Da ich das Gedicht "September" hier arg verrissen habe, möchte ich das Lied gegen meine Voreingenommenheit in Schutz nehmen.
"September" entbehrt gewiß der emotionalen Gestik und Dynamik, die "Frühling" auszeichnet; die Szenerie ist nicht der elementaren und überwältigenden Natur selbst nachgebildet, sondern dient als Hintergrund eines Stimmungsbildes - ein heikles Amoenotop. Vergleicht man die erste Partiturseite beider Lieder, so wird die Tendenz zum Flächigen und vergleichsweise Überinstrumentierten in "September" offenkundig.
Das besondere an diesem Lied ist indessen seine spezifische Stimmungslage, eine melancholische Heiterkeit. Sie läßt sich, da das Gedicht ohne lyrisches Ich auskommt, auf die rudimentäre Rollenhaftigkeit des lyrischen Tons zurechnen, eine leicht übertriebene Einfühlsamkeit, wie man sie Kindern gegenüber gerne gebraucht. Wie genau Strauss diesen Tonfall erfaßt und umsetzt, zeigt etwa der Vers "Sommer lächelt erstaunt - und matt" mit seiner vielsagenden Pause und dem Absinken der lichten Stimmlage in entlegene Mollbezirke. Man denkt vielleicht an die Stelle aus Mozarts "Veilchen": "Es sank - und starb - und freut sich noch" und hört die unfreiwillige Ironie, die in der allzu großen Erwachsenenempathie immer mitschwingt.
Diese Nuance der Ironie steht in einem schwer zu erweisenden Verhältnis zur heiteren Melancholie des Liedes im Ganzen. Zweiterbass hat den schönen Vorschlag gemacht, das mit dem Herbst sei ja deswegen gar nicht so schlimm, weil ja der Sommer übers Jahr bereits wiederkäme. Nun mag Strauss wiederum nicht mehr an ein weiteres Frühlingswunder geglaubt haben wollen. - Der Zyklus läßt die Frage offen, da er die Metapher, mit der "September" schließt, enharmonisch in jene von "Beim Schlafengehen" verwandelt.