Schubert, Franz: Impromptus

  • c-moll glaube ich - habe grade keine noten da, denke aber es ist die dominante... melodie geht ja mit c, d, es los... diese leeren g-octaven kommen bei schubert ja öfter (D960 usw.)

  • mein derzeitiges lieblings-impromptu ist das in as-dur (d 935 no.2), bei der mir zwei einspielungen sehr gefallen:
    - edwin fischer und v.a.
    krystian zimerman, der wunderbar "singt", manchmal vielleicht einen tick zu "weich" und romantisch spielt



    noch immer aber bin ich auf der suche nach weiteren einspielungen dieses stücks (kenne sonst nur noch: schnabel, firkusny) - gibt es empfehlungen gerade für das as-dur impromptu? (lupu? kenne den nur mit 960, 959, 958, 894, 784 und moments musicaux)


    mein ideal wäre wahrscheinlich gulda, leider hat der meines wissens nach aber nur die op 90, D899 eingespielt. doch WIE!
    meine absolute liebste schubert cd und eine einspielung, die für mich zu den top ten meiner gesamten sammlung gehört, ist die cd "gulda plays schubert", erschienen als eine seiner letzten veröffentlichungen auf dem eigenen label "paradise productions",die via amazon leider s**teuer ist (auch wenn sie jeden einzelnen penny wert ist, versprochen...):

    417Y57K9CKL._SS500_.jpg


    genau diese aufnahme, die gulda im booklet-text als unlängst eingespielt darstellt (".. war ich ein letztes mal auf 'visit' ") und die dort mit den aufnahmeinformationen "aufgenommen im paradise studio, recorded at weissenbach 1999" versehen ist, birgt aber ein wirklich spannendes rätsel:
    ein guter freund schickte mir, nachdem er diese aufnahme sich zugelegt hatte, eine von ihm von lp nach cd transferierte gulda-aufnahme mit eben diesem programm, erschienen in der serie "festival classique" irgendwann in den 60ern !! - mit genau denselben tracklängen, phrasierungen etc. - als geübte hörer sind wir uns sicher, dass es identische einspielungen sind.


    ich habe bei einem meiner besuche in münchen im plattengeschäft "ludwig beck" (am rathauseck) den entsprechenden fachverkäufer darauf angesprochen, der für den kontakt zu "paradise productions" zuständig ist und dabei den kontakt zur witwe guldas hält: er hat diese darauf angesprochen, sie hatte aber wohl keine erklärung dafür.
    nun gibt es, so entdeckte ich unlängst, via jpc die cd "friedrich gulda -the concert hall recordings"-


    5060028040162.jpg


    , die eben jene impomptus op 90 & moments musicaux op. 94 enthält - evtl. ist dies die dritte veröffentlichung einundderselben gulda-schubert aufnahmen?
    evtl. lebt da draußen irgendein gulda-spezialist, der eine erklärung hat? vielleicht gibt es ja einen gulda-thread, muss gleich mal nachsehen..


    da ich dieen den thread hier aber sowieso schon fast mit text gesprengt habe, lasse ich es lieber gut sein jetzt...
    herzlicher gruß!
    john lackland

  • Ich habe diese Platten und finde, es sind meine besten:



    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Liebe Taminoianer,


    Ich bin nach zwei Konferenztagen mit anschließender Marathonsitzung etwas groggy. Ich habe auch keinen Thread über die drei Klavierstücke DV 946 gefunden, daher stelle ich das einmal hier herein.


    Des weiteren ist das nur der erste Teil der Geschichte. Ich verbinde mit dem letzten Stück eine ganz exakte Dramaturgie, die ich hier nur andeuten werden. Es kommt dann noch eine genauere Aufgliederung von Musikbeispielen.


    Die vor zwei Tagen vorgenommene Einspielung ist eine Katastrophe. Ich habe ungefähr zwei Stunden längere Passagen eingespielt, wurde immer müde und müderer und wollte es unbedingt fertigstellen, um die Besprechung vorzunehmen.


    Warum ich es kurzfristig doch auf youtube lasse hat folgenden Grund:


    1) den Anfang empfinde ich tempomäßig richtig. So möchte ich das auch hören und nicht langsamer.
    2) Teile des Mittelteils halte ich für ok und kann sie als Beispiele verwenden.
    3) Der Übergang vom langsameren Teil auf die Wiederholung des A-Teils hat einen fürchterlichen Tempo-Bruch. Es ist ein gutes Abschreckungsbeispiel, wie durch das wiederholte Spielen (vielleicht 50 x die Ungeduld wächst und das Tempo hinaufgeht.)
    4) im mittleren Teil war ich eigentlich ruhig.
    5) Was man als Vortragender normalerweise nicht den Hörer mitbekommen lassen möchte, ist die Schwierigkeit eines Stückes. Das geschah hier absolut nicht freiwillig. Vor 15 Jahren konnte ich das wesentlich genauer und besser spielen.
    Irgendwo kam in diesem Forum ja auch vor, dass Schubert technisch leicht sein sollte.


    Warum es für mich grauslich zu hören ist:
    Der ganze Klang im zweiten A-Teil. Obwohl ich dazu bemerken möchte, dass ich dieses Schubert stück in den A Teilen wirklich "hart" hören möchte, vor allem die Kadenzen in der linken Hand.
    Der schönste Teil im A Teil kurz vor dem abrupten Ende klingt überhaupt nicht schön. Vor dem Flügel sitzend, tönt der Bass nicht so erschlagend. Aber die rechte Hand muss zwar laut aber trotzdem kantilenenhaft wirken. Es ist ein ziemlich böses Feedback, wenn ich mich erst über die Aufnahme so hören kann.
    Ich bin gespannt, ob ich das doch nicht besser hinbekommen kann.


    Jetzt zur Interpretation:
    A-B-A
    A: die drängenden Synkopen sind für mich der anklopfende Tod.
    die schnellen Sechzehntel sind das winselnde Aufbegehren des sich gegen den Tod Wehrenden.
    die harten, dreimal wiederholten Kadenzen sind für mich so, wie das bekannte "Es muss sein". Der Tod insistiert. Dass die Kadenzen dreimal vorkommen, assoziiere ich mit Faust: "Du musst es dreimal sagen!"
    Die Sechzehntel heben noch einmal an - und entwickeln sich weiter.
    Zu einer wunderschönen Melodie: "schau her, ich kann ja noch was, hör dir an, wie ich noch singen kann." (Hört man leider bei mir nicht, aber ihr könnt euch vorstellen, welche Stelle ich meine.)
    Abrupter Abbruch.
    B: Reminiszenz an das Leben. Alles wird verklärt, in der Erinnerung ausgeschmückt. Es gibt einige Passagen, wo ein sehnsüchtiges Drängen herausgehört werden kann. "Ja, manchmal gab es auch Liebe oder Sehnsucht."
    Übergang von B nach A:
    Der kommt recht überraschend, obwohl er nicht mit einem Tempobruch daher kommen sollte. Doch sehr überzeugend und schnell sind wir wieder im Dialog des ersten Teiles.
    A: der spielt sich so ab wie beim ersten Mal. Doch statt des abrupten Abbruchs geht es jetzt mit der Überleitung zum Ende weiter. Zwei Steigerungen, die erste wieder durch die "verdammte" Kadenz beendet. Ein letztes Aufbäumen, dann werden die ersten Takten zu unerbittlichen Richtschlägen zum Ende.
    (Das Akzelerando, was ich hier am Schluss einsetze, steht nicht so ausdrücklich da, aber für mich erscheint es als logische Notwendigkeit. Da wird nicht langsam gestorben sondern unerbittlich.)


    Tja, ich gebe den guten Rat, eine schöne Einspielung abspielbereit zu halten, damit ein schöner Eindruck behalten wird.
    Aber vielleicht ist es doch für einige interessant, eine authentische Stellungnahme zu hören. Die Interpretation habe ich ausschließlich aus der Musik. Einem Klavierprofessor, dem ich sie einmal erzählte, meinte lakonisch "ganz falsch". Und nach einer Pause: "aber warum nicht."


    "http://www.youtube.com/watch?v=KG5sGS5aEtw" (vom Ersteller entfernt)

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • Mit den Schubert'schen Impromptus hat sich bei mir einmal mehr eine beträchtliche Bildungslücke aufgetan, wie ich feststellen musste / durfte. Die zu schließen bin ich aber nun wild entschlossen. Auslöser dafür waren die 3 Klavierstücke D 946, die mir durch einen Zufall kürzlich zu Gehör kamen und die es mir seitdem sehr angetan haben. Insbesondere deren zweitem (Es-dur) mit dem im wahrsten Sinne des Wortes schrecklich schönen B-Teil bin ich umgehend verfallen. Die Abgründe, die sich bei aller Anmut und Lyrik in dieser innigen kleinen Tragödie auftun, sind wahrhaft erschütternd.


    Bisher kenne ich nur die letzten beiden Einspielungen von Alfred Brendel (beide Philips), dennoch würde ich mich aber nicht scheuen, insbesondere für seine Digital-Aufnahme des Stücks eine vorbehaltlose Empfehlung auszusprechen. In höchstem Maße lyrisch aber (dem Stück äußerst angemessen) nie wirklich ruhig, tief empfunden und zuweilen fast geisterhaft lotet Brendel hier die Tiefen der Schubert'schen Seele aus:



    Ich werde mir sicher noch weitere Einspielungen anhören (und mir natürlich auch die anderen Impromptus besorgen), aber ich kann mir im Moment nur schwer vorstellen, daß Brendels Interpretation noch jemand wesentlich zu übertreffen vermag.


    Ebenfalls sehr gut gefällt mir das erste Klavierstück (es-moll), das von ganz ähnlichem Charakter ist, nicht aber in diese Tiefen vordringt. Nicht ganz so viel bedeutet mir hingegen der von einer etwas heitereren Grundstimmung geprägte 'Rausschmeißer' (C-dur), aber das kommt vielleicht noch...

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  • Eine Aufnahme der Impromptus Franz Schuberts dargeboten auf dem Hammerklavier möchte ich erwähnen: Alexei Lubimov hatte 2009 beim französischen Label ZigZag D. 899 und D. 935 eingespielt. Für jede Werkgruppe stand ihm ein anderes Fortepiano zur Verfügung: eines von Matthias Müller (1810) und eines von Joseph Schantz (1830).

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo Tobias,


    Auf den besonderen Zauber, der von den Klavierstücken (Impromptus) D 946 ausgeht, die ich schon in meiner frühen Jugend kannte, wurde ich zum Glück schon ziemlich frühzeitig aufmerksam, nämlich als ich für Philips den Cover-Text für die 1975 neu herausgekommene LP mit ALFRED BRENDEL übersetzte. Es handelt sich hier wohl um eines der individuellsten Werke, die SCHUBERT komponiert hat. Sie entstanden im Mai seines Sterbejahres 1828, waren von SCHUBERT wohl nicht zur Veröffentlichung bestimmt, und von ihnen geht stellenweise ein Gefühl der Trauer und Einsamkeit aus.


    Selten habe ich diese 3 Klaviersstücke so sensibel und mit soviel Tiefgang gehört wie in der Interpretation durch ALFRED BRENDEL, und wie Du so treffend formulierst, lotet er hier in der Tat schon fast erschütternd die Tiefen der schubert'schen Seele aus.


    Nicht ganz so introvertiert, dafür sehr klangschön, mit singendem Ton, natürlicher Lebendigkeit und differenzierter Rhythmik die mir ebenfalls sehr ans Herz gewachsene Interpretation durch JÖRG DEMUS, dessen Einspielung der Impromptus op. 142, D 935 nicht weniger gut gelungen ist.


    Ebenso überzeugend und wunderbar übrigens auch ALFRED BRENDEL's Aufnahme der Impromptus op. 142, D 935, die ich aber auch ebenso gerne, wie gesagt, in der Darstellung durch JÖRG DEMUS, aber auch durch INGRID HAEBLER höre.


    Für die Impromptus op. 90, D 899 lege ich mir in jedem Fall am liebsten die zauberhaft gefühlvolle, und dennoch nicht mit zuviel Bedeutsamkeit befrachtete Einspielung durch INGRID HAEBLER auf, die durchaus nicht nur eine begnadete MOZART-Interpretin war.


    Viele Grüße
    wok


    [am] B00AEUSHF6[/am]

  • Auf diese Stücke kam ich heute kurz im Beethoven-Thread über die Sonate Nr. 13 zu sprechen im Zusammenhang mit der CD-Ausgabe Claudio Arrau Heritage, und ich erwähnte, dass ich sie auch von Schubert besäße und dass ich zu den Klavierstücken D.946 noch gesondert im entsprechenden Thread, also hier, etwas sagen möchte:


    Vor vielen Jahren hatte ich die Klavierstücke nur in der Einspielung Brendels. Dann bekam ich diese Arrau-Box und war überrascht, als ich die Klavierstücke hörte, nicht, weil sie zweimal verzeichnet waren, sondern auch ob ihrer Länge. Deshalb habe ich mal das erste Stück näher untersucht und fand dazu im englischen Wikipedia folgenden Eintrag:


    "No. 1 in E-flat minor
    The main section (allegro assai) is in 2/4 time, though, as it is largely in triplets, the effect is like 6/8 for much of the time. It soon moves to E-flat major. As originally written, the piece had two trios, the first in B major, andante in alla breve time, and the second in A-flat major, andantino in 2/4. Schubert crossed out the second, but it is not infrequently played also, as heard in the recordings by Arrau, Pires and Uchida."


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    Da ich die Aufnahme auch von Mitsuko Uchida habe, habe ich zuerst Arrau in der Einspielung von 1956 gehört und dann Mitsuko Uchida in der Einspielung von 1998. Zu Grunde legen möchte ich noch, dass schon unser ehemaliger "Erleuchteter" Ulli, der Gründer dieses Threads, in Posting Nr. 1 festgestellt hatte, dass dieses Stück fünfteilig ist. Und so habe ich die Spielzeiten mal gegenübergestellt:


    Arrau 1956: A1: 2:25 - B: 6:12 - A2: 1:21 - C: 3:56 - A3: 1:19 -- 15:15 min.;
    Uchida 1998: A1: 1:17 - B: 3:19 - A2: 1:16 - C: 2:17 - A3: 1:13 -- 09:25 min.;


    Wir sehen, dass Arrau schon 1956, im Alter von 53 Jahren, wie auch bei Beethoven, ein sehr moderates Tempo nahm und alle Wiederholungen beachtete, denn die A-Teile nahm er natürlich nicht im halben Tempo von Uchida, die übrigens bei ihrer Aufnahme auch schon 50 Jahre alt war und im nächsten Monat am 20. ihren 65. Geburtstag feiern wird. Sechs Wochen später, am 29. 01. 2014 werde ich sie dann wieder in Köln live erleben, natürlich mit Schubert, Sonate D.894 und Beethovens Diabelli-Variationen.
    Mitsuko Uchida spielt anscheinend die Trio-Noten im Andante (B) und Andantino (C) alla breve im Gegensatz zu Arrau, sonst käme der Riesenunterschied von 10:08 zu 5:36 für beide Trio-Teile wohl nicht zu Stande. Außerdem lässt sie im Gegensatz zu Arrau die Wiederholung im 1. Teil (A1) aus.
    Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich (wenn ich denn die Noten habe, ausführlicher über die 3 Klavierstücke sprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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    Interessehalber habe ich dieses Stück soeben auch noch mal in dieser Interpretation von Alfred Brendel vom Juni 1974 gehört. Er spielt es ähnlich tief im Ausdruck wie Arrau und wohl im ersten Trio B-dur nicht alla breve. Im eröffnenden es-moll Allegro assai ist er exakt so lang wie Arrau und im ersten Trio ähnlich lang. Das zweite Trio spielt er nicht und das abschließende Allegro dann auch ohne Wiederholung.


    Die Spielzeiten:


    Brendel 1974: A1: 2.23 - B: 5:11 - A2: 1:23 -- 8:57 min.;


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Gestern (22.02.2016) wurde im Schweizer Radio SRF2 Concerto in der Sendung »Diskothek« Schuberts Impromptus op 90 besprochen und verglichen.


    Sechs Aufnahmen standen zur Debatte, u.a.:



    Überraschend die Ergebnisse:
    »Keine der sechs Aufnahmen vermochte so richtig zu begeistern.
    Die Interpretation von Alfred Brendel wirkt sehr statisch, bei Grigori Sokolov ist das gewählte Tempo beim ersten Impromptu sogar noch langsamer und es fehlt jeglicher Schwung. Tzimon Bartos Spiel empfinden die beiden Gäste als manieriert und das von Javier Perianes ist ihnen zu glatt.
    Auch die Aufnahme auf Hammerklavier mit Alexei Lubimov bringt nicht die erhofften Feinheiten zum Tragen, sondern wirkt eher grob.


    Am überzeugendsten Teo Gheorghiu:
    der junge Pianist artikuliert differenziert, sein Spiel ist virtuos und sehr solistisch. Dynamisch bewegt er sich allerdings vor allem im Forte-Bereich, dadurch geht das Intime von Schuberts Impromptus etwas verloren.


    Was meinen die Forianer zu diesem Vergleich?

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • In meinen Ohren hat Brendel die Definitionshoheit über die Impromptus, wobei ich gegenüber der neuen digitalen Version eher die frühere analoge Philips-Aufnahme vorziehe (Tempowahl, manche Pedalisierungen, Ausführung von Ornamenten an einigen Stellen), die jetzt fälschlicherweise unter dem Decca-Label zu bekommen ist:



    Sehr erfüllt, durchdacht, singend und musikalisch finde ich das - keineswegs "sehr statisch". Wie diese Herren auf so ein Urteil kommen, verstehe ich nicht wirklich.
    Das historische Instrument der Lubimov-Aufnahme ist mir wieder so ein Beispiel für einen Klang, bei dem ich nicht nachvollziehen kann, weshalb das jemand bevorzugt. Beim Ab-Dur Impromptu klingt der Ton recht kurz, dumpf, nicht besonders edel im Timbre und wie aus dem Nebenzimmer oder aus einem Karton. Der allererste Ton klingt schon schwebend, wie verstimmt. Das Eb- im Tenor, das bei der Themenvorstellung ja mehr als genug angeschlagen wird, nervt schnell mit diesem bumm-bumm----bumm bumm.... Vokal klingt das ja nicht, aber manche wollen es ja so haben. Die Musik Schuberts will es aus meiner Sicht nicht so haben.


    Die Einleitung des c-moll Impromptus erklingt bei Perianes für mich vollkommen missverstanden - viel zu langsam, zu breit und unrhythmisch. Schubert ist Schubert und sollte nicht wie mit gefühlig russischer Seele und unmotiviertem Rubato zerdehnt werden.
    Gerade hier finde ich Brendels Lösung ganz hervorragend; mir am liebsten - wie gesagt - in der genannten "Decca"-Aufnahme, die ja eigentlich keine ist....


    Bei diesem Stück klingt es auf dem Hammerklavier schon beim ersten Ton (G in Oktaven) wieder fast so, als ob man einen Klavierstimmer anrufen müsste, obwohl es dann - merkwürdig genug - irgendwie doch wieder nicht verstimmt ist. Wie das sein kann, könnte ja ggf. einer erklären, der sich mit dem Instrumentenbau auskennt. Man hört auch im weiteren Verlauf die klopfenden Anschlagsgeräusche für mich einfach zu deutlich.
    Der Pianist stellt mir die einstimmige Themenvorstellung im Sopran der rechten Hand zu wenig geheimnisvoll, zu banal und zu laut dar.
    Ob das seine Auffassung ist, oder das Instrument nicht viel leiser gespielt werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis.


    Die Kempff-Einspielungen kenne ich leider nicht, lieber Holger, und online kann man ja auch nicht hineinhören....
    Allerdings habe ich mir einmal den Anfang der Sonate für Klavier B-dur D 960 von Schubert mit Kempff angehört - so gespielt ist das natürlich große Musik. Mein Lehrer hätte gesagt "er spielt es anständig", also ohne falsche Sentimentalitäten aber echter Emotion und eben "sauber" und "klassisch".


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • In meinen Ohren hat Brendel die Definitionshoheit über die Impromptus, wobei ich gegenüber der neuen digitalen Version eher die frühere analoge Philips-Aufnahme vorziehe ( Tempowahl, manche Pedalisierungen, Ausführung von Ornamenten an einigen Stellen), die jetzt fälschlicherweise unter dem Decca-Label zu bekommen ist:


    Lieber Glockenton,


    ich habe die alte 1972iger Aufnahme, die in der Philips-Schubert-Box drin ist. Auch sie hat mich nicht so 100%ig überzeugt. Warum es Kempff nirgendwo zu hören gibt, verstehe ich auch nicht. Ich höre nun Lahusen auf Hammerklavier... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat

    Glockenton: In meinen Ohren hat Brendel die Definitionshoheit über die Impromptus,....


    In meinen auch, lieber Glockenton. Ich hatte es an anderer Stelle schon mal vor einigen Jhrren gesagt, das ich Brendel meine Liebe zu Schuberts Klaviermusik verdanke. Vor vielen Jahren war ich einmal an einem Samstagmorgen mit dem Auto unterwegs, als ich nach Anschalten des Radios eine erregende Eröffnung eines Klavierstückes hörte. Ich fuhr sofort rechts ran, um dem Stück weiter zu lauschen. An zwei wiederkehrenden Stellen ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Das Stück hatte mich durch und durch erschüttert. Ich erfuhr nach Verklingen des Stückes, dass es Alfred Brendel war, der das Impromptu f-moll D.935 Nr. 1 gespielt hatte.
    Du wirst sicher wissen, lieber Glockenton, an welchen Stellen ich geweint habe. Nur noch ein Pianist hat es später geschafft, mich an den gleichen Stellen weinen zu lassen - Radu Lupu.
    Als ich Jahre später Alfred Brendel live in der Kölner Philharmonie wieder mit diesem Impromptu hörte, traf es mich noch stärker, und ich merkte wohl, dass ich nicht der Einzige war, dem es so erging.
    Ein guter Bekannter von mir, der leidlich gut Klavier spielt, sagte mir einmal, er könne Schubert nicht mehr spielen, weil er davon so erschüttert würde, dass er weinen müsste. Als ich ihn dann fragte, bei welchen Stücken es ihn denn am meisten schüttelte, nannte er D.960, bei dem es mir ähnlich ergeht, und eben D.935 Nr. 1.
    D.960 ist auch die Sonate aus dem gesamten Sonatenoeuvre aller Komponisten, die ich bisher am häufigsten im Konzert gehört habe, und die Aussichten sind nicht schlecht, dass ich sie in den nächsten Jahren auch noch einmal von Sokolov hören werde.


    Zu der weiter oben erwähnten "Kritikaster-Offenbarung" sage ich mal lieber nichts.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich habe diese CD seit vielen Jahren in meiner Sammlung:



    Es sind schon bemerkenswerte, mit einer großen dynamischen Spannweite vorgetragene Impromptus, lieber Holger, die auch von der hohen Anschlagskultur Zimermans zeugen, wie man gleich zu Beginn des ersten Impromptus c-moll D.899 erfahren kann. Schön, dass man Zimerman bei seinem großartigen Tun auch mal zuschauen kann.


    Ich vermute einmal, dass die DVD auch von 1991 ist und der Inhalt mit den Impromptus auf der CD identisch ist?


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es sind schon bemerkenswerte, mit einer großen dynamischen Spannweite vorgetragene Impromptus, lieber Holger, die auch von der hohen Anschlagskultur Zimermans zeugen, wie man gleich zu Beginn des ersten Impromptus c-moll D.899 erfahren kann.


    Ja, lieber Willi, das ist wirklich ganz große, erlesene Spielkultur bei Zimerman - so habe ich ihn auch im Konzert erlebt. Ich glaube, beide Aufnahmen sind nicht identisch! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Willi,


    zu Deinem Beitrag 45 kann ich nur sagen, dass ich genau verstehe, worum es geht.
    Das ist nun einmal die unfassbar tragische Komponente, die in der Musik Schuberts enthalten ist, manchmal auch - und gerade dann - wenn es in Dur geht.
    Mir ist es selbst so ergangen, als ich das As-Dur-Impromptu übte, bzw. nachdem ich fertig war und wieder in der Küche saß, aber im Kopf die Musik noch weiterspielte. Auf einmal wurde mir bewusst, wie traurig das eigentlich ist und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten.
    Wenn es einem Interpreten - wie Brendel - gelingt, nicht zwischen der Musik dem Hörer zu stören, sondern vielmehr den eigentlichen Kern der Botschaft weiterzugeben, dann ist das etwas Wunderbares.


    Leider muss ich an dieser Stelle mich für ein paar Tage verabschieden. Meine Frau hat eine Hütte in den norwegischen Bergen reserviert, höchstwahrscheinlich ohne Internet. Die Musikbeispiele mit Zimerman höre ich mir dann an, wenn ich wieder zurückgekommen sein werde.


    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Leider muss ich an dieser Stelle mich für ein paar Tage verabschieden. Meine Frau hat eine Hütte in den norwegischen Bergen reserviert, höchstwahrscheinlich ohne Internet. Die Musikbeispiele mit Zimerman höre ich mir dann an, wenn ich wieder zurückgekommen sein werde.


    Leider??? :D Das ist doch paradiesisch, lieber Glockenton. Mal ganz ohne dieses "kulturverdorbene" Suchtmittel PC nur die Natur genießen - beneidenswert! Wäre ich auf so einer Hütte, würde ich nur den Zeichenblock mitnehmen... Also schöne Erholung! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat Glockenton

    Zitat

    In meinen Ohren hat Brendel die Definitionshoheit über die Impromptus, wobei ich gegenüber der neuen digitalen Version eher die frühere analoge Philips-Aufnahme vorziehe (Tempowahl, manche Pedalisierungen, Ausführung von Ornamenten an einigen Stellen), die jetzt fälschlicherweise unter dem Decca-Label zu bekommen ist:


    Meine Güte, was habe ich alles an schönen Diskussionen verpasst. Schubert Improntus habe ich selbst nie gespeilt, ich habe mich nie daran gewagt, zurückschreckend vor der Tiefe und dem Abgründigen. Brendel lotet das wirklich ganz fein aus und hat das Schubert-Spiel auf eine neue Ebene gehoben, wie ich finde. Aber Deutungshoheit ... ich weiß nicht. Ich bin ja ein Vertreter der Pluralität. Und gebe Willi sehr gern recht mit seinem Hinweis auf Radu Lupu, der mit seinem sensiblen Anschlag Schubert zu einem Erlebnis macht. Zimmermann ist ebenfalls wunderbar, eine wirklich hohe Spielkultur. Nur habe ich manchmal den Eindruck, dass er die Abgründe dieser Musik ebenfalls ein wenig scheut, ich müsste auch das aber genau nachhören. Und dabei liegen noch Stapel ungehörter Aufnahmen erwartungsfroh neben dem Player.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Die Schubert-Impromptus begleiten mich seit meiner Kindheit. Wenn man die vier Stücke jeweils zusammen hört, könnte man meinen, das sind viersätzige Sonaten. Im Konzert hörte ich sie unlängst mit Rudolf Buchbinder. Da habe ich besonders sein Spiel des As-Dur Impromptu op. 90 verfolgt, weil ich dieses Stück selber als 14jähriger in einem Schülerkonzert gespielt habe. Das ist ein etwas wehmütiges, dann aber doch wieder lebensbejahendes Werk. Ein stimmungsvoller Klangzauber, der durch herabfallende Läufe erzeugt und durch einen hochdramatischen Mittelteil unterbrochen wird. Zimerman spielt das sehr sensibel, das hört sich schon gut an. Aber sicher kann man das auch noch tiefgründiger spielen. Ich habe eine Aufnahme mit Arthur Schnabel, die wohl inzwischen vergriffen ist, da ist der Schlussteil abgekürzt, deshalb kommt er mit knappen 6 Minuten aus im Gegensatz zu Zimerman, der zwei Minuten länger braucht. So etwas kann man doch nicht machen, ich habe dafür keine Erklärung.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Schellack-Spieldauer?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Aber Deutungshoheit ... ich weiß nicht. Ich bin ja ein Vertreter der Pluralität.


    Lieber JLang,


    ich natürlich auch. Ich meinte natürlich Deutungshoheit innerhalb meiner privaten Schubert-Welt. Dort allerdings gibt es noch Uchida, der ich auch sehr gerne zuhöre. Es ist besonders schön, wenn man nicht nur perfektes Klavierspiel zu hören bekommt, sondern die irgendwie nicht vollständig mit Worten oder Noten zu beschreibene eigentliche Hintergrundbotschaft der schubertschen Musik sich in der eigenen Seele bemerkbar macht.
    Diese Botschaft ist es ja, die das eigentlich Anrührende ist.



    Holger:


    Danke für die guten Wünsche! Es war sehr schön. Die Ruhe und die gute Luft im norwegischen Hochgebirge ist schon beeindruckend - auch die Schneemengen. Ich hatte auch ein E-Piano mit Orgelsound dabei, weil ich mir übefreie Tage vor einem Konzert nicht leisten kann. Da gibt es zwar kein Basspedal, aber es gibt immer auch genügend Probleme im manualiter-Bereich zu lösen....


    Zu Zimerman:


    op.90 Nr. 3
    Das gefällt mir sehr gut - gesanglich, lyrisch aber nicht sentimental. Klanglich sehr schön abgestuft zwischen Begleitung und Kantilene.


    op.90 Nr. 1


    Viel Gutes, aber ich finde nicht, dass man am Anfang auf einen durchgehenden (nicht starren) Puls so deutlich verzichten sollte. Zudem sind mir die Fortestellen etwas zu hart/laut. Bei 2.45 (in der Nähe) und ähnlichen Stellen ist mir wieder die Ausdrucks-Agogik etwas zu stark.
    Da gibt es eine gewisse formale Balance, die dadurch gestört wird. Das Gefühl einer zusammenhängenden Sanglichkeit wird dadurch m.E. etwas beeinträchtigt. An der Stelle - Brendel zeigt es- kann man genau das Richtige, das Zimerman hier ja zweifellos ausdrücken will, eben auch mit nahezu ausschließlich dynamischen Mitteln erreichen.


    Das Eb-Dur-Stück ist zwar auch recht eindeutig agogisch "geschwängert", aber hier m.E. noch nicht zuviel. Der ruhige, nicht zu schnelle Anfang ist sehr klug. Der Hörer wird so in das Stück mitgenommen.


    op. 90 Nr. 4
    ...ist selbstverständlich hervorragend gelungen.


    Klanglich und technisch-pianistisch ist das ja alles Klavierspiel auf höchstmöglichem Niveau - überhaupt keine Frage.


    Auf meiner Kaufliste ist allerdings diese Einspielung, nachdem ich in die Musik bereits hineingehört hatte:



    Uchidas Klavierästhetik gefällt mir einfach sehr gut - nicht für für Mozart, sondern eben auch für Schubert.
    Es gibt ja ohnehin gewisse Verbindungen zwischen diesen beiden Komponisten, bei allen Unterschieden...
    Die Impromptus habe ich einzeln von ihr nicht mehr gefunden, aber es ist vielleicht eh besser so, denn diese Schubert-Sonaten möchte ich ja sehr gerne in ihren Interpretationen hören und im Bestand haben.


    Gruß :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat Glockenton

    Zitat

    Lieber JLang,


    ich natürlich auch. Ich meinte natürlich Deutungshoheit innerhalb meiner privaten Schubert-Welt. Dort allerdings gibt es noch Uchida, der ich auch sehr gerne zuhöre. Es ist besonders schön, wenn man nicht nur perfektes Klavierspiel zu hören bekommt, sondern die irgendwie nicht vollständig mit Worten oder Noten zu beschreibene eigentliche Hintergrundbotschaft der schubertschen Musik sich in der eigenen Seele bemerkbar macht.
    Diese Botschaft ist es ja, die das eigentlich Anrührende ist.


    Lieber Glockenton,
    ich wollte Dir ja auch keine eindimensionale Sicht unterstellen. Ich finde, dass die Schubert’schen Tiefen und Untiefen jeden Pianisten an die Grenzen des Möglichen (und vielleicht manchmal sogar des persönlich Erträglichen) bringen. Brendel ist ein unvergleichliches Lot dieser Tiefen und ich kann verstehen, dass er in Deinem Schubertkosmos die Deutungshoheit besitzt. In meiner Schubertwelt teilt er sich diese mit Radu Lupu und Uchida. Lupu, weil ich einen großen Teil der Sonaten erstmals unter ihm gehört habe und seine Anschlagskultur und Schattierungen die musikalischen Botschaften Schuberts so übermitteln, dass sie mich unmittelbar treffen. Was Du über Uchidas Klavierästhetik schreibst, kann ich nur unterstreichen.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Lieber JLang,


    ich verstehe schon :)
    Ich meine auch zu verstehen, dass wir ganz ähnlich empfinden im Bereich der Schubert-Interpretation und der grundsätzlichen Art, wie man Musik der Wiener Klassik und der Romantik so auf dem Flügel angehen soll.
    Lupus Schubert kannte ich bisher nicht, sondern nur seinen Brahms. Die Brahms-CD mit Lupu ist für mich definitiv die beste Brahms-Klaviersolo-CD, die ich besitze. Das geht genau in meine Richtung ( bei Brahms vierhändig sind es die Kontarskys mit den Haydn-Variationen und der f-moll-Sonate, Aufnahme bei DG).


    Jetzt habe ich mir gerade diese CD hier



    in den Ausschnitten angehört, und bin wild entschlossen, mir die zu besorgen, so schnell es mir nur möglich ist.


    Da höre man nur in Track 6 hinein ( Ab-Dur, Allegretto). So ist das wirklich meisterhaft gespielt und von jenem Geist beseelt, der hinter diesen Noten steht und zur Komposition inspirierte. Es hört sich wohl nach verbrauchtem hohlen Pathos an, aber ich kann hier nicht anders als zu sagen: Da ist sie, die Musik.
    Man hört, dass es derselbe Pianist ist, der diesen so ergreifenden Brahms spielte.
    Gibt es so etwas heute noch? Ich fürchte fast nein....


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Viel Gutes, aber ich finde nicht, dass man am Anfang auf einen durchgehenden (nicht starren) Puls so deutlich verzichten sollte. Zudem sind mir die Fortestellen etwas zu hart/laut. Bei 2.45 (in der Nähe) und ähnlichen Stellen ist mir wieder die Ausdrucks-Agogik etwas zu stark.

    Schö, dass Du gut erholt wieder da bist! :) Am Anfang, lieber Glockenton, finde ich das vielleicht auch ein bisschen zu "novellistisch" - mit Zimermans Aufnahme habe ich mich auch urlang nicht mehr beschäftigt, eine Cassette einst überspielt, die ich heute gar nicht mehr abspelen kann. :D


    Apropos Deutungshoheit bei Schubert (ich klammere jetzt die alles überragenden Einzelaufnahmen (Schnabel, Pollini...) aus und sehe auf die (annähernd) komletten): Bei mir gehören dazu neben Brendel auf jeden Fall Wilhelm Kempff - und natürlich ganz besonders der unvergleichliche Svjatoslav Richter.


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat Glockenton


    Zitat

    Da höre man nur in Track 6 hinein ( Ab-Dur, Allegretto). So ist das wirklich meisterhaft gespielt und von jenem Geist beseelt, der hinter diesen Noten steht und zur Komposition inspirierte. Es hört sich wohl nach verbrauchtem hohlen Pathos an, aber ich kann hier nicht anders als zu sagen: Da ist sie, die Musik.
    Man hört, dass es derselbe Pianist ist, der diesen so ergreifenden Brahms spielte.
    Gibt es so etwas heute noch? Ich fürchte fast nein....


    Lieber Glockenton,
    ja, ich denke, dass wir ganz vergleichbare Vorstellungen haben, wenngleich Du Deine immer so wunderbar fachlich und praxisnah begründen kannst und ich einfach nur als Laienhörer schildere. Lupu als Brahms Interpret war mir so wichtig, dass ich nie auf die Idee gekommen war, die hochgelobten Aufnahmen von Katchen zu hören (das habe ich aber mittlerweile endlich nachgeholt). Dass Dich die Lupu Impromptus beim Reinhören überzeugt haben, freut mich sehr zu hören. Es ist eine dieser CD’s, bei denen mich in meiner Jugend die ersten Töne trafen (ähnlich die ersten Takte seiner Schubert-Sonaten).
    Ich will versuchen, dass an D899 Nr. 1 im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu verdeutlichen: es beginnt ja als sehr schlichtes Werk: ein ff Schlag, auf den dann in pp die einfache, viertaktige Melodie (in der Wiederholung als Akkord) folgt. Das sieht im Notenbild ganz einfach aus und muss m. E. auch s gespielt werden. Je übertriebene Agogik liefe Gefahr, diese fragile Schlichtheit zunichte zu machen. Diese Gratwanderung bewältigt Lupu mit einem grenzenlosen Vertrauen in die Musik Schuberts, seine Anschlagskultur ist das geeignet Mittel, sie zu mir zu transportieren. Lupus Allegro ist in der Tat molto moderato (deshalb klingt mir Zimerman immer ein wenig zu schnell ... natürlich nur, weil ich an Lupu gewöhnt bin). Die lyrische Passage ab Takt 74 spielt Lupu mit allergrößter Innigkeit. Insgesamt schafft er es, den ruhigen Puls, der sich durch das Werk zieht (das ab Takt 84 durchklopfende G) und das Werk auch zusammenhält, ganz sorgsam und gleichmäßig durchzuhalten. Sein ff ist vielleicht manchmal ein wenig zurückhaltend, entspricht aber dann eben auch seinem betörend leisen pp so dass hier das Gleichgewicht nicht gestört wird. In meinen Ohren durchzieht das Impromptus Nr. 1 eine schlichte Traurigkeit (ohne jede Theatralik) die nur in wenigen Takten einmal durchbrochen wird durch ein Aufbegehren, dessen ganze Sinnlosigkeit sich in der schnellen Rückführung ins p oder pp und Eingliederung in den gleichmäßigen, ruhigen Grundpuls äußert. Lupu erkennt diese Traurigkeit Schuberts an, begehrt nicht in einem trotzigen Impuls auf, sondern akzeptiert sie ebenso wie Schubert sie scheinbar akzeptiert hat: als unverrückbare Tatsache. Vielleicht liegt in diesem Zulassen, das der Interpret erst einmal auszuhalten imstande sein muss, der besondere Zauber und die besondere Herausforderung. Lupu zeigt sich ihr nicht nur gewachsen, er hat eine CD vorgelegt, die mein Schubert Verständnis bis heute prägt.
    Mit herzlichem Gruß und einer Entschuldigung, der langen Verzögerung meiner Antwort.
    JLang

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  • Ich will auch hier den Ball wieder aufgreifen und irgendetwas tun, damit es mir wieder besser geht, denn wer fährt schon in Urlaub und ist die ganze Zeit gerne krank. Drum, als ich heute Nachmittag an meinem Lieblingsplatz in Puerto direkt am Wasser saß, an einer Bucht, wo die Wellen auch bei ganz normalem Wetter gerne mal mit Macht an Land donnern, ließ ich mir von der Bedienung das WiFi-Passwort bringen und ging auf Youtube. Dort war jedoch eine schlechte Verbindung, und so ging ich später in mein Hotel und legte Radu Lupu auf, allerdings eine Live-Aufnahme aus 2012:



    und was soll ich sagen, sie gefiel mir nicht so gut wie die Aufnahme, die ich in meinem Besitz habe und die mich als eine von nur Zweien bisher zu Tränen gerührt hat:



    Es geht nur um ein winziges Detail, gleichwohl eine enorme Schlüsselstelle zu Beginn der Themenwiederholung im überirdischen lyrischen Seitenthema des Impromptus Nr. 1 f-moll D.935 (op. 142), in die Lupu wie auch Brendel ein zartes Ritartando eingebaut haben, das für mich von enormer Ausdrucksbedeutung ist.
    Brendel war übrigens der Erste, ich erwähnte es schon verschiedene Male, der mich mit dieser Stelle am Haken hatte und mich erst zwingend zur Klaviermusik Schuberts hingeführt hat.
    Jetzt wird es mein Bestreben sein, Lupu möglichst noch im nächsten Jahr in meinen Konzertkalender einzubauen, auch wenn er dieses Impromptu nicht spielt.
    Aber er ist nun mal wie Brendel, Kempff, Richter, Leonskaja u. a. einer der ganz großen Schubertpianisten.
    Während meiner Erinnerungsarbeit ist mir aufgefallen, warum Radu Lupu und Elisabeth Leonskaja wohl ein eo enges künsterisches Verhältnis haben könnten. Sie sind altersmäßig nur eine Woche auseinander, und das könnte auch wohl der Grund gewesen sein, dass Elisabeth Leonskaja, die bei einem Konzert Radu Lupus direkt vor mir saß, nach dem Konzert regelrecht ausflippte und mehrfach schrie "Spiel, spiel", um ihn damit zu Zugaben aufzufordern.
    Vielleicht besteht ja auch Aussicht, dass er sich noch einmal bekehren lässt, doch wieder Aufnahmen zuzustimmen, nachdem ja zumindest diese Tonaufnahme von 2013 aufgetaucht ist.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eine weiter Perle der Diskographie von Schuberts op. 142 Nr. 1 mochte ich hier hinzufügen, die ich eben mit gr0ßem Erstaunen und großer Freude gehört habe, weil ich diese Aufnahme bisher nicht kannte:



    Auch Maria Joao Pires, die im Grundtempo noch ein wenig langsamer ist als ihre beiden männlichen Kollegen, versteht es, einen großartigen Spannungsbogen aufzubauen und ist am richtigen Ort (s. o.) zur Stelle. Auch ihr gelingt diese Schlüsselstelle überragend, wie sie überhaupt die dynamischen Bögen noch ein wenig feiner zeichnet und einem eminent klaren Klang schafft. --- Grandios!


    Liebe Grüße


    Willi :)

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