Dieses Klaviertrio, das zusammen mit dem berühmten "Geistertrio" (Op. 70/1, D-Dur) in Druck ging, gehört für mich vollkommen unverständlicherweise zu den Stiefkindern in Beethovens Kammermusikwerk. Beethoven schrieb dieses, nach offizieller Zählung sechste, Trio gleichzeitig mit dem D-Dur Schwesterwerk Ende 1808, also gut 10 Jahre nach seinem letzten Klaviertrio Op. 11 ("Gassenhauer"). Im Gegensatz zum Gesitertrio hat dieses Trio, dem kein Beiname beschoren ist, wieder eine viersätzige Anlage, welche aber von der Norm insofern abweicht als es weder einen eindeutigen langsamen noch einen eindeutigen Tanzsatz gibt. Eine weitere Besonderheit ist die ausgedehnte langsame Einleitung des ersten Satzes, welche am Ende noch einmal wiederholt wird (analog zu Haydns Symphonie I:103). Der Satzverlauf ist der folgende:
1. Poco sostenuto - Allegro ma non troppo
2. Allegretto
3. Allegreto ma non troppo
4. Allegro
Für Beethoven sind das natürlich schon sehr zurückgenommene Tempovorschreibungen, was vielleicht den geringen Bekanntheitsgrad des Trios mitbegünstigt hat - zu viel "ma non troppo" passt nicht zu den gängigen Erwartungen an Beethoven....
Der erste Satz ist praktisch durchgehend im freundlichen Ton gehalten, d.h. sowohl die langsame Einleitung als auch der Allegroteil. Der zweite Satz, der mehr oder weniger für den langsamen Satz steht, ist ein Doppelvariationssatz mit alternierenden Variationen über ein C-Dur und ein c-Moll-Thema, wobei die Themen eindeutig verwandt sind. Der dritte Satz - de facto der Tanzsatz - ist ebenso wie der erste entspannt und sonnig im Charakter. Eine auffallende Besonderheit ist der B-Teil , der nach waschechtem Schubert klingt - ein richtiger Aha-Effekt. Tatsächlich finden sich ähnliche Figurationen wiederholt im Klavierpart des Es-Dur Trios von Schubert. Der Finalsatz ist ein richtiger Kehraus, vituos und übermütig. Dieser Satz sol selbst für Professionisten zur Zeit Beethovens so schwer auszuführen gewesen sein, dass Beethoven gebeten wurde, Fingersätze nachzuliefern. Insgesamt ergibt sich ein im Grundcharakter sehr spielfreudiges, optimistisches Werk, das jedoch voller wunderbarer Finessen steckt. Ich stehe nicht an zu sagen, dass dieses Werk mein liebtes Beethoven-Trio ist - trotz der prominenten Konkurrenz.
Ich besitze drei Aufnahmen dieses Trios:
Spielzeiten:
I, 10:14
II, 5:05
III, 5:21
IV, 7:38
Spielzeiten:
I, 10:03
II, 4:45
III, 6:32
IV, 7:42
Spielzeiten:
I, 10:24
II, 5:40
III, 5:32
IV, 8:00
Von diesen Interpretationen gefällt mir die des Florestan Trios eindeutig am besten. Nicht nur hat Pianistin Susan Tomes den Anschlag, den ich für die Beethoven-Trios gesucht habe, nämlich knapp und trocken, sondern auch das im Vergleich höhere Tempo in den Mittelsätzen gefällt mir sehr gut. Die über eine Minute längere Speilzeit im dritten Satz ist darauf zurückzuführen, dass die Florestans den B-Teil in seiner Gesamtheit wiederholen. Diese Wiederholung wird von den beiden anderen Formationen ausgelassen.