Haydn: Sinfonien - (Wieder)Entdeckungen und Geheimtips

  • Dass es Haydn-Einspielungen unter Klee überhaupt gibt, war mir nicht bewusst. Es muss aber mindestens noch eine weitere LP gegeben haben; hier kriegt man die "Tageszeiten" 6-8 + "Philosoph" auf CDs [edit: Ich kenne die Aufnahme nicht]
    Dieses Stück hatte ich oben u.a. nicht erwähnt, weil die einzige Einzel-CD (sonst noch Fischer und Hogwood), die ich davon besitze, mit dem Orpheus CO, nur noch gebraucht oder als mp3 zu haben ist. Das ist aber eine durchaus empfehlenswerte Scheibe, besonders auch die Nr. 80



    Wenn man die drei Boxen, die ich oben abgebildet habe und noch eine halbwegs preiswerte Einspielung der "Pariser" kauft, ist man mit 60-70 EUR dabei, hätte, mit den "Londonern" ca. die (bessere ;)) Hälfte von Haydns Sinfonien. Da die Boxen von Fischer oder Dorati inzwischen auch 60-90 EUR oder mehr kosten, halte ich das für akzeptabel.


    Ich kann sonst nur auf die Liste mit den threads zu fast allen Haydn-Sinfonien und einen Lieblingsthread verweisen; dort werden oft auch Aufnahmen diskutiert. Verglichen mit 2008/09 höre ich derzeit nicht so viel Haydn-Sinfonien, daher kann ich spontan keine neuen Empfehlungen abgeben.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Liebe Freunde, ich bin ganz gerührt und glücklich angesichts der viele Empfehlungen für die Anschaffung von Einspielungen der Haydn-Sinfonien. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken - bei Johannes ganz besonders für seine Ausführlichkeit. Mir ist sehr geholfen. Ich habe alle Aufnahmen bei JPC bzw. Amazon gefunden, wenn nicht neu, dann gebraucht.


    Das ist das Schöne an TAMINO, man kann sich auf den großen Sachverstand und die musikalische Fürsorge der Mitglieder verlassen.


    Mit besten Grüßen verbleibt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • @Johannes: Danke für den Tipp mit den Klee-Einspielungen. Die ist meiner Aufmerksamkeit irgendwie entgangen. Ist nun bereits bestellt.


    Grüße,
    Garaguly

  • Oh, davon hab' ich noch nie gehört. Die ist meiner Kenntnis nach noch nicht auf CD erschienen. Da muss ich mich wohl mal antiquarisch nach dieser von Dir, Harald, gezeigten LP umsehen. Denn als leidenschaftlicher Haydn-Fan möchte ich diese Deutung Klees mit dem Prager Kammerorchester natürlich kennenlernen.


    Grüße,
    Garaguly

    Falls man der Darreichungsform von Musik als Datenstrom gegenüber aufgeschlossen ist, lassen sich einige Haydn-Symphonien mit Herrn Klee und dem Prager Kammerorchester via Spotify hören, darunter auch der in der oben gezeigten Aufnahme enthaltene "Philosoph".


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Zitat

    Falls man der Darreichungsform von Musik als Datenstrom gegenüber aufgeschlossen ist, lassen sich einige Haydn-Symphonien mit Herrn Klee und dem Prager Kammerorchester via Spotify hören, darunter auch der in der oben gezeigten Aufnahme enthaltene "Philosoph".


    Christian

    Hallo Hasiewicz,


    sorry, "man" ist dem Datenstrom gegenüber alles andere als aufgeschlossen, "man" ist nämlich sowas von "oldschool", deshalb hat "man" die Klee-Haydn-CD auch bestellt, erhalten und bereits abgehört (mit der "Philosophen-Symphonie").
    Trotzdem danke für den Tipp,


    Grüße,
    Garaguly

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  • Weil wir bei den "Wieder"entdeckungen sind:
    Mir ist neulich eine 2 CD-Box mit dem Ensembele "Cantilena" unter seinem Gründer und Dirigenten "Adrian Shepherd in die Hände gefallen, bzw ich habe sie bei jpc im Angebot gefunden. Und ich fand - nach hineinhören und Erwerb - genau das bestätigt was mir schon vor Jahren aufgefallen ist: Das (auf modernen Instrumenten spielende) Kammerensemble hat einen derart betörenden Eigenklang, daß es fast jede Sinfonie, die es spielt, besonders hörenswert erscheinen lässt, vermutlich sind es die Hörner die diesen Effekt erzeugen - ehrlich gesagt - ich weiß es nicht.
    Die von mir hier erwähnte Box enthält Haydns Sinfonien Nr 1-12, darunter die "Tageszeiten", deren Ohrwurmqualitäten ja unbestritten sind. Aber auch die restlichen Sinfonien geraten zum reinen Genuss und untermauern die Aussage vieler Haydn-Freunde, die da meinen, dass Haydns frühe Sinfonien sich vor den späten nicht zu verstecken brauchen.
    Leider ist es auch via Wikipedia nicht möglich aktuelle Daten über Dirigent und Ensemble zu erhalten, was darauf schließen lässt, daß sich die Formation aufgelöst hat....

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Falls man der Darreichungsform von Musik als Datenstrom gegenüber aufgeschlossen ist,


    wird man auch diesen Link sehr interessant finden.


    :hello:


    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Leider ist es auch via Wikipedia nicht möglich aktuelle Daten über Dirigent und Ensemble zu erhalten, was darauf schließen lässt, daß sich die Formation aufgelöst hat...


    Der Dirigent (und Cellist) ist Jahrgang 1939. Die Musiker von "Cantilena" treffen sich unter der Leitung von Adrian Shepherd jedes Jahr im Sommer auf der Insel Islay (= Schottland, innere Hebriden, Whisky) zu Musikfestspielen, dem "Cantilena Festival" im Juli.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Leider ist es auch via Wikipedia nicht möglich aktuelle Daten über Dirigent und Ensemble zu erhalten, was darauf schließen lässt, daß sich die Formation aufgelöst hat....


    Laut folgender Web-Seite soll das Ensemble noch im Sommer 2012 aktiv gewesen sein:


    http://www.cantilenafestival.co.uk/about




    N.S. Pardon, Harald Kral war wieder mal schneller …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Ach, Haydn.....
    meine große Liebe unter den Komponisten.
    Ich erinnere mich noch sehr gut, ich war ungefähr zehn, da strahlte der RIAS an jedem Tag eine Haydn-Sinfonie aus, damals gab es ausschließlich die Dorati-GA, und ich richtete meinen ganzen Tagesablauf danach aus, möglichst keine der Sendungen zu verpassen, habe sogar Schule geschwänzt dafür.....
    War wohl eine andere Art der Bildung als die der Schulbildung.
    Meine Lieblingssinfonie? Hm, immer die, die ich eben höre.
    Nein, ernsthaft: die 97. Ihres zweiten Satzes wegen.
    Darüber schreiben ist schwierig, weil ich mit Worten umzugehen nicht so gut verstehe wie Haydn mit Noten.
    Wie soll man auch ausdrücken, dass eine Pause der Höhepunkt einer Sinfonie sein kann denn mit Schweigen?


    Bis heute besitze ich keine der Gesamtaufnahmen, obwohl ich natürlich alle Sinfonien "kenne", will sagen: gehört habe.
    Ob ich sie kenne? Ich glaube es nicht, denn immer wieder entdecke ich sie neu.
    Auch in jeder neuen Aufnahme Neues, bin da auch offen für vieles - nur nicht für derart uninspiriertes Musizieren wie ich es bei Hogwood empfinde.


    Vor einer Weile hörte ich einen Mitschnitt mit Brüggen, unterbrochen von ein paar dieser wunderbaren Kanons und Liedern.
    Die Aufnahmen Brüggens sind, alles in allem, die für mich gelungendsten, wenn es auch schwächere Momente gibt.
    Gar nicht die Frage um HIP, eher die Frage nach dem Ergründen der so tiefen Menschlichkeit in Haydns Musik.
    Darum, das ich lache und weine gleichzeitig bei Haydn und für Momente weiß: das ist Glück.


    Herzliche Grüße,
    Mike

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  • Ich schließe mich dem an. Ich habe auch alle Haydn-Sinfonien und habe auch alle 10-20x gehört, ein Projekt, das 5 Jahre gedauert hat, was aber nicht zuviel war. An zwei Dingen möchte ich aber festhalten: 1. Haydn-Sinfonien mit Aufnahmen, die nicht der Historischen Aufführungspraxis verpflichtet sind, besitze ich nicht, ich halte das für ganz andere Sinfonien.
    2. Die späten Haydn-Sinfonien sind für mich Abstieg; der Höhepunkt ist Sturm und Drang, also 35-49. Meine absolute Favoritin ist 44 (Trauer). Ich habe sie bestimmt schon 100x gehört.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Schön! Haydn-Liebhaber! Dass es die gibt!
    Allein deshalb lohnt sich, hier zu sein, danke.


    Ihr pflegt auch gerade Haydn'schen Humor mit den Verdopplungen der Zahlen.
    Die 44 ist ebenso ein Meisterwerk wie die 88, ich bin gerade mit der 26 beschäftigt und lege es nicht darauf an, Primzahlen zu treffen.
    Haydn eben!
    Diese "Trauersinfonie" ist so wenig traurig. Sie ist viel mehr als nur das, dieses eine Gefühl zu vermitteln.
    Und die 88...sicher die beste wenn man sie gerade hört. Die Pauken erst im letzten Satz, typisch Haydn.


    Danke für Eure Begrüßung!
    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Ja, die 26 (Lamentatione, nicht wahr?) ! Dann 22 (der Philosoph) und 49 (la Passione). Die 88 ist natürlich auch großartig, die Nummern danach liegen mir nicht so!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Ja, die 26 ist die "Lamentatione".
    Allzu häufig werden die früheren Sinfonien Haydns ja unterschätzt, so etwa abgetan als "verspätete Barockmusik".
    Diese Meinung teile ich nicht, für mich sind sie genau das Bindeglied zwischen Barock und Klassik, einzureihen in ihrer Entdeckungs-und Experimentierlaune eher um C.P.E.Bach und insgesamt dem "Sturm und Drang", der "Empfindsamkeit".


    Eben hörte ich eine der Orfeo-CDs mit Mitschnitten mit Sandor Végh.
    Sein etwas boshaft gegen Harnoncourt gerichtetes Wort: "Stil hat man, man kann ihn nicht lernen", beschreibt seine Lesart Haydns aber sehr gut.
    Mag sein, dass die Österreich/Ungarn Haydn einfach im Blut haben, das ist derart erfülltes Musizieren ohne Eitelkeit und Zeigefinger.


    "Leider" so erfüllt musiziert, dass ich fürchte, heute nichts anderes mehr hören zu können, weil alles nur "schlechter" sein kann als diese Art Musik und Musizieren. Dieses Glück eben wieder.


    Allen einen schönen Sonntag,
    Mike

  • Ich habe nie erwähnt, ein Haydn-Liebhaber zu sein, weil es für mich als Freund der Wiener Klassik ganz selbstverständlich war. Haydns Popularität - bzw Bewertung - war ja in den letzten 200 Jahren - ebenso wie jene Mozarts - stets starken Schwankungen unterworfen.
    Man bezeichnete ihn als "harmlos, nett , aber veraltet" (sinngemäß Robert Schumann), als "Papa Haydn" (mit unterschiedlichem Unterton) als innovativen Kammernusiker und als großartigen Sinfoniker (wobei zumeist nur die späten Werke gemeint waren, die frühen wurden im 20. Jahrhundert erst relativ spät wirklich geschätzt -persönlich liebe ich fast alle)
    Hier im Forum erhielt er eigentlich immer schon die ihm gebührend Aufmerksamkeit und Bewunderung....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Forianer,


    ich habe mir für die ersten Wochen dieses Jahres den Symphoniker Haydn vorgenommen und bin restlos begeistert. Warum habe ich mich nur so viele Jahre von der Zahl "104" abschrecken lassen?


    Für alle denen es ähnlich geht, hier eine Idee für einen schnellen und unkonventionellen Zugang zu diesem gigantischen Werk: Kauft Euch eine Gesamtausgabe und hört zuerst alle Symphonien in Moll, deren Zahl ist sehr überschaubar, mit einer deutlichen Häufung im Bereich der Sturm-und-Drang-Vierziger.


    Gestern war ich bei der 80, wenn ich richtig gezählt habe, schon die Drittletzte ihrer Art im Gesamtwerk - sehr schade. Meiner Meinung nach haben gerade die Moll-Symphonien eine ganz eigene Energie und Wucht und sind bestens geeignet, alles was man an Vorstellungen oder auch Vorurteilen über diesen Komponisten haben mag hinwegzufegen. Ich werde den Gedanken nicht los mir vorzustellen was wohl herausgekommen wäre, wenn ein Drittel der "Londoner" in Moll stände ...


    Wie seht Ihr das?


    Herzliche Grüße
    Stefan

    “Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”
    Sergei Rachmaninov

  • Die relative geringe Anzahl an Werken in Moll in der Wiener Klassik betrifft ja nicht nur Haydn. Man sollte die Energie und Dramatik vieler Dur-Werke aber nicht unterschätzen (oder auch die melancholischen Züge eines langsamen Dur-Satzes wie in der Sinfonie 104). Die Kopfsätze von zB 86, 92, 102 sind für mich mindestens so dramatisch wie die der späten Moll-Sinfonien. Und der Sturm-und-Drang-Gestus um 1770 findet sich nicht nur in den zu Recht berühmten Moll-Sinfonien dieser Zeit, sondern auch in Werken in Dur. Du hast ja selbst die #47 hervorgehoben, #46 oder die sog. "Feuersinfonie" #59 und auch #65 wären weitere Beispiele, die mir spontan einfallen.


    Das Beeindruckendste an Haydns Sinfonien ist für mich ihre ungeheure Vielfalt, daher denke ich, dass man wohl auch etwas vermissen würde, wenn noch zwei weitere "Londoner" in Moll stünden, denn dann fehlte eben irgendetwas anderes. ;)


    Eine Beinahe-Moll-Sinfonie (langsamer Satz und Finale moll-dominiert), die obendrein grandios und viel zu wenig bekannt ist, ist #70. Und mehrere beeindruckende (allerdings alle langsam) orchestrale Moll-Sätze findet man auch in der Originalfassung der "7 letzten Worte".

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  • Zitat

    Warum habe ich mich nur so viele Jahre von der Zahl "104" abschrecken lassen?


    Das verstehe ich eigentlich nicht - Sind wir froh, daß es so viele gibt. Abgesehen davon teilt man Haydns sinfonisches Werk im allgemeinen in 3 Perionden ein, welche stilistisch stark voneineander abweichen. Ich habe die Sinfonien peu a peu kennengelernt - und kenne heute etwa 80 der 104. Es war einfach eine Geldfrage, denn Gesamtaufnahnen hat es nicht immer gegeben. Und 40 Cds zum Vollpreis - das waren dann (in Österreich) um 1985 umgerechnet ca 880 Euro gewesen, die allerdings wesentlich mehr wert gewesen wären als heute - etwas mehr als das Doppelte vielleicht.-Abgesehen davon, daß meines Wissens damals noch gar nicht alle Sinfonien Haydns auf Tonträger verfügbar waren.
    Heute ist das anders. Man hatt alle Sinfonien im Plattenschrank und "hat keineZeit" sie zu hören. Wenn ich heute einen Komponisten und seine Sinfonien entweder erstmals kennenlernen möchte (und da gibt es viele) oder ihn von Anbeginn neu erforschen möchte, dann beginne ich entweder mit seinen berühmtesten drei Sinfonien - oder aber (besser ) mit seinem Erstlingswerk. Im Falle von Haydn wandert man auf diese Weise durch viele Epochen. Man sollte soch ein Projekt nicht wirklich durchplanen, weil es ansonst vielleicht zu lästigen Pflicht wird, aber WENN man es tuit, dann sollte man sich Zeit Lassen. Wenn man jede Woche eine Sinfonie hört (manche sind sehr kurz), dann ist man in 2 Jahren am Ziel. Aber langsamer ist besser. Mann kann dann gelegentlich eine Sinfonie in 2 oder 3 Interpretationen vergleichend hören, was sich insbesondere bei Haydn sehr lohnt.....


    mfg aus Wien
    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • "Drei Perioden" dürfte bei Haydn schwer fallen, abgesehen davon, dass solch eine Einteilung, selbst wenn halbwegs nachvollziehbar, nicht hilfreich sein muss.
    Die Chronologie bei den Sinfonien ist stellenweise auch ziemlich durcheinandergeraten, da man die "offiziellen" Nummerierungen von Mandyczewski vor gut 100 Jahren beibehalten hat. So soll Haydn zwar im Alter die heute Sinfonie #1 als seine erste bestätigt haben, aber #37 ist etwa genauso alt...


    Wenn man "Phasen" einteilen will könnte man ungefähr so vorgehen. Ich zähle nicht alle Sinfonien aus der jeweiligen "Periode" auf. Die Einzelboxen von Hogwood (mit 1-75) sind jeweils chronologisch sortiert.


    1 Prä-Esterhazy (bis 1760), zB 1, 4, 17, 18, 37
    2 frühe Esterhazy-Sinfonien (ca. 1761-65), zB 6-8, 21, 22, 30, 31
    3 "Sturm-und-Drang" (ca. 1765-72) zB 26,39, 41-49
    4 "späte" Esterhazy-Sinfonien (1772-81) zB 54-57, 60, 63, 64, 70, 73
    5 erste Sinfonien fürs "Ausland"(nur geplant, die Reisen wurden nicht durchgeführt) (1782-84) 76-81
    6 Pariser Sinfonien (1785-89) 82-92
    7 Londoner Sinfonien (1791-95) 93-105


    Scharf einteilen lässt sich eigentlich nur Phase 1, 2-5, 6+7, also Vor-, Nach- und für Esterhazy (wobei 76-81 Sonderfälle sind, da zwar für außerhalb komponiert, aber evtl. doch zuerst in Esterhazy aufgeführt). Obwohl verbreitet, ist die "Sturm-und-Drang"-Bezeichnung durchaus problematisch (da kaum eine echte Verbindung mit der entsprechenden literarischen Strömung nachweisbar ist). Dennoch scheint nicht von der Hand zu weisen, dass etwa die berühmten Moll-Sinfonien um 1770 wie 44 und 45 einen sehr eigenen Ton aufweisen, der sich u.a eben auch durch eine Leidenschaftlichkeit auszeichnet, die man vorher und nachher jedenfalls nicht mehr so gebündelt findet.


    Außer den ganz frühen werden diskographisch viele Werke der Gruppen 4 und 5 ziemlich stiefmütterlich behandelt. So gibt es von 79 und 81 als einzigen Werken keine HIP-Aufnahmen. Wenn man keine GA hat, muss man für diese Werke entweder zu den Naxos-Aufnahmen greifen (die mit dem Orpheus Chamber Orchestra sind vergriffen und teuer) oder versuchen, die älteren Teilboxen mit Dorati oder Fischer zu finden. Bei der grandiosen #80 sieht es besser aus; sie liegt auch in einer HIP-Aufnahme (Freiburger Barockorchester/harmonia mundi), sondern zB auch in einer historischen Aufnahme mit Scherchen und einer guten modernen Kammerorchesteraufnahme unter Jane Glover (ASV) vor. (Von der Naxos-Aufnahme der #80 möchte ich dagegen abraten, die leidet unter eigentümlichen Manierismen (besonders Kunstpausen und rubati im ersten Satz.)

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  • Ich werde mir die letzten 12 mal wieder vornehmen und zwar in dieser Einspielung, die ich kürzlich erwarb. Ich habe hier im Forum recht unterschiedliche und sich teils auch verändernde Kommentare zu diesen Aufnahmen gelesen. Das, was ich bisher gehört habe, hat mir aber ziemlich gut gefallen. Solti dirigiert hier übrigens das gleiche Orchester wie Eugen Jochum in seiner berühmten Einspielung (die auch im Regal steht). Und in London sind diese Werke ja auch gut aufgehoben. :D

  • Also ich nehms gleich vorweg: Ich konnte mit Soltis Aufnahmen der "Wiener Klassik" nie wirklich was anfangen. Aber das ist ein subjektives Urteil, ich bestehe keineswegs darauf "recht" zu haben. Wenn Deine Zeit es erlaubt, wäre es interessant zumindest EINE Sinfonie im Vergleich Jochum vs Solti "rezensiert" zu bekommen - zu Not tuts auch ein einzelner Satz....
    Aber prinzipiell ist Haydn ja quasi unzerstörbar.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meine Bemerkung in Bezug auf die 104 Symphonien war selbstkritisch gemeint - ich bin tatsächlich mit jeder Symphonie, die ich mir erschliesse, froher, dass da noch ein so großer Schatz an Werken auf mich wartet. Es wäre nur schön, wenn ich diesen Zugang schon vor 10 Jahren gesucht und gefunden hätte!


    Was Du, Johannes, über die Perioden von Haydns Schaffen und die Nummerierung schreibst, ist interessant und bestätigt ein bisschen ein Gefühl, das ich beim Hören habe: Einige der relativ frühen Werke weisen doch stilistische Merkmale auf, die man eher in einer der späteren Phasen verorten würde.


    Was den Zugang betrifft, so greife ich mir meist eines der frühen Werke (vor der Nr. 39), eines aus der von Dir definierten Phase 6/7 sowie eines aus der Periode dazwischen heraus und höre mir diese einige Male an, wenn möglich in verschiedenen Interpretationen. Meine Basis bildet die sehr erschwingliche Adam-Fischer-Gesamtaufnahme, ergänzt um Dorati (Londoner), die Harnoncourt-Aufnahmen mit dem CMW sowie diverse Einzelaufnahmen und kleine Boxen, die derzeit bei mir rasant am Wachsen sind. Koopmann (44, 45, 49) und gerade auch Müller-Brühl (41, 58, 59) haben mich sehr positiv überrascht. Auf ebay liefen mir eine erstaunlich frühe HIP-Aufnahmen mit Derek Salomons und L´estro Armonico auf Vinyl (14 Symphonien immerhin) über den Weg und demnächst soll eine weitere Einspielung der Londoner her. Ich denke da an Harnoncourt /Concertgebouw - bin für Tips dankbar. Die diskographische Schwachstelle zwischen den berühmten Sturm- und Drang-Symphonien und den Parisern sehe ich auch. Vielleicht braucht es da eben doch dieses "sich hineinhören", die Lust, Haydns thematischer Arbeit zu folgen, in jedem Satz, bei jeder Wendung zu horchen, was er sich wieder hat einfallen lassen - das oberflächlich Spektakuläre oder das, was man dafür hält, fehlt eben.


    Es ist nur eine Momentaufnahme, aber unser Berliner Konzertprogramm gibt für die nächsten vier Wochen immerhin zwei Konzerte mit Haydn-Symphonien her: Die 80 in der Philharmonie sowie die 39 - zwei meiner persönlichen Geheimfavouriten - und die 99 bei Marek Janowski auf dem Programm. Letztere werde ich mir nicht entgehen lassen. Ich hoffe sehr, dass Dirigenten und Intendanten auf der Suche nach spannenden Konzertprogrammen jenseits der bekannten symphonischen Schlachtpferde zunehmend Haydn entdecken und vermehrt auf die Programme setzen und das Ganze so spielen, dass alle Beteiligten "mehr" davon wollen.


    Viele Grüße aus Berlin
    Stefan

    “Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”
    Sergei Rachmaninov

  • In diesem Thread gibt es einige Hinweise auf diverse Aufnahmen.
    Hogwood deckt immerhin bis 75 ab, wobei leider die Einzel-Ausgaben der 3-CD-Boxen teils etwas teuer geworden sind. Mit Goodman gibt es 70-78, einzeln und problemlos lieferbar. Obendrein ist Fischer in den Sinfonien 74-81 ziemlich gut, soweit ich das erinnere. Ich habe vor einigen Wochen ein paar Aufnahmen von #78 verglichen und Fischer hat mir am besten gefallen.
    Wer bereit ist, Vollpreis-Einzel-CDs zu kaufen, sollte auch die noch laufende Reihe mit Thomas Fey mal probieren (manche davon sind 2nd hand sehr günstig zu finden). Da fehlen natürlich noch einige, so dass man nicht immer gezielt Lücken schließen kann.


    Sehr gut in einigen etwas weniger bekannten ist auch Harnoncourt. Die drei oder vier Einzel-CDs (mit u.a. 30,31,45,59,69 und 73) würde ich noch vor seinen "Londonern" empfehlen.
    Bei 6-8, den üblichen gut 20, die dem "Sturm&Drang" zugeordnet werden, einigen weiteren "Namensinfonien" und inzwischen auch allen ab 82 gibt es eigentlich genügend gute Aufnahmen. Die anderen frühen interessieren mich auch nicht so besonders, sind aber jedenfalls mit Hogwood und Goodman recht gut abgedeckt, so dass man insgesamt relativ zufrieden sein kann, eben mit Ausnahme der o.g. recht stiefmütterlich behandelten Stücke.

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    (Bob Dylan)

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  • unser Berliner Konzertprogramm gibt für die nächsten vier Wochen immerhin zwei Konzerte mit Haydn-Symphonien her: Die 80 in der Philharmonie sowie die 39 - zwei meiner persönlichen Geheimfavouriten - und die 99 bei Marek Janowski auf dem Programm. Letztere werde ich mir nicht entgehen lassen.

    Schön, zu Janowski gehe ich auch hin, dann sind ja schon zwei Taminos da. Das sind ja nicht unbedingt Mainstream-Sinfonien, die er da vorstellt, aber das ist schon mutig so ein Programm mit zweimal Haydn-Sinfonien und in der Mitte das 3. Bartok-Klavierkonzert. Haydn-Sinfonien sind im allgemeinen immer nur eine Beigabe in Konzertprogrammen, weil das Publikum gerne größer besetzte romantische Schinken hört. Ich notiere mir seit 6 Jahren alle besuchten Konzerte, das sind an die 100 an der Zahl, darin ganze dreimal Haydn, einmal die 95 bei den Philharmonikern mit Rattle, die 49 beim Konzerthausorchester und die 103 im Orchester der Komischen Oper, die haben dieses Werk zum allerersten Mal gespielt. Leider hat Haydn für viele noch so den Beigeschmack des "Papa Haydn" und der Zopfigkeit. Dabei ist sein Einfallsreichtum unerreicht, in jedem seiner Werke gibt es etwas Neues zu entdecken und oft auch Unerwartetes. Weil hier über das Für und Wider von Haydn-Gesamtaufnahmen diskutiert wird - ich teile die Auffassung, lieber gezielt Einzelaufnahmen auszuwählen, auch um sich bei der Vielfalt nicht zu sehr an eine bestimmte Auffassung zu binden. Mir geht es so, wie hier auch schon dargestellt, ich habe zwar sehr viel, aber wenn dann mal eine Aufnahme vorgestellt wird, ist es gerade die Sinfonie, die man nicht hat. Natürlich die Pariser und Londoner Sinfonien mal ausgenommen, die sind ja Pflichtrepertoire. Ich habe die Pariser mit Bernstein und die Londoner mit Dorati. Ich kann eigentlich nicht die Meinung teilen, wonach Donati "behäbig" ist. So sind die Tempi einiger Sinfonien bei ihm schneller als z.B. Knappertsbusch, Walter oder Jochum. Eine größere Zahl meiner Haydn-Aufnahmen sind von Naxos mit Müller-Brühl und dem Kölner Kammerorchester bzw. der Nicolaus Esterhazy Sinfonia und Bela Drahos. Eine gute Wahl stellt IMO Harnoncourt mit dem Concentus Musicus dar. Ansonsten reichen meine Aufnahmen von Fritz Busch bis Simon Rattle. Thomas Fey ist mir eigentlich zu hochpreisig, mir auch unbekannt und sein Orchester sagt mir auch nichts. Sicher gibt es bei Haydn insgesamt noch zu vieles zu entdecken.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Da die Box mit den Haydn-Aufnahmen von Scherchen vergriffen und demnach nur überteuert zu haben ist, ist es vielleicht eine gute Nachricht, dass man den Inhalt der 6 CDs für insgesamt € 3,99 bei itunes herunterladen kann. Klanglich sind die Monoaufnahmen eh nicht so doll und da tut es vielleicht auch das datenreduzierte Material, jedenfalls zu dem Preis und zum Kennenlernen.