Richard Strauss, Vier letzte Lieder

  • Da ich das Gedicht "September" hier arg verrissen habe, möchte ich das Lied gegen meine Voreingenommenheit in Schutz nehmen.


    "September" entbehrt gewiß der emotionalen Gestik und Dynamik, die "Frühling" auszeichnet; die Szenerie ist nicht der elementaren und überwältigenden Natur selbst nachgebildet, sondern dient als Hintergrund eines Stimmungsbildes - ein heikles Amoenotop. Vergleicht man die erste Partiturseite beider Lieder, so wird die Tendenz zum Flächigen und vergleichsweise Überinstrumentierten in "September" offenkundig.


    Das besondere an diesem Lied ist indessen seine spezifische Stimmungslage, eine melancholische Heiterkeit. Sie läßt sich, da das Gedicht ohne lyrisches Ich auskommt, auf die rudimentäre Rollenhaftigkeit des lyrischen Tons zurechnen, eine leicht übertriebene Einfühlsamkeit, wie man sie Kindern gegenüber gerne gebraucht. Wie genau Strauss diesen Tonfall erfaßt und umsetzt, zeigt etwa der Vers "Sommer lächelt erstaunt - und matt" mit seiner vielsagenden Pause und dem Absinken der lichten Stimmlage in entlegene Mollbezirke. Man denkt vielleicht an die Stelle aus Mozarts "Veilchen": "Es sank - und starb - und freut sich noch" und hört die unfreiwillige Ironie, die in der allzu großen Erwachsenenempathie immer mitschwingt.


    Diese Nuance der Ironie steht in einem schwer zu erweisenden Verhältnis zur heiteren Melancholie des Liedes im Ganzen. Zweiterbass hat den schönen Vorschlag gemacht, das mit dem Herbst sei ja deswegen gar nicht so schlimm, weil ja der Sommer übers Jahr bereits wiederkäme. Nun mag Strauss wiederum nicht mehr an ein weiteres Frühlingswunder geglaubt haben wollen. - Der Zyklus läßt die Frage offen, da er die Metapher, mit der "September" schließt, enharmonisch in jene von "Beim Schlafengehen" verwandelt.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Wir alle kennen ja den berühmtesten aller Shakespeare-Monologe, aus Hamlet, "To be or not to be" (III, 1) wo es weiterhin heißt:


    Sterben - schlafen -
    Nichts weiter! und zu wissen, daß ein Schlaf
    das Herzweh und die tausend Stöße endet,
    die unsers Fleisches Erbteil - ´s ist ein Ziel,
    aufs innigste zu wünschen. Sterben - schlafen -
    schlafen! Vielleicht auch träumen! -


    Man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, daß damit die Thematik der "Vier letzten Lieder" als Zyklus erschöpfend umrissen ist. Die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele modifiziert sich zu einer der Kohärenz und Kontinuität des Bewußtseins, die die Zustände des Unbewußten mit einbegreift.


    Vor diesem metaphysischen Hintergrund entspinnt sich die Romanze (sogar als Violinromanze) des Einschlafens bei Strauss.


    Nun der Tag mich müd´ gemacht,
    soll mein sehnliches Verlangen
    freundlich die gestirnte Nacht
    wie ein müdes Kind empfangen.


    Das ist, in seiner lyrischen Verklausulierung, gar nicht so leicht zu verstehen, wie man vielleicht meint. Da steht ja nicht: Meiner Tage müde, sehne ich mich von ganzem Herzen nach Schlaf. Eher schon: Es ist Zeit! So müde, wie ich meines Tagwerks bin, soll mir die Nacht aus tiefstem Herzen willkommen sein, und ich will sie, in ihrem Sternenglanz, bereitwillig und ohne Widerstand, wie einen Freund aufnehmen.


    Ein fünftaktiges Vorspiel (4/8) durchläuft imitierend eine Achtelkette fallender Sekundschritte, zu Taktbeginn immer um eine Sechzehntel versetzt und synkopiert, in der zweiten Takthälfte wieder im Metrum, aber jeweils eine Septime nach oben versetzt, was den eigentlich diatonischen Abstieg in eine gewundene Aufwärtswindung der geteilten Streicher verwandelt. Der letzte Septimensprung in Takt 5 es-des in den Violinen schließt dabei den Kreis zum tiefen des der Bässe und Celli, mit denen die Bewegung einsetzte, und leitet in einer diatonisch abfallenden Sechzehntelkette zum Auftakt der Singstimme über.


    Diese Einleitung im tiefen Streicherregister klingt ein wenig wie eine aphoristische Version des zergrübelten Vorspiels zum 3. Akt der Meistersinger, nur daß hier kein Mahnruf erfolgt: "Wach auf, es nahet gen den Tag!", sondern im Gegenteil.


