Ich müsste jetzt natürlich einige Werke wieder probehören. Obwohl ich auch manchmal den Verdacht hege, dass fehlende melodische und motivische Prägnanz eine Ursache für die Verbannung etlicher Meister in die zweite Reihe oder die Vergessenheit sein könnte, ist mein Eindruck nach vielen Jahren Musikhörens, dass "thematische Plastizität" ziemlich subjektiv ist und stark von Präferenzen, Hörerfahrung usw. abhängt.
Ich denke, es hängt auch davon ab, wieviel man kennt und was der Maßstab ist. Brahms hat einige Werke geschrieben, in welchen Themen vorkommen, die zu den allerbesten überhaupt gehören, wie etwa Op. 8, Op. 15, Op. 25 oder Op. 78. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass in vielen seiner Werke, z.B. Opp. 26, 60, 99, 100,101, allen Streichquartetten, etc.. das thematische Material weniger eindringlich ist als in der Mehrzahl der Kompositionen von Schubert, Mendelssohn, Dvorák und auch Schumann. Das sind allerdings auch nur eine Handvoll Komponisten aus einer Armee von Hunderten. Diese vielen Komponisten sind aber gemeinhin unbekannt, was zu einer Unterschätzung der Brahmsschen melodischen Erfindungskraft führt. Bezüglich Bruckner gebe ich Dir völlig recht.