Um die Werke eines bestimmten Komponisten aus der Nische herauszuholen wäre meiner Einschätzung nach also vor allem entscheidend, per Marketing ein Momentum zu erzeugen, daß nämlichen Künstler als 'das nächste große Ding' erscheinen lässt - dem noch nicht geneigten Publikum mithin eine Meinung vorsetzt, die es sich zueigen machen kann. Und daß ist nunmal ungeheuer schwer und mit finanziellen Risiken behaftet.
Das ist natürlich völlig illusorisch. Man kann in Jubiläumsjahren versuchen, klassikfernen Hörern, Mozart als "Rockidol des Rokoko" aufzuschwatzen, aber mit Vanhal oder Salieri dürfte das schwerfallen. Der Witz ist ja gerade, dass musikalisch und außermusikalisch die weniger bekannten Komponisten nicht so viele Alleinstellungsmerkmale haben. Wenn das der Fall ist, etwa bei Bläserkonzerten, von denen es nicht viele gibt, werden sie ja auch öfters gespielt.
ZitatUm aber dennoch noch einmal auf die musikalische Qualität an sich zurückzukommen, hätte ich da noch eine Frage an Euch:
ich habe mich in der Kürze meines Klassikhörer-Daseins naturgemäß noch kaum mit Nischenkomponisten beschäftigt. Gibt es denn Werke, von denen Ihr ohne Umschweife sagen würdet 'Die sind mindestens so gut wie Haydn / Beethoven / Mahler etc.'?, sprich die gehörten in einer 'gerechten Welt' regelmäßig auf's Konzertprogramm? Bei allen Hinweisen auf Komponisten aus der zweiten Reihe, die ich bisher mitgelesen hatte, vermisse ich diese eindeutige Aussage bisher. Ich bin aber für alle Hinweise dankbar!
Was ist "mindestens so gut"? Griegs Klavierkonzert ist in etwa so beliebt wie Schumanns, ich halte es für ein weit weniger interessantes (und eher flaches) Werk, aber es hat anscheinend Qualitäten, die die Popularität sichern. Chopins Konzerte haben unbestrittene Schwächen, vermutlich könnte man mit Fug und Recht geltend machen, dass es zB von Hummel einige Konzerte gibt, die "mindestens so gut" sind wie Chopins. Aber anscheinend wirken die Stärken dieser Werke Chopins oder Griegs so viel stärker, dass ihre Schwächen kaum ins Gewicht fallen.
Es gibt dutzende von Sinfonien die "mindestens oder ungefähr so gut" wie viele frühe Sinfonien Mozarts oder Haydns sind. Allerdings ruht der Ruhm Mozarts freilich auch nicht auf einer Sinfonie, die er mit 13 oder 14 komponiert hat.
Interessanter sind normalerweise Werke, die sich stilistisch stärker von dem, was man eh kennt, unterscheiden. Z.B. die Sinfonie C.P.E. Bachs, eines seinerzeit anerkannt großen und sehr originellen und einflussreichen Komponisten. Die bieten uns heute m.E. mehr als die Werke seines jüngsten Bruders Joh. Christian, der den jungen Mozart stark beeinflusste. Auch der hier im Forum vor einiger Zeit stark beworbene Joseph Martin Kraus klingt, obwohl Altersgenosse anders als Mozart (nämlich eher nach Gluck, der hauptsächlich Opern schrieb)
Barock lasse ich mal weg; da ist ein gut Teil der "traditionellen" Auswahl noch immer so willkürlich, dass man sehr viele Stücke/Komponisten nennen könnte, die hörenswert wären.
In der Spätromantik wäre z.B. die Sinfonie von Hans Rott zu nennen, die seit knapp 20 Jahren vom Insider- beinahe zum Repertoire-Stück mit einem halben Dutzend oder mehr Aufnahmen geworden ist. Siehe entsprechende threads; Rott war ein Schüler Bruckners, der einiges von Mahler vorweggenommen hat, leider aber schon sehr jung dem Wahnsinn verfallen ist und in einer Anstalt starb. Es ist freilich mehr oder minder das Erstlingswerk eines sehr jungen Komponisten. Dass sie "mindestens so gut" wie die Mahlersinfonien sei, würde ich nicht behaupten.