    "Nun der Tag" mündet, nach den ungewissen f-Moll-Harmonien des Beginns (Orgelpunkt auf c) in es-Moll, um sich über b-Moll ("mich") bei "müd gemacht" nach f-Moll zu wenden. "Soll mein sehnliches Verlangen" hellt sich nach Des-Dur und As-Dur auf, "freundlich" hat wieder b-Moll, "die ge- ..." f-Moll, und "...-stirnte" einen auffallend hoch und dicht registrierten des-Moll-Akkord (Holzbläser und Celesta). "Nacht wie ein" geht nach As-Dur (es-as), "müdes" springt wieder eine Quart höher auf des, während das Orchester, wiederum Holz und Celesta, einen noch auffälligeren A-Dur-Akkord aufleuchten läßt. "Kind empfangen" bewegt sich, einschließlich des nachgeschlagenen dritten Holz-und Celesta-Akkords, in E-Dur; dann setzt eine chromatische Trübung ein, die das "Hände, laßt von allem Tun" über cis-Moll und Gis 7 förmlich zerfahren läßt. "Stirn, vergiß du" gewinnt in A 7 und D-Dur wieder sicheren Boden und Zuversicht, "alles Denken" streift, nach A 7 und dem verminderten Septakkord (Verschärfung nach ais) kurz h-Moll, um nun eine chromatische Kaskade von allen möglichen Septimenkakkorden niedergleiten zu lassen: "Alle meine Sinne nun", mündend in d-Moll "wollen sich in Schlum- ...", über die Rückung a-as, also f-Moll, auf der letzten Silbe ("... -mer") nach Des-Dur überleitend, der nun erreichten Haupttonart der Schlußstrophe.


    Die chromatisch niedergleitende Akkordpassage zu "alle meine Sinne nun" verbindet, liederübergreifend, den Vers "[es zittert] durch all meine Glieder" aus "Frühling" mit "daß wir uns nicht verirren" aus "Im Abendrot" - eine wahrhaft beziehungsreiche Vertonung.


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  • Was nun kommt, ist allgemein bekannt.


    Und meine Seele spannte
    weit ihre Flügel aus,
    flog durch die stillen Lande,
    als flöge sie nach Haus.


    Nicht auszudenken, Strauss hätte an dritter Stelle Eichendorffs Mondnacht ausgewählt und die Schlußstrophe mit seiner Solo-Violinenweise unterlegt. Nun, das ist eine Unterstellung, denn Hesses Text lautet ja:


    Und die Seele, unbewacht,
    will in freien Flügen schweben,
    um im Zauberkreis der Nacht
    tief und tausendfach zu leben.


    Wunderbar genug setzt die Sologeige mit dem vergrübelten Einleitungsmotiv samt Synkope und Septimensprung ein (as-ges-f-es-as). Ganz entfernt, nämlich durch die Verbindung von Quart und Septime, fühlen wir uns an das Es-Dur-Violinsolo Partiturziffer 137 der Frau ohne Schatten erinnert - das Motiv der Kaiserin. Aber schon die weichen Triolen, die in September die "müd gewordnen Augen" des Sommers umspielen (und aus der trillerähnlichen Sechzehntel-Sekundfigur abgeleitet sind), bringen ein Vor-Echo jener Wiegenliedweise, die sich jetzt, am Ende von "Beim Schlafengehen" in Abschnitt C, in ruhigem Des-Dur bewegt, voll mozartischer Nostalgie, um in Abschnitt D über b-Moll, Ces-7, Fes-Dur, den Tristanakkord f-as-ces-es bzw. B-Dur nach es-Moll zu geleiten und von dort über ges-Moll wieder zurück nach As 7, auf dem die Singstimme einsetzt: "Und die Seele", in einer ausgreifenden, nach Des-Dur zurückkehrenden und darin schwelgenden Phrase, der ersten kantablen Wortdehnung dieses Liedes. Es folgen weitere: "Will in freien", von ges-Dur aus in einer Fioritur, die an die chromatische Unterlegung von "alle meine Sinne nun" gemahnt, über es-Moll und As 7 sozusagen auch sinnenbefreit auf Des-Dur ("Flügen") wiederum sanft landend wie ein Schmetterling auf einer schaukelnden Blüte. "schweben" beginnt in b-Moll und weitet sich über Ces 7 und Fes-Dur (bekanntlich) aus, über Tristan und B-Dur trifft der "Zauberkreis" es-Moll als Arpeggienkaskade und rundet sich im ges-7-Vorhalt zur Des-Dur-Quartsext-"Nacht", wiederum von einer Arpeggienkaskade umspielt und mit dem nachgeschlagenen Celesta-Akkord der Gestirne illuminiert.


    "tief und tausendfach" nimmt nun die Sekundfall- und Septimensprungstruktur des Vorspiels zu einem letzten, weitgespannten Bogen auf und schraubt sich vom tiefen des bis zum zweigestrichenen b hinauf. Zuletzt senkt sich die Phrase über As 7 zum Des-Dur-Quartsextakkord. "zu leben" führt über einen übermäßigen Vorhaltsakkord auf as über As 7 nach Des-Dur zurück, mit einem übergebunden Vorhalt es-de.


    Im friedvoll verebbenden Nachspiel erklingt noch zweimal der auffällige Vorhalt des-es-bes-as bzw. ges (wohl As 7-9verm. auf des), bevor die hier augmentierte Hornphrase f-es-des-[Septimenprung]c-b-as, mit der die Singstimme zu ihrem letztmaligen Großbogen ansetzte, im ungebrochenen Des-dur-Schluß verhallt.


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  • Fassen wir das Gedicht, etwas diesseits von Hesses goldschnittartiger Poesie, zusammen:


    Ich bin tagmüde
    und will die Nacht bereit
    und zutraulich willkommen heißen,
    nichts mehr tun,
    nichts mehr denken,
    will mit allen Sinnen
    in Schlaf sinken
    und unbewußt
    im Traum
    alle schöpferischen Kräfte
    meiner Seele entfalten.


    "Im Zauberkreis der Nacht", das heißt ja zugleich: gebannt an einen Ort und in Sicherheit.


