Irgendwie auch ein klassisches Thema...

  • Hinter solchen Plänen steckt bewusst oder unbewusst die Idee, die Unis auf Ausbildungsstätten für schnell verwendbare Absolventen gem. der Nachfrage der Wirtschaft zu reduzieren. Letztendlich sind die Politiker, die das wollen, die Totengräber der Universität wie wir sie (noch) verstehen. Dieser unsägliche Bologna Kram geht im Ergebnis in die gleiche Richtung: 6 Semester Schnellbesohlung für sofort verwendbare Schmalspurakademiker. Ich habe den Faden leider erst heute gesehen.Neben meiner Unterschrift habe ich ihn auch in meiner facebook Gruppe veröffentlicht, die von der Mitgliederstruktur her sicher viele potentielle Unterstützer hat. Wie ist denn der Stand der Dinge?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Dieser unsägliche Bologna Kram geht im Ergebnis in die gleiche Richtung: 6 Semester Schnellbesohlung für sofort verwendbare Schmalspurakademiker.

    Also, so unsäglich ist dieser Bologna Kram nun auch nicht, es gibt sehr wohl positive Aspekte, wie z.B. eine erhöhte Durchlässigkeit und Mobilität.


    Dem zweiten Satz stimme ich aber zu, das Problem ist aber folgendes: wenn ich tatsächlich 50% eines Jahrgangs erst durchs Abi und dann auf die Hochschule treibe, dann muss ich für die Mehrzahl dieser Studierenden eine "Schmalspurausbildung" bereitstellen, denn an einem intensiven, wissenschaftlich fundierten Studium ist die Mehrzahl nicht interessiert und dafür sind mit Verlaub viele auch gar nicht ausgerüstet. Nur diese Schmalspurausbildung gehört nicht an die Universität, sondern an die Fachhochschule.

  • Das Unsägliche am Bologna-Prozess ist, dass er zumindest in den ersten Jahren nicht nur keine Durchlässigkeit innerhalb Europas geschaffen, sondern sogar die vorher relativ unproblematisch gegebene Durchlässigkeit innerhalb EINES bundesdeutschen Bundeslandes gefährdet hat. (Das mag inzwischen besser sein, aber ich habe LEIDER von 2005-9 viele Monate Lebenszeit und Nerven zuerst auf die Einrichtung dieser gestuften Studiengänge und dann auf Beratung und teils auch Anerkennung von Leistung anderer Stg./Universitäten verwenden müssen.)


    Ob eine Schmalspurausbildung an der Fachhochschule sinnvoll ist, wage ich auch zu bezweifeln... ;) Aber ich stimme zu, dass es zumindest als Ergänzung sinnvoll gewesen wäre, Fachhochschulen usw. auszubauen, um mehr "Zwischenstufen" zu schaffen zwischen eher akademischen und eher berufsbezogenen Qualifikationen.
    Stattdessen hat man per Dekret festgelegt, dass ein Fachabitur auch für alle BA Stg. an Universitäten berechtigt (wofür dann eigentlich noch eine Unterscheidung zwischen Abi und Fachabi?) Das führt dann zu solchen Späßen, dass man anhand irgendwelcher Mittelstufenzeugnisse überprüfen muss, ob die Kandidaten lange genug zwei Fremdsprachen belegt haben (weil man naiverweise aus einer älteren Studienordnung zwei Fremdsprachen als Studienvoraussetzung übernommen hatte, was beim allgemeinen Abitur quasi automatisch erfüllt ist).


    Man hat aus mir unverständlichen Gründen beim Vergleich von Akademikerquoten schlicht nicht berücksichtigt, dass zB Länder wie die USA schon seit langem praktisch keine Ausbildung in Form von Lehre+Berufsschule mehr kennen. Es gibt sozusagen training on the job nach der Highschool oder College-Abschluss. D.h., jeder Bankkaufmann, jede MTA usw., die in D "nur" eine Ausbildung durchlaufen haben, hat heute in den USA normalerweise ein 4jähriges Collegestudium absolviert.


    So kam man darauf, dass D unbedingt mehr "Akademiker" benötigen würde, weil nichtssagende Quoten sich von anderen Ländern unterschieden haben und die hohe Qualifikation vieler Absolventen der dualen Lehr-Ausbildung (sowie anderer Einrichtungen wie Krankenpflegeschulen usw.) nicht berücksichtigt wurde, weil alles "unterhalb" eines FH-Diploms eben kein "Akademiker" ist.
    (Die Schlüsse auf die akademisch-analytischen Fähigkeiten der Politiker, Berater usw., die das ausgebrütet haben, mag jeder selbst ziehen.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • So kam man darauf, dass D unbedingt mehr "Akademiker" benötigen würde, weil nichtssagende Quoten sich von anderen Ländern unterschieden haben und die hohe Qualifikation vieler Absolventen der dualen Lehr-Ausbildung (sowie anderer Einrichtungen wie Krankenpflegeschulen usw.) nicht berücksichtigt wurde, weil alles "unterhalb" eines FH-Diploms eben kein "Akademiker" ist.

    Völlig d'accord

    (Das mag inzwischen besser sein, aber ich habe LEIDER von 2005-9 viele Monate Lebenszeit und Nerven zuerst auf die Einrichtung dieser gestuften Studiengänge und dann auf Beratung und teils auch Anerkennung von Leistung anderer Stg./Universitäten verwenden müssen.)

    Ich auch, aber ich habe es wenigstens geschafft, dass jetzt weitgehend alles anerkannt wird, was vorher beim Diplom nicht der Fall war. Da galt: die Physik in Tübingen ist eine andere als die in Stuttgart. :D

  • Zitat Misha

    Zitat

    Wie ist denn der Stand der Dinge?


    Vielen Dank, liebe Misha, für die Unterstützung. Der Stadt der Dinge ist, daß sich vor der Wahl niemand bewegt. Die Politik schon gar nicht, und das Rektorat bewegt sich dann, wenn sich die Politik bewegt. Eine Begründung, warum es uns getroffen hat, haben wir seit Januar bis heute nicht erhalten. Aber wir haben durch einige schöne Aktionen auf uns aufmerksam gemacht und werden das weiterhin tun. Ich sehe uns da noch lange nicht am Ende.


    Zitat Johannes Roehl

    Zitat

    Das Unsägliche am Bologna-Prozess ist, dass er zumindest in den ersten Jahren nicht nur keine Durchlässigkeit innerhalb Europas geschaffen, sondern sogar die vorher relativ unproblematisch gegebene Durchlässigkeit innerhalb EINES bundesdeutschen Bundeslandes gefährdet hat. (Das mag inzwischen besser sein,


    Das, lieber Johannes Roehl, sehe ich ganz genauso, die Mobilität hat nach Bologna nachweislich abgenommen, dazu existiert sogar belastbares statistisches Material. Und zwar, genauso wie Du sagst, im In- und Ausland. Und leider ist es kaum besser geworden.


    Fakt ist ja, daß immer mehr sich entscheiden, nach dem Abitur zu studieren, ob das immer gut ist und man die Akademikerquote immer weiter erhöhen sollte, da bin ich skeptisch.


    Mit besten Grüßen
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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