Beethoven - Klaviersonate Nr. 13, op. 27/1, Es-Dur


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27, Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: April 1994
    Spielzeiten: 4:45-2:02-3:07-5:54 – 15:48 min.;


    In seiner dritten Aufnahme ist Brendel zwar wieder ein Quäntchen langsamer im Kopfsatz als in der mittleren, aber auch wieder ein Quäntchen stärker im pp. Auch in der Aufwärts-Achtelbewegung in Takt 10, wo schon Takt 9 lauter beginnt, spielt er nicht vorhandenes Crescendo.
    Auch in der Wiederholung ab Takt 21 ist der Lautstärkepegel höher als in den früheren Aufnahmen, auch wenn er etwas geringer ist als am Anfang des Andantes.
    Das Allegro ist dynamisch etwas ausgewogener, auch wenn mir die Takte 43 und 44 noch etwas laut vorkommen. Die Legatobögen sind dagegen sehr gut gespielt, auch die Steigerung am Schluss des Allegros.
    In Tempo I ab Takt 63 ist das pp wieder gegeben, aber ab Takt 67 sind die sechzehntel-Läufe in der rechten Hand mir zu laut. Der Bogen in Takt 77 und 78 ist wieder sehr schön, und ab Takt 79 beweist er dann, wie stimmig der ganze Satz hätte klingen können.


    Der erste Teil des Allegro molto e vivace gefällt mir dann sehr gut. Hier kann er mehr zupacken und die Forteschläge kommen dann auch sehr kräftig. Der erste Teil des Galopps kommt zwar im moderaten Tempo daher, aber die Staccati sind sehr schön gesetzt und dass ff in den Takten 50 und 51 sehr überzeugend. Im zweiten Galoppteil ist dann das pp wieder gegeben sowohl in der rechten wie auch in der linken Hand. Im sempre ligato-sempre staccato-Teil ist mir der Dynamiklevel in den p-Passagen wieder etwas zu hoch. Im Crescendo ab Takt 115 stimmt es dann wieder.


    Das Adagio versöhnt mich wieder. Das pianissimo stimmt wieder, Takt 7 und 8 sind wieder traumhaft und das Crescendo ab Takt 12 passt wieder zu seinen Vorgängern von 1962/64 und 1977.


    Auch im Allegro vivace sind die Achtel in der linken Hand ab Takt 62 wieder sehr schön m p und ab Takt 68 im pp. Auch die Melodieführung in der rechten Hand ab Takt 119 ist wieder schön im p. Im dann folgenden durchführungsartigen Teil lässt Brendel dann auch den oberen Teil des dynamischen Spektrums gehörig zur Geltung kommen. In den Achtel-Oktaven der rechten Hand ab Takt 165 kehrt dann wieder Ruhe ein und in der Begleitung tönen die Achtelfiguren im schönsten pp. In der Wiederholung des Hauptthemas wird es dann wieder etwas lauter (p). Das Decrescendo ab Takt 236 und das nachfolgende pp kommen wieder gut zur Geltung. In den Achtel-Oktaven ab Takt 254 ist dann wieder viel Betrieb und es schwingt sich zu einer schönen abschließenden Steigerung im ff auf.
    Dann folgt wieder die schöne Einbettung des Adagio-Hauptthemas und das muntere Presto am Schluss.
    Eine Interpretation mit viel Licht aber m. E. auch mit Schatten. Von allen dreien gefällt mir eindeutig am besten Die erste von 1962/64, womit ich ebenso eindeutig im Widerspruch zum Meister selbst stehe, der ja in der Rückschau mit seinen VOX-Aufnahmen nicht so zufrieden war. Zumindest auf Die Nr. 13 bezogen, kann ich das nicht so recht verstehen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    Rudolf Serkin, Klavier
    AD: Dezember 1970
    Spielzeiten: 5:16-2:01-2:38-6:23 – 16:18 min.;


    Serkin wählt im Kopfsatz ein etwas rascheres Tempo als Alfred Brendel und Emil Gilels, und sein Pianissimo ist geringfügig stärker als das Brendels 8 Jahre eher, aber leiser als das aus Brendels letzter Aufnahme, die 24 Jahre nach Serkins Aufnahme entstand. Er spielt es aber hier im ersten Abschnitt sehr gleichmäßig. Sein Crescendo in Takt 6 bis 8 ist sehr kräftig, aber ebenso abnehmend auch das Decrescendo. Sehr schön. In der Wiederholung von Takt 9 bis 12 scheint er mir etwas lauter zu werden. In Takt 13 crescendiert er schon die zwei Viertel und die Dreiachtel am Anfang nicht erst die letzte Achtel. Das steht so auch nicht in den Noten. Crescendo und Decrescendo sind dann wieder sehr beeindruckend. Die 4 wiederholenden Variationen von Takt 21 bis 36 sind dann wieder dynamisch sehr ausgewogen mit einem ordentlichen pp in der ersten Hälfte.
    In Takt 37 – 41 + Wh arbeitet er sehr schön die Kontraste zwischen p- und f-Passagen heraus mit einem schönen Legatobogen in 41/42. Auch die folgende Passage bis zur Steigerung in Takt 59 bis 62 gefällt mir.
    In der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 63bleiben auch die Sechzehntel-Figuren in der rechten Hand schön im pp. Die beiden Crescendi und Decrescendi in den folgenden beiden 4-Takt-Abschnitten sind auch sehr schön musiziert, ebenso wie der Schluss von Takt 79 an. Ihm selbst scheint es auch zu gefallen, denn man hört ihn stets die Melodie mitsummen.


    Das Allegro molto e vivace gestaltet er in mittlerem Tempo, wobei er das piano vor den Forteschlägen gleichmäßig durchhält. Die beiden Galopp-Abschnitte sind auch sehr gelungen gestaltet, ohne die dynamische Bandbreite ganz auszuloten bei Beachtung des pp im zweiten Abschnitt. Auch die Wiederholung des Hauptthemas mit dem parallelen sempre ligato-sempre staccato ist sehr gelungen.


    Auch das Adagio molto, das zwar kürzer ist als das Brendels, aber sehr klangschön und ruhig gespielt ist mit besonders ausdrucksvollem Decrescendo in Takt 7 und 8 sowie dem herrlichen Crescendo-Decrescendo ab Takt 12 bis zum pp in Takt 16, ist sehr ausdrucksstark.


    Das Allegro vivace spielt er in sehr maßvollem Tempo und auch von einem niedrigen dynamischen Level ausgehend, nicht am Anfang, sondern in den Pianissimi, und erst im weiteren Verlauf dringt er in ff-Gefilde vor. Man kann in der Tat diesen Satz auch etwas langsamer spielen, wenn man, wie er, die Spannungskurve nicht fallen lässt., und dass nicht nur in den dramatisch bewegten Passagen, sondern auch in den leiseren Passagen wie den Achtel-Oktaven ab Takt 165 etwa. So spinnt er den musikalischen Vorgang munter in moderatem Tempo weiter. Dabei beachtet er weiterhin die dynamischen Feinheiten. Bis hin zum Übergang in Takt 280/81.
    Mir ist aufgefallen, dass er diesen ersten Teil des Adagios, der hier eingebettet wird, langsamer spielt als den zweiten Teil. Daher kommt im dritten Satz auch die kürzere Satzzeit zu Stande. Und auch das Schlusspresto bietet dadurch einen größeren temporalen Kontrast.
    Im Ganzen gefällt mir diese Interpretation doch noch besser als die vorher gehörte Brendel III.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Da diese Threads ja leider immer schon 'voll' sind, bis ich sie mal entdecke ;) , habe ich mir für Beethovens op. 27/1 einmal eine Einspielung herausgegriffen, die mutmaßlich hier sonst unerwähnt geblieben wäre, Arthur Schnabels Klassiker aus den 30er-Jahren:


    Recht nüchtern und rhythmusorientiert geht Schnabel den Kopfsatz an, das Tempo dabei im mutmaßlich normalen Rahmen haltend. Auch dem liedhaften Seitenthema entlockt er bei dessen erstem Erscheinen mehr tänzerische Züge als kantable (vgl. z. B. Barenboim). Im weiteren Verlauf spürt Schnabel den Variationen empfindsam aber nie gefühlsduselig nach und spielt die Steigerungen schön aus, ohne eine allzu pathetische Gestik zu bemühen, die konturgebende linke Hand immer angenehm betont. Dann der Allegro-Ausbruch: hier scheut sich Schnabel nicht, das Extrem suchend an seine Grenzen zu gehen - und sie zu überschreiten, so daß der eine oder andere Ton leider auf der Strecke bleibt, aber der Eindruck stimmt. Es folgt die Quasi-Reprise des Andante bis hin zu ihrem feinsinnig dargebotenen ppp-Ausklang.


    Betont molto e vivace gestaltet Schnabel dann das folgende kurze Allegro, so daß er sich teilweise fast selbst zu überholen wollen scheint. Von klassischer Zurückhaltung ist nicht viel zu spüren, was dem doppelt wellenartigen Charakter des kurzen Satzes und dem reitermäßigen Einschub in dessen Mitte aber durchaus entgegenkommt.


    Im nächsten Satz (Adagio con espressione) misst Schnabel dann dem geforderten Ausdruck ebenso viel Bedeutung bei: aufwallend und feinfühlig ist sein Spiel, nie aber - etwa durch übertriebene Rubati - ins Über-Romantische abdriftend, und frei von Manierismen. Ohne erkennbare Pause, die letzten beiden Sätze somit wohl auch als zusammengehörig begreifend (siehe Felix' Ausführungen weiter oben), geht Schnabel das abschließende Allegro vivace mit reichlich Zug und Verve an, wiederum mit einer angenehmen Betonung der Bässe , was insbesondere den fugierten Passagen zugute kommt. Dann kehrt kurz vor Schluß plötzlich das Adagio-Thema zurück, um als zart verklingender Einschub dem Allegro vivace zu einem brillianten, kurz gefassten Schluß zu verhelfen: auch das ist dem Charakter der Musik entsprechend alles sehr schön ausgestaltet.


    Unter dem Strich bleibt für meinen Geschmack zwar keine essentielle aber eine mit Sicherheit (trotz des Mono-Klangs) hörenswerte Einspielung, deren erster Maßstab wohl Werktreue ist, und die daher nach wie vor ihre Gültigkeit hat. Zu bemerken bliebe auch noch, daß der Klang der Aufnahmen trotz ihres fast biblischen Alters durchaus als erstaunlich gut zu bezeichnen ist!


    Hier noch die Spielzeiten:
    1. Andante - Allegro - Andante (5:18)
    2. Allegro molto e vivace (1:36)
    3. Adagio con espressione (3:05) - (4.) Allegro vivace - Tempo I - Presto (5:15)


    Die beiden letzten Sätze sind auch auf meiner CD zu einem Track zusammengefasst (8:20). Hier sollte wohl Schnabels Lesart des Werks unterstützend dargestellt werden.

  • Lieber Tobias,


    es ist schön, wenn du dazukommst und die Sonaten aus der Sicht Arthur Schnabels darstellen kannst. Bisher sind nahzu alle Beispiele aus der Stereo-Ära, und das ist ja keineswegs Pflicht. Es hilft nur beim klanglichen Vergleich. Zum Beispiel ist meine Vorstellung von Horowitz' Waldstein-Sonate aus dem Jahre 1956 auch in Mono, weil diese Aufnahme in seiner Wohnung hergestellt wurde.. Ich hatte mich auch mal mit dem Gedanken getragen, die GA mit Schnabel anzuschaffen, aber ich habe derzeit so viel zu tun, dass ich es noch aufgeschoben habe.
    Wenn du also noch weitere Sonaten von Schnabel hast, nur zu. Und "voll" ist ein Thread nie. Man schafft sich ja auch hin und wieder neue Aufnahmen an und kann die jederzeit dem Thread hinzufügen. Ich muss auch noch einige Aufnahmen m Waldstein- und Mondscheinthread besprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und "voll" ist ein Thread nie.


    Nein, schon klar - das war auch bitte mit einem Augenzwinkern zu lesen. :)


    Aber die Zahl der Einspielungen, die insbesondere Du schon vorgestellt hast, sind schon sehr umfangreich. Glücklicherweise, wohlgemerkt - denn interessant und angenehm zu lesen finde ich Deine Ausführungen praktisch immer.

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  • Guten Morgen, Willi! :)


    Diese Aufnahme habe ich mir heute morgen auch zu Gemüte geführt, zumindest gehe ich anhand Deiner Beschreibung schwer davon aus, daß es sich um dieselbe Einspielung handeln muß - auch wenn mein Cover anders aussieht (meine Version ist glaube ich eine Neu-Auflage für den italienischen Markt):


    Und wenn ich mangels Notentext (und der Fähigkeit, den dann auch ordentlich zu lesen) auch Backhaus' dynamische Umsetzungen nicht einzuordnen vermag, so ist auch mir manche Tempowahl reichlich schleierhaft geblieben, so daß ich mich mehrfach fragte, was von dieser Interpretation die Noten wirklich hergeben. Das betrifft zuvorderst den Beginn des Seitenthemas im 1. Satz (ich vermute, das sind die oben beschriebenen Takte 9 und 10): hier scheint Backhaus vor Ergriffenheit fast zu vergehen, sein Spiel kaum mehr andante sondern viel mehr grave. Den Allegro-Einschub gestaltet er dann hörbar in dem Bemühen um einen runden, möglichst wenig schroffen Einstieg.


    Hier beginnt sich scheinbar ein Grundzug des Backhaus'schen Zugriffs auf diese Sonate zu zeigen: Einheitlichkeit, um nicht zu sagen Gleichförmigkeit. Dies setzt sich überdeutlich im nächsten Satz fort, dessen Tempoanweisung 'Allegro Molto E Vivace' Backhaus in allen Belangen klar verfehlt: sehr getragen, fast bedächtig ist sein Spiel hier, den Satz gleichsam als Mittelstück in die Abfolge von Andante (1) und Adagio (3) einpassend. So gerät ihm das anschließende Adagio ebenfalls verhältnismäßig flott, also wiederum einem gedachten 'Durchschnittstempo' angenähert. Lediglich das abschließende Allegro bleibt (zumindest in temporaler Hinsicht) im Rahmen des normalen.


    Kurz und gut: von einem wohl für sein klassisch-schlichtes Beethoven-Spiel bekannten Pianisten hätte ich diese Einspielung eher nicht erwartet. Sie ist nicht uninteressant zu hören, aber meiner bescheidenen Meinung nach nicht unbedingt relevant. Es sei vielleicht noch kurz bemerkt, daß der Klang der ja auch nicht mehr ganz taufrischen Aufnahme auf jeden Fall als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. Für meine Ohren hat das Remastering da seinen Zweck erfüllt.

  • "Nüchternheit" (um nicht zu sagen "Trockenheit") zeichnet auch die Einspielungen Backhaus' aus, bei denen er noch im Vollbesitz seiner Kräfte (wenngleich schon fortgeschrittenen Alters) gewesen ist. Ich konnte bislang deren legendären Status nie so recht nachvollziehen...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Und wenn ich mangels Notentext (....) auch Backhaus dynamische Umsetzungen nicht einzuordnen vermag, so ist mir auch manche Tempowahl reichlich schleierhaft geblieben...


    Lieber Tobias, vor den Noten brauchst du keine Angst zu haben. Auch ich hatte an Notenkenntnis nur das, was ich in der Schule mitbekommen hatte und im alltäglichen Chorgesangsbetrieb. Aber ich habe gemerkt, dass im alltäglichen Lesen der Noten bei gleichzeitigem Hören der Musik ein rheinländisches Sprichwort zum Tragen kam, das auch unser Chorleiter manchmal anwendet: "Et übt sisch".
    Ich habe mir mal die Mühe gemacht und nachgeschaut, ob die Noten noch zu haben sind. Wenn du am großen Urwaldfluss unter Bücher den Namen "Istvan Marirassy" eingibst, werden noch drei gebrauchte angezeigt, von denen ein gutes noch um die 15 € zu haben ist (+ 3 € Versandkosten). Dafür hast du dann auch bald 700 Seiten Noten von wirklich allen 32 Sonaten. Mir haben sie sehr geholfen und ihr Umgang mit ihnen mir ermöglicht, tieferen Einblick in die Struktur der Beethovenschen Sonaten zu gewinnen.


    LiebeGrüße


    Willi :)


    P.S. Ich habe sie damals bei Aldi bekommen.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Johannes Roehl: "Nüchternheit" (um nicht zu sagen "Trockenheit") zeichnet auch die Einspielungen Backhaus' aus, bei denen er noch im Vollbesitz seiner Kräfte (wenngleich schon fortgeschrittenen Alters) gewesen ist. Ich konnte bisher den legendären Status nie so recht nachvollziehen.

    Die Mondschein-Sonate, lieber Johannes, die ich auch schon besprochen habe, und die er schon 1958 aufgenommen hat, hat mir wesentlich besser gefallen als ihre "Schwester-Sonate", die Waldstein-Sonate, ebenfalls aus 1958, sogar sehr gut.
    Vielleicht scheint dies doch ein Hinweis darauf zu sein, dass an dem einleitenden Satz meines Berichts über die Sonate Nr. 13 in Backhaus' Interpretation doch etwas dran ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • P.S. Ich habe sie damals bei Aldi bekommen.


    Sieh mal einer guck - so ein Glück ist mir jetzt noch nie widerfahren. :D


    Ich bin jedenfalls Deinem Rat gefolgt und habe mir den Notentext vorhin bestellt. :)
    Ich danke also vielmals für den Tip und bin jetzt schon sehr gespannt, ob und wie ich mich da werde hineinlesen können!

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  • Zitat T con brio


    Zitat

    Ich danke also vielmals für den Tip und bin jetzt schon sehr gespannt, ob und wie ich mich da werde hineinlesen können!


    Das wirst Du auf jeden Fall, vielleicht nicht gleich mit der Waldsteinsonate anfangen, da habe ich je nach Einspielung immer noch etwas zu kämpfen (obwohl ich selbst lange Jahre Klavier gespielt habe und die Sonaten eigentlich recht gut kenne). Aber bei "Mondschein", "Les Adieux" etc. geht das gut und es macht richtig Spaß. Man braucht halt Zeit (und die fehlt mir momentan leider wieder, da das Semester begonnen hat :( ).
    Besten Dank auch für den schönen Bericht zu Schnabel: Mono Aufnahmen sind natürlich in den Besprechungen unterrepräsentiert aber ein paar gab es schon (Horowitz, "Mondschein/ Waldstein", Schnabel "Mondschein" etc.).


    Ich bin im Übrigen mit Backhaus Zugang zu Beethoven insgesamt irgendwie nicht so recht warm geworden, aber vielleicht muß ich auch einfach noch einmal hören.


    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Und der Nachteil, dass man so viel hören (und lesen) muss, wenn man alles veröffentlichen will wie ich, verwandelt sich wieder in einen Vorteil, da ich z. B. 20 verschiedene Interpretationen der Waldsteinsonate habe, höre ich sie ca. 40 mal und lese 40 mal die gleichen Noten. Das schult wirklich ganz ungemein. Und da ich das Ganze am Computer mache und auf meinem 24-Zöller nebeneinander ein Schreibprogramm und den Media-Player geöffnet habe, kann ich jederzeit, vor allem an exponierten Stellen des Vortrags das Abspielen unterbrechen und zum zuletzt Gehörten Bemerkungen aufschreiben. Und wenn ich dann an Schlüsselstellen komme wie z. B. An die Schlusssteigerung der Allegro-Einbettung im Kopfsatz der Sonate Nr. 13, Takt 57 - 62) oder an den Attacca-Übergang im Adagio molto der Waldstein-Sonate (Takt 25 - 28), dann höre ich das immer wieder ähnlich, gleich oder unterschiedlich und lerne viel über die Struktur.

    Zitat

    JLang: Man braucht halt Zeit, und die fehlt mir momentan leider wieder, da das Semester begonnen hat :( ).

    Wenn ich nicht schon "in Rente" wäre, lieber JLang, könnte ich auch nicht so viel schreiben. Jeder nur so viel, wie er kann oder mag. Hauptsache, man macht mit.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Zitat T con brio



    Das wirst Du auf jeden Fall, vielleicht nicht gleich mit der Waldsteinsonate anfangen, da habe ich je nach Einspielung immer noch etwas zu kämpfen (obwohl ich selbst lange Jahre Klavier gespielt habe und die Sonaten eigentlich recht gut kenne). Aber bei "Mondschein", "Les Adieux" etc. geht das gut und es macht richtig Spaß. Man braucht halt Zeit (und die fehlt mir momentan leider wieder, da das Semester begonnen hat :( ).
    Besten Dank auch für den schönen Bericht zu Schnabel: Mono Aufnahmen sind natürlich in den Besprechungen unterrepräsentiert aber ein paar gab es schon (Horowitz, "Mondschein/ Waldstein", Schnabel "Mondschein" etc.).


    Ich bin im Übrigen mit Backhaus Zugang zu Beethoven insgesamt irgendwie nicht so recht warm geworden, aber vielleicht muß ich auch einfach noch einmal hören.


    Vielen Dank für's Mutmachen - ich gehe da selbstverständlich erst einmal optimistisch und erwartungsfroh ran! :)




    Ein Gedanke in Sachen Backhaus vielleicht noch:


    vor dem Hintergrund dessen, was ich bisher an Beethoven von ihm kannte, und auch in Unkenntnis seines Gesundheitszustandes in seinen letzten Jahren hatte ich doch gewisse Bauchschmerzen dabei, seine Darbietung der Sonate einfach als Alters-Fauxpas eines verwirrten Greises abzutun. Da kam mir gestern beim Einschlafen folgender Gedanke: wäre es nicht möglich, daß Backhaus versucht hat, Beethovens op. 27/1 mit Schwerpunkt auf dem Fantasie-Aspekt zu interpretieren? Und stünde dieser 'Fantasia quasi una Sonata' nicht auch träumerisch anmutender Fluß der Musik gut zu Gesicht?


    Ich spekuliere hier natürlich wild, aber für meine Begriffe fügten sich die Backhaus'schen Eigenheiten temporaler wie dynamischer Natur ganz gut in dieses Modell, da sie mir zumeist darauf angelegt scheinen, insbesondere mittels Anschlag und Tempo-Gestaltung, aus den ohnehin schon attacca ineinander über-fließenden Sätzen einen dauernden Strom eben fantastischer Art zu schaffen. Auf den zweiten Blick passte sogar der letzte Satz mit seinen rund-gespielten Schroffheiten in dieses Bild.


    Funktionieren tut das Fantasie-Konzept in meinen Augen dennoch nur bedingt. Daran ist auch die trotz allem oftmals durchscheinende typische Backhaus'sche Nüchternheit nicht ganz unschuldig, die Johannes oben schon ansprach.


    Und womöglich ist ja auch sowieso alles ganz anders, als ich mir das so zusammengereimt habe, und Backhaus womöglich wirklich schon ein wenig neben sich.
    Oder so... ;)

  • Auch zum Stichwort Fantasie, aber mutmaßlich das andere Extrem: kennt jemand von Euch die Einspielung der Sonate von Claudio Arrau aus den 60er-Jahren?


    Gestern las ich dazu in seinem Buch über die Klaviersonaten Beethovens die Einschätzung von Joachim Kaiser, den ich sonst als sehr klarsichtigen und treffend analysierenden Mann schätze. Hier allerdings liegt er für meine Begriffe deutlich daneben, wenn er Arrau vorwirft, mit seinem genau notentreu gehaltenen Spiel den fantastischen Kern der Sonate zu verfehlen.


    Zwar scheint Arraus Vortrag tatsächlich auf das Genaueste ausformuliert und akzentuiert, auch wenn sein allegro sicherlich schon ein sehr langsames ist; der Unterschied zwischen ihm und Kaiser dürfte allerdings in der Einordnung des musikalischen Materials Beethovens zu suchen sein; wo Kaisers Einschätzung nach. ein nicht ausreichend träumerisch gehaltener Vortrag die teilweise einfachen Melodien als simplen, ja "schwachen Beethoven" ohne großen Gehalt entlarvt, scheint mir Arrau im genauen Gegensatz zu dieser Auffassung darum bemüht, mittels seinen schlicht gehaltenen Spiels die versteckten Schönheiten manches unspektakulär erscheinenden Parts herauszukehren. Immer verbindlich, aber uneitel und mit vollem Ton ausgestattet hat mir sein Spiel jedenfalls - ganz entgegen Kaisers Prophezeiung - sehr gut gefallen.


    Der einzige Wermutstropfen diese Aufnahme betreffend ist das relativ hohe Grundrauschen: das Remastering scheint mir seinen Zweck da nur zum Teil erfüllt zu haben. Allerdings habe darüber auch schon das exakt gegenteilige Urteil gelesen, so daß ich mich frage, ob bei mir evtl. einfach beim Erstellen der hier zugrunde gelegten mp3s etwas schief gegangen ist...

  • Lieber Tobias,


    ich hatte nur eine Reihe Sonaten Arraus aus der Icon Serie aus den 50er Jahren (1955-1960), Nr. 7, 21, 22, 23, 24, 26, 28, 31 und 32. Aber dank deiner Frage habe ich mal nachgeschaut und am großen Urwaldfluss die GA aus den Jahren 1962 - 1965 gefunden:

    Ich habe sie sofort bestellt und werde sie am 14. erhalten. Einstweilen werden ich die Aufnahme aus dem Jahre 1986 hören. Dort dauert das Allegro 2:21 min., Bei Barenboim 2:14 und bei Kempff 2:12, also kein Problem.
    Da in der 1986er Aufnahme die anderen Sätze 6:03 Andante, 3:23 Adagio und 5:49 Allegro vivace, dauern, bewegen sich diese Zeiten, die er mit 83 Jahren braucht, durchaus auf normalem Limit (etwa Gilels'). Sicher wird das wieder eine schöne Hörsitzung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven: Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    AD : 1986
    Spielzeiten: 6:03-2:21-3:23-5:49 – 17:36 min.;


    Arrau wählt wie immer ein moderates Tempo, das er aber gerade auch hier beim Andante vertreten kann. Wichtig ist aber nicht, dass er mit 83 Jahren etwas langsamer spielt als andere mit 23 Jahren, sondern wichtig ist, wie er spielt. Und das ist schlichtweg großartig. Wenn im Notentext des Kopfsatzes Andante steht, dann hat er zunächst einmal Spielraum, wenn nicht noch Metronomzahlen da stehen, und das tun sie nicht. Insofern kann ich ebenso wenig wie Tobias Kaisers Vorwurf verstehen, der sich gleichwohl auf die 60er Aufnahme bezieht, er halte Arraus notentreues Spiel im Falle der Nr. 13 für verfehlt. Warum stattet Beethoven denn seine Partituren so genau mit Angabe über Dynamik und auch mit Tempoangaben aus, wenn er der Meinung ist, der Pianist brauche sich nicht daran zu halten?
    Gerade dadurch, dass Arrau die Noten so spielt, wie sie da stehen, erzielt er eine ungeheure Wirkung. Die dynamischen Zeichen beachtet er auf das Genaueste und arbeitet so die Struktur dieses bestimmt nicht beiläufigen Stückes sehr genau heraus. Wie nur wenige erzielt er auch eine große dynamische Spannweite, er hat in diesem hohen Alter noch eine ausgezeichnete Technik, die temporalen Binnenverhältnisse der Sätze stimmen, er erzeugt gerade durch den dunklen, sonoren Klang seines Instruments eine Wirkung, die die Fantasie, das Fantasieren auf den Hörer überträgt.
    Arrau ist erst der Zweite, dem es gelang, mir nach Alfred Brendel in Takt 7/8 des Adagio con espressione Tränen zu entlocken. Das kann man nicht, wenn man, wie Kaiser es nannte, „die teilweise einfachen Melodien als simplen, ja ‚schwachen Beethoven‘ ohne großen Gehalt“ darbietet. Und das tut Arrau ganz gewiss nicht. Da muss ich Tobias Recht geben. Auch wenn wir von zwei verschiedenen Aufnahmen sprechen, so weiß ich von den Aufnahmen, die ich bisher von Arrrau doppelt habe, siehe Posting Nr. 45, dass er sich. ähnlich wie Brendel, über einen großen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren in der temporalen Ausgestaltung der einzelnen Sätze und mehr noch, in der dynamischen Ausgestaltung treu bleibt. Auch im Alter kann er noch kräftig zupacken, aber sein Pianissimo ist schlichtweg grandios, vor allem, wenn ich es mit der Backhaus-Aufnahme vergleiche.
    Mein Bericht fällt heute anders aus, da ich die Aufnahmen schon so oft gehört habe, beziehe ich mich heute einmal nicht auf einzelne Stellen in der Partitur, weil Arrau sie wirklich unverfälscht wiedergegeben hat. Da sitzen alle Sforzandi, alle raschen Wechsel zwischen f und p, alle Crescendi und Decrescendi.
    Das ist wirklich eine tolle Aufnahme, und wenn ich am 14. Die 60er Aufnahmen bekomme, werde ich mal sehen, ob die Aufnahme aus jenen Jahren sich wesentlich von dieser unterscheidet.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch im Alter kann er noch kräftig zupacken, aber sein Pianissimo ist schlichtweg grandios, vor allem, wenn ich es mit der Backhaus-Aufnahme vergleiche.


    Lieber Willi,


    ich habe Arrau in seinen späten Jahren ja noch mit Beethoven im Konzert (Tonhalle Düsseldorf) erlebt. Was auffiel, war eine mehr klassisch entspannte Haltung, eine altersweise Gelassenheit, während er in frühen Jahren doch öfters sehr "wühlerisch" die Linien aufkratzte. Hast Du auch die ältere Philips-Aufnahme? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Auch wenn wir von zwei verschiedenen Aufnahmen sprechen, so weiß ich von den Aufnahmen, die ich bisher von Arrrau doppelt habe, siehe Posting Nr. 45, dass er sich. ähnlich wie Brendel, über einen großen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren in der temporalen Ausgestaltung der einzelnen Sätze und mehr noch, in der dynamischen Ausgestaltung treu bleibt.


    Lieber Willi, wo ich das gerade lese, will ich zur Untermauerung des von Dir gesagten noch schnell die Spielzeiten aus den 60ern nachreichen:


    6:01 - 2:14 - 3:28 - 5:49


    Da hat sich in den immerhin 20 Jahren zwischen den beiden Aufnahmen also wirklich wenig bis nichts getan.




    Ansonsten gilt Dir mein Dank für die schöne Besprechung - und mein Neid für die schöne Arrau-Box. :D ;)


    Ich wusste gar nicht, daß sein (fast vollständiger) 80er Jahre-Zyklus der Beethoven-Sonaten schon einmal am Stück veröffentlicht wurde! Ich habe mir das Schätzken also mal auf den Einkaufszettel geschrieben. Ohne viel Hoffnung allerdings - im Moment gibt es wohl nur ein einziges Exemplar zu erstehen: 'gut' erhalten, aus England, für 400 £. Ich denke, da werde ich noch ein paar Tage Geduld aufbringen...

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Hast du auch die ältere Philips-Aufnahme?

    Lieber Holger,
    von 1962 habe ich nur die Mondschein-Sonate und die Hammerklaviersonate als Bestandteil der Heritage-Box. Die ganze 60er-GA ist zu mir unterwegs.

    Zitat

    T con brio: Ich wusste gar nicht, dass ein fast vollständiger 80er Jahre-Zyklus der Beethoven-Sonaten schon einmal am Stück veröffentlicht wurde.

    Lieber Tobias,
    die Box ist wohl vollständig, jedoch sind Mondschein- und Hammerklaviersonate von 1962. Dafür gibt es als "Zuckerl" noch die Diabelli-Variationen aus dem Jahre 1952. Übrigens habe ich die Heritage-Box auch mit Schubert-Sonaten, leider nur mit D. 664, D. 894, D. 958-960, den kompletten Impromptus D.899 und D.935, den Klavierstücken D.946, den Moments musicaux D.780 und als Bonus noch einmal die Klavierstücfke, dann aber aus 1956, die Wandererfantasie aus 1957 und die 1. Hälfte der Moments musicaux aus 1956. Die letzteren drei sind von EMI. Zu den Klavierstücken könnte ich noch etwas sagen, dann aber im Schubert-Thread.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Anscheinend waren "Mondschein" und Hammerklavier die einzigen Sonaten, die in der GA aus den 1980ern noch fehlten, bevor Arrau verstarb. Einzelne CDs aus dieser Reihe gibt es zu oft unverschämten Preisen am Marketplace.
    Es gibt auch Diabellis aus den 1980ern. In der anderen Collectors Box, die ich neulich gekauft habe, sind ebenfalls die 1952er Diabellis (nicht jedoch die späten!) enthalten, sowie drei weitere Variationsreihen aus der Zeit der 1960er Sonateneinspielung. Das langt mir erst einmal... Anscheinend gab es keine Aufnahme der Diabellis in den 60ern/70ern (Philips veröffentlichte in den 1970ern ja auch Brendels Beethoven und ein dutzend Sonaten oder so mit Bishop Kovacevich)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: Juni 1962
    Spielzeiten 1962: 6:03-2:14-3:28-5:47 – 17:32 min.;
    Spielzeiten 1986: 6:03-2:21-3:23-5:49 – 17:36 min.;


    Es ist frappierend, wie wenig (fast gar nicht) die innere Uhr Claudio Arraus sich in einem Zeitraum von 24 Jahren in Bezug auf diese Sonate verändert hat, und ich bin davon überzeugt, dass es bei den anderen Sonaten sich nicht wesentlich anders verhält. Nun ist es ja so, dass wir nicht wirklich alle 32 Sonaten in zwei kompletten Zyklen miteinander vergleichen können, weil die Mondschein- und die Hammerklavier-Sonate in beiden GA’s die gleichen sind und zwar die 60er Jahre-Ausgabe. Und bei der EMI hat er nur die Nr. 7 und einen Teil der späteren Sonaten (Nr. 12, 22, 23, 24, 26, 28, 31 und 32 eingespielt. Also können wir nur bei diesen neun Sonaten drei verschieden Ausgaben miteinander vergleichen.
    Wie dem auch sei, zeugen diese Vergleiche m. E. davon, dass Arrau schon bei der ersten Gesamtaufnahme 1962 einen gültigen temporalen Plan hatte, den er nicht mehr veränder hat. Wir haben dies auch bei anderen Vergleichen in anderen Gebieten der klassischen Musik erlebt, z. B. bei Günter Wand, der zwar im Alter für die gewaltigen Bruckner-Sinfonien einige Minuten länger brauchte, aber das temporalen Binnenverhältnis der einzelnen Sätze stets beibehielt.
    Auch interpretatorisch spielte er mit 59 Jahren ähnlich wie mit 83 Jahren, vielleicht war sein Pianissimo mit 83 Jahren noch eine Idee leiser, abgeklärter, aber ebenso fantastisch. Und, in der ersten Aufnahme war seine dynamische Bandbreite ein wenig größer, will sagen, er trieb die Crescendi etwas mehr ins Forte hinein.
    Auch sein eingebettetes Allegro ist großartig, kräftig zupackend, pianistisch überlegen, dynamisch ohne den geringsten Fehl und Tadel.
    In der Wiederholung in Tempo I schraubt er dann das Pianissimo noch etwas zurück. Mein Gott, was hat der Mann für eine Ruhe, was hat er die Musik verinnerlicht. Vor allem in Takt 67 bi 70, wo die Sechzehntel-Läufe in der rechten Hand liegen, liegt das dynamische Level nicht um ein Jota höher als in der linken Hand, m Gegensatz zu etlichen seiner Kollegen. Das ist einfach berückend. Toll auch der letzte Bogen in Takt 77/78 und der Schluss in Takt 79 bis 86.


    Bei dem im p beginnenden Allegro molto e vivace schlägt er weiter das moderate Tempo ein (s.o.), und vor allem hält er das p bis zu den Forteschlägen. Auch der (versammelte) Galopp zieht fröhlich dahin, vor allem, auch im zweiten Teil bis zum Crescendo Takt 66 in glasklarem pp. In der Wiederholung des Hauptthemas scheint er wieder den dynamischen Pegel etwas zu senken, in Richtung pp. Auch die Weiterführung im parallelen sempre ligato-sempre staccato ist ganz überlegen musiziert mit einer großartigen Steigerung zum Schluss hin.


    Das Adagio con espressione ist aus einem Guss und sehr ergreifend. Hier liegt m. E. der Höhepunkt auf den Takten 13 bis 16, wenn man überhaupt etwas hervorheben will.


    Das Allegro vivace hat von Anfang an einen gehörigen Drive und ist sehr zupackend und in den leisen Teilen sehr lucide und vor allem in den pp Begleitfiguren in der linken Hand frappierend. In den durchgehenden Vierer-Sechzehnteln der linken Hand und den kräftigen Staccatos der rechten Hand schreitet das musikalische Geschehen munter fort bis zur Wiederholung des Adagio-Hauptthemas, das Arrau noch einmal bewusst langsam nimmt, vor allem die abwärts schreitenden Sechzehntel in Takt 291. So wird er Kontrast zur Presto-Coda natürlich noch größer.


    Toll!!



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).



  • Ich würde Willis Ansichten im Großen und Ganzen so zustimmen wollen. :)
    Lediglich das Adagio verdient für meinen Geschmack noch eine leicht kritische Anmerkung:


    so trifft hier interessanterweise der oben angesprochene Kaiser'sche Vorwurf an Claudio Arrau der 'Bloßstellung' des minderwertigen musikalischen Materials mehr ins Schwarze als bei Arrau selbst. Im direkten Vergleich scheint mir dafür Perls streckenweise schwache Akzentuierung der Bässe verantwortlich zu sein. Das ergibt ein schön sanftes Klangbild - sie zum tragenden Element des Satzes zu formen, auf dessen Spannungsbogen sich die Melodie entfalten kann, gelingt Arrau indes trotz der noch langsameren Herangehensweise für meinen Geschmack deutlich besser.

  • Sonate Nr. 13 op. 27/1 Es-Dur
    William B. A. hat de Aufnahme ja bereits in schönster Weise vorgestellt, daher gebe ich keine Spielzeiten an, sondern nur einen kleinen Bericht, den ich heute nach abermaligem Hören fertiggestellt habe.
    Brendel ist in dieser Aufnahme zwar ungefähr so schnell wie Pollini, doch geht er den Kopfsatz schneller an (er ist hier überhaupt einer der schnellsten, wie William B. A. bereits ganz zu recht bemerkt hat), während er im letzten Teil des Satzes deutlich langsamer ist.
    Im Andante bringt Brendel das leise Frage- und Antwortspiel des Satzes (fallendes-steigendes Akkordthema) durch sein transparentes Spiel voll zur Geltung, hinsichtlich der dynamischen Gestaltung macht er sich Beethovens Vorstellungen und Notationen ganz zu eigen und bietet ein überragend feines und weiches p und pp Spiel. Im furioseren Mittelteil gestaltet Brendel auch furios und greift insbesondere bei den Grundakkorden im Bass kräftiger zu. Der Satz bleibt aber dynamisch so ausgeglichen, daß die Läufe in der rechten Hand nie undeutlich artikuliert sind. In der Wiederholung gestaltet er das pp des Eingangsmotivs noch einmal weicher: es ist in der Tat gegenüber dem eingangs verwendeten pp zurückgenommen. Am Schluß verhallt es so sanft, daß man Angst hat, Brendel streichle die Taste so zart, daß kein Ton mehr herauskommt: aber es besteht kein Grund zur Sorge, der Satz in einem Brendel typischen beglückenden Piano. Ich würde hier Willi nicht ganz folgen, weil er das nicht so sanfte Piano ein wenig “bemängelt” hat. ImO wird es bewußt als gestalterisches Element eingesetzt und gefällt mir ausgesprochen gut.
    Im Allegro molto e vivace gestaltet Brendel ebenfalls in einer schönen Dynamik, der Galoppteil ist flockig-beschwingt vorgetragen, die f-Attacken kommen schön zur Geltung. Vielleicht hätte einzig das crescendo ab Takt 43 noch ausgeprägter bis ins ff in Takt 49 gezogen werden können. Aber das hätte vermutlich außerhalb des Brendelschen Maßes gelegen.
    Das hohe Maß wird imO auch im Adagio con espressione gehalten. Hier wird die Melodielinie der rechten sanft aber deutlich über den Oktaven im Bass vorgetragen: Brendel gestaltet hier wunderbar kantabel. Erneut überkommt einen bei manchen pp Passagen die Furcht, daß nun wirklich kein Ton mehr herauskommt: das Ergebnis ist aber schönstes pp-Spiel. Einen zusätzlichen Effekt kreiert Brendel zudem in Takt 19, in der er in ganz leichtes decrescendo integriert und damit zum crescendo desselben Taktes überleitet.
    Im letzten Satz (Allegro vivace – Tempo I – Presto) bringt Brendel die Leichtigkeit der Oberstimme deutlich zur Geltung, ein kräftigerer Bassbereich ist dagegen von Brendel nicht zu erwarten. Ein wenig verhalten schienen mir die sf in den Takten 9 f.13 f. 17 f. etc. aber auch dies geht wohl auf einen bewußten gestalterischen Akt zurück, denn später ab Takt 225 wird die Dynamik der sf gesteigert. Überhaupt scheint Brendel in dieser Einspielung im letzten Satz den sforzandi verschiedene Dynamiken zuzusprechen. An manchen Stellen artikuliert er sehr deutlich, an anderen akzentuiert er lediglich leicht. Hinsichtlich der Dynamik hätten m. E. einzig die Wechsel Takt 30 etwas deutlich ausfallen können. Schließlich ist mir eine Freiheit in der Gestaltung ab Takt 72 und 238 folgende aufgefallen. Dort spielt Brendel nicht staccato oder zumindest kurze Noten (die Wertigkeit des Beethoven-staccato ist ja nicht eindeutig) wie in den Takten zuvor, sondern weicher gebundene Oktavgriffe. Brendel hat imO ohnehin höchste Maßstäbe bei Einspielungen von Beethoven Sonaten gesetzt. Das dynamische Spektrum in dieser Sonate, die er grade im pp Bereich in besonderer Weise auszugestalten weiß, bestärkt mich in dieser Ansicht. Auch wie er die die vorgegebenen Dynamiken um Zwischentöne erweitert (ohne sie zu ignorieren), ist für mich sehr hörenswert.
    Mit besten Grüßen
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang, schönen Dank für diese hervorragende Rezension, die zeigt, dass jeder, der sich eingehend mit diesen wunderbaren Sonaten beschäftigt, ganz individuell noch eigene Feststellungen machen kann und immer auch eine etwas andere Sicht auf die Dinge hat. Letzen Endes laufen die Feststellungen und subjektiven Eindrücke aber doch mehr oder weniger in die gleiche Richtung.
    Ich werde jetzt Eric Heidsieck auflegen und schaun (hören), was er zu dem Tehma zu sagen aht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat William B. A.

    Zitat

    Lieber JLang, schönen Dank für diese hervorragende Rezension, die zeigt, dass jeder, der sich eingehend mit diesen wunderbaren Sonaten beschäftigt, ganz individuell noch eigene Feststellungen machen kann und immer auch eine etwas andere Sicht auf die Dinge hat. Letzen Endes laufen die Feststellungen und subjektiven Eindrücke aber doch mehr oder weniger in die gleiche Richtung.


    Lieber William B. A.,
    hab ganz herzlichen Dank für Deine freundlichen Worte, die mich sehr gefreut haben. Daß unsere Eindrücke bei Brendel insgesamt in die gleiche Richtung gehen, war nach Deinen schönen Beiträgen zu allen Brendel Einspielungen der Sonate nicht so verwunderlich :). Ich denke, der Reiz an diesen Sonaten ist, daß sie so reich an Struktur, Harmonie und Dynamik sind und man auch nach dem x-ten Hörerlebnis immer wieder etwas entdecken kann. Die Bewunderung nimmt dabei nie ab. In diesem Sinne freue ich mich riesig auf die nächsten Jahre dieses Projektes :)
    Herzliche Grüße (ich Vorfreude auf Deine nächsten Besprechungen, die vermutlich auch wieder zu Käufen führen werden)
    JLang

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    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    Eric Heidsieck, Klavier
    AD: 1968-1974
    Spielzeiten: 4:32-2:04-3:15-5:59 – 15:50 min.;


    Eric Heidsieck nimmt dieses Andante durchaus schneller als etliche andere, beginnt aber mit einem schönen pp. Auch das Crescendo mit dem Sforzando in Takt 6/7 bleibt im selbst gewählten dynamischen Rahmen. Auch die, wenn man so will, erste Variation (Takt 9-12) fügt sich hier nahtlos ein. In Takt 13 auf der 3/8 und der nachfolgenden 1/8 spielt er ein überraschendes geringes Ritartando, so noch nicht gehört, aber sehr reizvoll. Ansonsten bleibt er in den Decrescendi, aber auch in den Crescendi moderat und spielt ein faszinierendes pp.
    Auch die Wiederholung mit den drei Variationen des Hauptthemas spielt er sehr eindrucksvoll.
    Das eingebettet Allegro ist ebenfalls aus einem Guss mit einem Schönen Bogen in Takt 41 und 42, desgleichen in Takt 49 und 50 sowie den Schlussbogen mit dem Crescendo zwischen Takt 57 und 62.
    Nebenbei, auch sein Staccatospiel ist zwar diskret, aber überzeugend.
    Auch die neuerliche Wiederholung mit den weiteren Variationen gefällt mir her gut, der Schluss ab Takt 79 ist überragend.


    Im Allegro vivace, genügend rasch gespielt, überzeugt er mit einer Ausweitung der dynamischen Bandbreite und kernigen Forte-Schlägen, sowie einem feinen Crescendo ab Takt 27.
    Der galoppartige Teil beginnt ganz entzückend und ist verhalten bis auf den ff-Triller. Auch weiterhin pflegt er das ausgezeichnete pp-Spiel. Ach das Crescendo ab Takt 66 kommt schön zum Tragen.
    In der Wiederholung kommen die gegenläufigen Dreier-Achtel ab dem sempre ligato-sempre staccato schön ins Wogen und enden in einem kräftigen Crescendo über Forte und Fortissimo.


    Das Adagio con espressione hat mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen, weil ich das so überhaupt nicht erwartet hatte. Ohne harsche Spitzen mit moderatem Crescendo, aber extremem Ausdruck, bei dem mir als einem der ganz wenigen in Takt 7/8 die Tränen gekommen sind- überragend!


    Auch im Finale mit seinen Sechzehntelläufen und den vielen Staccati bewegt sich das musikalische Geschehen in einem nicht extremen dynamischen Spielraum. Im zweiten Teil etwa ab Takt 82 erweitert er die Dynamik etwas nach oben. Alles steigert sich, um dann in den Achteloktaven ab Takt 165 wieder ins p zurückzufallen. Diese Achtel-Passage bis zum Crescendo in Takt 189 spielt er superb, auch die Wiederholung des Hauptthemas findet auf dem gleichen hohen Niveau statt. Auch die alternierenden Oktaven ab Takt 242, die dann ab Takt 250 wieder von der linken Hand begleitet werden, spielt er wirklich ausgezeichnet. Auch die Wiederholung des Adagios, und die Presto-Minicoda- Chapeau!
    Nachdem ich von Heidsiecks Waldstein-Interpretation schon so positiv überrascht war, muss ich sagen, dass er sich hier m.E. noch einmal gesteigert hat.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ja toll, lieber Willi: schon wieder ist mein Einkaufszettel ein bißchen länger geworden. Das ist alles nur Deine Schuld. :D ;)



    Im Ernst: obwohl mir Herr Heidsieck bislang nicht mal vom Namen her bekannt war, scheint er mir Deinen Beschreibungen nach doch durchaus ein Beethoven-Interpret zu sein, den man mal gehört haben sollte. Und da ich meine Finger ohnehin mal ein wenig gen Frankreich ausstrecken wollte (auch von Yves Nat und Alfred Cortot habe ich z. B. noch überhaupt nichts gehört), werde ich ihn einmal im Auge behalten. :)

  • Lieber Tobias, eigentlich stammt meine Heidsieck GA ja aus dieser 50-CD-Box von der EMI France, die momentan nur nicht ganz billig ist, aber dafür ist allerhand drin:
    - Die Symphonien und die Ouvertüren mit Cluyetens,
    - Die KK vmit Gilels und Gelber,
    - Das Violinkonzert mit Oistrach,
    . Die Klaviersonaten mit Heidsieck,
    - Die Diabelli-Variationen und die Bagatellen mit Solchany,
    - Die Violinsonaten mit Ferras und Barbizet,
    - Die Cellosonaten mit Tortellier und Heidsieck,
    - Die Klaviertrios mit dem Hungarian Trio,
    - Die Streichertrios mit dem Trio à cordes Francais,
    - Die Werke für Mandoline und Cembalo,
    - Die Flötensonaten und die Arien-Variationen für Flöte und Klavier, Michel Debost, Flöte, Christian Ivaldi, Klavier,
    - Die Streichquartett mit dem Hungarian Quartett,
    - Quintett, Sextett, Septett und Oktett mit dem Melos-Ensemble,
    - Christus am Ölberge mit Deutekom, Gedda und Sotin, Chor der Stadt Bonn, Orchester der Beethovenhalle, Volker Wangenheim,
    - Missa Solemnis mit Harper, Baker, Tear und Sotin, New Philharmonia Chorus und Orchestra, Carlo-Maria Giulini,
    - Missa C-dur mit Ameling, Baker, Altmeyer und Rintzler, s. o.
    - Fidelio, Dernesch, Vickers, Ridderbusch, van Dam, Donath, Laubenthal, Hollweg, Frese, Chor der Deutschen Oper, Berliner Philh., H. v. Karajan,
    - Ah perfido, Nilsson, Philharmonia Orchestra, Heinz Wallberg,
    - Lieder, Fischer-Dieskau, Moore, Klust


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1 „Quasi una fantasia“
    John Lill, Klavier
    AD: ?
    Spielzeiten: 6:06-2:12-4:09-6:03 – 18:30 min.;


    John Lill legt von meinen 18 Einspielungen die zweitlängste vor, was aber hauptsächlich daran liegt, dass er das Adagio langsamer ausführt als alle anderen und auch ein sehr moderates Andante spielt. So ist er insgesamt eine knappe Minute langsamer als Arrau, aber immer noch zweieinhalb Minuten schneller als Gould.
    Wie ich schon sagte, spielt er das Andante moderat, aber mit seinem betörend dunklen Klang m. E. sehr in die Tiefe gehend. Im zweiten Abschnitt (Takt 5 – 8) ist mir positiv aufgefallen, dass er das Sforzando auf der ersten Dreiachtel-Note in Takt 6 und in Takt 7 sehr deutlich setzt. An die deutliche Spielweise kann ich mich bei anderen Pianisten nicht erinnern, es ist mir möglicherweise auch nicht so aufgefallen.
    Überragend ist auch hier wieder von Anfang an John Lills pp-Spiel, und seine Crescendi und Decrescendi sind wieder vorbildlich. In der Wiederholung (Takt 21 – 26) sind auch wieder die Sforzandi in Takt 30, 31, 34 und 35 zu nennen.
    Das eingebettete Allegro ist sehr schwungvoll und dynamisch prägnant mit präzisen Wechseln zwischen den Crescendi und den anschließenden p-Stellen sowie einer großen Schlusssteigerung hin zum Wechsel nach Tempo I.
    Es fällt mir auch auf, dass er, wenn in der 1. Variation die begleitenden Sechzehntel in die rechte Hand wechseln, er im Gegensatz zu manchem seiner Kollegen trotz der hohen Lage sehr schön das pp hält. Auch hebt er die Sforzandi in der Begleitung in Takt 72 und 73 wieder hervor. Auch betont er im Schluss (Takt 79 – 86) den tiefen Ton der Begleitoktaven genau so stark wie den hohen, was mancher seiner Kollegen nicht machen. Dennoch klingt das sehr berührend.



    Das Allegro molto e vivace ist ebenfalls moderat im Tempo, aber sehr fließend und dynamisch. Der Galopp-Teil ist sehr kräftig und im (versammelten) Galopp, im zweiten Teil in schönem pp mit einem ebenso schönen Crescendo ab Takt 66. Im Wiederholungsteil des Hauptthemas setzt sich das Fließen der kurzen Legatobögen fort, wobei das Klangbild ab dem parallel laufenden sempre staccato noch verdichtet wird und sich zu einer imposanten Schlusssteigerung ab dem Crescendo in Takt 115 emporschwingt.


    Das Adagio con espressione ist einfach zum Niederknien. Er nimmt es am langsamsten von allen von mir vorgestellten Pianisten und lässt schon das Adagio sostenuto aus der Hammerklavier-Sonate vorausahnen, für die er veritable 24:41 Minuten verwendet und damit der drittlängste Satz in meiner Sammlung ist, nur noch übertroffen von Korsticks 28:42 min. für den gleichen Satz und Richters 26:18 min. für en Kopfsatz von Schuberts G-dur-Sonate. Richter folgt dann noch mit 24:16 min. auf Platz vier mit dem Kopfsatz von Schuberts B-dur-Sonate.
    Lill verwendet diese Zeit, um uns auf die Struktur des Satzes mit seinen vielen dynamischen Wechseln und seinen schönen Steigerungen einen klaren Blich zu verschaffen. Alleine in Takt 10-12 haben wir z.B.:
    Crescendo-rinforzando-decrescendo-piano-crescendo-piano-crescendo, also sieben Anweisungen. Von Langeweile oder Gleichförmigkeit ist da nichts zu spüren, zumal Lill auch diese dynamischen Anweisungen genau befolgt. Das ist m.E. Werktreue. Durch das langsame Spiel kommen auch m.E. die synkopischen Akkorde in der Begleitung ab Takt 13 bis 16 viel bedeutender daher als in schnelleren Lesarten.
    Dieser Satz ist, so gespielt, ein veritabler Höhepunkt dieser Sonate.


    Das Allegro vivace ist im temporalen Binnenverhältnis der Sätze ausreichend schnell und fließt sehr schön mit den fast durchgehenden Sechzehnteln der Begleitung dahin. Im durchführungsartigen Teil mit Fugenelementen ab Takt 135 bis 190 werden die Bewegung und das Vorwärtsstreben durch die Staccato-Oktavven noch intensiviert. In der Wiederholung des Hauptthemas spielen die Oktaven wieder das Thema wechselseitig in der rechten oder linken Hand, und das Geschehen setzt sich fast in der Art eines Perpetuum mobile fort. Lill holt in den letzten Takten des ab Takt 248 durchgehenden Forte zu einem machtvollen Crescendo nach ff aus, um dem Adagio-Hauptthema Platz zu machen, diesem und der nun in hohem Tempo gespielten Presto-Coda. – Meisterhaft!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Als vorläufig letzten Pianisten stelle ich in diesem Thread Yukio Yokoyama vor. Weil er aus der Sony-Box insgesamt 17 Sonaten eingespielt hat und weil ihn hier (wie ich) wahrscheinlich nicht jeder kennt, habe ich am Anfang meines Beitrages einige Daten aus seinem Leben zusammengetragen:
    „Yukio Yokoyama, geb. 1971 in Tokio, ist ein japanischer Pianist. Er begann mit 12 Jahren mit dem Klavierstudium und wechselte 1996 zum National-Konservatorium in Paris. Er begann 1994 mit der Aufführung aller Chopin-Werke, nahm Debussy und Ravel auf. Dann wandte er sich den Werken Beethovens zu.
    In Österreich debütierte er 1996 mit dem Wiener Kammerorchester und Mozarts „Jeunehomme“ Konzert. Sein Deutschland-Debüt folgte mit Beethovens 5. Konzert in Berlin mit den Berliner Symphonikern unter Michel Schoenwandt.
    1998 führte er alle Solo-Werke Beethovens einschließlich der 32 Sonaten auf, die dann auch von Sony auf insgesamt 12 CD’s aufgenommen wurden. Vor einigen Jahre führte er an einem Abend mit dem Japan Chamber Orchestra alle 5 Beethovenkonzerte auf.“


    Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr.1 „Quasi una fantasia“
    Yukio Yokoyama, Klavier
    AD: 1998
    Spielzeiten: 4:14-2:17-2:55-5:32 – 14:58 min.;


    Yukio Yokoyama spielt von allen meinen Aufnahmen, wenn ich mich recht entsinne, das Andante am schnellsten. Dynamisch ist er an der oberen Grenze des pp und es fällt auf, dass man die letzte Achtel in Takt 4 in der Begleitung kaum hört und in Takt 8 das Decrescendo nicht zu hören ist. In Takt 15 und 19 ist es dann besser. Die Crescendi sind alle in Ordnung, aber die Decrescendi in Takt 32 und 36 scheinen mir wieder zu wenig ausgeprägt.
    Auch im Allegro erkenne ich in Takt 41 und 42, auch in der Wiederholung, in Takt 49, 50 sowie in der Schlusssteigerung in Takt 59 und 60 kein Crescendo!! Er crescendiert erst in Takt 61, der eigentlich schon im Forte sein sollte!
    In der Wiederholung des Hauptthemas, Tempo I, sieht es zunächst genauso aus, in Takt 72/73 ein Crescendo, in Takt 73 kein Decrescendo, dann aber in Takt 7677 ein Crescendo, und endlich in Takt 78 ein Decrescendo, wodurch es dann ein schöner Legato-Bogen wird und der eigentlich leichte und doch so schwierige Schluss dann endlich vorbildlich!
    Dieser Satz bietet m. E. wesentlich mehr Schatten als Licht, weil durch das Ignorieren wesentlicher dynamischer Vorschriften das Ganze doch sehr einförmig klingt.


    Im Allegro molto e vivace, in dem er im Gegensatz zum Andante ein moderates Tempo wählt, klappt es dann besser mit den dynamischen Vorschriften. Die Forteschläge in Takt 13 bis 16, sind herzhaft, ebenso wie diejenigen in Takt 37 bis 40, und selbst das Crescendo von Takt 27 bis 36 ist diesmal gut als Solches zu erkennen. Der erste Teil des „versammelten“ Galopps ist schön ausgeführt mit schönen wirklich crescendo gespielten Staccato-Vierteln in der rechten Hand. Auch der zweite Teil des Galopps ab Takt 55 ist, aus dem pp kommend mit deutlichem Crescendo ab Takt 66 gespielt.
    Auch die Wiederholung mit dem sempre ligato-sempre staccato mit dem lang gezogenen Crescendo kann man durchaus als gelungen bezeichnen, und das wird zum bisher besten Teil, einer veritablen Steigerung, in der er wirklich den Hammer herausholt.


    Im Adagio dann: ist das ein ganz anderes Konzert? Plötzlich spüre ich meinen Bauch, alle Crescendi und Decrescendi sitzen, und spätestens in Takt 7/8 hat er mich versöhnt.. So hätte ich mir auch den ersten Satz gewünscht. Ein zwar nicht allzu langsamer aber dennoch großartiger Satz!


    Im Allegro vivace ist mir dann wieder das erste Crescendo in Takt 29 und 30 nicht ausgeprägt genug. Seine Sforzandi sind zwar gut vernehmlich, aber ich muss doch innerhalb von zwei Takten von p nach f crescendieren können. Die f-p-Wechseln ab Takt 52 sind dann sehr schön. Die m. E. viel schwierigeren, weil dynamisch viel engeren Decrescendi und Crescendi in Takt 68 und 72 sowie 76 gelingen ihm dann bravourös. Auch der f-Teil ab Takt 82 ist sehr zufriedenstellend bis hin zum wiederum vorbildlichen Crescendo ab Takt 110. Auch im Weiteren gelingen die raschen Dynamikwechsel wieder gut. Im Fortissimo-Teil ab Takt 144 geht es wahrhaft mächtig zur Sache, wie frisch aus der russischen Klavierschule entsprungen. Auch die schwierige Passage mit den Achteloktaven im p ab Takt 165 läuft problemlos Hinreißend wieder das Crescendo in Takt 236. (ich hätte nicht gedacht, dass ich einen solchen Satz hier und heute noch einmal schreiben würde). In der Schlusssteigerung ab Takt 276 lässt er sich sogar zu einem kleinen Accelerando hinreißen, aber das halte ich hier für keineswegs verfehlt. Auch das eingebettete Adagio-Hauptthema ist ohne Fehl und Tadel, das Presto mit dem machtvollen Schluss-Crescendo desgleichen.
    Ich hoffe, dass ich in den kommenden sechzehn Aufnahmen Yukio Yokoyama vorzugsweise Positives zu berichten habe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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