    "Hände, laßt von allem Tun" - vom marxistischen Standpunkt läßt sich das Gedicht wunderbar verreißen: Der Dichter, abgespalten von produktiver Tätigkeit, erträumt sich ein unerfüllbares, kindliches Glück und eine Freiheit, die nur im passiven Schlaf real ist.


    "Tief und tausendfach zu leben" - die klangschöne Formel, die das wahre Leben geradezu mit dem schrankenlosen Unbewußten identifiziert, ist gleichsam die Apotheose der affirmativen Tendenzen des Gedichts. Sie entsptricht der "seligen Gegenwart" in "Frühling", deutet das Zufallen der "müd gewordnen Augen" in "September" positiv um und beantwortet gewissermaßen, durch das ausatmend kadenzierende Bekräftigen des Zeitworts "leben" die Schlußfrage des Eichendorfflieds: "ist dies - etwa - der Tod?"


    Und hieß es zu Beginn des "Frühling" nicht: "träumte ich lang" ? Die "Bäume und blauen Lüfte" befreien den Traum aus der Gruft nach lichtem H-Dur, als vorläufiger Quartsextakkord mit fis im Baß. "Im Abendrot" rückt bei den Schlußworten "... der Tod?" von b-Moll nach Ces-Dur, in Quartsextlage mit ges im Baß. Enharmonisch entsprechen sich so Anfang und Ende der Vier letzten Lieder und stützen auch insofern die These, daß es sich um einen veritablen und kunstvoll ausgearbeiteten Zyklus handelt.


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  • Bei "Wikipedia" lesen wir:


    Strauss hatte in dieser Zeit zufällig Hermann Hesse in einem Schweizer Hotel kennengelernt. Hesse war die Begegnung nicht angenehm, auch weil ihm Strauss' "rauschender" Stil nicht zusagte. Zu den "Vier letzten Liedern" sagte Hesse später, sie erschienen ihm "wie alle Strauss-Musik: virtuos, raffiniert, voll handwerklicher Schönheit, aber ohne Zentrum, nur Selbstzweck."


    Dieses außerordentlich harte Urteil muß man nicht teilen. Zumal die beiden letzteren Einwände befremden; gruppiert Strauss die Hessegedichte doch, zusammen mit Eichendorffs "Im Abendrot", um ein unausgesprochenes poetisches Zentrum.


    Strauss´ Musiksprache - das läßt sich an den modulatorischen Abläufen ablesen - ist im ganzen Zyklus moderat, am romantischen und tonalen Erbe orientiert, ohne ins Schablonenhafte zu verfallen. Selbst das scheinbar volksliedhaft schlichte "Im Abendrot" erweist sich, durch die Tonartrückungen und Periodisierungen, als ein kompliziertes Gebilde, das seine sanglichen Elemente zu einer kunstvollen Einheit von gleichsam religiöser Dichte verschmilzt.


    Nicht anders als beim späten Mahler erklingt die romantische Tonalität in einem rückwärtsgewandten, nostalgischen Zauber, dem das Wort "Heimweh" nicht schlecht zu Gesicht steht. Die Freiheit von Sentimentalität oder gar Kitsch liegt dabei auch im Ohr des Zuhörers. "Es ist wunderschön ... es ist ist nicht zu sagen!", formulierte Webern zum "Lied von der Erde"; und auch da findet sich, etwa zum Schluß von "Abschied" ("Die liebe Erde ..." Part.Zf. 58) fast zuviel des Guten. Ein harfenumrauschtes C-Dur, chromatisch gewürzte Quartolen zum 3/4-Takt ("Erde"), lang übergebundene Gesangstöne, unter denen verminderte Septimenakkorde sich anballen ("blüht auf"); eine überraschende Wendung nach Des-Dur (in den Posaunen und Fagotten) zu dem gehaltenen e (Gesangsstimme, "Lenz") und g (1. Geigen) - schon das allerdings ist "moderner" als der Vorhalt gis-fis (D-Dur) oder fis-e (C-Dur) in den "Vier letzten Liedern"; zumal bei Mahler der Vorhalt gar nicht aufgelöst wird, da nach dem zwei Takte gehaltenen, durch ein Harfenarpeggio bekräftigten Des-Dur die Fortschreitung nach f in Gesangsstimme ("grünt") und Geigen auf den A-7-Akkord fällt und auch im weiteren Verlauf keine Lösung erfährt.


    Dennoch - die ewig blauenden Fernen, zu Mandolinengezirp und Celesta, haben auch etwas Ironisches, ein Quentchen zuviel an Stimmungsmalerei vielleicht.


    Strauss hat sich, anläßlich von Mahlers Tod, in Distanz gerückt zu dessen (und auch des späten Wagner im "Parsifal") Liebäugeln mit dem christlichen Heilsversprechen. Ich will hier nicht klären, wieviel an Jenseitshoffnung im Pantheismus (oder gar Buddhismus?) des "Lied von der Erde" stecken mag. Strauss aber ist durch Hofmannsthal mit östlicher Eschatologie in Berührung gekommen - "Die Frau ohne Schatten" mit ihrer Verquickung von Geburt und Tod, ihrer Apotheose des generativen Aspekts unserer Existenz gibt davon mehr Zeugnis, als Straus vielleicht lieb war.


    "Ariadne auf Naxos" liefert dazu ein erstes Modell - noch ohne die Beschwerung durch das Ehe- und Mutterschaftsthema, doch bereits voll ausgebildet als Ersatzreligion von der "Verwandlung", dem Übergang vom Tod zu neuem Leben durch die Macht des Eros.


    "Gibt es kein Hinüber?" - diese betörend in Töne gesetzte und musikalisch durch ihre Akkordrückungen halb beantwortete Frage hat dennoch etwas von den Mandolinen am Schluß von "Abschied". Das liegt nicht nur an der hoch ironischen, quasi Thomas-Mannschen Anlage des mythischen Stoffs, sondern auch an der Orchestrierung, die hier eine Spur zu ausgefeilt und gemacht wirkt, um den Hörer so tief zu ergreifen, wie das Libretto es an dieser Stelle eigentlich erwarten ließe.


    Etwas Ähnliches empfinde ich auch gegen Ende von "Beim Schlafengehen", bei der Phrase "tief und tausendfach" mit ihrer über Septakkord-Vorhalte sich aufgipfelnden Befreiungsgeste - da schwingt eben zuletzt doch ein Hauch Léhar mit. Aber auch hier hätte Hesse mit seinen Vorbehalten gegenüber dem Routinier Strauss Unrecht. Denn bereits das Gedicht verbrämt seinen Gegenstand durch eine metaphorisch-hyperbolische Unaufrichtigkeit, über die nicht bloß Freud herzlich gelacht hätte.


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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Einerseits möchte ich - eher wie ein Kind - nicht, dass dieser Thread zu Ende geht, andererseits hat farinelli das Thema wirklich umfassend und einleuchtend dargestellt, inklusive Querverweisen auf Strauss-Opern und Mahlers "Lied von der Erde". Dafür einfach mal: Danke! - Ich wüsste nichts anzufügen. Aber zwei Seitenstränge ergaben sich ab ca. Beitrag "40", der eine kreiste um "Text & Musik überhaupt", der andere um Benennbarkeit von Tonarten. Und auf letzteren möchte ich plaudernd eingehen.


    Ja, "Frühling" hat von den Vier Liedern das bei weitem offenste Tonartkonzept, mit der Nichtvorzeichnung einer bestimmten Tonart, mit der tonartlich schweifenden ersten Liedhälfte und der nach A-Dur tendierenden (und schließlich auch dort landenden) zweiten Liedhälfte. "September" steht ebenso klar in D-Dur wie "Im Abendrot" in Es-Dur. "Beim Schlafengehen" beginnt in offenem F-Moll, verhält sich eine Zeit lang schweifend, mündet aber viel früher wie "Frühling" in eine dann eindeutige und durchgehaltene Tonart, nämlich Des-Dur.


    Wir sollten uns aber vor Augen/Ohren halten, dass Strauss im Jahr 1948 musikgeschichtlich in einer Zeit lebt, wo fixe Tonarten bei Komponisten sogenannter "Ernster Musik" nur noch etwa die Hälfte der Produktion ausmachen. Vierzig Jahre vorher erkundeten und beschritten Komponisten wie Béla Bartók oder Arnold Schönberg (dieser im "Buch der Hängenden Gärten", welches dem Vernehmen nach Helmut Hofmann gerade untersucht) Wege heraus aus tonaler und tonartlicher Bindung. Gleichzeitig blühte natürlich das Silberne Operetten-Zeitalter, und Lehár kümmerte sich herzlich wenig um solche Probleme etwaigen musikalischen "Fortschritts". Ab ca. 1908 findet alles zugleich statt: Avantgarde, Postromantik, Unterhaltungsmusik, auch so mancher (vielleicht erst heute so entsprechend gewürdigte)"Dritte Weg", z.B. bei Janácek, Nielsen, Sibelius, Malipiero und und und. - Im Fall Richard Strauss ist also 1948 eher auffällig, DASS er noch in Tonarten schreibt, nicht, dass die Tonart im Verlauf eines Musikstücks mal wechseln oder sich erst finden kann. Ein weites Feld...


    Deshalb zurück zu der Zeit, wo die durchgehaltene Tonart, sowohl bei einsätzigen als auch bei mehrsätzigen Werken, die Norm darstellt, von welcher jede Ausnahme sofort ins Gewicht fällt. Bei Haydns Londoner Symphonien ist die Langsame Einleitung zum Kopfsatz die Regel (bis auf Nr. 95), und diese kann durchaus in der gleichnamigen Molltonart stehen; das ficht nicht die zyklische Gesamttonart an. Bei vier Sätzen ist es auch die Regel, dass der Zweite Satz (meist in langsamerem Tempo) in einer anderen (allerdings eng verwandten) Tonart steht wie der Rest der Symphonie - auch dies bestätigt nur die zyklische Gesamttonart. Langsame Einleitungen sind oft am Dominantton "aufgehängt". Beispiel: Schumanns D-Moll-Symphonie ( die "Vierte") mit ihrem hervortretenden "a" zu Beginn.

