künstlerische Freiheiten und Charakteristika - was genau macht Interpreten unverwechselbar?

  • ausgehend von den Begriffen rubato und portamento möchte ich jene minimalen Bereiche interpretatorischer Freiheiten herausfinden, die nicht nur "legal" sind, sondern auch zum speziellen Ruf eines Interpreten beitragen.


    Rubato - als sehr umstrittener Begriff bedeutet (ich muß IMO dazufügen) ursprünglich, daß nur das Tempo der Melodie verändert wird, nicht die Begleitung. (Chopin beschreibt, daß die rechte Hand das rubato spielt und die linke Hand unverändert bleibt) Man sollte zwei zeitliche Abläufe unabhängig voneinander spielen, eine Verzögerung des Tempos muß auch wieder ausgeglichen werden.
    in allgemeiner (romantischer) Ansicht bedeutet es eine willkürliche Veränderung des Tempos.


    mit portamento sind jene Freiheiten gemeint, die Sänger meistens bei größeren Intervallen anwenden - der Ton wird nicht direkt angesungen, sondern von unten.


    eine geschmackvolle Anwendung dieser Mittel macht IMo einen großen Künstler aus.


    in diesen Thread gehört für mich auch die schmale Grenze zwischen Kunst und Kitsch.
    Meiner Überzeugung nach ist auch kein großer Unterschied zwischen einer ausgezeichneten Interpretation und einer Parodie. (also müßte ich ein ausgezeichneter Wagner Interpret sein :], so ganz stimmt es doch nicht...)



    Wie genau können wir das herausfinden und analysieren, was die Großen so
    einzigartig macht?



    Manchmal hört man als Musiker:es wäre heute unmöglich oder undenkbar, so zu spielen wie z.B: Casals (ich meine nicht, daß es nicht machbar ist! aber es würde nicht akzeptiert...)
    und es fällt mir schwer, bestimmte Merkmale seines Spiels herauszufiltern und mir das Ergebnis vorzustellen.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • ... mir fällt ganz spontan und sofort als erster GLENN GOULD ein.
    Als ich zum ersten Mal die "Piano Fantasie in C-Minor" von ihm interpretiert hörte, traute ich meinen Ohren nicht. Da singt doch jemand mit...... natürlich folgten die "Goldbergvariationen", und das 1. Klavierkonzert von J. Brahms unter Bernstein - ich war (bin) begeistert. Meiner Meinung nach hätte Mozart sich es so vorgestellt, seine Stücke zu spielen. Ich gehöre somit einer Fraktion an, derer die in mögen, es gibt aber mindestens genauso viele im anderen Lager :) die ihn für schrecklich überdreht oder manieriert halten. Ich finde es sehr erfrischend, aber auch tiefgründig ihm zuzuhören. Seine Marotten, z. Bsp. die Finger vor dem Spiel in Wasser zu tauchen, überhaupt seine Spleens sind eines großen Künstlers "würdig", das muss wohl sein.....
    auf jeden Fall ist er UNVERWECHSELBAR

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • wahrscheinlich ist die frage nach dem spezifischen charakteristikum eines interpreten inkl. seiner unverwechselbarkeit, einer der hauptmotoren all unserer gegenwärtigen beschäftigung mit klassischer musik.
    sehen wir von adjektiven und noch so guten beschreibungen eines interpreten und seiner kunst ab, so ist zumindest für mich seine WIRKUNG, d.h. sozusagen sein physiologischer effekt das prinzipiell ausschlaggebende. ein beispiel: meinem absoluten pianisten, claudio arrau, den ich persönlich leider nie live gehört habe, sind nach aussagen einiger fans, mit denen ich reden konnte, eine menge auch körperlich behinderter menschen gleichsam hinterhergereist, sie erwarteten gew. linderung durch arraus kunst, seinen anschlag, etc. mir gehts mit vielen seiner interpretationen ähnlich, sie wirken einfach und sei es nur "lindernd" auf die seele. man könnte meinen er habe - wie er es als ziel sah -sich dem komponisten, der komposition total untergeordnet, aber bei anderen piansisten, die dies auch als pränmisse ihrer interpretation sahen, fehlt etwa bei mir diese wirkung (zB Brendel-Beethoven). mit dieser wirkung erübrigen sich damit für mich unterscheidungsmerkmale zu anderen pianisten/künstlern, versuche dies zu vertstehen sind interessant, aber nur sekundär (für mich).

