Sviatoslav Teofilovic Richter: Der Erste unter Gleichen

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    Da hast du Recht, lieber Swjatoslaw, da kann man sich auch drauf freuen, jedoch habe ich diese Aufnahme bereits, nämlich in der nebenstehenden Box, dort machen die beiden neben dieser Mozart-Sonate noch die Sonate D-dur KV 306, die B-dur KV 378, Andante& Allegretto C-dur KV 404/385d und die Sonate B-dur KV 372 "Unvollendete" zusammen, darüber hinaus Beethovens Nr. 5 F-dur, op. 24, "Frühlingssonate", die Sonate Nr. 4 a-moll op. 23 und das gewaltige Kammerkonzert von Alban Berg, gewaltig im zeitlichen Umfang (42:46 Minuten).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da hast du Recht, lieber Swjatoslaw, da kann man sich auch drauf freuen, jedoch habe ich diese Aufnahme bereits, nämlich in der nebenstehenden Box


    Hallo Willi,
    in der EMI-Box hast Du die Aufnahme der Sonate KV 379 aus Tours, welche im Juli 1974 entstand. Auf der Regis-CD hingegen findest Du den Mitschnitt aus Moskau vom Dezember 1982. Es handelt sich nicht um eine Doublette! Ich finde, der Moskauer Mitschnitt zieht einem förmlich die Schuhe aus!
    Herzliche Grüße und schönes Wochenende!
    Dein Joachim

  • Schönen Dank für den Hinweis, lieber Swjatoslaw, das ist meinem ungeübten Laienauge natürlich entgangen.


    Inzwischen habe ich die Diabelli-Variationen schon gehört. Das ist natürlich vom Allerfeinsten, obwohl ich die Diabelli-Variationen beileibe noch nicht so oft gehört habe wie die Sonaten, kann ich sagen, dass er auch hier nicht getoppt werden kann. Ich habe sie vom Thema bis zur letzten Variation in einem Rutsch durchgehört, obwohl ich am Anfang etwas irritiert war, weil im Booklet das Thema nicht als eigene Nummer aufgeführt war.


    Heute Abend werde ich dann den Mozart hören. Wollen wir hoffen, dass es bis dahin in der Bundesliga alles mit rechten Dingen zugeht.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich höre gerade Swjatoslaw Richters allerletzten Konzertauftritt mit einem Orchester. Er spielte die Mozart-Klavierkonzerte Nr. 1 F-dur KV 37, Nr. 5 D-dur KV 175 und Nr. 18 B-dur KV 456, begleitet vom Japan Shinsei Symphony Orchestra, dirigiert von Rudolf Barshai

    Zum Niederknien schön. In geradezu unvorstellbarer Weise vollendet. Wenn es irgendeines Beweises bedurfte, dass Gott existiert, dann...
    Nein, ich höre ab sofort auf zu schreiben. Allein Richter möge durch seine herrlichen, unvergleichlichen Tondokumente sprechen. Ich werde fortan schweigen, kein einziges Wort mehr bei Tamino schreiben.
    Beste Grüße an Euch and keep the memories alive!
    God bless y'all!
    Euer Swjatoslaw

  • Zum Niederknien schön. In geradezu unvorstellbarer Weise vollendet. Wenn es irgendeines Beweises bedurfte, dass Gott existiert, dann...


    Lieber Swjatoslaw
    Du hast in Deinen Beiträgen inhaltlich schon viele gute Sätze geschrieben, aber diese hier sind die mit großem Abstand besten...
    Besser und treffender kann man in der Kürze seine Gefühle und Leidenschaft für eine Sache nicht ausdrücken. Ich bin beeindruckt und total begeistert über Deinen Fanatismus. Ich finde es unheimlich toll und mag es ganz sehr, wenn jemand emotional so in absoluter Leidenschaft und Hingabe erglüht. Hier haben wir in unserem Wesen etwas gemeinsames. Bewahre Dir das.
    ( zu dem anderen, was Du schreibst, will ich mich nochmal im Thread " Da streiten sich die Leut " äußern. Wird aber erst abends oder morgen ).
    Herzliche Grüße und ein schönes WE
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Nach dem Anhören einiger Live-Rezitals von Swjatoslaw Richter, bin ich tief beeindruckt von der Tiefe des Ausdrucks. Ich spüre, hier spielt jemand, der voll und ganz hinter der musikalischen Aussage steht. Richters Satz "Ein Konzert ist wie ein Schicksal." fällt mir ein. Mir als Hörer bleibt am Ende nur eines: Schweigen.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Bachs "Das Wohltemperierte Klavier" mit S. Richter gibt es in einer Eurodisc-Aufnahme bei Sony und einer Ariola-Produktion auf dem RCA-Goldlabel bei BMG (jetzt Sony).
    Die Aufnahmejahre werden mit 1970-1974 angegeben.
    Handelt es sich bei beiden CD-Ausgaben um identische Aufnahmen oder hat Richter zwischen 1970 und 1974 das WTK jeweils bei 2 verschiedenen Label eingespielt?
    Falls es 2 Aufnahmen gibt,welche ist die bessere?

    mfG
    Michael

  • Unter trovar.com wirst du fündig werden. Mt etwas googeln wirst du diese Homepage sicherlich finden. Eine Goldgrube der Richter-Discografie. Diesen wertvollen Tipp gab der User Swjatoslaw, dem ich an dieser Stelle ein weiteres Mal herzlich dafür danke.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • heute vor 15 Jahren ist er 82jährig in Moskau gestorben.


    Swjatoslaw Teofilowitsch Richter (* 20. März 1915 in der Nähe von Schitomir, Russisches Reich; † 1. August 1997 in Moskau) war ein sowjetischer Pianist russisch-deutscher Abstammung. Sein Vater Theophil Richter stammte aus einer deutschen Kaufmannsfamilie im heute ukrainischen Schytomyr, seine Mutter war eine russische Kaufmannstochter.


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    Der WDR erinnert in seinem heutigen "Zeitzeichen" an den Pianisten. Der Beitrag kann hier nachgelesen oder angehört werden: http://www.wdr3.de/zeitzeichen/aktuell.html


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Kennt denn schon jemand den genauen Inhalt dieser offenbar bisher nicht veröffentlichten Richter-Aufnahmen?


    Sein Schubert ist ja immer sehr, sehr faszinierend!



    Viele Grüße,


    Christian

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  • :cursing:
    Auch die eigenen Melodiya-Web-Seite spuckt nicht aus, von wann und wo diese Aufnahmen sind.


    Ich gehe mal davon aus, dass das Radiomitschnitte sein dürften, die womöglich nur "first release" beim Label Melodiya sind, aber womöglich bei anderen Labels bereits veröffentlicht vorliegen.


    Nichts ist unübersichtlicher als die Richter-Dikographie. X(

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Bei presto classical habe ich genauere Angaben gefunden: die Aufnahmen sind von 1978 aus dem Moskauer Konservatorium und damit meines Wissens in der Tat neu! Von D.894 gab es bislang nur eine und und D.958 zwei Aufnahmen.

  • Lieber a.b.


    Ja, die Richter Diskographie ist sehr übersichtlich. ;(


    Orientierung bietet trovar.com (Richter anklicken) :thumbsup:


    Mit etwas googeln findet man zu dieser äusserst informativen Seite, die nach Komponisten geordnet alle Sviatoslav-Richter-Einspielungen mit allen erdenklichen Daten nach Aufnahmedatum geordnet auflistet, die produziert wurden.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Orientierung bietet trovar.com (Richter anklicken) :thumbsup:


    Oder aber http://www.doremi.com/sr.html ^^

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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  • Ich habe diesen alten Thread ausgegraben um darauf hinzuweisen, dass Richter am Freitag den 20.3.2015 seinen 100ten Geburtstag feiern würde. SWR 2 widmet in der aktuellen Woche Mo-Fr die Musikstunde von 9-10 Uhr seiner Musik und seinem Leben (kann in der Mediathek nachgehört werden).

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber WoKa, ich wuste es schon seit Langem, aber ich bin jetzt erst von einem Konzert zuückgekehrt, sonst wäre mein Beitrag schon kurz nach Zwölf erschienen.


    Swjatoslaw Teofilowitsch Richter, der am 1. August 1997 in Moskau starb, wurde am 20. März 1915 in Schytomyr in der Ukraine geboren. Zu seinem Geburtstag ist bereits vor Kurzem diese Box mit Soloaufnahmen bei der DECCA erschienen:



    Heute ist sein 100. Geburtstag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Den 100. Geburtstag am Tag einer totalen Sonnenfinsternis - das muss man auch erst einmal hinbekommen ...
    Aber ernsthaft: Für alle erklärten S.-Richter-Verfechter, also auch für mich, ist dieser heutige 20. März 2015, auch wenn NDR Kultur am Abend das Jubiläum auf den morgigen 21. verlegt hat (soviel zum Thema aktuelles Kulturhörfunk-Niveau), ein absolut denkwürdiger Tag. Denn dieser deutsch-russische Tastenakrobat ist fraglos einer der phänomenalen, technisch UND musikanalytisch bestechendsten, Künstler seines Faches im 20. Jahrhundert gewesen. Insofern kann man den Untertitel "Erster unter Gleichen" nur unterstreichen, als es um vollgültiges Musizieren mit Herzblut plus Verstand quer durch fast alle Epochen der Klaviermusik geht.
    Einen Wermutstropfen gibt es allerdings, für den man als Bewunderer fast schon dankbar ist, damit das Idol nicht zu unerreichbar auf dem Sockel in die Höhe entschwebt: Wie ich im Rahmen der nun endenden Gedenkwoche in mehreren Aufnahmen ein wenig überrascht notieren musste, führte das meist, aber nicht immer (vgl. Schuberts B-Dur-Sonate, 1. Satz!) temporeiche und riskante Solo-Spiel Richters im Konzert regelmäßig zu einer teils keineswegs mehr geringen Anzahl auch für Laien hörbar falscher Töne, z.B. bei der insgesamt hochgelobten Aufnahme von Schumanns Toccata op.7. Auch etwa der Mitschnitt von Bachs vier Duetten leidet an einer - möglicherweise kältebedingten - Ungleichmäßigkeit des Anschlags und der Läufe.
    Swjatoslaw Richter handelte im Solo-Konzert offenbar nach der Devise 'Wo gehobelt wird, da fallen Späne', die unter Pianisten der jüngeren Generation, mit einigen Ausnahmen wie z.B. Bernd Glemser, fast ausgestorben ist, wohl deshalb, weil diese Beklagenswerten durch Wettbewerbe gestählt und durch den gnadenlosen CD-Konkurrenzkampf geradezu zum technischen Perfektionismus gedrillt werden. Richter wollte offenbar, anstatt in moderatem Tempo auf Nummer Sicher zu gehen, sofern er ein solches bequemes Tempo nicht für das werkgemäße hielt, seinem Publikum, dessen verständlicherweise extrem hohen Erwartungen ihm immer wieder zu schaffen machten, jedes Mal ein besonderes, ja unvergessliches Erlebnis bieten und nahm gelegentliche Fehler dafür bewusst in Kauf. Er war darin noch ein Kind des 19. Jahrhunderts, in dem der Fokus auf der musikalischen Durchdringung lag (dies gilt selbst für jemanden wie Liszt), während technische Unfehlbarkeit von niemandem gefordert wurde.


    Obwohl also die Erwartungen seines Publikums Richter alles andere als gleichgültig waren, machte er nicht den entscheidenden Prinzipienfehler seines Quasi-Landsmanns Vladimir Horowitz! Swjatoslaw Richter konzentrierte sich während des Live-Konzerts, auch von dieser Aussage existert ein O-Ton, gerade nicht auf das Publikum, um als dessen Hexenmeister zu brillieren, sondern spielte, wie er wörtlich meinte, für sich selbst, aber in allererster Linie für den jeweiligen Komponisten.
    Und aus ebendiesem Grund, weil er damit die einzig richtige Grundeinstellung des Konzertpianisten besaß, kann und sollte Richter auch heute noch jedem Nachwuchstastenkünstler als intellektuelles Vorbild dienen. Ein Künstler der E-Musik, gleich welchen Fachs bzw. Instruments, hat der Musik, also zunächst deren Urheber, zu dienen. Wenn ihm dies größtenteils gelingt, hat er sein Ziel schon erreicht. Kann obendrein noch die - in aller Regel von der Partitur kenntnislose - Hörerschaft begeistert werden, und indirekt die umsatzorientierten Konzertveranstalter, was natürlich am Ende auch dem Interpreten finanziell zugute kommt, dann ist das nur eine Art da-capo-Zugabe, aber aus musikalischer Sicht mehr auch nicht.


    Aber Swjatoslaw Richter ist noch für eine andere, ebenfalls unter Pianisten (nahezu) "ausgestorbene" Einstellung zu loben: Für den Mut, entgegen der modernen Praxis und der Erwartung des Konzertpublikums nicht auswendig, sondern von Noten zu spielen! Mag sein, dass ihn erst ein Gedächtnis-Blackout in Japan dazu bewogen hat, aber er hat meines Wissens diesen einsamen Sonderweg, der im 18. und noch weit bis ins 19. Jahrhundert noch eine breite Prachtstraße war, konsequent mehrere Jahre bis zu seinem Abschied vom Konzertsaal durchgehalten. Hut ab!
    Wer mitreden kann, weiß, was es zusätzlich heißt, dabei auf einen (menschlichen) Notenwender zu verzichten. Richter soll jeweils mehrere Seiten zugleich umgeblättert und den Abschnitt dazwischen, den er nicht vor sich ablesen konnte, auswendig wiedergegeben haben. Aus dieser "Rückkehr zu den Wurzeln" (des historischen Klaviervortrags) kann man wohl schließen, dass in all den Jahren zuvor Swjatoslaw Richter sich dem - von vielen Konzertpianisten als große Belastung empfundenen - Diktat des Auswendigspielens nur widerwillig gefügt hat und prinzipiell die Auffassung vertrat, dass diese "Zusatzdisziplin" aus rein musikalischer Perspektive keine zwingende Berechtigung hat. Sollte ich mich hierin nicht täuschen, wäre dieser Aspekt gewiss ein weiterer Grund für jeden Pianisten, sich an Richters Denken zu orientieren und die vermeintlich alternativlosen Gegebenheiten des modernen Konzertbetriebs kritisch zu hinterfragen.


    Und trotz seines Ruhmes im In- und Ausland zu Lebzeiten, der ihm allenthalben, wo er auftrat, entgegenwehte, blieb Swjatoslaw Richter ein bodenständiger Typ, Starrummel und Autogrammjäger waren ihm ein Graus. Er wollte einfach nur "ein Mann, der Klavier spielt", sein. Kurioserweise hatte er oft ernsthafte Probleme, im eigenen Heim zu üben, weil seine Nachbarn überwiegend ebenfalls Musiker waren und trotz ihres prominenten Mitbewohners bei ihm zu klopfen pflegten, wenn sein Klavierspiel das nach ihrer Meinung gehörige Maß überschritt. Man will es kaum glauben! Und so kam es, dass dieser gigantische, fast überlebensgroße Pianist, wenn wir dem auf BR Klassik gesendeten Feature "Der Heimatlose" Glauben schenken wollen [TIPP: Wdh. am Samstag um 15:05 Uhr!], von der wachsenden Zahl seiner ... (bitte lächeln!) ... "Übeschulden" gepeinigt wurde. In den späten Jahren sollen an die 600 h aufgelaufen sein. Ach, lieber Swjatoslaw, was uns Hörer, die wir soviele Ihrer Interpretationen in uns aufsaugen, das am ... vorbeigeht!


    Eine weitere Überraschung für die, denen Richters Biographie nicht vertraut ist: Dieser Jahrhundertpianist war ursprünglich Autodidakt!
    Aus diesem Grund reagierte auch der berühmte Klavierpädagoge Heinrich Neuhaus, ebenfalls deutscher Abstammung, zunächst recht befremdet, als Swjatoslaw Richter bei ihm vorspielte, um sein Schüler werden zu dürfen. Doch bewies Richter in dieser für sein gesamtes Leben richtungsweisenden Schlüsselsituation offenbar all seine Tugenden, verzauberte sämtliche Zuhörer einschließlich der Hauptperson, und fortan nahm Neuhaus das formale Manko Richters eher als ein Indiz für das Naturtalent eines kommenden Weltstars wahr.
    Neuhaus war es dann auch, der Richter die Tür zu Sergej Prokofjew öffnete, dessen engagiertester Verfechter seiner Klaviermusik er werden sollte, auch wenn es Richter nicht vergönnt war, Widmungsträger der ihm liebsten Prokofjew-Klaviersonate Nr.8 zu werden, und nur die im Vergleich mit den früheren deutlich abfallende 9. Sonate ihm gewidmet wurde.
    Für mich gibt es keine packendere Einspielung des genial-skurrilen 1. Des-Dur-Klavierkonzerts von Prokofjew als diejenige mit Swjatoslaw Richter unter Kondraschin. So, wie Horowitz bei Rachmaninow in seinem Element ist, ist es bei Richter, jedenfalls von der nach 1830 komponierten Musik, Prokofjew. Der persönliche enge Kontakt scheint beide aus der jetzigen Ukraine gebürtigen Pianisten für das Werk ihres jeweiligen Meisters enorm beflügelt zu haben.


    Ungeachtet seiner hälftigen deutschen Wurzeln und seiner ungeteilten Verehrung für J.S.Bach, Beethoven, Schumann und Brahms gestand Richter in einem späten Interview unumwunden und zugleich verlegen, keinen plausiblen Grund anführen zu können, ein, dass er Deutschland "nicht sehr gern" habe, während ihm England "fremd" sei, und er - Gratulation - die USA "nicht mag". Zuhause fühle er sich neben Moskau und Paris in ... (Du weißt schon, Alfred) ...
    Aber ich will ihm das nicht krumm nehmen, sondern erkläre mir das "tiefenpsychologisch" zumindest zum Teil damit, dass Swjatoslaw Richter in der typisch-deutschen Neigung zu Ordnung, Bürokratie und Perfektion spiegelbildlich die riesigen diesbezüglichen Defizite seines Heimatlandes erkannte. Ein weiterer "tiefenpsychologischer" Grund, vielleicht der Kern des Ganzen, könnte die Flucht seiner Mutter nach Deutschland (Schwäbisch Gmünd) gewesen sein, den Richter als Verrat empfand, nachdem sein leiblicher Vater von Sowjets als angeblicher Spion liquidiert worden war. Wer mag einem Sohn diesen tiefsitzenden Groll verdenken?! Bekannt ist die Geschichte, dass seine Mutter in einem seiner ersten Westkonzerte, von ihm unbemerkt, im Publikum saß. Als Richter sie dann später im deutschen Exil privat zusammen mit ihrem Lebensgefährten besuchte, sollen alle Beteiligten gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben.


    Fazit:
    Es gibt noch jede Menge faszinierender Aufnahmen mit Swjatoslaw Richter zu entdecken, da seine Bandbreite ihresgleichen sucht. Seine Studioaufnahmen, viele noch für die Schallplatte entstanden, sind ganz überwiegend makellos, von höchster Musikalität beseelt, und genießen zu nicht geringem Ausmaß Referenzstatus, darunter nicht zuletzt seine Kammermusik-Interpretationen (v.a. mit David Oistrach und Mstislaw Rostropowitsch).
    Hoch lebe der wahrhaft große Musiker des Klaviers Swjatoslaw Richter zum 100. Geburtstag!

  • Für die Richter-Fans, Klaviermusik-Enthusiasten, Nachtschwärmer und Schlaflos-Bleiber:


    Der Deutschlandfunk sendet heute ab 23.05 Uhr (soll wohl heißen: nach den 23-Uhr-Nachrichten) die "Lange Svjatoslav-Richter-Nacht" aus Anlass seines 100. Geburtstages.


    Wer hören will, mag hören...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Zum Neueinrichten meiner Anlage hörte ich kürzlich wieder eine für mich exemplarische Richter-Aufnahme von dieser CD:


    Richter selbst läßt an diesem Mitschnitt eines Konzerts vom Chiemsee (sicher irgendwo in einer umgebauten Scheune) in seinem Tagebuch kein gutes Haar - er war ja geradezu quälerisch selbstkritisch bis zur Selbstzerfleischung! (Hinten drauf steht witziger Weise "Not for sale!") Nichts desto Trotz ist dieser Mitschnitt ein Ereignis - auch wirklich hautnah-realistisch aufgenommen der Yamaha-Flügel! Er spielt dort u.a. "An den Frühling" - ein Stück mit spätromantischem Pathos. Das wird von Richter - im Zeitlupentempo - "purifiziert" und so aus dem Schmachtfetzen eine Klaviermeditation gedanklich emotionaler Klarheit. Und er hält dieses Konzept stur bis zum Ende durch! Wirklich beeindruckend - die Musik wird "geadelt" zu musikalischem Denken in Tönen, todernst gespielt ohne jeden Anflug von narzistischer Sentimentalität. Genau das war - hier exemplarisch vorgeführt an einem vermeintlich unbedeutenden, kleinen Klavierstückchen von Grieg - Richters wahrlich titanische Größe! Ebenso beeindruckend "Glockengeläute", Grieg als Bruder von Debussy. Da zeigt Richter seinen überragenden Sinn für klangliche Dramaturgie - der rabenschwarze Baß am Schluß erschüttert wirklich wie ein schwerer Glockenschlag!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    das war fürwahr ein grandioser Tipp - ich habe mich durch alle Hörbeispsiele gehört und sofort bestellt - Richter, wie er leibt und lebt!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute möchte ich an Swjatoslaw Richters Todestag erinnern. Er starb am 1. August 1997. Zu diesem Anlass habe ich aus meiner Sammlung die Dvorak-Aufnahme ausgesucht, die er zusammen mit Carlos Kleiber gemacht hat, dessen Biografie ich zur Zeit lese:




    Heute ist Swjatoslaw Richters 18. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo zusammen,


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    diese noch recht neue Box mit Richters Eurodisc-Aufnahmen fand bisher noch keine Erwähnung. In diesem Zusammenhang eine Warnung, die Amazon-Besprechungen aufgreifend: die CDs 6, 8, 10 und 12 sollen durch Herstellungs-/Press-/Masteringfehler gekennzeichnet sein. Anhand von CD 8 habe ich dies überprüft. Gleich zu Anfang sind Störungen zu vernehmen. Wer diese Box erwerben will, sollte direkt im Geschäft mal hereinhören oder bei Bestellung die CDs direkt nach Zugang prüfen, um sich weitere Scherereien zu ersparen. Meine Ausgabe geht nun leider zurück an den Verkäufer.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Zitat

    diese noch recht neue Box mit Richters Eurodisc-Aufnahmen fand bisher noch keine Erwähnung. In diesem Zusammenhang eine Warnung, die Amazon-Besprechungen aufgreifend: die CDs 6, 8, 10 und 12 sollen durch Herstellungs-/Press-/Masteringfehler gekennzeichnet sein. Anhand von CD 8 habe ich dies überprüft. Gleich zu Anfang sind Störungen zu vernehmen. Wer diese Box erwerben will, sollte direkt im Geschäft mal hereinhören oder bei Bestellung die CDs direkt nach Zugang prüfen, um sich weitere Scherereien zu ersparen. Meine Ausgabe geht nun leider zurück an den Verkäufer.


    Hallo Hüb,


    das ist ja ein Ding! Eine ältere Einzelveröffentlichung (CD 8) gibt es, und die ist einwandfrei!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es gibt, glaube ich, von allen enthaltenen Aufnahmen ältere Einzelveröffentlichungen. Meisten auch bei mehreren unterschiedlichen Labels. Allerdings sind einige davon (alto, regis) auch von mitunter dubioser Pressqualität. Einwandfrei und unproblematisch jedenfalls die neueren eurodisc/BMG Einzelausgaben des WTK.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Warum man bei so einer Edition ausgerechnet keine Qualitätskontrolle macht? Das wird teuer - und wahrscheinlich ist das Mastering-Büro bzw. Presswerk seinen Vertrag los... :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Der maximal kulante Verkäufer hat mir den Kaufpreis mittlerweile erstattet und will die CDs auch nicht zurück haben.
    Ich habe nun bei Sony angefragt, ob ein Austausch der fehlerhaften Scheiben möglich ist, denn in dieser Form ist die Edition natürlich sehr unschön, selbst wenn sie nun kostenlos war.
    Auch habe ich nachgefragt, wie eine ggf. fehlerfreie Edition am Markt zu erkennen sei. Ich halte euch in dieser Sache auf dem Laufenden, ob ihr wollt oder nicht... :D


    EDIT: Sachen gibt's manchmal... :hail:



    12:14 gemailt, 13:43 diese Antwort... :hail:


    Toller Service seitens Sony!

  • Zitat

    EDIT: Sachen gibt's manchmal... :hail:


    Das ist doch schön! Gleiche Pflichten für alle! Was die Autoindustrie mit ihren stinkenden Dieselrauchern kann - oder muss .... :D

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