  • Also, im mehrsätzigen Bereich lässt sich von einem Werk in einer bestimmten Tonart sprechen, wenn diese a) zu Beginn oder zumindest bald danach etabliert ist, b) im Verlauf des Werks dominiert, c) in besagter Tonart endet. Da wir hier im LIED-Forum sind, verspreche ich, noch zwei gewichtige Ausnahmen bei Schubert-Liedern zu nennen, also zwei von durchaus mehreren. Aber noch weiter im mehrsätzigen Bereich. Es haben sich da zum Teil absurde Vereinfachungen eingebürgert, gerade im Falle sogenannter Moll-Symphonien. Es GIBT genuine Moll-Symphonien, vor allem bei Haydn in den 1770er-Jahren, auch Mozarts beide G-Moll-Symphonien gehören dazu, keinesfalls aber Beethovens Fünfte! Deren C-Dur als Ziel ist so sehr Zentrum der gesamten Verlaufs-Idee, dass nur von einer Symphonie in c/C gesprochen werden kann. Viele solchermaßen verfälschend als "Moll-Symphonie" bezeichneten Werke sind eben Beispiele einer Wanderung der Grundtonart, wenn auch Ausgangspunkt und Ziel starke Verwandtschaft zeigen. Siehe auch Brahms I. und viele, viele andere mehr. Am Absurdesten sind einige etablierte Tonartbezeichnungen bei Mahler-Symphonien. Die Fünfte, WENN man eine Zentraltonart haben will, steht in D-Dur (übergewichtige Sätze 3 und 5!), mit Präludien in cis-Moll und a-Moll sowie einem F-Dur-Intermezzo. Die Siebte noch am ehesten in C-Dur (2. und v.a. 5. Satz), aber eigentlich ist es besser, sie nicht zu bezeichnen. Die Achte hingegen IST eine Es-Dur-Symphonie. Auch die "vertikal" unvollendete Zehnte hat einen eindeutigen Fis-Dur-Rahmen. Bevor ich zu besagten Schubert-Liedern komme, als "Übergang" ein besonders interessanter Fall bei Mahler: die Vierte. Ich würde sagen, ja, eine G-Dur-Symphonie; aber sie beginnt nicht in G-Dur, und schon gar nicht endet sie da. Dennoch ist G-Dur das Zentrum der Symphonie. Ihr ältester Bestandteil, somit der Ausgangspunkt ist das 1892 komponierte Wunderhornlied "Das himmlische Leben", beginnend in G-Dur, immer wieder mal "leeres" H-Moll beschwörend, endend in verklärt-versunkenem E-Dur. - Nun beginnt der Kopfsatz mit dem Liedzitat der "leeren" H-Moll-Stelle, zentriert sich aber rasch nach G-Dur. Der dritte Satz ist wieder ein G-Dur-Satz, an entscheidender Stelle aber mit Lichteinfall in E-Dur, somit die Zieltonart antizipierend. Das Finale ist nun besagtes Lied, was schon lange in Mahlers Schublade lag. Er brauchte es nurmehr zu instrumentieren. - Dies also als Beispiel für einen besonders originellen Umgang mit Tonart-Zentrum und doch weitab von Norm-Ausfüllung desselben.


    Die Schubert-Lieder. Beide nach Texten seines engen Dichter-Freundes Johann Mayrhofer. "Sehnsucht" op. 8 Nr. 2, wahrscheinlich 1816 komponiert. Beginnt mit "Klarinetten"-Melos in C-Dur. Landet, nach langer, schweifender Tonart-Wanderung in G-Dur. Dazwischen ist aber derart viel passiert, dass "man" am Ende eben nicht die "Dominante" der Ausgangstonart hört, sondern nur, DASS sich jetzt etwas - utopisch - stabilisiert. "Auf der Donau" op. 21 Nr. 1, vom April 1817. Der Zwanzigjährige beginnt in Es-Dur. Schlussteil in (!) fis-Moll. Motivgleicher Beginn. Das Lied fällt keineswegs auseinander. Aber Schuberts Tonartkonzept ist hier, 1817, kühnste Avantgarde. Strauss' c-Moll/as-Moll-Schaukeln zu Beginn von "Frühling", sein Enden mit A-Dur ist, 1948, träumender, auch souveräner Rückblick in eine Zeit, da es noch gärte, zwischen den Tonarten, da noch keine Dodekaphonie die Zuflucht zur Neuordnung suggerierte.


    NB: Dies alles war als EIN Beitrag gedacht. Ich bin zwischendrin auf eine falsche Laptop-Taste geraten...


    Robert Klaunenfeld

  • Hallo,


    die vier letzten Lieder finde ich emotional sehr anrührend, es sind vor mir wirklich große Kompositionen, die größten von Richard Strauss. Mag man sonst von ihm halten, was man will - wer das geschaffen hat, darf vor mir als großer Komponist bezeichnet werden. Leider habe ich bisher keine zufriedenstellende Aufnahme dieser Werke gefunden. Natürlich sucht man zuerst das authentische, also Karl Böhm mit Lisa della Casa, aber das ist mir einfach zu schnell. Vielleicht liegt das nur an meinem langsamen Grundmetrum. Lisa della Casa singt allerdings wundervoll. Die Aufnahme mit Lucia Popp finde ich ebenfalls nicht gelungen, sie vibriert zu sehr (zu eng, zu stark) und die Orchesterbegleitung wirkt uninspiriert - sonst ist Lucia Popp fast immer wundervoll nach meiner Ansicht, hier nicht.
    Die vor mir beste Aufnahme ist etwas überraschend die mit Christoph Eschenbach. Ich kannte ihn als Abonnent in der Hamburger Musikhalle als ziemlich nüchternen, harten und uninspirierten Chefdirigenten des NDR-Sinfonieorchesters, der durchaus zügigen Tempi zugeneigt ist. Renée Flemming singt sehr schön und ausdrucksstark, aber mit zu viel Vibrato, wie ich meine. Christoph Eschenbach hat hier ein Meisterwerk vollbracht. Mit sehr langsamen Grundtempo und tiefem emotionalem Ausdruck, wunderschön phrasierend und artikulierend spielt das Houston Symphonie Orchestra, so daß man blind nie darauf kommen würde, es sei Christoph Eschenbach, der dort dirigiert. Es erinnert eher an einen deutlich besseren Celebidache. Ich will sagen, daß "Im Abendrot" eines jener Musikstücke ist, bei denen ich weine, wenn ich sie höre. Hier kann man hineinhören, ich empfehle zuerst Titel 4:



    Meine "Musik-Ansprache"


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Lieber Andreas
    hier solltest Du - falls Du sie noch nicht kennst - diese beiden Aufnahmen noch hören. Die Aufnahme mit Lisa della Casa war mir auch immer viel zu schnell dirigiert. Hier sind in beiden Interpretationen die Tempi für mein Empfinden genau richtig und die Sängerinnen - jede auf ihr Art - einmalig.