  • Interessant die Gegenüberstellung Arrau vs Brendel.
    Und auch die Bemerkung:


    Zitat

    aber bei anderen piansisten, die dies auch als Prämisse ihrer interpretation sahen, fehlt etwa bei mir diese Wirkung (zB Brendel-Beethoven).


    Interessant wäre herauszufinden, ob dies ein ALLGEMEIN verifizierbares Phänomen ist - oder nur auf eine bestimmte Person, bzw einen Personenkreis zutrifft.


    Brendel hat ja die Zuschauer auf ganz eigene Weise beeindruckt, wenn ich es richtig beurteile, mehr durch sein Spiel, als durch sein persönliches Charisma. Ersteres ist auf CD verifizierbar, zweiteres bedard des Publikums. Arrau habe ich nur einmal live gehört ( im Wiener Musikverein, Goldener Saal mit Beethovens Klavierkonzert Nr 5.) und ich war mir der Tatsache bewusst, hier einen ganz großen Interpreten erleben zu dürfen.
    Brendel - hier hörte ich an mehreren Abenden Schuberts Klaviersonaten - ich habe aber mehr das böse Gesicht des Meisters in Erinnerung, mit dem er das Publikum zu absoluter Stille animieren wollte, als sein Spiel. Ich geniesse Brendel wesentlich mehr, wenn ich ihn nicht vor mir sehe.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    "Interessant wäre herauszufinden, ob dies ein ALLGEMEIN verifizierbares Phänomen ist - oder nur auf eine bestimmte Person, bzw einen Personenkreis zutrifft."


    Vielleicht ist dies der Kern der Interpretationsvielfalt und ihrer Rezeption. Vielleicht ähnelt dies dem Phänomen von Medikamenten und ihrer Wirkung; Musik wurde früher ja als solches auch gezielt eingesetzt.


    Ad Arrau-Brendel: ich habe ihn live hören dürfen, bin auch ein Anhänger seines Mozart und insbes. Haydnspiels. Seine Beethoveninterpretationen, und damit meine ich die Soanten und v.a. seine letzte Gesamteinspielung, die ich zT auch im Musikvereinssal sah und hörte wirkt einfach nicht. Wenn ich meine, er ist - etwa in so scheinbar simplen Stücken wie dem aus der Waldsteinsonate ausgegliederten Andante favori -zu verkrampft, das Verständnis und damit das "Hieinführen" des Hörers gelingt nicht, würde ich mich schon zu sehr ins interpretieren, warum seine Wirkung versagt, versteigen.

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  • Ähnlich wie bei "Heilbildern", die bei einfühlsamen und aufnahmebereiten Personen einen positiven Effekt auslösen, kann ein Interpret mit seiner Darstellung eines Stücks wirken oder nicht. Doch jeder ist unterschiedlich in seinem Geschmack und es ist müßig zu fragen, warum er den einen Interpreten mag, den anderen nicht.
    "De gustibus non disputandum est."

  • wobei geschmack wahrscheinlich in dieser frage zu eng gefasst ist. vielleicht sind es die individuellen präsdispositionen, sodass vielleicht zu jedem "sein" interpret passt, und dies vielleicht zu verscheidenen zeitpunkten oder auch lebensabschnitten-mehr oder weniger passend: worüber sich natürlich auch schwerlich diskutieren lässt (wir alle hier im forum es aber dennoch tun...)

  • Ein Thema, das vor 5 Jahren - nach nur wenigen Beiträgen - zu den Akten gelegt wurde - vielleicht auch, weil es ein wenig zu "wissenschaftlich" angegangen wurde. Mal sehen, ob sich heute Mitglieder finden, die das hier zur Diskussion stehende Phänomen mit einfachen Worten ausreichend aussagekräftig beschreiben könne - und wollen.
    Wie sind hier - wie schon so oft - beim Spannungsfeld - "Charakteristische Interpretation" versus "Werktreue" angelangt.
    Eine Frage der Dosierung oder des persönlichen Geschmacks?
    Glenn Gould zu Beginn des Threads halte ich für ein drastisches Beispiel, weil er zwar heute sehr bekannt ist - und etliche Anhänger aufweisen kann - andrerseits aber auch viele Gegner hat, die sein Spiel bereits im Bereich der Parodie, bzw mutwilligen Zerstörung ansiedeln.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred, Du räumst auf.
    Den letzten Beitrag ricos halte ich persönlich für sehr wichtig: jeder von uns geht von sich aus, bringt eine Prädisposition mit und diskutiert dann- oder auch auch nicht.
    Spannend finde ich wiederum, dass der Titel des Threads "Interpreten" nennt, aber hier ausschließlich Pianisten genannt werden.
    Merkwürdig, oder?
    Aufbrechen oder folgen?
    Ist eine Bearbeitung eine Interpretation?


    Jetzt biege ich mir diesen Thread zurecht und schreibe vom Hören eines Konzerts Leon Fleishers in Brüssel von 2009. Bachs "Chaconne" in Brahm's Bearbeitung ist dabei, aber auch Stücke für beide Hände.
    "Die Abreise des geliebten Bruders" ist ein ziemlich harmloses Werk des jungen Bach, Fleisher spielt es, als sei es so wichtig wie die nachfolgende Chromatische Fantasie und Fuge.


    Was höre ich hier? Bach. Fleisher. Und doch eine Lebenssgeschichte von Jahrzehnten, ich kann versuchen, mich zu befreien, es wird mir nicht gelingen.
    Immer stehe ich im Kontext des Interpreten, da stimme ich rico absolut zu.
    Wenn's ernst wird, schlafen Threads hier ein - wirklich schade.


    Leon Fleisher: für mich ein Jahrhundertpianist. Mit eigener Aussage, die oft quer geht zu "Größen" der Industrie.
    Richters Schubert wird bewundert, Fleishers Schubert bleibt Nische....
    äh, habe ich jetzt irgend etwas Wesentliches beigetragen?
    Ich fürchte nicht.

  • Man hat ja einerseits früher Interpreten mehr "künstlerische Freiheiten" zugestanden als man es heute tut, lobt die Werktreue der heutigen Künstler - und beklagt andrerseits, dass es ihnen an Individualität fehlt. Welche Interpreten haben denn HEUTE einen quasi unverwechselbaren Ton? Und wie nahe ist dieser "unverwechselbare, persönliche Ton", bzw die persönlich geprägte Interpretation noch am mutmaßlichen "Original"? Wieviel "Mut" gestattet Ihr den heutigen Pianisten, Geigern, Dirigenten etc etc. ?

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Also der hier viel gescholtene Harnoncourt ist für mich mit seinem Mozart-Experiment, die letzten drei Sinfonien betreffend, ein rasantes Beispiel für künstlerische Freiheit, wodurch ja nicht gleich die gesamte Rezeptionsgeschichte neu geschrieben werden muss. Man sieht aber auch, wie schwer es Künstler haben, die mal aus der Reihe tanzen. Plötzlich soll es sein wie immer und ewig. Nur nichts ändern! Ich habe eben das Buch "Heroische Weltsichten - Hitler und die Musik" von Sebastian Werr ausgelesen. Darin finden sich sehr bemerkenswerte Hinweise auf Wagners Umgang mit den eigenen Werken. "Ach was - nur keine Sentimentalität", soll er zu Hermann Levi gesagt haben als der sich scheute, Änderungen an der Dynamik und der Instrumentierungen gelegentlich einer "Tristan"-Aufführung vorzunehmen. "Werktreue" ist für mich ein ziemlich nebulöser Begriff. Wer entscheidet darüber? Wagner betreffend, waren es seine Nachkommen. Besonders Cosima. Gott sei Dank hat sich das Werk diesem Einfluss entzogen, hat sich selbstständig gemacht. Freiheit ist nicht Beharren!


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Das Problem der "Werktreue" - ich klammere hier momentan nichtmusikalische Aspekte fürs erste aus - entstand erst mit der Geschichte der Tonaufzeichnung. Vorher wussten Konzertbesucher über ein Werk, das sie erstmals von einem damals zeitgenössischen Komponisten hörten - wenig bis nichts. Es gab also kaum Vergleichsmöglichkeiten, Künstler konnten quasi für Tempo- und sonstige Abweichungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Sie konnten weitgehend nach ihrem Geschmack interpretieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Das änderte sich aber relativ bald nach Einführung der Schallplatte. Man war nunmehr in der Lage Interpreten miteinander zu vergleichen und zu bewerten - ich meine hier das Publikum - und nicht etwa Kritiker. So bildete sich allmählich ein gewisser kollektiver "Geschmack" - oder sollte man besser sagen "ein Interpretationsideal" für gewisse Werke bzw Komponisten heraus, welche zwar allmählichen Wandlungen unterworfen waren - aber eben nur allmählich. Wich ein Interpret vom Standard ab, dann war er entweder bald weg vom Fenster - oder aber man bejubelte seine Lesart als "neuen Standard" - und jedermann wollte ihn hören.
    Interpreten von damals wichen in der Regel von der Tradition ab, weil sie die Werke anders empfanden. Heute weichen sie vorzugsweise deshalb ab, um aus der Masse bereits existierender Aufnahmen herauszustechen.
    Durchaus verständlich - aber ein traditionsbewusstes Publikum mit nostalgischen Erwartungen ist hier sehr sensibel - und oft auch unbarmherzig: Man merkt die Absicht - und man ist verstimmt......
    Allerdings - und das ist ein circulus vitiosus - sind - allerdings nur im Bereich von Tonaufnahmen - stets neue Deutungen erforderlich um das "Werkel in Gang zu halten". Und mit "Werkel" meine ich die Tonträgerindustrie. Im Konzertsaal wäre es hingegen kein Schaden, wenn alle Interpreten "notengetreu" spielten. Daß in den Noten manches nicht steht, das weiß ich auch - und so hat sich aus einem vermeintlichen Manko - quasi ein neuer Bereich der Musikwiedergabe entwickelt - eine gewisse Freiheit gegenüber dem mutmaßlichen Original. Onteressant ist, daß vom Publikum (und der Kritik) machen Interpreten große Freiräume zugestanden werden - und anderen nicht. Warum das so ist, weiß vermutlich kaum jemand - dennoch ist es Thema dieses Threads....
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Interpreten von damals wichen in der Regel von der Tradition ab, weil sie die Werke anders empfanden. Heute weichen sie vorzugsweise deshalb ab, um aus der Masse bereits existierender Aufnahmen herauszustechen.

    Lässt sich diese - ich sag mal - "Unterstellung" verifizieren?

  • Zitat

    Lässt sich diese - ich sag mal - "Unterstellung" verifizieren?


    :D
    Nicht wirklich. :S
    Aber es gibt natürlich Indizien*, daß das so ist. (und ausserdem bin ich felsenfest davon überzeugt)


    *Es gibt zahlreiche interpreten, welche heutige Konzertsäle füllen, aber durchaus "traditionell" interpretieren - aber für Tonaufnahmen werden sie üblicherweise nicht herangezogen - zumindest nicht von "Major-Labels", denn diese haben das Werk XY schon 20 oder 30 Mal mit diversen anderen Interpreten im Archiv - darunter einige "legendäre Einspielungen" die vor 30, 40 oder mehr Jahren entstanden sind. Verkauft werden solche "Klassiker" (insbesondere, wenn ein leichtes gnädiges Grundrauschen daran erinnert, daß hier ein "historisches Tondokument" von Ewigkeitswert vorliegt - oder aber eine "mutige Interpretation" eines 20 jährigen aus einem Land, das man in der Vergangenheit mit allem möglichen - kaum je aber mit klassischer Musik in Verbindung gebracht hätte. Hauptsache anders....


    Alles was indes im Verdacht steht "hausbacken" oder "betulich", "kapellmeisterlich" oder "klangschön", zu sein wird von heutigen Kritikern und dem progressiven Publikum mit Skepsis und Naserümpfen betrachtet..... :hello:


    Freundliche Grüße aus Wien
    Sendet Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Man hat ja einerseits früher Interpreten mehr "künstlerische Freiheiten" zugestanden als man es heute tut, lobt die Werktreue der heutigen Künstler - und beklagt andrerseits, dass es ihnen an Individualität fehlt. Welche Interpreten haben denn HEUTE einen quasi unverwechselbaren Ton? Und wie nahe ist dieser "unverwechselbare, persönliche Ton", bzw die persönlich geprägte Interpretation noch am mutmaßlichen "Original"? Wieviel "Mut" gestattet Ihr den heutigen Pianisten, Geigern, Dirigenten etc etc. ?


    Interessantes Thema. Um von den Pianisten wegzukommen, gehe ich mal zu den Beethoven-Sinfonien, einmal mit Riccardo Chailly, einmal mit Christian Thielemann. Beide gehen ganz unterschiedlich an die gleichen Werke heran. Chailly hält sich ziemlich genau an die Metronomangaben Beethovens, davon ausgehend sind die sehr zügigen Tempi in seinen Einspielungen ganz sicher unverwechselbar. Zudem kommt eine unmittelbare Spielfreude, die das Hören ganz einfach zum Erlebnis macht. Es bleibt alles im Fluss und wirkt selbstverständlich. Dazu kommen zum Teil eigenwillige Phrasierungen, die ganz neu erscheinen, wie ich kürzlich beim Beginn der 8. Sinfonie feststellte, wo das Kopfthema sich überschlägt. Nicht alles muss einem gefallen, aber es bleibt die persönliche Note. Wie auch ganz anders bei Christian Thielemann. Hier ist alles erstmal viel schwer gewichtiger. Steht Karajan für den unbedingten Schönklang, hört man dagegen bei Thielemann den Dramatiker, wird es auch da und dort etwas theaterbehaftet. Man spürt den Operndirigenten Thielemann. Beethoven ist weniger Klassiker, sondern hier sind wir schon in der Romantik angelangt. So macht er auch bei der Orchesterbesetzung keine Unterschiede. Das mag diskutabel sein, aber ist auch etwas unverwechselbar. Ich mag irgendwie beide Interpretationsansätze, vielleicht kommt ein anderer jetzt mit Herreweghe, da habe ich aber noch zu wenig gehört, das wenige war aber auch schon mal ganz anders wie gewohnt. Im übrigen - wie es im Original richtig sein soll, wer will das wirklich ganz genau wissen??
    Beste Grüße aus Berlin
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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  • Zitat

    Im übrigen - wie es im Original richtig sein soll, wer will das wirklich ganz genau wissen??


    Eine guter Frage - in gewisser Hinsicht war man hier in dieser Frage in der Vergangenheit toleranter, zum einen weil die Vergleichsmöglichkeiten nicht so gegeben waren - zum anderen weil man immer wieder Abstriche machen musste, was die Auswahl von Orchester und Interpreten betraf. Das ging so weit, daß man zu Mozarts Zeiten und davor - Stücke für andere Soloinstrumente umschrieb - oft dann, wenn ein geeigneter Solist für das gewünschte Intrument nicht zur Verfügung stand.
    Auch mit Verzierungen und anderen Eigenmächtigkeiten ging man großzügiger um als heute. Das ist leicht verständlich, brauchte man doch keine "Originalversion" zu rekonstruieren. Später erlaubten sich Solisten "Unarten", die ihre Virtuosität ins rechte Licht setzten, denn Virtuosität wurde beispielsweise im 19. Jahrhundert durchaus als "künstlerisch wertvoll" gesehen, etwas, das heute kaum mehr dee Einstellung unserer Zeit entspricht. Man setzte Verzierungen und "verbesserte" die Werke - zumindest in Bezug ihrer Wirkung auf das Publikum. Diese "Unarten" blieben in Form von Kadenzen, aber auch Bearbeitungen, sowie Aufführungstraditionen lange Zeit erhalten....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !