Parsifal in Salzburg 2013

  • Ebensowenig habe ich verstanden, welche Aufgabe der an einen kleinwüchsigen Rigoletto erinnernde Stumme wahrnehmen sollte? Ein Alter ego von Amfortas?

    Ich empfand das so, dass er eben Klingsor darstellte. Das Alter Ego wurde notwendig, weil man ja auch einen Sänger für Klingsor benötigt...



    wer glaubte, nach dem Essener Parsifal gäbe es kaum mehr eine Steigerung des Unsinns, der wurde in Salzburg eines Besseren belehrt. Einen solchen Ausbund an Scheußlichkeiten habe ich noch nie gesehen.

    Dann hast du wirklich noch nicht viel gesehen... :D



    immer wieder interessant, wie Höreindrücke divergieren können: Mein Highlight des Abends war sicherlich Wolfgang Koch als Amfortas / Klingsor (nicht Titurel, wenn mir diese Korrektur erlaubt ist). Danach gleich Michaela Schuster Kundry, die ich sehr dramatisch (durchaus auf Augenhöhe z.B. mit Waltraud Meier) empfand. Der Gurnemanz interpretiert von Stephen Milling war im ersten Aufzug besser, als im dritten - solide, aber nicht überragend. Ähnlich Johan Botha, der im ersten Aufzug vielversprechend begann, im zweiten die Form noch halten konnte (sowohl gesanglich, als auch physisch ... :stumm: ), im dritten aber stark nachließ. Gut gefallen hat der Chor. Thielemann bevorzugte offenbar die eher langsame Lesart à la Knappertsbusch; die Folge war eine, bis auf wenige Stellen des Verschleppens, gelungene Orchesterarbeit.

    Die unterschiedlichen Meinungen zu den künstlerischen Leistungen sind wirklich erstaunlich. Ich empfand die gesamte Sängerriege gut bis sehr gut (eher sehr gut) - mit einer Ausnahme: Johan Botha brachte für mich die überragende Leistung des Abends. Allerdings scheine ich mit meiner Meinung einer klaren Minderheit anzugehören. Was viel zu wenig gewürdigt wurde war die phantastische Leistung der Chöre, die keinen Wunsch offen ließen. Bleiben noch Orchester und Dirigent: klanglich wunderschön, mit atmosphärisch außerordentlichen Momenten und schönen Steigerungen. Meine persönliche Einschränkung: in langsameren Passagen konnte Thielemann seltsam statisch werden, der musikalische Fluss kam ins Stocken. Es gibt Beispiele, wo mit geringerem Grundtempo der musikalische Fluss überzeugender gehalten wird. Denn die angeblich "eher langsame Lesart Thielemanns" stimmt objektiv nicht. Er ist gegenüber seinem Mitschnitt aus Wien im Jahre 2005 zehn Minuten schneller geworden und wie ein Bekannter berichtet, unterbietet er Jimmy Levine aus Bayreuth 1985 um 46(!!!) Minuten. Natürlich ist er deswegen kein Boulez oder Kegel, aber besonders langsam war das nicht...
    Man sollte aber auch die Übertragung lobend erwähnen. Diese Quasi-Live-Übertragung wurde offenbar sehr glücklich von einem kundigen Tonmeister verantwortet. Es war nichts von der 3sat-üblichen klanglichen Kastration zu vernehmen, kein gnadenloses dynamisches Niederbügeln - eine sehr erfreuliche Übertragung! Es gab einmal ein Insert, dass der 5.1 Ton ausgefallen sei, der Zweikanalton funktionierte aber einwandfrei (und war natürlich auch digital).



    Ich denke mal auch bei der Besetzung hätte Thielemann ein besseres Händchen gehabt, den die war mit Verlaub auf Provinztheater Niveau.

    Das Provinztheater möchte ich sehen, das so eine Besetzung auf die Bühne bringt! Derartige Bemerkungen halte ich für vollkommen unqualifiziert. Es ist eine Desavouierung der gezeigten Leistungen. Dass insgesamt bessere Leistungen bekannt sind, gibt niemandem das Recht, die Sänger vom Samstag derart niederzumachen.



    Wenn neben Sky Unitel Classica sich schon 3sat der Oper annimmt, sollte man erstens nicht auf eine der unzugänglicheren Opern Wagners und zweitens auf halbwegs klassische oder bezüglich Tradition und Moderne ausgewogene Inszenierungen zurückgreifen.

    Oha, jetzt gibt es bei uns auch Experten, die den Sendeanstalten Tipps geben, in welcher Reihenfolge sie gefälligst ihre Opernübertragungen ausstrahlen sollen. Bewirb dich doch um einen Beratervertrag bei 3sat! ;)
    Ich meine, ein Programmverantwortlicher kann nicht besser handeln, als die wichtigsten aktuellen Produktionen aus den prominentesten Aufführungsorten ins Programm zu nehmen. Natürlich wäre es schön, könnten auch besonders geglückte Inszenierungen von kleineren Bühnen gezeigt werden, aber ich fürchte, dass in Zeiten ständiger Kürzungen der Kulturbudgets auch bei TV-Anstalten kein müder Euro für derartige Sonderwünsche freigeschaufelt werden kann. Und daraus, dass diese Aufführungen oft nicht den Geschmack von Anhängern mehr traditioneller Inszenierungen treffen, kann man den Sendern keinen Vorwurf machen, da muss man einen anderen Baum anbellen.



    Eine Institution wie Salzburg sollte sich mit dem modernen Regietheater zumindest kritisch auseinandersetzen und gleich gar sollte man vermeiden, einen Ausnahmeoperndirigenten wie Thielemann derart zu verheizen und damit zu desavouieren.

    Ich kann gar nicht ausdrücken, wie lächerlich ich derartige Meinungen empfinde. Thielemann wurde hier nicht verheizt - ganz im Gegenteil, diese Übertragung war ein weiterer Beweis, dass er mit der Staatskapelle Dresden zur Zeit eine der ersten, wenn nicht die erste Adresse für eine Parsifal-Aufführung ist. Wer soll das toppen? Vielleicht Thielemann selber mit den Wienern?!


    Und wie soll eine kritische Auseinandersetzung mit dem modernen Regietheater aussehen? Mir fällt da nur ein Symposium ein, für eine Aufführung kommt man aber nicht umhin, einen Regisseur zu engagieren, und der hat nun einmal freie Hand (man könnte einwenden, zu freie Hand...).



    Im Grunde meine ich, dass der Salzburger Parsifal-Inszenierung von Michael Schulz hier zu viel Aufmerksamkeit gezollt wird. Sie taugt weder als Paradebeispiel einer gelungenen, noch einer abschreckenden sog. Regietheater-Inszenierung. Für beides war sie schlicht zu langweilig!

    Der letzte Satz lässt mich aufmerken. Wie bitte soll eine spannende (= nicht langweilige) Parsifal-Inszenierung aussehen? Für mich ist der Parsifal ein Werk, das sich solchen inszenatorischen Überlegungen eigentlich entzieht. Die Spannung kann eigentlich nur aus der Musik heraus entstehen und kann von der Inszenierung durch passende und möglichst eindrucksvolle Bilder unterstrichen werden.
    Alle Beispiele, die ich kenne, litten mehr oder weniger unter dem Umstand, dass die Regisseure aus der Verzweiflung heraus, einen derartig statischen Stoff auf die Bühne bringen zu müssen, ihn mit allen möglichen fremden Elementen ausstaffierten, um ihn irgendwie interessanter zu machen. Ein Scheitern auf unterschiedlichem Niveau war eigentlich immer die Folge...


    Der Regisseur Michael Schulz meinte in einem kurzen Interview, dass er mit dem Parsifal in seiner ursprünglichen Konzeption wenig bis nichts anfangen könne. Wie seine neue Konzeption realisiert wurde, ist eigentlich gar nicht so uninteressant. Zuerst wurde die Geschichte aufs Minimum reduziert und in eine sehr abstrakte Welt verpflanzt. Monsalvat scheint hier auf Grönland gelandet zu sein (ich weiß nicht, was die Leute mit ihren Raumanzügen haben, solche Monturen kennt man von Polarexpeditionen), erster und dritter Akt werden von teils riesigen "gläsernen" Elementen beherrscht (die Kunststoffindustrie wird sich über den Großauftrag gefreut haben). Klingsors Zaubergarten ist eine Art Skulpturenpark. Hätte man die Hauptfiguren alleine in dieser Kulisse agieren lassen, wäre die Geschichte immer noch einigermaßen herübergekommen. Es wurde also an der Essenz des Stoffes nicht gerüttelt, keine neue Geschichte erfunden. Auch wurde den Sängern nichts ungewöhnliches abverlangt, nicht gegen die Musik inszeniert. So weit so gut. Dieses Skelett wurde dann durch viele assoziative Elemente aufgefüllt, die die eigentliche künstlerische Aussage bildeten. Ich hatte den Eindruck, dass eigentlich alle klaren Aussagen, die man laut Textbuch zu kennen meint, mehr oder weniger stark relativiert werden. Nichts ist mehr, wie man es gewohnt ist, klare Bezüge werden aufgelöst. Überzeugend fand ich das nicht, aber "langweilig" ist eigentlich nicht das Attribut, das mir zu dieser Inszenierung einfällt....



    Aber auch da hätte er ja - denn ich denke, dass er nicht ganz in Unkenntnis darüber war, was dort verzapft wurde - absagen können. Dass er sich doch hergegeben hat, kratzt mit Sicherheit auch ein wenig an seinem Ruhm, vor allem, weil man ja hört, dass er kein Freund des Verunstaltungstheaters sei, sich also selbst untreu geworden ist.

    Mehr, als jedem Künstler nahezulegen, dass sie die Teilnahme an dir nicht genehmen künstlerischen Veranstaltungen durch Absage entgehen sollen, fällt dir wohl nicht ein?



    Denn jedes Wort über diesen Unsinn ist schon ein Wort zuviel, er ist der Worte nicht wert.

    Wieder ein Fall, wo jemand in vielen Beiträgen wortreich betont, dass jedes Wort zuviel sei.
    Das nennt man wohl paradox... ;)



    Und wie immer das Hauptproblem: Warum kann man die Oper nicht einfach in einem vagen Mittelalter ohne jeden Firlefanz spielen lassen?

    Weil man vermutlich große Probleme hätte, Regisseure zu finden, die selbst mit vorgehaltener Pistole dazu bereit wären.... :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus so bösartig war das mit dem Provinz Theaterniveau gar nicht gemeint. Harald und Dr Pingel werden mir sicherlich bestätigen können das wir hier in NRW genauso hervorragende Sänger erleben können, wie in Salzburg und Begeisterungsstürme beim Schlussapplaus waren das in Salzburg auch nicht. An der Rheinoper habe ich schon 20 minütige stehende Ovationen am Schluss erlebt.

  • Provinz Theaterniveau... das wir hier in NRW genauso hervorragende Sänger erleben können, wie in Salzburg

    ... oder z. B. in Aix en Provence. Ich habe vor gut einer Woche in meinem heimatlichen "Provinz- Musiktheater" eine Sängerin als Violetta in der Traviata erlebt, gegen die hätte ich die Dessay garantiert nicht tauschen wollen!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • An der Rheinoper habe ich schon 20 minütige stehende Ovationen am Schluss erlebt.


    Ja, wenn du die Rheinoper als Provinztheater verstehst....



    (Du bist dir aber wohl im Klaren, dass du ab jetzt bei Harald Kral auf der schwarzen Liste stehst! ;) )

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • im Vergleich zu Salzburg sind doch wohl Düsseldorf oder Duisburg Provinz :) . Und deshalb kann man das was unsere Theater in NRW leisten nicht hochgenug anrechnen. Und wie schon vorher geschrieben, als Intendanten des MIr in Gelsenkirchen schätze ich die Arbeit von Herrn Schulz sehr.

  • im Vergleich zu Salzburg sind doch wohl Düsseldorf oder Duisburg Provinz


    Überlege einmal: wo kommen denn die Sänger her, die in Salzburg singen? Die sind sicher fast alle auch in Düsseldorf bekannt. Der "Vorteil" von Salzburg liegt darin, dass das gesamte Ensemble gleichmäßig hochwertig besetzt ist, so wie es auch in Düsseldorf eben eher die Ausnahme als die Regel ist. Auch hat das Ensemble in Salzburg eine vergleichsweise umfangreiche Probenzeit für eine Operninszenierung. Das bildet bessere Voraussetzungen, heißt aber noch lange nicht, dass nicht auch anderswo exzellente Aufführungen geboten werden. Ich kann einen erfolgreichen Opernabend nur so weit planen, dass ich bestmögliche Voraussetzungen schaffe. Aber auch dann muss das beglückende Erlebnis erst "passieren", es kann aber auch einfach nur ein guter Opernabend werden...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Aix en Provence sind Festspiele! Das kann man nicht Provinztheater nennen...


    Ja, das ist mir schon klar und ich wollte diese Festspiele auch nicht zum "Provinztheater" degradieren. Im Gegenteil. Ich vermute doch wohl zurecht, daß gerade bei solchen Festspielen, wo auch das Fernsehen mit dabei ist, schon "große Solisten" mit großen Namen engagiert sind. Und mit meinem Beitrag wollte ich Rodolfo beipflichten und bestätigen, daß auch an nicht so großen, bekannten und bedeutenden Häusern mitunter Solisten zu finden sind, die noch keinen großen Namen haben und trotzdem hervorragend sind.
    Und so habe ich unlängst in meinem heimatlichen "Provinztheater" eine (noch?) unbekannte
    Antje Bitterlich als Violetta in der Traviata erlebt, die ich ganz sicher der bekannten und teilweise hochgelobten Nathalie Dessay vorziehen würde. Das wollte ich damit ausdrücken.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Der letzte Satz lässt mich aufmerken. Wie bitte soll eine spannende (= nicht langweilige) Parsifal-Inszenierung aussehen? Für mich ist der Parsifal ein Werk, das sich solchen inszenatorischen Überlegungen eigentlich entzieht.
    Alle Beispiele, die ich kenne, litten mehr oder weniger unter dem Umstand, dass die Regisseure aus der Verzweiflung heraus, einen derartig statischen Stoff auf die Bühne bringen zu müssen, ihn mit allen möglichen fremden Elementen ausstaffierten, um ihn irgendwie interessanter zu machen. Ein Scheitern auf unterschiedlichem Niveau war eigentlich immer die Folge...

    Nun kann man es drehen und wenden, wie man will - nichtsdestotrotz ist Parsifal kein Oratorium (da ist der Wilson-Parsifal hier an der Staatsoper Hamburg m.E. auch nicht mehr zu toppen ...), sondern eine Oper und bedarf als solche per definitionem der Darstellung auf der Bühne, vulgo: der Inszenierung. Wir sind sofort einer Meinung, dass gerade der Parsifal dbzgl. eines der problematischsten Werke der Opernliteratur ist, aber ein bisschen mehr, als die Arbeit Herrn Schulzens hätte ich mir schon gewünscht. Seine Idee der Verdoppelung mag sogar diskutabel sein, aber ich vermochte sie auf der Bühne eigentlich nicht schlüssig zu entdecken. Und dort, wo sie m.E. wirklich interessant geworden wäre, nämlich in der Paarung Amfortas / Klingsor als jeweils alter ego des anderen, fehlte sie gänzlich (ich meine nach wie vor, dass die Besetzung beider Rollen mit Wolfgang Koch kein Einfall der Regie, sondern rein ökonomisch begründet war - vergessen wir nicht, dass es den Salzburger Festspielen trotz allem Hype finanziell nicht gerade ausgezeichnet geht.


    Das einem Regisseur sehr viel zum Parsifal einfallen kann, hat z.B. Herheim in Bayreuth bewiesen. Und selbst ein "Provinztheater", wie das der Hansestadt Lübeck bietet mit seinem Parsifal mehr Reibungsfläche.



    Die Spannung kann eigentlich nur aus der Musik heraus entstehen und kann von der Inszenierung durch passende und möglichst eindrucksvolle Bilder unterstrichen werden.

    Ist das so? - Ich befürchte, dass eine solche Inszenierung gar zu schnell zur reinen und schlimmstenfalls bombastischen Bebilderung wird, als deren Wirkung am Ende auch nur ein schaler Nachgeschmack bleibt.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • die Buh-Rufe für Thielemann habe ich wohl überhört, denn sie wären wirklich ungerecht gewesen. Allerdings stimmt das, was Yorick hier gesagt hat, die Inszenierung schadet dem Ruf aller Beteiligten, der Oper, der Festspiele und des Komponisten, also auch Thielemann, der sich für solch einen Unsinn tatsächlich hat verheizen lassen. Und aus diesem Grunde haben vielleicht einige im Publikum ihm zu verstehen geben wollen, dass auch ihn die Mitschuld trifft, wenn er sich für diesen Schund hergegeben hat, allerdings ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass er für einen anderen eingesprungen ist, als die Inszenierung wohl bereits stand. Aber auch da hätte er ja - denn ich denke, dass er nicht ganz in Unkenntnis darüber war, was dort verzapft wurde - absagen können. Dass er sich doch hergegeben hat, kratzt mit Sicherheit auch ein wenig an seinem Ruhm, vor allem, weil man ja hört, dass er kein Freund des Verunstaltungstheaters sei, sich also selbst untreu geworden ist.


    Hierzu aus einer Kritik auf klassikinfo: "Im Vorfeld der „Parsifal“-Premiere lobte Thielemann schon mal den Regisseur der Produktion Michael Schulz dafür, dass er das Werk nicht in einem Parkhaus oder in einem Flughafen spielen lasse und Farben und Effekte aufbiete." (zuletzt aufgerufen am 25.03.2013). Sofern Thielemann sich tatsächlich so geäußert hat, was unbenommen sein gutes Recht wäre, fragt sich, ob er tatsächlich das Anti-Regietheater-Bollwerk ist, zu welchem er hier im Forum beizeiten gemacht wird. - Mir scheint vielmehr, dass er durchaus zu einer differenzierteren Sichtweise in der Lage ist.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Richtige Beobachtung, lieber Michael. Ich schrieb dazu ja auch schon einige Male etwas. Natürlich ist Thielemann nicht das von vielen ersehnte Bollwerk gegen das Regietheater, sozusagen der Parsifal, der Erlöser. Da wird viel Wunschdenken hineininterpretiert. Dafür kann Thielemann selbst gar nicht viel. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Ab nächstem Jahr wird er ja wohl selbst den Regisseur bei "seinen" Osterfestspielen auswählen. Heuer war ihm dieser, soviel ich hörte, ja noch vorgegeben.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich zitiere wörtlich einen Bericht der heutigen Tagespresse:


    Staatskapelle begeistert bei Parsifal in Salzburg

    Salzburg/Dresden - Europas "Wunderharfe" die Sächsische Staatskapelle, wurde zur Premiere der Wagner- Oper "Parsifal" in Salzburg mit einem Sturm der Begeisterung gefeiert. Ihr süffig- seidener Streichersound verlieh den Osterfestspielen Glanz. Dirigent Christian Thielemann (53) hat den Dresdner Klangkörper damit als neues Residenzorchester des Nobelfestivals etabliert.
    Startenor Johan Botha (47) sang den Parsifal.
    Nur die kitschige Inszenierung des "Bühnenweihfestspiels" fiel beim Publikum glatt durch.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Da hat der Kritiker unserer Tageszeitung (RP) etwas anderes gehört. Die Streicher kamen bei ihm ja auch noch ganz gut weg, aber das Blech.... die müssen wohl noch üben.
    Ist mir übrigens auch aufgefallen. Von unseren Orchestern ist man das ja gewöhnt, dass es bei den Blechbläsern manchmal scheppert, aber bei einem angeblichen Spitzen-Orchester ?(

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Da hat der Kritiker unserer Tageszeitung (RP) etwas anderes gehört.


    Ja, das glaube ich Dir, Harald. So unterschiedlich können eben Meinungen sein, auch von Kritikern. Deshalb habe ich auch "ich zitiere wörtlich" geschrieben.
    Mal sehen, wie unsere Mitglieder die unterschiedlichen Kritiken bewerten.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Es ist interessant, wie unterschiedlich die Presse das Abschneiden das Blechs bewertet. Die Tageszeitung (RP) spricht es offen an, Der Kurier spricht von "kleinen Unsauberkeiten", Der Standard spricht euphemistisch vom "extrovertierten" Blech, die Bild verschweigt es ganz.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Oha, das ist eine ziemliche "Watschen" für die Sächsische Staatskapelle. Offenbar ist der Auftakt missglückt. Vielleicht bereut man es gar schon, überhaupt vom Berliner Stammorchester nach Elbflorenz gewechselt zu sein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Über Thielemann sind sich aber alle einig - voll des Lobes. Wolfram Goertz schließt seinen Bericht sinngemäß mit der Feststellung: musikalisch wunderbar, wenn anstelle der Dresdner die Berliner Philharmoniker gespielt hätten....

    Oha, das ist eine ziemliche "Watschen" für die Sächsische Staatskapelle. Offenbar ist der Auftakt missglückt. Vielleicht bereut man es gar schon, überhaupt vom Berliner Stammorchester nach Elbflorenz gewechselt zu sein.


    Man sollte nicht völlig ignorieren, dass es für das Orchester eine zweifach neue Situation gewesen ist: Thielemann ist noch nicht gar so lange Chef der Staatskapelle und sie (das Orchester, nicht Thielemann) spielen m.W. das erste Mal bei den Salzburger Festspielen. Ein reflexhafter Verweis auf die ach so viel besseren Berliner (oder auch Wiener) scheint mir unangemessen. Was ich in der Fernsehübertragung an Orchesterleistung gehört habe, rechtfertigt ebenfalls ein "Abwatschen" in keiner Weise und ein zu lautes Blech (und das kenne ich von den Hamburger Philharmonikern wahrlich zur genüge ...) habe ich auch nicht vernommen, wobei der Live-Eindruck natürlich unbestritten ein anderer gewesen sein kann.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Vielleicht bereut man es gar schon, überhaupt vom Berliner Stammorchester nach Elbflorenz gewechselt zu sein.


    Dir ist offenbar nicht klar, dass die Entscheidung von den Berlinern ausging!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Das einem Regisseur sehr viel zum Parsifal einfallen kann, hat z.B. Herheim in Bayreuth bewiesen.


    Da bin ich geneigt zu widersprechen. Herheim ist zu Parsifal gar nichts eingefallen. Er hat in seiner bekannten (und teilweise bewährten) Manier das Stück Stück sein lassen und sich eine völlig neue Geschichte dazu einfallen lassen. Das hat mit Wagners Parsifal nichts zu tun, man betrachtet eine - von mir aus interessante - neue Geschichte wie einen Stummfilm und als Hintergrundmusik läuft Wagners Parsifal.
    Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen bietet er zumeist viel geschlossenere und vor allem optisch attraktivere Arbeiten, aber ob seine Meta-Inszenierungen im Sinne der Urheber der Werke sind, kann zutiefst bezweifelt werden.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Da bin ich aber froh, dass ich - nachdem in den ersten Akt eingestiegen bin (ca. 10 Minuten vor der Schreit-Musik) aus optischen und akkustischen Gründen zu Beginn der Schreit - Musik die Übertragung wieder verlassen habe. Da ist mir noch einiges erspart geblieben.

  • Was bei aller Diskussion überhaupt noch nicht erwähnt wurde, aber durchaus interessant ist -
    sind die Eintrittspreise! Wie ich gelesen habe, lagen diese zwischen 70 bis 490 €uronen.
    Selbst wenn man mal die negativen Bewertungen des Festspielabends wegläßt, d. h. also im Klartext, ein Ehepaar z.B. auf einem Mittelplatz, zahlt 500 € !!!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Zitat von Crissy: Selbst wenn man mal die negativen Bewertungen des Festspielabends wegläßt, d. h. also im Klartext, ein Ehepaar z.B. auf einem Mittelplatz, zahlt 500 € !!!

    Und es gibt tatsächlich Leute, die für solchen Müll diese Preise zahlen!!!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Und es gibt tatsächlich Leute, die für solchen Müll diese Preise zahlen!!!


    Hallo Gerhard, hallo Chrissy!


    Manche Leute brauchen das! Es ist der besondere Kick! Die Musik ist dann eh Nebensache! :thumbdown:




    Regietheater? Nein danke, mir ist schon schlecht! ;(

    W.S.

  • Zitat Chrissy: "Wie ich gelesen habe, lagen diese zwischen 70 bis 490 €uronen.
    Selbst wenn man mal die negativen Bewertungen des Festspielabends wegläßt, d. h. also im Klartext, ein Ehepaar z.B. auf einem Mittelplatz, zahlt 500 € !!!"


    Für 70 Euro bekommen nur Studenten mit Ausweis die ganz wenigen hinteren Plätze. Ansonsten kostet die Karte in der niedrigsten Kategorie 280 Euro. Dein Ehepaar, lieber Chrissy, dass sich also mal so den "Parsifal" hätte anschauen wollen, wäre 560 Euro los gewesen. Aber für das nette Ehepaar ist Salzburg auch nicht ausgelegt. Es sei denn, es ist bereits und in der Lage, diese Preise zu bezahlen. Die Sicht ist im großen Haus, das ja ehr einem Kino ähnelt, von überall her nicht schlecht, die Akustik nicht unproblematisch. Im Haus klingt es noch anders als im Radio. Ich habe das selbst mehrfach erlebt. Aus diesem Grund dürfte auch die Dresdener Staatskapelle ihre Schwierigkeiten gehabt haben. War denn eigentlich jemand in der Vorstellung oder leben wir alle hier von der Wiedergabe, vom akustischen Abbild?


    Im übrigen ist das heute mehr denn je ein Festival der Eitelkeiten und des Geldes, wogegen ich nichts habe. Es ist nun einmal so. Wenig altes Geld ist da allerdings unterwegs. Frauen in fürchterlich grellen Fummeln. Ganz wenig Eleganz. Viel Botox. Kloschüsselfabrikanten, wie Thomas Mann gelästert hätte.


    Um die Kunst geht es meistens nur noch in den nachbetrachtenden Beiträgen der Feuilletons. Und die waren in der Tat sehr unterschiedlich bei diesem Parsifal. Im Berliner Tagesspiel war davon die Rede, dass Thielemann die Sänger "liebevoll" begleitet hätte. Das sagt ja auch einiges. Persönlich halte ich sehr viel von diesem Dirigenten. Leider versteht er nichts von Stimmen. Seine eigene Eitelkeit ist wohl auch der Grund dafür, dass er so wenig Einfluss zu nehmen scheint auf die Optik. Aber ein guter Dirigent reicht eben nicht. Oper ist mehr, viel mehr.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • 1. Bei mir lief 3 Sat über Digital, mit vielen Tonstörungen, Aussetzer, Tonschwankungen, an Dolby Didital war nicht zu denken. Der Sender hat auch ständig eine Tafel eingeblendet mit Entschuldigungen für die Tonstörungen. Nach Umschalten auf analoges Fernsehen waren diese Tonstörungen weg, aber verbunden nicht nur mit schlechterem Bild, sonders auch mit verschlechtertem Ton. Konnte ich digital noch bei Lautstärkesskala 10-12 empfangen, mußte ich bei analog auf 30-40 aufdrehen, um gleiche Lautstärke zu empfanken. Ob das die Leistung des Orchesters anders rübergebracht hat, weiß ich nicht.


    2. Im Neuen Merker sind 2 Kritiken über die Inszenierung zu lesen. Eine Kritik überschlägt sich fast vor Bewunderung über den samtenen Klang und die exquisite Gesamtleistung des Teams Staatskapelle - Thielemann. Und auch die zweite Kritik spart nicht mit Lob, es wird lediglich ein einziger verwackelter Bläsereinsatz im 3 Akt kritisiert.


    Man muß schon differenzieren, wer über welches Orchester gut oder schlecht schreibt. Wem nützt es???? Cui bono??


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • 1. Bei mir lief 3 Sat über Digital, mit vielen Tonstörungen, Aussetzer, Tonschwankungen, an Dolby Digital war nicht zu denken.

    Bei uns lief 3sat über DVB-T einwandfrei. Glück gehabt...



    Zitat

    Man muß schon differenzieren, wer über welches Orchester gut oder schlecht schreibt. Wem nützt es???? Cui bono??

    Nun, mir hat der Orchesterklang sehr gut gefallen. Auch ein Besucher vor Ort schwärmte davon mir gegenüber und sprach von betörenden Pianissimi und vielen geradezu impressionistischen Momenten. Erbsenzähler führen Strichlisten für die Fehler der Bläser...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Bei uns lief 3sat über DVB-T einwandfrei. Glück gehabt


    Wir haben Kabel Deutschland, also DVB-C, und wir haben in der Wohnung nicht nur eine Fernsehmaschine. Auf jeder war bei DVB-C diese Störung. Pech gehabt, aber nur relativ. Bin beim Analogfernsehen nach dem 1. Akt eingeschlafen, habe nur noch das Marsmännchen gesehen. Da wußte ich, wohin die Astronauten geflogen sind.


    Vielleicht sollte ich mir doch eine Stabantenne aufstellen. Schüssel ist bei uns verboten.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Salzburg und Bayreuth haben allerhöchste Ansprüche, was sich ja auch in der Nachfrage und den Preisen ausdrückt. Dafür muss die aufgeführte Oper perfekt sein. Die Oper als Gesamtkunstwerk, gerade bei Wagner, in diesem Rahmen darf sich keine Schwäche erlauben. Licht, Regie, Kostüme, Bühne, Chor, Orchester, Dirigent, Sänger bis in die letzte Nebenrolle, müssen erstklassig sein. Ich habe eine solche Aufführung auf DVD, nämlich die Salzburger Aufführung des "Totenhauses" unter Claudio Abbado (im Opernführer steht darüber ein Artikel von mir). Dass dieser "Parsifal" mehr als eine gravierende Schwäche hatte, kann man ja den Berichten und Kritiken entnehmen. Ein zentraler Fehler entwertet ein solches Stück auf Null, da bin ich ganz hart. In Gelsenkirchen gab es einmal eine großartige "Tote Stadt" mit Burckhard Fritz als Tenor, eine Aufführung, die keine Wünsche offenließ, und danach mit N.S., der restlos überfordert war. Damit war für mich die ganze Aufführung verloren. Eigentlich müsste man Parsifal vielleicht mit Jim Morrison besetzen oder wenigstens mit Klaus Florian Vogt. Aber nie und nimmer mit Johan Botha. Er wird hier als Weltstar bezeichnet. Wieso eigentlich? Mir ist auch aufgefallen, dass sein Beifall deutlich schwächer ausfiel als bei den anderen und er war sichtlich enttäuscht. Über sein Spiel habe ich ja im thread "Eine Andacht im Krematorium" geschrieben, ich nehme davon nichts zurück.
    Eine Frage habe ich noch: kann mir jemand eine Rolle nennen, in der er Johan Botha gerne hören und sehen möchte?

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

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