  • Hier sind in beiden Interpretationen die Tempi für mein Empfinden genau richtig und die Sängerinnen - jede auf ihr Art - einmalig.

    Nun, was Masur da bietet, hat aber mit Strauss überhaupt nichts mehr zu tun. Es ist so eigentlich auch fast unmöglich zu singen - kaum jemand hatte einen dermaßen langen Atem wie Jessye Norman in ihrer Hochblüte.



    Zitat

    Die Aufnahme mit Lisa della Casa war mir auch immer viel zu schnell dirigiert.

    Das Problem mit solchen Aussagen ist aber, dass Karl Böhm mit seinen intensiven Kontakten zu Richard Strauss besser um dessen Tempovorstellungen wusste als irgendein anderer Dirigent.



    Wenn AH. meint, dass ihm sein persönlicher musikalischer Pulsschlag die Aufnahme von Lisa della Casa verleidet, dann kann ich das als Begründung zum Teil akzeptieren. Zum Teil deshalb, weil es auch eine Frage der Gewöhnung sein kann - es gibt eigentlich ziemlich viele eher langsame Aufnahmen. Gesangstechnisch führt aber an ihr kaum ein Weg vorbei, eine hochkarätige Alternative wäre Gundula Janowitz - wenn man den hohen Druck akzeptieren kann, den sie auf ihre Stimme legen muss. Frau Schwarzkopf ist hier natürlich auch immer ein Thema...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Gibt es mehrere Lisa della Casa-Böhm-Aufnahmen. Die von 1953 finde ich im Tempo genau richtig, weil sie übermässige Sentimentalität vermeidet.


    P.S. Habe gerade eine Aufnahme von 1958 entdeckt. Da ist mir die Einleitung zum Abendrot auch zu schnell, allerdings nimmt Böhm das Tempo später zurück.

  • Das Problem mit solchen Aussagen ist aber, dass Karl Böhm mit seinen intensiven Kontakten zu Richard Strauss besser um dessen Tempovorstellungen wusste als irgendein anderer Dirigent.

    Die von 1953 finde ich im Tempo genau richtig, weil sie übermässige Sentimentalität vermeidet.


    Wo ist da ein Problem? Das eine ist mein (und vieler anderer Menschen) persönlicher Geschmack ("war mir zu schnell.."), das andere die vermeintliche Vorstellung des Komponisten. Das muss ja nicht übereinstimmen. Und ob eine langsamere Gangart nun gleich "übermässig sentimental" ist, darüber kann man auch streiten.

  • Neben Schwarzkopf und J. Norman habe ich auch noch Celibidache/Janowitz - aber mit anderem Cover. Ich nehme aber doch an, es handelt sich um denselben Mitschnitt aus Italien (Rom RSO oder so, ursprünglich Fonitcetra):



    Schöne Grüße
    Holger

  • Wo ist da ein Problem? Das eine ist mein (und vieler anderer Menschen) persönlicher Geschmack ("war mir zu schnell..")

    Diese Wortklauberei ist lächerlich. "Finde ich", "war mir", "für mein Empfinden". Wo ist denn da bitte der Unterschied?
    Ein Problem hatte ich mit Strauss noch nie und auch nicht mit seinen Interpreten.
    Das überlasse ich denen, die es mit den Löffeln gefressen haben.

  • Ich hätte auch sagen können, was interessiert mich, was Strauss beim Komponieren angeblich im Sinn hatte, wenn es mir anders besser gefällt.

    Vor Tische las man´s anders. Dachte ich jedenfalls, sollte ich aber etwas missverstanden haben, bitte ich um Entschuldigung.
    Ich gehe prinzipiell davon aus, dass es sich bei unseren Beiträgen in Interpretationsfragen immer um persönliche Ansichten handelt und nicht um objektive Feststellungen. Aus dieser Sicht war meine Bemerkung bezüglich der Böhm-Aufnahme auch keineswegs als Kritik an Andersempfindenden gedacht.


    Was die "übermässige Sentimentalität" angeht, so gehört auch dieser Ausdruck in die Sparte "persönliche Ansichten", allerdings gibt es Gründe für die Erwähnung.
    Es wird ja beim Thema "Vier letzte Lieder" häufig von überladener Spätromantik gesprochen. Da ist es nur natürlich, dass ein wohlmeinender Dirigent versucht, dem entgegen zu wirken. Ein Mittel unter anderen ist da die Wahl des Tempos. Ganz offenbar wird z.B. ein Trauermarsch nicht als Allegro gespielt, wenigstens nicht in unserem Kulturkreis.


    Dein obiges Zitat ist übrigens interessant. Vielleicht gäbe es Anlass zu einem eigenen Thread: Sind die Ansichten des Komponisten über die Interpretation seiner Werke von Bedeutung?

  • Hallo!


    Bevor ich zu tamino stieß, dachte ich, ich würde die Vier letzten Lieder von Richard Straus gut kennen. Bis ich den Thread von farinelli entdeckte, der mich in Tiefen der Lieder vordringen ließ, die mir mit bloßem Hören nicht zugänglich waren. Meine Faszination begann mit der Aufnahme von Jessye Norman mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur. Damals war mir noch nicht bewusst, dass diese Aufnahme eine Sonderstellung unter all den Aufnahmen einnimmt, die es mittlerweile gibt (schätzungsweise 80- 100 Einspielungen). Mittlerweile besitze ich selbst annähernd 30 Einspielungen, Tendenz steigend. Wenngleich ich zwischenzeitlich manche alternativen Einspielungen mehr (oder zumindest anders) schätze, komme ich doch immer wieder auf die Norman-Aufnahme zurück.


    Meine Idee zur Fortführung dieses Threads ist daher ganz einfach. In der Erwartung, dass andere Taminos die 4lL ebenfalls schätzen und „ihre“ Einspielungen haben, wäre es schön, wenn wir in loser Folge einzelne Veröffentlichungen vorstellen würden. Es kann sich dabei um Aufnahmen handeln, die dem Verfasser am besten gefallen; das muss allerdings nicht sein. So könnten wir mit der Zeit eine umfassende Liste an Rezensionen (hoffentlich inklusive kontroverser Diskussionen) schaffen. Das würde diesen Thread fortführen und abrunden.


    Natürlich könnte ich auch einen neuen Thread eröffnen. Wenn farinelli einverstanden ist, würde ich die allerdings die Fortführung vorziehen.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber WoKa,


    natürlich bin ich mit allem einverstanden, was aus deiner freundlichen Feder fließt, dem Forum zu frommen.


    So sehr ich deine Begeisterung für die Norman-Einspielung unter Masur teile - singulär ist für mich Lisa della Casa unter Böhm. "Am Ende sagt ein Kind, wie alles gemeint war" - frei nach Mahlers Selbstkommentar zum Schlußsatz der IV., hat ihr schlichter, liedhafter Ansatz kaum Nachfolgerinnen gefunden (Janowitz - in "Beim Schlafengehen" viel zu getragen - oder eher noch Popp vielleicht ausgenommen). Bezeichnend, daß es (soweit ich sehe) keine Aufnahme der Vier Letzten mit Grümmer gibt (das wäre eine ideale Interpretin).


    Vier letzte Lieder sind, seit und mit Flagstad, eine Domäne der Heroine*, mehr Einsamer im Herbst oder Abschied als jugendlich naiver Kontrast zum Spätwerks-Mythos. Insofern reiht sich auch die Norman unter die Regel. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung ...


    *Wer´s nicht glaubt, lese diesen youtube-Kommentar zur Furtwängler-Uraufführung:


    Furtwängler entering the flood of the fatal river as a gigantic figure under the dying sun over the mountains ..... a pandemonium of unescapable power and beauty ...... this is toxic music in this land is no sorrow , no mercy , ...... ...... only the crepuscular singing of the adored and final destiny ......
    and suddenly ,
    5:54 love ..... flowing like blood ........


    :hello:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Hallo farinelli!
    Vielen Dank für Deinen Beitrag. Es scheint eine Veröffentlichung auf LP mit Elisabeth Grümmer zu geben:



    Wie Du vielleicht gesehen hast, habe ich einen neuen Thread zu den 4lL eröffnet. Ich würde mich freuen, wenn Du Dich beteiligen könntest. Deine Beiträge zu den Liedern haben mich wesentlich näher an die Kompositionen heran gebracht.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo WoKa, das Cover, das Du abgebildet hast, gehört zu einer CD - nicht zu einer LP. Sie ist vor vielen Jahren erschienen und gebraucht gewiss noch aufzutreiben. Die VIER LETZTEN LIEDER mit Elisabeth Grümmer findest Du aber auch in diesem Doppelalbum, das Amazon noch im Angebot hat. Es ist vom Feinsten:


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    Wenn Du keinen Wert auf eine CD-Augabe legt, wirst Du auch bei Youtube fündig. Die Grümmer wird von einem nicht näher bezeichneten "Berliner Sinfonie Orchester" unter Richard Kraus begleitet. Die Aufnahme soll von 1970 stammen. Ich möchte sie nicht missen, wenngleich es nicht meine liebste Aufnahme ist. Elisabeth Grümmer singt die Lieder schnörkellos und schlicht. Sogar etwas herb, weil so ihr Timbre ist.


    Youtube ist eine Fundgrube für selten gewordene Aufnahmen dieser Lieder. Man muss natürlich immer Abstriche, den Klang betreffend, hinnehmen. Das ist gerade bei diesen Lieder sehr problematisch. Ich möchte sie eigentlich üppig, rauschhaft und prachtvoll hören. Mir scheint, sie sind vorausahnend wie in Stereo komponiert. ;) Obwohl ich sonst keinen so ausschließlichen und fundamentalistischen Wert auf Stereo lege, hier ist es schon ein goßer Vorteil. Aber wir haben nicht immer die Wahl. Die frühen Produktionen und Mitschnitte sind nun mal in Mono.


    Es gibt ja doch eine relativ große historische Auswahl, die deutlich macht, wie sich Sängerinnen an diese Lieder regelrecht herantasteten. Hör Dir doch mal Christel Goltz an oder Inge Borkh - zwei Sängerinnen, die ich auf Anhieb nicht mit diesen Liedern in Verbindung bringen würde. Sie sind auch auf Youtube zu finden. Diese Interpretationen sind das glatte Gegenteil von dem, was an Schwarzkopf schätzenswert ist. Sie sind nicht so raffiniert und bleiben in der Ausschöpfung der Möglichkeiten etwas an der Oberfläche.


    Das gilt auch für Ljuba Welitsch, die eine Klavierfassung hinterlassen hat. Sie findet sich in diesem Album:


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    Für mich ist es nach wie vor Elisabeth Schwarzkopf. Trotz der viel gelobten erste Aufnahme unter Otto Ackermann favorisiere ich die spätere Einspielung unter Szell, weil sie mehr funkelt und weil sie künstlicher - das heißt, künstlicher im Sinne von Kunst - ist und weil sie für mich eines der beeindruckendsten Beispiele dafür ist, dass sich Musik - wenn man das denn will - im Studio in eine ganz besondere Form bringen lässt, die im Konzert so nicht möglich ist. Es haben sich ja einige Live-Mittschnitte mit der Schwarzkopf erhalten, die völlig anders sind als die Studioproduktionen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Die Grümmer wird von einem nicht näher bezeichneten "Berliner Sinfonie Orchester" unter Richard Kraus begleitet. Die Aufnahme soll von 1970 stammen. Ich möchte sie nicht missen, wenngleich es nicht meine liebste Aufnahme ist. Elisabeth Grümmer singt die Lieder schnörkellos und schlicht. Sogar etwas herb, weil so ihr Timbre ist.


    Das, was seinerzeit zumeist unter dem Namen 'Berliner Sinfonie Orchester' auftrat oder aufnahm, nennt sich jetzt Berliner Symphoniker!
    Das Orchester hatte in Laufe der Jahre viele Namen.
    Im Berliner Musikleben hatte es immer eine feste Rolle: Zum einen bot es Konzerte mit dem klassischen Kernrepertoire an, zum anderen wirkte es bei Chorkonzerten Berliner Chöre mit!
    Es scheint mir 1949 gegründet worden zu sein und existierte unter wechselnen Namen (zumeist: 'Orchester C.A. Bünte' und eben 'Berliner Sinfonie Orchester') bis 1967. Chefdirigent war über die ganze Zeit C. A. Bünte!
    1967 gab es dann einen Zusammenschluss mit dem damaligen Deutschen Symphonieorchester.
    Seither wurde das Orchester zumeist als Symphonisches Orchester Berlin (SOB) angekündigt.
    Jetzt heißt es , wie gesagt, eigentlich nur noch Berliner Symphoniker!
    Chefdirigenten waren Carl A. Bünte Theodore Bloomfield, Daniel Nazareth und Alun Francis.
    Seit 1997 ist Lior Shambadal Chefdirigent.


    Aber zu Grümmer!
    Sie hat die vier letzten Lieder in Berlin häufiger gesungen.
    Ich erinnere mich an Aufführungen im Konzertsaal der Hochschule für Musik (Hardenbergstraße) unter Thomas Schippers (1956) und unter Silvio Varviso (1959).
    Diese Einspielung unter Richard Kraus wurde für Elisabeth Grümmer leider zu spät gemacht. Sie hat doch schon Probleme mit der Atemkontrolle und kann die ganz langen Bögen nicht mehr richtig phrasieren. Auch klingen Töne in dem Übergang zur Höhe und in der hohen Lage leicht schäpperig. Zudem leidet sie natürlich darunter, dass weder das Orchester noch der Dirigent ebenbürtige Partner sind!
    Elisabeth Grümmer hätte gerne eine Aufnahme der Lieder gemacht! Da sie aber bei der EMI exklusiv verpflichtet war und man dort kein Interesse hatte, eine Aufnahme zu produzieren, die der Schwarzkopf-Aufnahme Konkurrenz gemacht hätte, kam es nicht dazu.
    Diese Aufnahme unter Kraus ist mithin letztlich nur ein Ersatz für das, was ihr - und uns!!! - leider nicht vergönnt war.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo!
    Zunächst vielen Dank für die Hinweise. Ich bin tatsächlich in erster Linie an Aufnahmen auf CD interessiert, möchte allerdings die vielen Aufnahmen im Internet nicht ignorieren. Ich habe nur das Problem der Überschaubarkeit. Die gesamte Beschäftigung mit den Liedern ist für mich der Weg, ihnen noch näher zu kommen.


    Zunächst habe ich allerdings noch eine Bitte an einen der Moderatoren:


    Da ich parallel einen Thread aufgemacht habe


    Richard Strauss´ Vier letzte Lieder - Eine vergleichende Besprechung einschlägiger Aufnahmen


    wäre es schön, wenn die Beiträge aus dem neuen Thread hier integriert werden könnten. Um das Ganze flüssig zu machen, kann durchaus eine Anpassung meines ersten Beitrages erfolgen.


    Gruß und Danke
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Ein kleines You Tube - Fundstück:



    Ich finde es von der Darbietung sehr anmutig, sehe allerdings zeitweilig nicht den Bezug zu "Beim Schlafengehen" von Hermann Hesse.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Einer der Threads im Forum die Perlen sind. Man liest die Beiträge mit grossem Gewinn.


    Bei der Renovation ist mir aufgefallen, dass eine Aufnahme fehlt. Herbert von Karajan hat mit Gundula Janowitz und den Berliner Philharmonikern eine Interpretation vorgelegt, die vielleicht nicht nur mir, Gänsehaut auslöst.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo


    Und mittlerweile sind zahlreiche Aufnahmen, einige mit Klavierbegleitung, hinzugekommen.

    So zum Beispiel die Einspielung mit Lise Davidsen, dem Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen.




    Gruß Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo