten Sätzen findet man bei ihm eine Zwiesprache zwischen zwei Instrumenten (z. B. Oboe und Fagott) oder ein einzelnes Melodieinstrument spielt die Melodie, während alle anderen nur begleiten. So etwas ist m. E. höchst interessant, so etwas zu hören. Ich wünschte, es gäbe eine GA von seinen Symphonien und/oder Konzerten.

  • Stets findet Überraschung statt, wo man sie nicht erwartet hat. - dieses Wilhelm Buch-Zitat ist mit unwillkürlich eingefallen, als ich vor wenigen Tagen eine meiner Neuerwerbungen in Händen hielt, nämlich die CD Nr 13 der Serie "Konzert-Raritäten aus dem Pleyel Museum".
    Hier war nämlich - einmal mehr - auf dieser CD nicht nur Werke von Pleyel, sondern auch von seinem Lehrer Johann Baptist Vanhal (Haydn war nicht der einzige Lehrer Pleyels) Normalerweise ärgere ich mich immer über "Mischprogramme", weil sie einen Störfaktor in meiner nach Geburtsjahr des Komponisten geordneten Archivordnung bedeuten. Mein Ärger hat sich diesmal jedoch in Begeisterung verwandelt, als ich nämlich herausfand, daß es nicht nur ein Klavierkonzert Vanhals ist, sondern das einzige überhaupt von dem eine Einspielung existiert. (Es dürfte aber laut meiner Recherche zumindest noch ein zweites geben, das allerdings niemals aufgenommen wurde.
    Wer Klavierkonzerte der Wiener Klassik liebt, der darf an dieser Aufnahme nicht vorbeigehen. Im Beiheft wird das Konzert als mäßig schwierig und an Haydn oder frühen Mozart erinnert. Wahrscheinlich eine einigermaßen brauchbare Krücke, damit man sich überhaupt etwas vorstellen kann.
    Indes würde ich mich an folgender Beschreibung versuchen:
    In der Grundhaltung gefällig, tändelnd , lieblich und einfach gehalten - jedoch sehr eigenständig, voller Ohrwurmthemen die perlend dahinfliessen.
    Besonders tänzerisch ist der dritte Satz gehalten. Rokoko pur....


    Die weiteren dieser CD sind das Violinkonzert in D-Dur (Benton 103A) und die Grande Sinfonie in F-Dur (Benton 140) von Pleyel .
    Die werden bei Gelegenheit im passenden (Pleyel) Thread kurz vorgestellt....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    Clck 324

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Vanhal-Thread über die Sinfonien wurde die Frage gestellt, ob denn auch Aufführungen seiner Werke stattfänden. IUch habe dort auf eine CD verwiesen, die dorthin passt, wo untere Anderem ein Live Mitschnitt einer Sinfonie enthalten ist - aber auch auf eine CD wo eine Live-Aufnahme eines Pleyel Neujahrskonzert ein Klavierkonzert seines Lehrers Vanhal enthält. Eiogentlich nicht für den Sinfonienthread geeignet - aber was solls.


    Hier im Thread über Vanhals Konzerte verlinke ich via Youtube auf einen Video-Mitschnitt des Kontrabass Konzerts in Es dur von Vanhal, der mich zu über alle Maßen begeistert hat.....
    Für mich gehört Vanhal zu den ganz Großen - und wenn man bedenkt, dass der Großteil seiner ca 1300 (!!!) Kompositionen in den Archiven auf eine Wiederentdeckung wartet - dann darf man hoffen......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine weitere, wunderbare Entdeckung, zumal ein Solokonzert für Kontrabass sicherlich auch nicht alltäglich sein dürfte. Ich darf, zu Vanhal allgemein, noch ergänzend beitragen:


    diesen schönen Artikel der Deutschen Welle, der Vanhal als einen zu Unrecht vergessenen Komponisten würdigt, der erst nach und nach wiederentdeckt wird:


    http://www.dw.de/unabh%C3%A4ng…baptist-vanhal/a-16991026


    sowie die Seite der Internationalen Vanhal - Gesellschaft:


    http://www.wanhal.org/


    Hier wird die Schreibweise "Wanhal" bevorzugt, die wohl auch der Komponist selbst benutzt hat, wie uns der englische wikipedia - Artikel (der ungleich ausführlicher als der deutschsprachige ist) informiert.


    http://en.wikipedia.org/wiki/Johann_Baptist_Wanhal

  • Und ich möchte - um noch weiteres Interesse an Vanhal zu erwecken - zwei weitere Clips von Live-Einspielungen verlinken.
    Hier eine Kostprobe aus dem Viola-Konzert in C-dur


    und dann noch ein Satz aus Vanhals Klavierkonzert in C-dur


    Das wäre das für Herrn Schoonderwoerd oder Paul Badura Skoda (der gerne noch einige Aufnahmen von Mozarts Klavierkonzerten machen möchte). Solch zugkräftige Namen könnten Musikgeschichte schreiben - wenn sie nur wollten - indem sie einen in Vergessenheit geratenen Komponisten - der immerhin von Mozart geschätzt wurde - wieder mehr in den Focus rückten... - na ja - man wird ja noch träumen dürfen.
    Ich habe nur 2 Pianisten stellvertretend für alle anderen genannt, die ein solches Projekt adeln könnten - die anderen sind natürlich auch eingeladen.


    An Konzerten selbst herrscht wahrlich kein Mangel - Alle Soloinstrumentgattungen mit eingeschlossen hat Vanhal an die 60 Konzerte geschrieben....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • VANHAL Johann Baptist: Fagottkonzert in C-dur


    Über 5 jahre sind seit dem letzten Beitrag vergangen. Hat sich seither viel getan ? Nicht wirklich viel-

    Aber immerhin wurde die bereits 2001 aufgenommene und bereits gestrichen CD mit 4 wundervollen Konzerten, daunter eines, das relativ unbekannt ist, das Fagottkonzert in C.dur (Vanhal hat insgesamt 3 Fagottkonzerte komponiert) 2017 (also NACH dem bislang letzten Beitrag dieses Threqads) wiederveröffentlicht

    Ich habe soeben diese Fagottkonzert mir Genuss gehört. Wie soll man es einordnen ? Booklets schleichen oft um den heissen Brei herum wenn es um Bewertungen und Beschreibunge eher unbekannter Werke geht, nicht mal ein Kompositionsjahr wird angegeben, und bieten statt dessen einen kurzen Lebenslauf des Komponisten an.

    Bleibt mir also nicht übrig als selbst eine sehr subjektive "Bewertung" vorzunehmen.

    Vanhal ist IMO einer jener Komponisten, welcher, obwohl älter , im Stil seiner Konzerte NACH Mozart einzuordnen ist, eigentlich schon frühes 19. Jahrhunderts, aber nicht an Beethoven orientiert, sondern eher in Fortsetzung der Wiener Klassik, als hätte es Beethoven nicht gegeben, und auch nicht im (damals modischen) Bemühen ihm zu gleichen oder nachzueifern. Es fehlt das dramatische Element,

    eine perfekte Harmonie und Wärme des Tons, die man auch mit einer gewissen Süßlichkeit beschreiben kann (Kaffe mag ich eher Bitter, Mehlspeisen nicht zu süss - aber bei Musik liebe ich die Süsse und Wärme.) -Vanhal erinnert mich in diesem Konzert ein wenig an die Harmoniemusiken ebendieser Zeit. Dazu mehr, nachdem ich die anderen Konzerte gehört habe.


    Daß 1956 Jahren ein Musikwissenschafter Namens Paul Robey BRYAN (1920- ?) ein Verzeichnis aller Kompositionen Vanhals erstellt hat und (Wien 1987, vielleich posthum ?? )eines von Alexandere Weinmann (1901-1987)ist an etlichen Plattenproduzenten anscheinend spurlos vorübergegangen.....


    Wikipedia bringt AUSZUGSWEISE eine Liste von Konzerten Vanhals


    • Violinkonzert B-Dur
    • Cellokonzert A-Dur
    • Cellokonzert C-Dur
    • Kontrabasskonzert Es-Dur
    • Konzert für zwei Fagotte und Orchester F-Dur
    • Konzert für Fagott und Orchester C-Dur
    • Flötenkonzert Nr. 1
    • Flötenkonzert Nr. 2
    • Orgelkonzert F-Dur (Konzert für Orgel und Orchester)

    mfg aus Wien

    Alfred



    PS :die in Beitrag Nr 2 und 3 beschriebenen Violinkonzerte (nur eines steht in der WIKI Liste) sind derzeit bei unseren Werbepartner jpc in Aktion für 2.99 Euro

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Heute kam das 16 minütige Klarinettenkonzert in C-dur dran. Viel gibt es drüber nicht zu schreiben, versuchen wir's trotzdem. Der erste Satz ist ein übermütiges quirliges Stück, eher konventionell von der Melodik her, aber vielleicht gerade deshalb besonders eingängig und gefällig. Im zweiten Satz stimmt die Klarinette einen klagenden. melancholischen und dennoch süssen Ton an. Das Orchester hält sich zumeist im Hintergrund und überlässt dem Soloinstrument das Podium. Der dritte Satz ist auf ausgewogene Schönheit abgestimmt. Orchester und Klarinette sind hier gleichberechtigt ausbalanciert und spielen in etwa ein Frage- und Antwort Spiel. Dazu ist der Wiederkennungswert der Themen hoch und besitzt Ohrwurmqualität.

    Erwähnenswert ist die naturnahe Wiedergabe des Soloinstruments - eine Meisterleistung der Tontechnik.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !