Das „Requiem“ Mozarts im Spiegel seiner Quellenlage

  • Zitat

    Original von âme
    Hallo,
    Hierzu hab ich zufällig beim neulichen durchblättern eines Buches (Mozart nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen)etwas gefunden das gut zu dieser Thematik passt.
    Rochlitz erinnert sich dabei:
    "Über Nichts klagte Mozart heftiger als über 'Verhunzung' seiner Compositionen bei öffentlicher Aufführung, hauptsächlich durch Übertreibung der Schnelligkeit der Tempos.
    'Da glauben sie, hierdurch soll es feurig werden!' sagte er; 'ja wenn´s Feuer nicht in der Composition steckt, so wird´s durchs Abjagen wahrlich nicht hineingebracht'
    "


    Naja, solche Äußerungen widersprechen sich gelegentlich, wobei dieser zitierten natürlich grundsätzlich zuzustimmen ist - Es geht ja auch nicht um das "Abjagen", sondern vielmehr darum, das Stück Presto assai, sprich: so schnell wie möglich, zu spielen. Dieser Wunsch beinhaltet natürlich, daß es auch noch anhörbar sein sollte!


    Hummel äußerte sich z.B. zu den überaus schnell gewählten Tempi seiner eigenen pianistischen Mozartrezeption: "So hat es Mozart gemacht, so mache ich es auch..." - das ist natürlich alles relativ (in diesem Fall fand die Äußerung etwa 20 Jahre nach dem Selbsthören durch Hummel statt...)


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Ja, auch diese Einteilung hinkt, denn mir sind außer Morales zumindest noch zwei Requiemvertonungen mit Graduale und Sequenz (in dem Fall auch noch plus Pie Jesu) bekannt: Cherubini c-moll und d-moll.


    Außerdem war ich bisher der Ansicht, der Text des Tractus würde wie folgt lauten:
    Absolve, Domine, animas omnium fidelium defuntorum ab omni vinculo delictorum.
    Et gratia tua illis succurente mereantur evadere iudicium ultionis. Et lucis aeternae beatitudine perfrui.


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Hallo Martin!


    Zitat

    Original von Philhellene


    Ja, auch diese Einteilung hinkt, denn mir sind außer Morales zumindest noch zwei Requiemvertonungen mit Graduale und Sequenz (in dem Fall auch noch plus Pie Jesu) bekannt: Cherubini c-moll und d-moll.


    Di Lassos Requiem ist noch so ein Fall (dieses enthält übrigens ein In Paradisum, aber kein Libera Me). Ja, diese Einteilung hinkt, ist aber IMO dennoch die naheliegendste, wenn man denn überhaupt einteilen will. Vielleicht sollte man das ganz lassen...


    Zitat


    Außerdem war ich bisher der Ansicht, der Text des Tractus würde wie folgt lauten:
    Absolve, Domine, animas omnium fidelium defuntorum ab omni vinculo delictorum.
    Et gratia tua illis succurente mereantur evadere iudicium ultionis. Et lucis aeternae beatitudine perfrui.


    Ich hatte bei Ockeghem nachgesehen, als ich den zitierten Beitrag schrieb. Dieser verwendet im Tractus nicht das "Absolve Domine" (das tatsächlich die übliche Wahl wäre), sondern vertont den 42. Psalm "Sicut Servus".
    Es gibt sogar noch einen dritten liturgisch fundierten alternativen Text für den Tractus, nämlich Psalm 130 "De Profundis".



    Um wieder zu Mozarts Requiem zurückzuschwenken:
    Ich habe mir die Savall-Aufnahme bei Amazon Marketplace bestellt.
    Ich bin schon sehr gespannt. =)


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius



    Wer es düster, brutal und gradlinig mag, für den ist das die richtige Aufnahme.


    Ich jedenfalls brauche nun keine weiteren Aufnahmen mehr. Die, die ich jetzt habe, decken mein Spektrum, in dem ich Mozarts Requiem wahrnehme(n möchte), ab. Savall war tatsächlich noch die nötige Ergänzung.

  • Ich glaube, ich habe eine neue nicht-HIP-Lieblingsaufnahme des Mozartrequiems.
    Nämlich die von Victor de Sabata aus dem Jahr 1941.


    Allerdings verursacht mir meine Aufnahme des Labels "membran" Ohrenschmerzen. Sie klingt schrecklich scharf weil sie komplett rauschfrei gefiltert wurde. Ich werde mir demnächst vielleicht die Naxos-CD bestellen im festen Vertrauen darauf, dass man alte Aufnahmen im Hause Naxos wesentlich sorgfältiger bearbeitet als man das beim Leichenfledderer-Billiglabel Membran/documents/Quadromania - und unter welchen verschleiernden Masken dieser Verein noch in Erscheinung treten mag - tut [meine subjektive Meinung spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder, also den Anwalt bitte stecken lassen]


    Zur Überprüfung des positiven Eindrucks der Sabata-Aufnahme benötige ich also erst die Naxos-Überspielung, dann gebe ich nochmal Bescheid. Eine Empfehlung kann ich aber galube ich bedenkenlos jetzt schon geben:



    Genaue Besetzung für die Suchmaschinen:


    Pia Tassinari, Ebe Stignani, Ferruccio Tagliavini, Italo Tajo, RAI Orchester Rom & Turin, Victor de Sabata

  • Leider kann ich momentan nicht reinhören, da mein PC meine soundkarte nicht mehr erkennen will.


    Falls jemand folgende Aufnhamen energisch empfehlen oder davon abraten würde, bitte ich um einen Hinweis


    Kempe // Grümmer / Höffgen / Krebs / Frick / Chor der Hedwigs-Kath. / Berliner Phil


    Shaw // Augér / Ziegler / Hadley / Krause / Altlanta

  • Ich möchte diesen alten Thread noch einmal beleben. Nicht nur, weil man im Laufe der Zeit etwas vom Thema abgekommen ist (BBB fragte ja nach der Einstellung zur Süßmayr-Fassung bzw. späteren Revisionen durch andere Musiker), sondern auch, weil ich speziell diesen Grund nennen möchte:




    In der Tat ist diese Beyer-Fassung eine wirkliche Entdeckung für mich. Die Interpretation durch den Kammerchor Stuttgart ist superb und beweist, das Bernius ein guter Chorerzieher ist, Orchester und Solisten können da nach meinem ersten Höreindruck allerdings nicht in gleichem Maße mithalten. Trotzdem kann man die Einspielung nach meinem Eindruck empfehlen.


    Mozarts Requiem in der Bearbeitung von Franz Xaver Süßmayr gilt Musikern wie auch Forschern in weiten Teilen als wenig gelungen. Der von Mozarts Witwe zunächst um Hilfe gebetene Joseph von Eybler hatte das Manuskript nach vergeblichen Ansätzen zu einer Komplettierung zurückgegeben; ich will nicht spekulieren, werde aber den Eindruck nicht los, daß er sich nicht so recht „traute“. Süßmayr „traute“ sich dann und man muß und soll Süßmayr durchaus dankbar sein.


    Professor Rudolf Ewerhart schrieb einmal:


    Kann man sich mit den nach Mozarts Skizzen vorgenommenen Ergänzungen noch abfinden, so bleibt Süßmayrs Instrumentierung als schwacher Punkt eine stete Herausforderung an den praktischen Musiker.


    Es kam dann auch schon sehr früh zu Versuchen, die Totenmesse zu bereinigen: Bereits kurze Zeit nach der Erstveröffentlichung (um 1800 bei Breitkopf & Härtel) gab es Versuche, die tradierte Fassung zu ergänzen. So erweiterte Sigismund von Neukomm, der 1816 nach Rio de Janeiro ausgewandert war, das Werk für eine Aufführung in Brasilien um das Responsorium „Libera me, Domine“, eine liturgisch begründete Ergänzung.


    Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Prof. Franz Beyer den Versuch unternommen, „Mozarts Urtext zu reinigen von den zwar gut gemeinten, aber weniger gut gemachten Süßmayrschen Zutaten“ (H. L. Hirsch). In seinem Vorwort für die Eulenburg-Edition (1971) schrieb Beyer (u. a.):


    (…) Schließlich äußert sich die Unbefangenheit F. X. Süßmayrs auch in der Tatsache, daß der Schüler seinen Meister an verschiedenen Stellen sogar korrigiert: Im „Confutatis“ hat Süßmayr die wohl einzige von Mozart ausintrumentierte Stelle innerhalb der Sequenz einfach abgeändert, dazu noch an einer der „harmonisch überwältigendsten Partien in Moazrts Kunst“ (Abert). Mozart läßt die Holzbläser beim „oro supplex“ auf den verminderten Septimen-Akkord (Takt 25) einsetzen. Der vorhergehende Takt mit seinen aufsteigenden Dreiklängen ist, wie L. Nowak richtig bemerkt, eine „Art Auftakt“. Abgesehen von der „Vergröberung der ursprünglichen Klangidee“ (Nowak) verschiebt sich das harmonisch-metrische Gefüge der ganzen nachfolgenden, jeweils viertaktigen Periode, indem diese fälschlicherweise um einen Takt vorverlegt wird (…)


    In der „Acta Mozartiana“ (Organ der Deutschen MozartGesellschaft) von November 1971 hieß es über einer Aufführung der Beyer-Fassung des Requiems mit Ingeborg Hallstein, Margarita Lilowa, Theo Altmeyer, Heinz Imdahl, dem Chor der Gesellschaft der Musikfreunde Passau und dem Orchester der Bayerischen Staatsoper unter Walter Hornsteiner:


    ...wird sich die Frage stellen, wieso das Süßmayr-Konzept mehr als ein Jahrhundert hindurch halten konnte und warum es auch heute noch von den Koryphäen goutiert wird. Es wäre Mozart (…) zu wünschen, daß sich die Großen der Musikwelt entschlössen, sich die neue Partitur anzusehen und ihrer künftig zu bedienen.


    Beyers behutsame Revision etablierte sich neben der traditionellen Süßmayr-Fassung in der Aufführungspraxis und wurde u.a. von Nikolaus Harnoncourt, Leonard Bernstein und Neville Marriner aufgenommen.


    Andere Vorschläge seien hier genannt: 1923 meinte Gerhard von Keußler, Süßmayrs Sanctus, Benedictus und Agnus Dei durch Sätze aus anderen Messen Mozarts zu ersetzen. 1941, zum 150. Todestag Mozarts, verfaßte Marius Flothuis eine Revision von Süßmayrs Arbeit. Er verzichtete auf die Trompeten in Sanctus und Benedictus, auch weitgehend auf die Posaunen als Stimmenunterstützung und schob im Benedictus zwei modulierende Takte ein, um den Tonartwechsel bei der Wiederholung der Osanna-Fuge zu vermeiden. 2001 wurde diese Fassung erstmals aufgenommen (von Jos van Veldhoven mit Orchester und Chor der Nederlandske Bach vereniging).


    Eine radikalere Neufassung stammt von Richard Maunder vor. Er verwarf Süßmayrs Sanctus und Benedictus, nur das Agnus Dei erschien ihm aufgrund eingehender Vergleiche mit anderen Kirchenwerken Mozarts akzeptabel. Ferner komponierte er für den Abschluß des Lacrimosa eine Amen-Fuge, für die er Mozarts Skizzenblatt sowie eine Fuge für Orgelwalze (KV 608 ) als Ausgangspunkt nutzte. Auch in Süßmayrs Instrumentation griff er massiv ein.


    Drei weitere Vervollständigungsversuche entstanden aus Anlass des 200. Todestags Mozarts 1991:


    (1) Robbins Landon schuf eine Neufassung für die Aufführung Soltis mit den Wiener Philharmonikern und dem Chor der Wiener Staatsoper im Stephansdom am 5. Dezember 1991 und publizierte die Partitur 1992. Robbins Landon verzichtete auf Neukompositionen, orientierte sich aber in der Instrumentation erheblich stärker als die bisherigen Bearbeiter an Joseph Eyblers Arbeit. BBB hat diese Fassung schon in seinem Einleitungsbeitrag erwähnt.


    (2) Duncan Druce griff tiefer in die Substanz des Werks ein. Ihm ging es, wie Maunder, um eine Tilgung von Süßmayrs Arbeit, und er ersetzte sie durch Neukompositionen. Dabei wollte er „sich weniger in Mozart als vielmehr in einen fähigen Komponisten des 18. Jahrhunderts“ hineinversetzen, der „Mozarts Stil nahegestanden und sein Handwerkszeug recht gut gekannt hätte“.Druce komponierte ebenfalls eine Amen-Fuge, die wesentlich umfangreicher als die von Maunder ist. Außerdem kam eine weitgehende Neukomposition des Benedictus und eine instrumentale Einleitung der Communio hinzu.


    (3) Robert D. Levins Fassung schließlich wurde 1991 von Rilling beim Europäischen Musikfest in Stuttgart uraufgeführt, die Partitur erschien 1994. Seine Arbeit läßt sich mit der von Beyer vergleichen: Süßmayrs Fassung wurde durch eine musikalisch-stimmigere Gestaltung „aufgehellt“, wodurch der Vokalsatz klarer hervortritt. Süßmayrs Eingenkompositionen veränderte er aber deutlich stärker als Beyer: Eine neukomponierte Amen-Fuge, eine verlängerte Ausarbeitung der Osanna-Fuge und eine Aufhellung des Klangbilds im Sanctus durch Einsatz von Klarinetten sind Beispiele dafür.


    Hat unter den Musikfreunden, so wäre von mir abschließend zu fragen, eine andere Aufnahme als die Süßmayr-Fassung und kann darüber etwas mitteilen?

    .


    MUSIKWANDERER

  • Diesen Thread mit dem umständlichen Titel >Das "Requiem" Mozarts im Spiegel seiner Quellenlage< habe ich mir durchgelesen. Ich habe einiges Neues über KV 626 erfahren.
    Eine Frage möchte ich stellen, die mir ein Tamino-User vielleicht beantworten kann. Gibt es einen Link, in dem man erfahren kann, in welcher Aufnahme, welche Fassung benutzt wird?


    musikwanderer hatte im Beitrag 157 die Frage gestellt nach Aufnahmen mit anderen Fassungen als die Süssmayrs.


    In den Beiträgen 82, 83, 157 erfährt man etwas über die Unterschiede der Fassungen und einige Aufnahmen werden genannt sowie die Grundlage des Notentextes.


    Andere Fassungen als die Süssmayrs wären:


    Marius Flothuis (1941)
    Franz Beyer (1971/79 und 2005)
    Duncan Druce (1992)
    C. Richard F. Maunder (1986)
    H. C. Robbins Landon (1991)
    Robert D. Levin (1993)


    Graf Walsegg, der Auftraggeber des Requiems, hatte 1794 eine Fassung für Streichquintett eingerichtet bzw. einrichten lassen. Dies scheint zu dieser Zeit üblich gewesen zu sein, existieren von anderen geistlichen Chorwerken solche Bearbeitungen. Eine Fassung für Streichquartett hatte Peter Lichtenthal (1780-1853) unter Verwendung der Süssmayr-Fassung erstellt. Sigiswald Kuijken hat diese Fassung einer Revision unterzogen und mit dem Kuijken-Kwartett eingespielt.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe mir die Mühe gemacht die in diesem Thread erwähnten Aufnahmen und die ihnen zugrunde liegenden Fassungen aufzulisten. Nur diejenigen Einspielungen sind in die Liste aufgenommen, wenn die Tamino-Forumsmitglieder den Urheber der Fassung erwähnen. Ich habe die Angaben des Werbepartners übernommen. Ergänzungen sind erwünscht!


    Süssmayr-Fassung


    Armstrong, Pashley, Baker, Gedda, Tear, Fischer-Dieskau, English Chamber Orchestra, New Po, Daniel Barenboim



    in der Fassung von Franz Xaver Süßmayr
    + 9 Fragmente von Mozarts Hand

    Marinez, Groop, Davislim, Youn, Chorus Musicus Köln, Das Neue Orchester, Spering

    Nagy, Labitzke, Eckstein, Kaleschke, Württembergischer Kammerchor, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Kurz


    SWR-Symphonieorchester, Europäische Chorakademie Mainz, Holliger



    Fassung von Sigismund Neukomm (1778-1858)


    Hjordis Thébault, Gemma Coma Alabert, Simon Edwards, Alain Buet, La Grande Ecurie et la Chambre du Roy, Kantorei Sarlouis, Jean Claude Malgoire



    Fassung von Marius Flothuis (1941)

    Callatay, Markert, Getchell, Netherlands Bach Society Choir & Orchestra, Veldhoven



    Fassung von Franz Beyer (1971/79 und 2005)

    Jezovsek, Schubert, Ullmann, Volle, Kammerchor & Barockorchester Stuttgart, Bernius


    Yakar, Wenkel, Equiluz, Holl, Concentus Musicus, Harnoncourt



    Fassung von Duncan Druce (1992)
    _


    Fassung von C. Richard F. Maunder (1986)

    Kirkby, Watkinson, Rolfe-Johnson, Thomas, Academy of Ancient Music, Hogwood



    Fassung von H. C. Robbins Landon (1991)

    Auger, Cecilia Bartlos, Cole, Pape, Wien PO, Solti (Live-Aufnahme vom 5.12.91 in Wien)



    Fassung von Robert D. Levin (1993)

    Julia Kleiter, Gerhild Romberger, Klaus Mertens, Daniel Sans, Bachchor Mainz, L'arpa Festante München, Otto


    Tölzer Knabenchor, Tafelmusik, Weil


    Ziesak; Maultsby; Croft; Arnold; Boston Baroque, Martin Pearlman


    Christine Brewer, Ruxandra Donose; John Tessier; Eric Owens; Atlanta Chamber Chorus & SO, Runnicles
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928





  • Mozart Requiem
    Wien 1971, Piaristenkirche
    Karl Böhm, Wiener Symphoniker
    Wiener Staatsopernchor,
    Gundula Janowitz, Sopran, Christ Ludwig, Alt,
    Peter Schreier, Tenor, Walter Berry, Bass


    Wenn man diese Aufführung sieht, ist man erstaunt, ja gleichermaßen überwältigt, was für ein gewaltiges Werk das Requiem ist. Böhm weist ihm genau den Platz zu, der ihm gebührt. Wer sich näher mit Mozarts Requiem beschäftigt hat, weiß, dass es in ein ganz anderes Jahrhundert gehört, in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, unweit von Verdis Requiem und keineswegs unter ihm stehend.
    Ich habe das Requiem zwei Mal gesungen und kann sagen, dass jede Note, die ich gestern Abend gehört habe, genau dem entsprochen hat, was ich erwartet habe. Auch wenn Böhm das Requiem langsamer dirigiert hat als Harnoncourt 10 Jahre nach ihm, so kommen doch beide Dirigenten mit ihren absoluten Referenzen zu dem gleichen Ergebnis. Ein ungeheuer dramatisches Requiem, das dem Anspruch Mozarts gerecht wird, das von Chor, Orchester und Solisten gleichermaßen mit Herzblut, absoluter Konzentration und höchster Ausdrucksfähigkeit vorgetragen wird.
    Böhm hat den Vorteil, das zum großen Chor (ca. 95 Sängerinnen und Sänger) besser portionierte Orchester zur Verfügung zu haben und ein absolut elitäres Solistenquartett (s.o.), jedoch gleicht Harnoncourt das mit seinem Originalklangensemble durch ungeheuer intensive Spielweise in etwa wieder aus.
    Und beide haben den gleichen Chor, ein Chor, wie geschaffen für dieses gewaltige Werk, denn wir dürfen das Requiem nicht mit den übrigen Mozartmessen vergleichen, allenfalls mit der c-moll-Messe, jedenfalls was den Umfang betrifft, denn die c-moll-Messe hätte, durchkomponiert etwa eine Länge gehabt wie Beethovens Missa Solemnis.
    In Böhms Interpretation ist keiner der Messteile schwächer als der andere, es ist eine durch und durch komplette Aufführung, sodass höchstens durch ihren dramtischen Impetus das Dies irae, Rex tremendae, Confutatis und das alles überragende Lacrimosa besonders herausstechen.
    Ich müsste mir jetzt noch einmal die späte Harnoncourtsche Requiemaufnahme anhören, um zu sehen, ob sie an diese beiden Referenzen heranreicht.


    Um diesem Thread, denn einen anderen Requiem-Thread gibt es ja offenbar nicht, gerecht zu werden: Böhm wählte die Süssmayr-Fassung, Harnoncourt desgleichen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • [timg]http://ecx.images-amazon.com/i…056AW8QS/taminoklassik-21[/timg]Unter den zahlreichen exzellenten und hochinteressanten Einspielungen von MOZART's Requiem beeindruckt mich nach wie vor RAFAEL FRÜHBECK DE BURGOS' emphatische Interpretation mit dem opulent erklingenden NEW PHILHARMONIA CHORUS AND ORCHESTRA und den herrlichen Stimmen des Sängerquartetts mit EDITH MATHIS, Sopran, GRACE BUMBRY, Alt, GEORGE SHIRLEY, Tenor und MARIUS RINTZLER, Baß, am meisten. Die Aufnahme, die damals bei EMI Angel Series erschien, geht unter die Haut wie kaum eine andere und belegt wieder einmal das Format dieses in Deutschland leider viel zu wenig bekannten Dirigenten. obwohl dessen Eltern ja aus Deutschland stammen, und obwohl er von 1966 - 1971 Generalmusikdirektor in Düsseldorf war. Dabei hätte eigentlich spätestens seine Einspielung von BIZET's Carmen 1970 bei Electrola mit den CHOEURS ET ORECHESTRE DU THÉATRE NATIONAL DE L'OPÉRA PARIS mit so hochkarätigen Sängern wie eben GRACE BUMBRY als Carmen, wie JOHN VICKERS und MIRELLA FRENI, auch deutsche Musikliebhaber längst auf diesen Dirigenten aufhorchen lassen müssen. Obwohl schon 4 Gesamteinspielungen von Carmen existierten, war das englische Schallplattenmagazin "Gramophon" voll des Lobes über diese neue Einspielung. Aus seiner langen Zusammenarbeit mit dem NEW PHILHARMONIA ORCHESTRA erklärt sich auch der hervorragende Gesamteindruck der Einspielung von MOZART's Requiem durch RAFAEL FRÜHBECK DE BURGOS.


    Für mich sehr überzeugend ist auch die Einspielung dieses Werkes durch KARL RICHTER und seinem MÜNCHENER BACH-CHOR und BACH-ORCHESTER von 1961 bei Teldec, mit einem ebenfalls sehr erlesenen Sängerquartett, d. h. mit MARIA STADER, HERTHA TÖPPER, JOHN VAN KESTEREN und KARL KOHN, in einer erfreulich unromantischen, unverweichlichten Auslegung dieses wunderbaren Werkes, die die Größe MOZARTs und seines Meisterwerkes voll zum Tragen bringt.


    Viele Grüße
    wok

  • Am 20. und 21. September d. J. fand in Bremen und in Dortmund die Ur- bzw. Erstaufführung der Neufassung des Mozart-Requiems von und mit Benjamin-Gunnar Cohrs statt. Auf dieses Ereignis hatte ich schon in einem anderen Thread aufmerksam gemacht. Wie schon bei der Aufführungsfassung des IV. Satzes der neunten Brucknersinfonie beruht auch diese Rekonstruktion Cohrs' auf einem akribischen Quellenstudium, gepaart mit großem Einfühlungsvermögen in den Klang- und Ausdruckskosmos des Komponisten. Näheres dazu mögen Interessierte auf der Website von Benjamin-Gunnar Cohrs nachlesen.


    Besser als ich das könnte, hat Ken Ward die außerordentlich gelungene Dortmunder Aufführung auf der Website von bachtrack unter dem Titel Mozart's Requiem renewed by Benjamin-Gunnar Cohrs in Dortmund gewürdigt. Alle Puderzucker-Assoziationen wie weggeblasen. Wenn - wie in diesem Thread schon gefordert - das Mozart-Requiem eigentlich auf die Stufe späterer Requiem-Vertonungen (z. B. Verdi) gehörte, dann vermag die Neufassung von Cohrs diese Forderung jedenfalls zu stützen. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn es zu einer Einspielung käme. Und der Musikbetrieb davon Kenntnis nähme und sich wenigstens damit auseinandersetzte...

  • Dies ist kein Widerspruch!
    Es soll lediglich eine Anmerkung sein.


    Brüggen dirigierte das Requiem in Tokyo anlässlich des Ablebens eines ihm nahen Freundes.
    Die CD war lange vergriffen, es gibt sie wohl wieder.
    Beinahe bedauerlich, denn es geht Brüggen, unabhängig von aller Quellenlage, um eine Trauermusik.
    Eine zutiefst persönliche Stellungnahme, einen persönlichen Abschied, bei dem der Zuhörer beinahe Voyeur wird.


    Ist es möglich, diese Musik, auch heute noch, derart subjektiv zu hören?
    Als Mittel der Trauerarbeit, als persönlichen Wert?


    Natürlich ist das eine Interpretation einer Interpretation.
    Und doch auch auch die Suche nach dem Wesen eines Werkes außerhalb des Notierten und Ergänzten.
    Darum ganz simpel: Brüggens Aufnahme schmerzt mich wie keine andere.
    Sie tut weh!


    Ist sie damit nicht näher am Werk als jede Rekonstruktion?


    Fragen: Mike

  • Am 20. und 21. September d. J. fand in Bremen und in Dortmund die Ur- bzw. Erstaufführung der Neufassung des Mozart-Requiems von und mit Benjamin-Gunnar Cohrs statt. Auf dieses Ereignis hatte ich schon in einem anderen Thread aufmerksam gemacht. Wie schon bei der Aufführungsfassung des IV. Satzes der neunten Brucknersinfonie beruht auch diese Rekonstruktion Cohrs' auf einem akribischen Quellenstudium, gepaart mit großem Einfühlungsvermögen in den Klang- und Ausdruckskosmos des Komponisten. Näheres dazu mögen Interessierte auf der Website von Benjamin-Gunnar Cohrs nachlesen.


    Besser als ich das könnte, hat Ken Ward die außerordentlich gelungene Dortmunder Aufführung auf der Website von bachtrack unter dem Titel Mozart's Requiem renewed by Benjamin-Gunnar Cohrs in Dortmund gewürdigt. Alle Puderzucker-Assoziationen wie weggeblasen. Wenn - wie in diesem Thread schon gefordert - das Mozart-Requiem eigentlich auf die Stufe späterer Requiem-Vertonungen (z. B. Verdi) gehörte, dann vermag die Neufassung von Cohrs diese Forderung jedenfalls zu stützen.


    Was ist mit "eigentlich auf die Stufe späterer Requiem-Vertonungen gehört" gemeint? Meinem Eindruck nach ist es, ungeachtet der Probleme der Fassungen, nicht gängige Ansicht, dass Mozarts Stück NICHT auf diese Stufe gehörte (im Gegenteil). Dass das Stück historisch und stilistisch weit näher an Händel als an Verdi ist, spricht ja nicht gegen seine Qualität...
    Leider wird aus der verlinkten Rezension und auch nach Überfliegen der bei Ben Cohrs verlinkten Pressetexte mir nicht so recht klar, worin nun die wichtigsten Unterschiede zu den anderen Fassungen bestehen (außer der neuen Amen-Fuge). Die Rezi zeigt sich v.a. nachvollziehbar begeistert von dem Konzert selbst, geht aber kaum auf die Unterschiede der Fassungen ein.
    Eine Einspielung wäre jedenfalls wünschenswert!

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was ist mit "eigentlich auf die Stufe späterer Requiem-Vertonungen gehört" gemeint? Meinem Eindruck nach ist es, ungeachtet der Probleme der Fassungen, nicht gängige Ansicht, dass Mozarts Stück NICHT auf diese Stufe gehörte (im Gegenteil). Dass das Stück historisch und stilistisch weit näher an Händel als an Verdi ist, spricht ja nicht gegen seine Qualität...
    Leider wird aus der verlinkten Rezension und auch nach Überfliegen der bei Ben Cohrs verlinkten Pressetexte mir nicht so recht klar, worin nun die wichtigsten Unterschiede zu den anderen Fassungen bestehen (außer der neuen Amen-Fuge). Die Rezi zeigt sich v.a. nachvollziehbar begeistert von dem Konzert selbst, geht aber kaum auf die Unterschiede der Fassungen ein.
    Eine Einspielung wäre jedenfalls wünschenswert!

    Nun, nach meinem Eindruck hat die Legendenbildung um das "Stück" seiner Rezeption und Aufführungspraxis nicht unbedingt immer gut getan. Mag sein, daß sich dahinter aber nur ein Nachsprechen gewisser tradierter (und unangemessen elitärer) Vorurteilsbildung verbirgt. Die (bedeutenden) textlichen Unterschiede seiner Fassung hat Cohrs m. E. auf seiner Website zumindest verbal versucht darzulegen. Lies dazu bitte auch seine Texte zu den Konzerten.


    Im Hören der Cohrs'schen Fassung erschloß sich mir jedenfalls ein völlig neues Stück. Und zwar durchaus im Sinne einer Erhöhung der Totenmesse aus zeit- und personbedingten Umständen in eine absolute menschliche Dimension. Mozart reloaded (wenn dieser Begriff in diesem Forum nicht anderweitig so negativ besetzt wäre ;)). Dies ist selbstverständlich eine rein subjektive Empfindung. Nur eine Einspielung vermöchte diese für das Publikum zu objektivieren (sie zu bestätigen oder aber auch, ihr zu widersprechen).

  • Mozarts Requiem boomt derzeit wieder. Verschiedene Neuaufnahmen bieten neue Vervollständigungen oder Rekonstruktionen (Version 1793) oder haben Varianten als Bonustracks. (was natürlich auch willkommene Marketingstrategie ist, um den Kram überhaupt zu verkaufen). Neben Butt wirbelte in jüngster Zeit Currentzis (Achtung, könnte sich noch als Hype erweisen, wenn es erstmal ein paar Jahre abgehangen ist) Staub auf. Cleobury (dummerweise bei amazon bestellt und nun vorerst nicht lieferbar, ich kann aber wohl auch keinen Rückzieher machen, da schon in die Sounddateien reingehört) mit einer editorisch interessanten Version, Higginbottom dagegen mit einer editorisch unspektakulären (?) Süßmayr-version.


    Nun also René Jacobs. Wird sich glaube ich als Bereicherung auf hohem Niveau erweisen. Pierre-Henri Dutron hat sich laut "Rondo " einmal als ungebundener, freier Komponist über das Mozartrequiem hergemacht und frei vervollständigt. In der neuen Jacobs-Aufnahme erklingt aber die Dutron-Version von 2016, die sich in der melodischen Grundstruktur an Süßmayr hält aber vieles anders macht ("Süßmayr remade"). Ich weiß nicht, was sein Ziel war, aber es sollte glaube ich keine streng-staubig-musikwissenschaftlich korrekte Stilkopie des späten Mozarts sein, da mir manches doch leicht anachronistisch (in die Zukunft weisend) vorkommt, wie etwa das Blech im Dies irae. Die Streicher oft rhythmisch spritziger, die Bläserstimmen eigenständig und nicht collaparte (schön die Bassetthörner zum Beispiel im Tuba Mirum), manches, was bei Süßmayr für Chor ist, wird hier zunächst dem Solistenquartett anvertraut. Jacobs Dirigat macht Freude, ist natürlich recht zügig, aber Mozartrequiem als Schleichfahrt gibt es ja eh kaum noch. Das Solistenquartett ist sehr gut.


    Er hat Jehova gesagt!

  • Denke ich an Mozarts Requiem, dann in erster Linie an die Interpretationen von Karl Böhm. Das war bereits vor Jahren so und hat sich bei einem neulichen Wiederhören verfestigt. Kennengelernt habe ich das Werk vor Ewigkeiten durch Barenboim mit dem Orchestre de Paris. Keine schlechte Aufnahme, aber die tiefe Durchdringung fehlt mir dort doch irgendwie. Gerade beim Requiem will mir Böhms Ansatz zeitlos erscheinen, so dass man guten Gewissens von einer Referenz sprechen könnte.


    Es gibt tatsächlich zwei Böhm-Aufnahmen aus der Stereoära, beide von 1971:



    Edith Mathis, Sopran
    Julia Hamari, Alt
    Wieslaw Ochman, Tenor
    Karl Ridderbusch, Bass
    Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
    Wiener Philharmoniker
    Karl Böhm
    Musikverein, Wien, April 1971




    Gundula Janowitz, Sopran
    Christa Ludwig, Mezzosopran
    Peter Schreier, Tenor
    Walter Berry, Bassbariton
    Chor der Wiener Staatsoper
    Wiener Symphoniker
    Karl Böhm
    Piaristenkirche, Wien, Dezember 1971






    Es ist sehr schwierig, hier einer den Vorzug zu geben. Sie unterscheiden sich neben den Solisten in Details. Der Klang im Musikverein ist nicht ganz so unmittelbar und insgesamt etwas flächiger. Der Nachhall in der Piaristenkirche ist dafür sehr adäquat. Dort sind die Pauken besonders exponiert und markerschütternd, was zur Weltgerichtsstimmung hervorragend passt. Gesanglich hat man hier wie dort höchstes Niveau. Mag der Wiener Staatsopernchor für heutige Hörer auch sehr massig herüberkommen, unterstützt er die feierliche Wirkung doch ungemein. Überhaupt ist Böhms Lesart wahrhaft majestätisch. Trotz Karajan, Bernstein, Solti usw.: Böhm ist hier meine Nummer 1.


    Spielzeiten: 4/1971 - 12/1971


    Introitus:
    Requiem aeternam: 6:23 - 5:52
    Kyrie: 3:13 - 3:12


    Sequentia:
    Dies irae: 1:59 - 2:05
    Tuba mirum: 4:17 - 4:01
    Rex tremendae: 3:10 - 3:22
    Recordare: 7:02 - 6:11
    Confutatis: 3:50 - 3:45
    Lacrimosa: 4:10 - 4:49


    Offertorium:
    Domine Jesu: 4:39 - 4:15
    Hostias: 5:05 - 5:48


    Sanctus: 1:57 - 1:59
    Benedictus: 6:53 - 6:03
    Agnus Dei: 4:38 - 4:38
    Communio: Lux aeterna: 6:50 - 7:03

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da kommen wir ja, lieber Joseph, was Böhms Aufnahme aus der Piaristenkirchen angeht, zum gleichen Ergebnis, allerdings sehe ich Harnoncourts frühe Aufnahme mit dem gleichen Chor auf gleicher Höhe, wenngleich der Concentus nicht die majestätische geradezu romantische Wucht der Wiener Symphoniker erreicht, wohl aber dies durch ungeheure Dynamik ausgleicht und durch durchgehenden Vorwärtsdrang einen anderen Charakterzug dieses Requiems herausstellt, der ihn als ebenfalls Sturm- und Drangwerk reinsten Wassers ausweist.
    Die zweite Böhmaufnahme mit den Philharmonikern und den anderen Solisten muss ich mir noch besorgen, und ich bin schon gespannt auf den Eindruck, den ich gewinnen werde. Es wird gewiss kein schlechter sein. Ich werde mich jetzt bereit machen zu einem anderen musikalischen Hochgenuss.
    Heute Abend werde ich in Köln das Orchestre de Paris unter Daniel Harding mit Jörg Widmanns Violakonzert (Antoirne Tamestit) und Mahlers Neunter erleben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich finde Böhms erste Studioaufnahme des Mozartrequiems am besten und spannendsten (unter den Böhm-Hinterlassenschaften) (Ex Philips, Wiener Symphoniker). Die Orfeo-Liveaufnahme finde ich wegen der Solisten auch interessanter als die DG-Studioaufnahme (Chor ist bei Böhm eh nicht auf dem heutigen erwartbaren Niveau). Den Unitel-Film finde ich ok.



    Er hat Jehova gesagt!

  • Willi erwähnt in Beitrag 168 die frühe Harnoncourt-Aufnahme: was haltet Ihr denn von dieser hier, die 2008 erschienen ist?



    Der Klang ist so gut, daß es diese Version auch als SACD gibt.

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  • Willi erwähnt in Beitrag 168 die frühe Harnoncourt-Aufnahme: was haltet Ihr denn von dieser hier, die 2008 erschienen ist?



    Der Klang ist so gut, daß es diese Version auch als SACD gibt.


    Entstanden ist diese Aufnahme offenbar bereits 2003.


    Ich habe vorhin probeweise hineingehört via Spotify. Scharfe, stark zugespitzte Kontraste (typisch später Harnoncourt). Sicherlich hohes Niveau, künstlerisch wie klanglich. Was mir als einziges nicht besonders gefiel: Das Lacrimosa in gerade 3 Minuten durchgehetzt. Da liegt mir persönlich Böhm mit seinen beinahe 5 Minuten (DVD) schon deutlich mehr. Harnoncourt nimmt das Tempo am Ende des Lacrimosa auch nicht zurück und setzt ein merkwürdiges Decrescendo ein. Bei Böhm dagegen ein regelrechter Gänsehautmoment. Diese Aufnahme habe ich mir gestern nochmal komplett angehört und war tief berührt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das Mozart-Requiem spielt seit meiner Jugendzeit in meiner Sammlung sakraler Musik eine herausragende Rolle. Erstmals kennengelernt habe ich es bei einem Freund, das muß so um das Jahr 1958 herum gewesen sein, mit der alten Decca-Aufnahme unter Josef Krips (mit der "Wiener Hofmusikkapelle", was auch immer sich hinter diesem Namen versteckt). Eine schöne, aber leider klanglich ziemlich dürftige Aufnahme, aus dem Jahr 1950. Ich glaube, da wirkten als Solisten u.a. auch Wiener Sängerknaben mit.
    Kurz später kaufte ich mir die Jochum-Aufnahme von 1956, die aus Anlaß des 200. Geburtstages Mozarts im Wiener Stephansdom (unter Live-Bedingungen) aufgezeichnet wurde, mit hervorragenden Solisten, aber ebenfalls einem gewöhnungsbedürftigen Klangbild, zudem recht getragenen Tempi. Deshalb schaffte ich mir als zweite LP des Werks die EMI-Aufnahme unter Rudolf Kempe an, die ebenfalls mit einem tollen Solistenquartett (Grümmer/Höffgen/Krebs/Frick) aufwarten konnte. Stereo war zu der Zeit (zumindest für mich) noch kein Thema, und so war ich mit dieser auch klanglich sehr ordentlichen Mono-Fassung recht zufrieden.
    Als schließlich so um 1965 auch bei mir STEREO seinen Siegeszug angetreten hatte, kam noch die Westminster-Aufnahme unter Hermann Scherchen dazu, die mich sehr positiv, nicht nur weil sie Stereo war, beeindruckt hat.
    Seitdem ist meine Sammlung natürlich weiter gewachsen, aus der ich zwei Aufnahmen hier nennen möchte, die bisher (soweit ich feststellen kann) in diesem Thread noch gar nicht erwähnt wurden. Einmal diese:



    mit Helen Donath (S), Christa Ludwig (A), Robert Tear (T) und Robert Lloyd (B),
    Philharmonia Chorus and Orchestra London, Dirigent: Carlo Maria Giulini (Aufnahme: 1978); also die ältere EMI-Aufnahme, nicht die von Sony.
    Eine Aufnahme in großer, traditioneller Besetzung, also nichts für HIP-Anhänger. Für mich eine der bedeutenden Versionen dieses "vielgeschundenen" Werks. Soweit ich es feststellen kann, benutzt Giulini, zumindest weitgehend, die herkömmliche Süßmayr-Fassung.


    Und dann diese Aufnahme, die ich mir, ich gebe es freimütig zu, eigentlich nur gekauft habe, weil der Name Gundula Janowitz unter den Mitwirkenden zu finden ist (die Sängerin hat m.W. sonst keine Studio-Aufnahme des Werks gemacht):




    Weitere Mitwirkende: Julia Bernheimer (A), Martyn Hill (T), David Thomas (B) sowie
    The Hanover Band and Chorus, Dirigent: Roy Goodman (Aufnahme: 1990). Es handelt sich lt. Cover und Booklet um die "Robbins Landon Edition, first recording".
    Ich gebe freimütig zu, daß ich eigentlich kein Freund von HIP-Aufnahmen bin, doch war, ich ehrlich gesagt, angenehm überrascht. Die Tempi sind relativ lebhaft, aber keineswegs überzogen flott. Die ganze Interpretation ist hörenswert, allerdings kann ich (als Laie) wenig Unterschiede zur Süßmayr-Fassung ausmachen. Unter den Solisten sticht eindeutig Janowitz heraus, aber auch die übrigen, mir nicht weiter bekannten, machen einen guten Eindruck. Es ist eine Digital-Aufnahme, der Klang ist ausgezeichnet.


    Kennt jemand aus dem Forum diese Aufnahme, und kann er dazu etwas sagen? Würde mich sehr interessieren.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Goodmann is good, wie Christie und diverse andere gemäßigte HIP-Interpreten.


    Zwischen der gebräuchlichen Normalausgabe und der Edition Robbins Landon gibt es auch kaum Unterschiede zu Hören, weil RL lediglich behutsam einige satztechnische Problemstellen Süßmayrs "korrigiert" hat.


    Die erste Krips-Aufnahme gibt es wieder via Australian Eloquence und die Wiener Hofmusikkapelle ist eine Insitution bis zum heutigen Tage.


    http://www.hofmusikkapelle.gv.at/


    Er hat Jehova gesagt!

  • die Wiener Hofmusikkapelle ist eine Insitution bis zum heutigen Tage


    Danke, Johannes Schlüter, für die prompte Antwort und die Aufklärung.
    Soweit ich mich erinnern kann, stand auf der LP meines Freundes (es handelte sich um die Lizenzausgabe eines Plattenclubs) nur die "Hofmusikkapelle", während auf der von Dir gezeigten CD auch die "Wiener Philharmoniker" genannt werden. Handelt es sich bei der Hofmusikkapelle um den Chor (der Wiener Sängerknaben)? Als Nicht-Wiener bin ich da wirklich leicht konsterniert. ?(


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ist doch alles erklärt auf der Internetseite von denen. Mitglieder der Wiener Sängerknaben, Mitglieder des Herrenchors der Staatsoper, die Choralschola der Hofburg und Mitglieder der Philharmoniker sind für die Sonntagsmessen der Hofburg und für andere Gelegenheiten die Hofmusikkapelle.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Und dann diese Aufnahme, die ich mir, ich gebe es freimütig zu, eigentlich nur gekauft habe, weil der Name Gundula Janowitz unter den Mitwirkenden zu finden ist (die Sängerin hat m.W. sonst keine Studio-Aufnahme des Werks gemacht)


    Jein. Die von mir genannte Filmaufnahme unter Böhm von Dezember 1971 ist praktisch eine Studioproduktion. Man kann das gut anhand der sichtbaren (nicht hörbaren) Schnitte zwischen den meisten Sätzen erkennen. Frau Janowitz ist, wie das übrige Solistenquartett (Ludwig, Schreier, Berry), ganz vorzüglich. Es handelt sich um gutes Stereo der frühen 70er Jahre und es gibt keine störenden Nebengeräusche. Ich habe mir von der DVD kürzlich sogar die Tonspur extrahiert, so dass ich diese tolle Interpretation nun bei Bedarf auch ohne Bild anhören kann.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ist doch alles erklärt auf der Internetseite von denen.


    Stimmt, hatte die aber noch nicht aufgerufen. Werde mir das später genauer anschauen.
    In Wien ist ja manches ein wenig "unübersichtlich", so sind die Wiener Philharmoniker wechselweise auch als "Orchester der Wiener Staatsoper" zu erleben, und so dachte ich, die "Hofmusikkapelle" sei auch ein Ableger der Philharmoniker, oder der Symphoniker, die auf Karajans 1950er Aufnahme der Bach-Messe H-moll als "Orchester der Gesellschaft der Musikfreunde Wien" auftreten, während das Londoner Philharmonia Orchestra, mit dem die Aufnahmen der Solisten gemacht wurden, gar nicht genannt werden!

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Heute habe ich die neue Aufnahme von Bernstein angehört.

    Die Sopranistinnen Marie McLaughlin und Maria Ewing finde ich für die Besetzung sehr gelungen. Auch Jerry Hadley und Cornelius Hauptmann singen hervorragend. Die Texte werden verständlich gesungen. Der riesige Chor singt auch mit klarer Stärke .Das Orchester und der Organist spielt das Anspruchsvolle Werk sehr kraftvoll.

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Ohne das jetzt weiter vertiefen zu wollen, aber zwei Aufnahmen landen regelmäßig bei mir im CD-Spieler, wenn ich Mozarts Requiem hören möchte:


    61efNciQdhL.jpg


    und:


    Mozart:Requiem K.626


    Die Kempe-Aufnahme entstand fast gleichzeitig mit dem legendären Brahms-Requiem (1955), von dem im entsprechenden Thread ausführlich die Rede war. Leider ist auch diese Aufnahme noch Mono, aber sie klingt sehr ordentlich und hat ein glänzendes Solistenquartett, mit Elisabeth Grümmer an der Spitze, aufzuweisen. Und Rudolf Kempe erweist sich auch hier als einfühlsamer Dirigent sakraler Musik.

    Ganz gegensätzlich faßt Hermann Scherchen das Werk auf. Er beeindruckt nicht nur durch heftige dynamische Kontraste, sondern auch durch manchmal befremdliche Tempi. So braucht er für das Werk über 6 Minuten länger als Kempe, während er doch sonst allgemein für seine forsche Herangehensweise bekannt war (Beethovens Achte!). Sein Solistenquartett ist nicht so erlesen wie das von Kempe, macht aber seine Sache gut. Klangtechnisch ist die Aufnahme frühes Stereo (6/1958).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ganz gegensätzlich faßt Hermann Scherchen das Werk auf.

    Lieber Nemorino, wahrscheinlich weißt Du es schon, aber es gibt eine frühere Mono-Aufnahme von Scherchen, mit Magda Laszlo, Hilde Rössel-Majdan, Petre Munteanu und Richard Standen. Diese frühere Einspielung wurde öfters gelobt, weil, wie so oft bei 'Remakes', die zweite Einspielung nicht so geschlossen und spannend rüberkommt (siehe auch ,Messias' und die H-Moll Messe unter Scherchen). Vielleicht kennst Du schon die erste Einspielung, aber falls nicht, und falls die Mono-Aufnahme für Dich erträglich ist (Westminster hat sehr gute Mono-Aufnahmen gemacht!), würde ich sie Dir empfehlen.


    LG,

    M_P

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